Kapitel 3: Marzial
Mirela saß zwischen Rick und Bobby auf der Couch im Gryffindor-Gemeinschaftsraum, der an diesem sonnigen Nachmittag bis auf das Trio leer war, und erzählte nun schon seit über einer Stunde von dem vergangenen Abend bei Snape. Rick ging ihr mittlerweile schon etwas auf die Nerven, weil er alles so haarklein wissen wollte. Wie die Räume beschaffen waren, wie genau sich Snape ihr gegenüber verhalten habe ("Und was hat er dann gesagt? Und wie hat er dabei geguckt?"), sogar, welche Bücher sie dort genau gesehen habe. Meine Güte, so interessant war das doch nun auch nicht. Es war doch um ganz andere Dinge gegangen. Naja, aber wenn er halt so wissbegierig war, warum nicht? Sie machte ihm die Freude und gab brav über alles Auskunft. Ihr Bericht über Snapes Verhalten schien Rick nicht zu befriedigen. Weder gefiel es ihm, dass der sonst so gemeine Professor freundlich und höflich gewesen war, noch anscheinend, dass er nicht noch freundlicher wurde. Er fragte nun schon x-ten Mal, ob Snape sie nicht auch irgendwie berührt hätte; was sollte der Quatsch? Irgendwann ließ er das endlich sein und erkundigte sich eingehender nach anderen Details: "Jetzt versuch dich doch mal zu erinnern: Was stand auf den Buchrücken?"
Mirela dachte kurz nach und fing an aufzuzählen: "'Fidelio', 'Partitur zur Fünften Sinfonie', 'Harmonien in....'"
"Nein, nein, nein", unterbrach Rick sie ärgerlich, "ich meine die anderen Bücher, die er da noch hat. Magie und Alchemie."
"Aaaaah", machte Mirela grübelnd, "ja, solche standen da wie gesagt auch. Obwohl ich mich frage, warum er die nicht vorne im Unterrichtsraum bei den anderen Lehrbüchern stehen hat. Naja, Platzmangel vielleicht. Also, die Titel, hm, ich weiß nur noch ein paar: 'Vergessene Tränke des Mittelalters', 'Index Venenorum', 'Codex Artium Obscurorum et Sinistrorum', 'Anathemae Prohibitae', ..."
Rick pfiff leise durch die Zähne und murmelte: "Dachte ich´s mir doch!"
"Was?"
"Ach nichts. Einfach nur, dass jemand wie Snape interessante Bücher besitzt."
"Hm, ja ..."
Rick schien noch kurz über etwas nachzusinnen, wobei ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht lag, dann riss er sich plötzlich aus den Gedanken und stand auf. "Okay", sagte er, "gehst du heute Abend wieder hin?"
"Zu Snape? Ja, ich möchte dort Geige üben. Von acht bis zehn stellt er mir den Raum zur Verfügung."
"Wie nett von ihm", sagte Rick mit honigsüßer Stimme, "dann solltest du aber auch besonders nett zu ihm sein!"
Mirela sah ihn fast ebenso verständnislos an wie Bobby, der schon die ganze Zeit hoffte, mal irgendeinen Teil der Unterhaltung zu kapieren. Rick verdrehte die Augen: "Guckt mich nicht an wie die Kälber den Metzger! Der ganze Plan ist doch nicht so schwer zu begreifen, oder?"
"Plan?" fragten Mirela und Bobby wie aus einem Mund und sahen sich an. "Ja, meine Güte, unser Rachefeldzug gegen Snape, schon vergessen? Du bist jetzt unser wertvollstes Mittel, Mirela, ist dir das klar? Hm, offenbar nicht, so wie du mich anglotzt. Äh, ´tschuldigung. Also, ich erklär´s euch jetzt mal..." Beinahe hätte er gesagt "für Doofe", doch um seine Verbündeten nicht zu verärgern, wandelte er es um, in ein schlichtes: "in allen Einzelheiten". Er ging kurz vor den beiden auf und ab, die Arme auf dem Rücken verschränkt wie ein Feldherr, und fuhr dann fort: "So wie ich die Sache sehe, kann sich unser guter Professor Snape deinen Halbveela-Reizen ebenso wenig entziehen, wie der Rest der männlichen Menschheit. Auch wenn er bisher versucht hat, sich dagegen zu wehren. Es war ja schon auffällig, dass er zu dir immer so besonders abweisend war. Aber jetzt hat er wohl beschlossen, dir näher zu kommen, also gut, soll er! Hilf ein bisschen nach, Mirela, das Ganze muss sich ja nicht endlos hinziehen, oder? Sei nett, sei... hübsch. Aufreizend, okay? Zieh dir was richtig Schnuckeliges an, wenn du hingehst, lass deine Bluse ein Stück weiter offen und so. Nimm dieses verflixte Veela-Parfum, das deine Oma dir geschenkt hat. Meine Güte, dir wird schon was einfallen. Verdreh ihm seinen verdammt akkuraten Verstand! Vor allem, geh immer möglichst dicht an ihn ran, berühre ihn ganz aus Versehen und so..."
Mirela starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen ungläubig an: "Das ist nicht dein Ernst, oder?"
"Doch", sagte Rick schlicht, und er sah wirklich nicht aus, als ob er Witze machte.
"Hör mal!" schrie Mirela nun leicht hysterisch, "gestern hast du mich noch gewarnt, dass Snape sonst was mit mir vorhaben könnte, und jetzt soll ich es provozieren? Ich dachte, du wolltest mich beschützen?"
"Ich wette, du kannst auf dich selbst aufpassen", sagte Rick kalt, "und der Zweck heiligt die Mittel."
"Welcher Zweck?" Rick grinste hinterhältig, als er sagte: "Der Zweck, diese Schule von einem lästigen Übel zu befreien. Ich geb dir was mit, und sobald er dich mal in dem Privatraum allein lässt, versteckst du das gut in einer Ecke, klar? Es ist ein Observator, so eine kleine Glaskugel, die alle Geschehnisse im Raum in sich aufnimmt und später dem Betrachter zeigt. Wenn wir das in der Hand haben... oooh, könnt ihr euch das ausmalen, Leute? Du musst Snape nur dazu bringen, dich vor den Augen dieses Dings anzufassen, zu küssen oder irgendwas in der Art. Das wirst du doch wohl schaffen? Und dann spielen wir es ab, vor allen Schülern und Lehrern. Wie ich schon einmal sagte: Im Staub soll er kriechen, wie es sich für eine Schlange gehört! Ich will es erleben, wie dieser überhebliche Kerl in Grund und Boden gedemütigt wird, bevor er die Schule verlassen muss! Denn das muss er, das ist der eigentliche Sinn der Aktion."
Mirela blickte ihren Freund ungläubig an und versuchte immer noch, den Sinn seiner Worte ganz zu begreifen. Sie fühlte sich bei dieser Vorstellung keineswegs so gut wie er, sondern äußerst unbehaglich. Sie dachte an den ganz anderen Snape, den sie unten im Musikzimmer kennengelernt hatte. "Das ist... ziemlich gemein, oder?", stammelte sie.
"Gemein!" schnaubte Rick. "Gemeinheit gegen Gemeinheit, na und? Hast du an einem einzigen sentimentalen Abend vergessen, was er uns jahrelang angetan hat? Er hat uns sechs Jahre unseres Lebens zur Hölle gemacht! Aber das siebte wird er nicht bekommen! Sieh dir Bobby hier an: Wenn Snape bleibt, hat er keine Chance, die Abschlussprüfungen zu bestehen! Du wirst doch nicht vergessen haben, wer deine Freunde sind?"
Mirela schüttelte zaghaft den Kopf. "Na siehst du", meinte Rick gönnerhaft, "nur du kannst uns helfen, und ich weiß, du lässt deine besten Freunde nicht im Stich. Du schaffst es, Mirela! Du hast mehr von einer Veela in dir, als die Welt bisher ahnt! Um was wetten wir, dass du ihn rumkriegst?"
Mirela grinste ein wenig. Nein, wetten wollte sie nicht, aber ihr Ehrgeiz war angespornt. War sie nicht wirklich immer sauer gewesen auf Snape, den einzigen, der gegen ihre Reize offensichtlich unempfindlich war? Es war eine Herausforderung, ihre Veela-Kräfte an seinem Widerstand zu messen. So deutlich wie selten, fühlte Mirela ihre Doppelnatur: Sie hatte eine menschliche, mitfühlende Seite, aber auch eine sehr veelahaft-kalte und eitle. Und Rick schaffte es gerade hervorragend, der letzteren zur Vorherrschaft zu verhelfen. Dennoch, tief in ihr nagte die Stimme weiter, die sagte, hier sei etwas gründlich falsch. Rick schien ihren Zwiespalt genau zu erkennen und machte ihr ein Angebot: "Okay, du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Oder nicht kannst... Lass uns einen Deal machen: Du guckst dir Snape nachher in der Zaubertrank-Stunde an, und danach sagst du mir, ob er es verdient hat oder nicht. Okay?" Mirela nickte. Das klang nach einer fairen Entscheidung. "Ich muss noch mal in die Bibliothek", fiel ihr dann ein, und sie verließ den Raum, "wir sehen uns dann nachher in 'Kräuterkunde' und danach in 'Zaubertränke'."
Als sie draußen war, grinste Rick Bobby an und sagte, mehr zu sich selbst, als zu ihm: "Er wird seine Strafe bekommen. Für die letzten sechs Jahre, und dafür, dass eine elende Slytherin-Schlange wie er die Augen auf mein Eigentum richtet!" Bobby grinste zurück, obwohl er die letzten Worte nicht begriffen hatte. Und es war besser für Rick, dass Mirela sie nicht mehr gehört hatte.
***
In Kräuterkunde standen heute die fleischfressenden Pflanzen auf dem Unterrichtsplan. Professor Sprouts Ausführungen darüber waren recht interessant gewesen, aber aus irgendeinem Grund meinte sie nun, alles noch einmal zusammenfassen zu müssen, und wiederholte sich dabei derart ausschweifend, dass ihr kaum mehr jemand zuhörte. Rick befasste sich lieber mit der Praxis. Fasziniert betrachtete er eine Fluoreszierende Fesselpflanze. Diese Sorte lockte Insekten auf ihre wunderschönen, schillernden Blüten, indem sie Pheromone ausströmte: Düfte, die den Sexuallockstoffen bestimmter Insekten glichen. Saß so ein kleines Tier erst einmal auf der Blüte, wurde es langsam, aber unentrinnbar von den dünnen Fäden der Blüte eingewickelt und schließlich zersetzt. Die Pflanze arbeitete somit ähnlich wie eine Spinne, nur war sie ungleich lieblicher anzusehen und zu riechen. Ein trügerischer Liebreiz.
Rick streifte durch das Gewächshaus und fand endlich, was er suchte: einen kleinen, schwarzglänzenden Käfer. Behutsam hob er ihn auf und trug ihn in die Nähe der Fluoreszierenden Fesselpflanze. "Na komm, Kleiner, schnupper mal!" flüsterte er. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der Käfer seine Flügel ausbreitete und zielstrebig auf die Blüte zuflog. Kaum war er auf der verlockenden Duftquelle gelandet, schossen die ersten klebrigen Fäden hervor und hielten ihn fest. Danach ging alles sehr langsam. Lächelnd schaute Rick zu, wie die Pflanze das kleine Insekt immer fester und fester einwickelte, bis irgendwann nichts mehr von ihm zu sehen war. "So einfach geht das", murmelte Rick, "die Reaktionen von Lebewesen sind so berechenbar."
Auch Mirela und Bobby beschäftigten sich anderweitig, statt der Lehrerin zuzuhören. Sie sammelten ein paar Abfälle ein und trugen sie zum Komposthaufen. Eine verdorrte Frucht fiel Mirela herunter, und sie bückte sich gleichzeitig mit Bobby danach. Vor dem Komposthaufen hockend, entdeckte Mirela etwas in einer Ritze. "Guck mal, da unten wächst ja ein Ableger raus", zeigte sie Bobby.
"Och ja", staunte der, "´ne kleine Pflanze. Wie kommt die denn da unten hin?"
"Da muss ein Same in die Ritze vom Komposthaufen gefallen sein", erklärte Mirela, "und die Pflanze ist dann halt dort gewachsen. Was sollte sie machen? Einfach einzugehen, dazu hatte sie wohl keine Lust. Guck mal, was die für einen langen Stengel bilden musste, um aus dem dunklen Spalt bis vorne ins Helle zu kommen! Na ja, etwas blass ist sie ja, nicht sehr grün um die Nase, aber sie hat es geschafft. Tapfere kleine Pflanze. Wer hätte gedacht, dass die einmal ihre Blätter raus ans Licht streckt."
"Und was machen wir jetzt damit?", fragte Bobby.
"Ich weiß nicht", überlegte Mirela, "ob es besser ist, sie dort zu lassen, oder ob wir sie vorsichtig umpflanzen können. Sieht ziemlich zerbrechlich aus." Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Sie hatten nicht bemerkt, dass Rick sich von hinten genähert hatte. Mit einem kurzen, harten Griff packte er die Pflanze und knickte ihren Stängel ab.
"Warum hast du das getan?" fuhr ihn Mirela an, "die arme Pflanze hatte es gerade geschafft, und du..."
Rick sah sie verächtlich an. "Du heulst wohl wegen jedem Unkraut?", schnaubte er und warf ihr die zerbrochene kleine Pflanze vor die Füße. Er trat noch einmal kurz drauf und ging dann, ohne sich umzusehen.
Mirela sah ihm nach und schluckte ein paar Tränen hinunter. Er sollte nicht auch noch recht behalten, dass sie wegen so etwas heulte. Manchmal war ihr Rick irgendwie unheimlich. Dann mochte sie Bobby lieber, auch wenn er nicht der Hellste war. Der dickliche Junge legte tröstend einen Arm um sie und sagte: "Komm, Miri, wir müssen runter zu Snape. 'Zaubertränke' fängt gleich an." Oh ja, 'Zaubertränke'! Snape... Er konnte nicht ahnen, wie viel von seinem heutigen Verhalten abhing. Mirela war sich in diesem Moment fast sicher, dass sie entscheiden würde, er habe keine "Strafe" verdient. Nach dem vergangenen Abend war sie geneigt, einiges mehr zu übersehen, als bis gestern noch. Und Rick gefiel ihr immer weniger.
***
Der Zaubertrank-Unterricht verlief zunächst ohne besondere Vorkommnisse. Das heißt, Snape war übellaunig und giftete einige Schüler an, zog ein paar Punkte ab. Keine außergewöhnlichen Vorkommnisse eben. Alles hielt sich in Grenzen, und Mirela stellte beruhigt fest, dass sie nachher guten Gewissens zu Snapes Gunsten entscheiden und Ricks irrwitzigen Plan ablehnen konnte. Das einzig Ungewöhnliche war vielleicht, dass sie selbst von Snape heute gar nicht beachtet wurde, solange sie sich nicht freiwillig zu Wort meldete. Er startete keinen einzigen Versuch, sie in Verlegenheit zu bringen. Ein Grund mehr, ihn nicht in die Falle zu locken.
Mirela arbeitete mit Bobby zusammen an einem Kessel. Sorgsam überwachte sie alles, was er tat, denn er war berühmt dafür, die falschen Zutaten, Dosierungen oder Zeitpunkte zu erwischen und ungewollte Katastrophen kleineren oder größeren Ausmaßes anzuzetteln. Bei einem anderen hätte man sagen können: "'Zaubertränke' ist halt nicht sein Fach", aber welches war schon Bobbys Fach? Mit einem dankbaren Grinsen quittierte Bobby Mirelas Hilfeleistungen. Heute würde einmal gar nichts schiefgehen. Stolz betrachtete der Junge den weißlich schimmernden Trank: Er sah genau so aus, wie er sollte.
"Fertig!" verkündete Mirela strahlend. Professor Snape wurde auf die beiden aufmerksam und kam herüber. Er warf einen ziemlich skeptischen Blick in den Kessel, aber er fand nichts zu bemängeln. Prüfend beugte er sich noch einmal darüber - da geschah es! Der Kessel explodierte mit einem lauten Knall und überschüttete Snape mit der heißen Flüssigkeit. Sei erster Reflex war, vor Schreck und Schmerz zurückzuzucken. Dann stürzte er zu seinem Vorratsschrank, wo er für solche Unfälle stets einen starken Kühltrank bereithielt, und behandelte die betroffenen Hautstellen. Augenblicklich waren keinerlei Verletzungen mehr sicht- oder spürbar. Doch Snape sah immer noch aus, als stünde er unter Schock. Dann verwandelte sich der Schock in rasende Wut. Snape stürzte sich auf Bobby, packte ihn mit beiden Händen vorn am Kragen und riss ihn hoch. "So, jetzt reicht es!", schrie er, "der wievielte Anschlag ist das? Diesmal kannst du mir nicht mehr erzählen, es wäre ein Unfall gewesen! Ich habe den Trank gesehen, er war perfekt. Er ist nicht aus Versehen explodiert - zufällig gerade, als ich davor stand!"
Der völlig verängstigte Bobby wollte protestieren, aber Snape ließ ihn nicht zu Wort kommen und nahm ihm zudem mit seinem Griff auch etwas die Luft. "100 Punkte Abzug für Gryffindor!", brüllte Snape, "und die nächste Woche jeden Abend Strafarbeit! Aber nicht bei mir, das wird mir zu gefährlich. Mr Filch soll sich etwas für Sie einfallen lassen. Und ich werde Professor Dumbledore bitten, Sie für den Rest des Schuljahres vom Zaubertränke-Unterricht auszuschließen, wegen ständiger Gefährdung des Lebens Ihres Lehrers und Ihrer Mitschüler!" Er ließ den wimmernden Bobby endlich wieder herunter und rauschte mit wogendem Umhang hinüber zu der Tür seines Schlafzimmers. "Der Unterricht ist für heute beendet!", zischte er noch, verschwand in seinem Zimmer und knallte die Tür zu.
Aufgeregt schnatternd verließ die Klasse den Kerker. Mirela hatte den Arm um den heulenden Bobby gelegt und versuchte ihn zu trösten. Rick ging neben ihnen. "100 Punkte Abzug", sagte Rick zähneknirschend, "damit sind wir nun mit Abstand auf dem letzten Platz."
"Ich muss zu Filch! Jeden Abend!", schluchzte Bobby, "das überlebe ich nicht! Und zum Direktor muss ich auch noch! Buhääää!"
Mirela warf Rick einen sorgenvollen Blick zu: "Dumbledore wird ihn doch nicht wirklich vom Tränke-Unterricht ausschließen, oder? Dann könnte er seine Abschlussprüfung ja endgültig vergessen!"
"Das kann er so oder so", zischte Rick, "solange Snape das Fach unterrichtet. Weißt du jetzt endlich wieder, was der für eine Ratte ist, ja?" Mirela nickte traurig. "Dann tu was für deine Freunde!" forderte Rick und drückte ihr eine Glaskugel in die Hand.
"Was ist das?" fragte sie, obwohl sie es längst wusste.
"Der Observator", sagte Rick, "heute Abend bringst du den in diesem Privatzimmer an, und dann legst du los." Mit einem letzten Rest von Zögern betrachtete Mirela das Gerät in ihrer Hand. Snape hatte sich wirklich sehr gemein und ungerecht verhalten. Aber war das Grund genug...? Doch in diesem Moment heulte der arme Bobby noch einmal laut auf, und Mirelas Gesicht nahm einen finsteren, entschlossenen Ausdruck an. Ja, Snape würde dafür bezahlen. Sie würde nicht zulassen, dass er sie bevorzugte und gleichzeitig ihren Freunden wehtat. Wie hatte sie ihn nur für einen netten Menschen halten können, und Rick für einen gemeinen Kerl? Rick, der sich gerade in diesem Moment rührend um den armen Bobby kümmerte und ihm ein Taschentuch zum Schnäuzen hinhielt. Mirela Sirena Doinescu wusste wieder, wer ihre Freunde waren.
Gemeinsam brachten Mirela und Rick den völlig aufgelösten Bobby in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Sie platzierten ihn aufs Sofa, und Mirela setzte sich dazu, um ihm Beistand zu leisten. Rick legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter und sagte: "Ich bin gleich wieder bei euch, muss nur mal schnell aufs Klo."
Rick war froh, als die Kabinentür zugeschlossen war und er seinem Lachen freien Lauf lassen konnte. "Priori Incantatem!" befahl er, und sein Zauberstab zeigte ihm das Abbild seines letzten Zaubers. Rick musste aufpassen, nicht allzu laut zu lachen, als er sah, wie der Strahl aus seinem Zauberstab Bobbys Kessel zur Explosion brachte und das heiße Zeug Snape voll ins Gesicht spritzte.
***
Professor Dumbledore ging mit abgemessenen Schritten in seinem Büro auf und ab. "Nein, Severus", sagte er ruhig, aber bestimmt, "ich kann keinen Schüler vom Unterricht ausschließen. Das geht nicht. Wie stellst du dir das vor?"
Snape, der bis eben unruhig auf der Kante seines Stuhls gesessen hatte, sprang erregt auf. "Aber ich soll unter diesen Umständen unterrichten? Wie stellst du dir das vor?" Er versuchte nun zum wiederholten Mal verzweifelt, seinem Vorgesetzten und Freund begreiflich zu machen, dass es sich hier nicht um einen harmlosen Schülerstreich handelte: "Es war nicht das erste Mal, dass dieser Junge solche Unfälle verursacht, beileibe nicht. Und diesmal war völlig klar, dass es kein Unfall war, sondern Absicht! Bitte glaub mir doch, ich kann das beurteilen! Dieser Trank konnte nicht explodieren, außer wenn man ihn stark manipuliert hat. Er hat ihn auf irgendeine Weise sehr gezielt genau in dem Moment verspritzt, als ich mit dem Gesicht ganz nah an den Kessel herankam. Es hat gemein wehgetan, Albus..."
Der Schulleiter unterbrach ihn und versuchte ihn zu beruhigen: "Sicher hat es das, Severus, ich glaube dir ja. Aber du bist zum Glück der Meister der Zaubertränke und konntest dich unverzüglich heilen." Er zwinkerte ihm zu, was aber, Snapes Ansicht nach, der Situation völlig unangemessen war und ihn nur noch mehr aufregte. "Und was wäre, wenn es nicht dieser harmlose Trank gewesen wäre, sondern ein ätzender oder hochwirksamer oder giftiger? Heute war er 'nur' kochendheiß, und ich konnte die Folgen schnell beseitigen. Aber was wird diesem kleinen Teufel morgen einfallen?"
Dumbledore hob beschwichtigend die Hände: "Severus! Hör bitte endlich auf, hinter jeder Ecke einen Mörder lauern zu sehen! Ich weiß, du hast in deinem Leben ein paar schlimme Erfahrungen gemacht..."
"Ein paar...", schnaubte Snape.
"Lass mich ausreden", bat Dumbledore, "ich weiß das ja alles. Aber du kannst doch nicht immer so misstrauisch sein. Niemand will dich umbringen oder dir in irgendeiner Weise ernsthaft schaden. Oh, nun, natürlich...", er schwieg einen Moment betreten, "abgesehen von Voldemort. Aber hier in Hogwarts will dir niemand etwas Böses."
Snapes Stimme war voller Bitterkeit, als er erwiderte: "Albus, der erste Mordanschlag auf mich fand statt, als ich gerade einmal sechzehn war. Und zwar hier, in der 'heilen' Welt von Hogwarts!"
Der alte Mann seufzte: "Ich weiß ja, Severus, ich weiß. Aber das ist so lange her. Du musst lernen zu vergessen, Severus, Du musst lernen, Menschen zu vertrauen. Gibt es nicht irgendjemanden, dem zu vertrauen du dir vorstellen könntest?"
"Ich vertraue dir, Albus", sagte Snape leise, "reicht das nicht?"
"Nein", befand Dumbledore, " ich kann nicht in jedem Augenblick da sein, in dem du einen Menschen brauchst, und irgendwann... irgendwann werde ich gar nicht mehr da sein, Severus, und was dann? Bitte, versuch Kontakt zu jüngeren Menschen zu bekommen, Kollegen, von mir aus Schüler. Es muss doch irgendwen geben, mit dem dich gemeinsame Interessen verbinden. Jemand, der sich für Zaubertränke interessiert. Oder für deine Musik..." Snape hob kurz den Kopf. "Ah", machte Dumbledore schmunzelnd, "gibt es jemanden?"
"Vielleicht...", murmelte Snape unsicher. Der alte Zauberer legte ihm einen Arm um die Schulter und bat: "Dann ergreife diese Gelegenheit, Severus, und übe jemandem zu vertrauen! Bitte."
Das Thema wurde Snape langsam unheimlich, und er riss sich mit einer schnellen Bewegung aus dem Griff seines alten Freundes los. "Also keine Strafe für Bobby?" fragte er unwillig.
"Doch, doch", sagte Dumbledore, "der Punktabzug und die Abende bei Mr Filch bleiben bestehen. Aber du wirst ihn in deinem Unterricht behalten. Ich rede nachher mit ihm. Ich bin mir sicher, es war nur ein Versehen und wird nicht wieder vorkommen." Snape verdrehte die Augen und rauschte hinaus.
Zurück