Seltsame Wege

 

 

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Kapitel 15: Rückkehr





Es war nun schon fast ein Jahr her, als Hermine die ehrwürdigen Mauern von Hogwarts hinter sich lies. Sie hatte Erfolge gefeiert, ein Buch veröffentlicht, Verabredungen getroffen - und war dennoch einsam geblieben. Die Eintönigkeit ihres Lebens barg eine sichere Zuflucht. Sie ging noch immer nicht gerne unter Menschen. Männer machten ihr häufig Angst.

Eigentlich hatte Hermine studieren wollen. Eine große Karriere als Professorin schien ihr erstrebenswert. Doch es war ihr ein Graus unter anderen ihres Alters zu sein. Ihre stumpfen Vergnügungen hatten den Reiz für sie verloren. Mehr aus Langeweile hatte sie mit dem Schreiben begonnen, und wie alles andere auch mit Bravour gemeistert. Ihr Werk "Zaubertränke unserer Zeit" war ein Bestseller geworden - zumindest in der Zauberwelt.

Was sie letztlich dazu getrieben hatte, Snape ein Exemplar zu schicken? Sie wusste es nicht. Vielleicht tat sie es, damit er sah, wie sein Schaffen sie inspiriert hatte, oder weil sie wollte, dass er doch noch stolz auf sie war.

Sie erhielt keine Antwort.



***




Severus hatte irgendwann begriffen, dass sein Leben weitergehen musste. Das Trinken und Toben hatte keinen Sinn. Er kehrte zu seiner alten Kälte zurück, der Gleichgültigkeit gegen Andere. Und gerade, als er sich mit den Tatsachen abfand, erhielt er ein Päckchen von ihr.

Verehrter Professor Snape,

Ich hoffe, Sie erfreuen sich bester Gesundheit? Meinen Wunsch, irgendwann Professorin zu werden, habe ich beigelegt. Doch es wird Sie hoffentlich freuen zu erfahren, dass ich nicht untätig war. Anbei schicke ich Ihnen mein Erstlingswerk "Zaubertränke unserer Zeit", eine kleine Übersicht über die einfachen Elixiere. Ich habe viel von Ihnen gelernt. Und dafür danke. Sicher war ich eine große Belastung für die Nerven, somit auch danke für Ihre Geduld.

Ich verbleibe mit besten Grüssen

Hermine Granger


Ihre kleine schnörkelige Schrift zu sehen, den leichten Duft ihres Parfums auf dem Pergament, die azurblaue Tinte - all das hatte er schon lange gemisst. Und ihr Buch! Es war gut. Verblüffend ihre Ausführungen und teilweise so einfach verständlich wie für einen Anfänger. Sie hatte sich selbst übertroffen. Er war stolz auf sie. Und dennoch tat es weh, wieder von ihr zu hören, fast so, als hätte er sie erst gestern gesehen.

Der Drang ihr zu antworten war fast übermächtig, allein sein Stolz hielt ihn zurück. Niemals würde ein Snape einem Schlammblut hinterher laufen. Nie wieder würde er sich so erniedrigen! Niemals...

Zwei Stunden später schickte Albus Dumbledore auf Severus' anraten hin, eine Einladung für Miss Hermine Granger ab. Sie sollte eine Buchbesprechung für die höheren Schüler halten. Und anschließend auf dem Abschlussball ihrer ehemaligen Schulfreundin Ginny das Tanzbein schwingen. (O- Ton Albus)

Der Direktor hatte diesen Brief nur ungern weggeschickt. Er machte sich Sorgen, wie Sev auf ihr Erscheinen, oder schlimmer noch, auf ihr Nichterscheinen reagieren würde. Er schien von fast fiebriger Vorfreude erfüllt und sprach tatsächlich fast zehn Minuten lobenswert über eine Gryffindor.

Die nächsten Tage waren für die Schüler des Tränkemeisters eine Tortur. Schwankend zwischen Freude und Unsicherheit, verteilte er überschwänglich Strafarbeiten und Punktabzüge.



***




Hermine sah den Brief lange an. Drehte und wendete ihn, doch kein einziges Wort von Severus war dabei. Die Einladung war eine Ehre und eine Verpflichtung, die sie nicht ablehnen konnte. Und irgendwie freute sie sich darauf. Auf das freundliche Funkeln in Dumbledores Augen, den strengen Blick von McGonagall, die Hausgeister und... sie freute sich auf die Gespräche mit Snape. Ob sie sich wieder austauschen könnten wie damals? Würde er wieder den Kopf leicht schief legen, wenn sie ihre Meinung vertrat?

Es war seltsam, doch sie fühlte sich ihm näher, als sonst jemanden. Er hatte ihre Geheimnisse geteilt, auch wenn dies nicht ihr Wunsch gewesen war. Sie hatte sein Innerstes erkennen dürfen, sie hatten sich in der schwersten Stunde beigestanden... Er würde das doch sicher anerkennen?

Sie freute sich auf ihren Besuch. Und Freude war kostbar geworden in den letzten Monaten.



***




Hagrid holte sie zwei Wochen später am Bahnhof in Hogsmeade ab. Er plapperte die ganze Zeit fröhlich auf sie ein, und als sie die Erker des Schlosses erblickte, fühlte sie sich endlich daheim. Eine Zufriedenheit nahm von ihr Besitz und all die Schrecken der unsagbaren Nacht waren vergessen. Hier war sie glücklich gewesen, als wäre es schon hundert Jahre her.

Doch ihre Zufriedenheit wurde zur reinen Freude, als sie von Professor McGonagall in Empfang genommen wurde.

"Mein liebes Kind! Es ist schön Sie wieder zu sehen!"

Hermine errötete angesichts der Herzlichkeit, die sie so gar nicht von ihrer Hauslehrerin gewohnt war. Sicher, Minerva war streng aber gerecht gewesen, aber nun schien sie richtig freundlich zu sein.

"Vielen Dank, Professor McGonagall."

"Kommen Sie. Ich zeige Ihnen ihr Zimmer! Ihr Buch war eine große Überraschung für mich. Ich dachte immer, Sie würde später in meine Fußstapfen treten... Aber das kann ja noch werden. Sie sind noch so jung."

Ein kurzer Blick von der Seite, und schon hetzten sie durch die altbekannten Gänge und Hallen. Nichts hatte sich verändert, alles schien gleich. Die Bilder, die sie herzlich begrüßten, ganz anders als in ihrer Schulzeit. Einige Schüler standen noch in den Gängen und unterhielten sich. Hermine grinste hinter vorgehaltener Hand, als ihre Lehrerin sie mit hocherhobener Stimme zum Unterricht schickte. Es war herrlich hier zu sein!

Man brachte sie in den Kerker und sie wunderte sich darüber.

"Sind die Gästezimmer nicht normalerweise im Westturm?"

Sie konnte sehen, dass Minerva leicht errötete und stehen blieb. Für einen Augenblick wirkte sie unsicher, als hütete sie ein Geheimnis. Doch dann lächelte sie nichtssagend und meinte: "Wir dachten, Sie würden gerne hier wohnen. Es... ist näher zu Ihren Freunden."

"Ich... hmm... danke."

Hermine fühlte sich unwohl. Sie wollte ihn zwar sehen und mit ihm sprechen, aber ihn so unter Druck zu setzen? Er wäre sicher nicht begeistert, wenn sie den Raum neben seinem belegen würde. Dennoch widersprach sie nicht.

"Miss Granger? Machen Sie sich ein wenig frisch und ruhen Sie sich aus, wir erwarten Sie zum Abendessen in der Halle."

Ein letztes Lächeln und sie stand alleine vor der Tür ihres neuen Refugiums. Zögernd legte sie ihre Hand auf den Knauf, wartete auf bekannte Gefühle und trat schließlich ein.



***




Dumbledore hatte sich selbst übertroffen. Nichts erinnerte daran, dass sie sich in einem Kerker befand. Azurblaue Teppiche und, einen Ton dunkler, die Sessel. Herrliche Landschaftsbilder an den Wänden, die Möbel durchwegs helle Kiefer. Der Raum strahlte Ruhe und Helligkeit aus. Ganz anders als die Gemächer neben ihren, wie sie sehr genau wusste. Dominierte bei ihr blau, so war es bei ihm rot.

Lächelnd wand sie sich dem Schlafzimmer zu und stutzte. Das Himmelbett war schön, wie sie es gewohnt war. Doch die Vorhänge daran waren nicht aus Samt! Hauchfeine Spitze, schneeweiß - so duftig, dass jeder Luftzug eine Bewegung hervor rief. Des weiteren weiße Kissen und Decken aus den verschiedensten Materialien. Aber das war noch nicht alles.

Auf dem kleinen Beistelltisch am Bett stand eine Kristallvase, und darin eine herrliche weiße Rose. Sie runzelte leicht die Stirn und fragte sich, was für seltsame Anwandlungen Albus manchmal hatte.

Hermine räumte gewissenhaft ihre Kleidung in den riesigen Wandschrank und verteilte ihren Lesestoff auf den Tischen, ihren Kulturbeutel ins andere Zimmer legend. Das Badezimmer war eine Offenbarung. Zartgrün und riesig. Sie konnte nicht wiederstehen und nahm erst mal ein langes Bad.



***




'Sie ist hier!'

Er hatte es schon gespürt, als sie gerade eben die Halle durchschritt. Hermine war noch schöner geworden, strahlender, bezaubernder. Ihre Stimme erklang weich und er verharrte regungslos an seinem Platz. Sie sah ihn nicht, sah nicht, wie er am Fuße der Treppe stand und sie betrachtete.

Wie sollte er sich verhalten? Sie war gekommen... obwohl er bis zuletzt daran gezweifelt hatte. Natürlich wusste er, wohin Minerva sie brachte. Schließlich hatte er ihr diese Räumlichkeiten zugewiesen, er hatte alles nach ihren Wünschen hergerichtet. Aber das würde sein kleines Geheimnis bleiben. Sie sollte ja nicht denken, dass er ihr immer noch verfallen war!

Nun stand er in seinem Wohnzimmer. Wissend, dass nur diese dünne Wand zwischen ihnen lag. Es hätte so einfach sein können. Er müsste nur hinüber gehen und sie willkommen heißen. Völlig ungefährlich, normal, ohne Hintergedanken. Aber in dieser Sache vertraute er sich selbst nicht.

'Ich werde sie früh genug sehen.'

Damit machte er sich auf den Weg zu Dumbledore. Er musste unbedingt mit jemanden reden.



***




Ein lautes Klopfen an der Tür riss Hermine aus ihren Tagträumereien. Hastig stieg sie aus der Wanne und kuschelte sich in eines der riesigen Handtücher. Das Klopfen wurde lauter.

"Ja?"

"Mensch Mine, mach schon auf!"

Die Person klang ungeduldig, aber bekannt. Lächelnd öffnete die junge Frau die Tür und fand sich sofort in einer innigen Umarmung wieder.

"Hallo Ginny!"

"Ich dachte schon, du wolltest mich gar nicht mehr herein lassen!"

Das Mädchen drängte sich ins Zimmer und ihr Blick streifte die Ausstattung. Hermine schloss leise die Tür und beobachtete interessiert ihren Besuch. Ihre Fingerspitzen strichen nachlässig die feuchten Strähnen aus dem Gesicht.

"Tut mir leid. Ich war im Badezimmer."

"Na macht ja nichts. Zieh dich schnell an!"

Ein leichtes Kopfschütteln angesichts der Überdrehtheit ihrer Freundin, und dann machte sie sich daran, sich anzukleiden. Ginny sah sich inzwischen alles ganz genau an. Stöberte hier und da in den Schränken und pfiff manches Mal bewundernd. Dann erklang ihre helle Stimme wieder.

"Warum wohnst du eigentlich neben dem Gruselmonster?"

Hermine hatte sich gerade den Pullover über den Kopf ziehen wollen, und verharrte regungslos. War das nun die Bezeichnung für ihn? Nannten sie ihn wirklich schon so?

"Bitte sprich nicht so von ihm."

Der rote Haarschopf erschien in der Tür und grüne Augen sahen sie verwundert an. "Warum nicht? Er benimmt sich noch schlimmer als früher!"

Ein tiefes Seufzen war die Antwort und der Pullover wurde zurecht gezogen. "Snape ist nicht wirklich so schlimm. ER ist sehr intelligent und... er weiß so viel."

Jetzt erhielt sie wirklich einen Blick, der an ihrem Verstand zweifelte. Ein Schulterzucken später wand sich Ginny wieder ab. Sie warf sich schwungvoll in einen der Sessel und starrte eine Weile ins Feuer.

"Weißt du," begann sie leise, "sie sagen, du bist seinetwegen gegangen..."

"Gin... ich!"

"Sie sagen, er hätte dich so fertig gemacht, dass du einfach nur weg wolltest."

Hermine sah die traurigen Augen ihrer Freundin, sah die Anschuldigung. Es tat ihr ehrlich leid. Sie hatte nie daran gedacht, dass jemand anderes als sie darunter gelitten hätte.

"Es hatte nichts mit ihm zu tun."

"Sicher?"

"Ja. Er hat mir nie etwas getan. Snape war..."

"Manchmal hast du richtig glücklich gelächelt, wenn du aus dem Kerker kamst... Und manchmal hast du geweint oder getobt vor Zorn!"

"Es waren die langen Gespräche, die Projekte die wir zusammen abarbeiteten. Doch er war auch unerträglich wie immer. Es war wirklich nicht seine Schuld."

Die junge Frau setzte sich Ginny gegenüber und sah wie sie ins Feuer. Was konnte sie noch sagen?

"Ich mochte ihn, weißt du? Er hörte richtig zu, wenn ich redete. Wenn ich Fragen hatte, beantwortete er sie, oder half mir eine eigene Antwort zu finden."

"Scheint nicht gerade unser Gruselmonster zu sein!" Jetzt lächelte Gin zärtlich und strich Hermine sanft über die Hand. Diese erwiderte den Blick, und senkte ihre Lider wieder. Es gab noch mehr zu erzählen, doch wie weit durfte sie gehen?

"Wie geht es ihm?"

Wieder traf sie ein erstaunter Blick. Nachdenklich und zögernd antwortete die junge Weasley.

"Weiß nicht genau. Er ist fies und gemein. Letzte Woche hat er mir 20 Punkte abgezogen, weil ich drei Minuten zu spät war. Und vorgestern hat er Minerva wegen einem Erstklässler angeschrieen. Also wenn du mich fragst... er scheint in Höchstform zu sein!"

"Er ist nicht immer so."

Hermine holte tief Luft und zwinkerte mühsam die Tränen aus ihren Augen. Sie würde ihn gerne selbst sprechen. Hören, wie es ihm ginge. Aber sie fürchtete auch die Peinlichkeit einer solchen Situation.

"Sag mal, Mine?"

"Ja?"

"Kann es sein... bist du vielleicht..."

Müde sah sie ihr in die Augen. Die Gesichtsfarbe des Mädchens konkurrierte mit ihrer Haarfarbe und sie stockte.

"Hmm?"

"Liebst du Snape?"

Jetzt hatte sie die volle Aufmerksamkeit Hermines. Ihr Kopf war hochgeruckt und der erschrockene Blick fesselte die Jüngere.

"Wie kommst du darauf?"

Verlegen druckste diese herum, nicht wirklich fähig eine anständige Antwort von sich zu geben. "Na ja, du schwärmst ziemlich."

"Du bist ja verrückt! Er ist ein Lehrer! Und noch dazu ein verdammt Ungerechter!"

Erleichterung zeichnete die Stimme der Kleineren. "War ne dumme Idee, bitte entschuldige."

Damit war die Sache erledigt, und die beiden unterhielten sich über ihre gemeinsamen Freunde und Bekannte. Sie redeten und redeten, doch ein Thema mieden sie tunlichst: Snape. Keiner wollte wieder in eine solch peinliche Unterhaltung kommen. Schon gar nicht Hermine, die immer noch über die eigenartige Frage nachdachte.

'Severus lieben? Wie könnte ich? Er ist so alt, er könnte mein Vater sein! Und gepflegt ist er auch nicht gerade... obwohl ich seinen herben Honiggeruch mag...

Aber zur Liebe gehört doch sicher mehr, als sich gut zu verstehen? Ein Kribbeln im Bauch, den Wunsch nach Nähe. Küssen und so!'

Nein, Hermine war sich sicher, das wollte sie nicht mit ihm tun. Er war nicht der Mann, den sie glaubte lieben zu können.


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