Seltsame Wege

 

 

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Kapitel 16: Begegnungen





"Albus sie ist hier!"

Der große, schwarzgekleidete Mann ging wild im Zimmer auf und ab. Albus Dumbledore saß hinter seinem Schreibtisch und hatte das Kinn auf die Hände gestützt. Selten hatte er seinen Tränkemeister so... aufgekratzt erlebt.

"Natürlich ist sie das. Wir haben sie schließlich eingeladen."

Er fing den gereizten Blick aus schwarzen Augen ein und lächelte noch mehr.

"Wer hatte nur diese dumme Idee?"

Jetzt grinsten die Lippen über dem langen Bart und ein neckischer Unterton schlich sich in seine Stimme. "Ja... wer hatte nur diese Idee... lass mich mal nachdenken."

Total entnervt blieb Severus vor Albus' Schreibtisch stehen und stützte sich schwer auf der Platte ab. "Schon gut!"

Dumbledore lehnte sich langsam zurück und betrachtete seinen Zögling wohlwollend. Er war noch schmaler geworden, blasser vielleicht. Das schwarze Haar reichte bis auf die Schultern und seine Augen funkelten stärker als je zuvor. Ganz offensichtlich hatte da jemand eine Heidenangst.

"Severus. Freust du dich gar nicht, dass sie da ist?"

Der Angesprochene blinzelte einige Male und ließ sich dann nach hinten auf den Stuhl gleiten. Er schwieg beharrlich.

"Schließlich war sie deine beste Schülerin. Du musst doch stolz auf sie sein!"

Krächzend, ohne die sonst übliche Geschmeidigkeit der Töne erklang die Antwort. "Du weißt, dass sie mehr war als das. Und ja, verdammt, ich bin stolz auf sie."

"Wo liegt dann das Problem?"

"Ich... es hat sich nichts geändert!"

"Warum sollte sich auch etwas ändern?"

"Albus! Ich empfinde noch immer... eine gewisse Zuneigung für sie."

"Hmm. Also, letztens war es noch Liebe. Hat sich da dann doch etwas geändert?"

Irritiert über das Gespräch strich Snape sich die Strähnen hinter die Ohren und betrachtete kurz seine gepflegten Hände. Dann hob er seinen Blick und fesselte damit seinen ältesten Freund. "Das war nie das Problem."

Jetzt wurde der Direktor doch ernst und seine Stimme klang keineswegs belustigt. Jemand würde die Sache nun in die Hand nehmen müssen. Und er war der richtige Mann für diesen Job. "Ihr seid wie die zwei Seiten der gleichen Münze. Seltsam, dass ihr das nie bemerkt habt."

"Du fantasierst."

Spott troff aus jeder Pore des Mannes. Er hatte seinen Zynismus wieder gefunden, und klammerte sich an ihn, als ginge es um Leben und Tod.

"Du hast über Monate hinweg jeden Abend nur mit ihr verbracht."

"Ich hatte viele Tränke zu erledigen, Berichte mussten geschrieben werden..."

"Es schien ihr Spaß zu machen. Sie hat sich nie beschwert."

"Sie war meine Assistentin, es war ihre Pflicht!"

"Natürlich. Aber sie hätte auch einfach zurücktreten können."

"Wir reden hier von Miss Naseweis. Sie hätte nie einen Rückzieher gemacht!"

Albus beobachtete Snape genau. Er kannte ihn schon so lange, und dennoch überraschte er ihn immer wieder. "Scheinbar hatte sie keinen Grund, dir nicht helfen zu wollen..."

Es war ihm zuviel. Er hatte sich Ratschläge und vielleicht diese herrlichen Schokoplätzchen erhofft... doch was erhielt er? Dumme Zweideutigkeiten. Er würde gehen!

"Auf Wiedersehen!"

Damit war er schon an der Tür und trat hinaus in den Gang. Doch er hätte sich gleich denken können, dass er ihm nicht so schnell entkam.

"Severus! Du wirst doch heute Abend mit mir essen... Nicht wahr?"

Ein zustimmendes Brummen ertönte und Albus konnte zufrieden Pläne für den Abend schmieden. Es wäre doch gelacht, wenn er nicht zusammen fügen konnte, was zusammen gehört.



***




Severus Snape stand in seinem Badezimmer und starrte auf sein Spiegelbild. Das helle Licht gab hart jede Kontur, jeden Makel in seinem Gesicht preis. Er fühlte sich uralt. Hatte er schon immer so leblos ausgesehen? Kein Wunder, dass sie ihn nicht wollte...

'Ich bin wie ich bin!'

Und doch hallten plötzlich ihre Worte in seinem Kopf wider, Worte, die er fast vergessen hätte. Soviel Schmerz.

*hässlich* *Alt*

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er nicht ihr Lehrer gewesen wäre. Wenn er in ihrem Alter sein würde. Das "Was-wäre-Wenn"-Spiel konnte er unendlich verlängern, doch letztlich machte es keinen Unterschied.

Er kleidete sich aus und mied beharrlich jeden weiteren Blick in den Spiegel. Eine heiße Dusche später, gekleidet in seiner neuesten Robe, machte er sich auf den Weg zum Speisesaal. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Er würde jetzt rein gehen, die Abneigung seiner Schüler über sich ergehen lassen... Und wenn sie ihn ansah, würde er das Gleiche entdecken. Aber er war es gewohnt.



***




Es war ein komisches Gefühl, wieder an ihrem Tisch zu sitzen. Gryffindor. Albus hatte ihr angeboten, dass sie auch am Lehrertisch sitzen könnte, aber das kam ihr falsch vor. Sie war keine Lehrerin, sie war knapp 18 Jahre alt und keine Respektsperson. Hermine konnte dennoch nicht verbergen, dass ihr Blick immer wieder die Reihen der Professoren betrachtete. Er war noch nicht da und sie versuchte Begeisterung für das Essen aufzubringen.

Der plötzlich anschwellende Lärmpegel und das Knallen der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Severus Snape hatte die Halle betreten und sie konnte die gemeinen und ängstlichen Kommentare ihrer Freunde hören. Sicher konnte er es auch verstehen, er hatte sehr gute Ohren.

Doch er ging unbeirrt, mit leerem Gesichtsausdruck an seinen Platz und setzte sich. Sein düsterer Blick schweifte über die versammelten Schüler und blieb schließlich an ihr hängen. Sie sah nicht auf. Das Prickeln an ihrer Wirbelsäule und die sich aufrichtenden Härchen im Nacken zeigten mehr als deutlich, sie wurde beobachtet von ihm. Die Hand, die den Löffel an ihre Lippen hob, begann leicht zu zittern. Röte und eine angenehme Vorfreude stiegen in ihr auf.

Genauso schnell wie er zu seinem Platz geschritten war, so schnell stand er wieder auf. Albus sah dies mit Unbehagen. Würde er eine Szene heraufbeschwören?

Severus ging mit ruhigen Schritten auf ihren Tisch zu. Hinter ihrem Stuhl blieb er stehen. Seine schlanken Hände schlossen sich um die Lehne und er sah sie nicht an, als er mit kalter Stimme sprach. "Miss Granger! Kommen Sie bitte mit in mein Büro!"

Hermine hatte bewegungslos verharrt und zuckte nun heftig zusammen. Seine Stimme klang so grausam wie in den schlimmsten Albträumen. Sie konnte die Wärme spüren, die er verströmte und den bekannten Honigduft. Ihre Stimme klang zittrig aber klar verständlich und strapazierte seine Geduld.

"Ich würde gerne noch zu Ende essen."

Alle Blicke waren auf sie Beide gerichtet und jeder hielt entsetzt den Atem an, als sie ihm widersprach. Seine Reaktion folgte auf dem Fuße. Er packte ihren rechten Oberarm und zog sie auf. Er klang gefährlich leise und die Töne vibrierten vor aufgestautem Zorn.

"Jetzt!"

Minerva war aufgesprungen und wollte ihrer Schülerin zu Hilfe eilen, aber Albus zog sie herab auf ihren Platz. Er klang besorgt, aber er hoffte auf das Beste.

"Minerva, lass ihn. Es wird Zeit, dass es passiert!"

Snape hastete aus der Halle, die junge Frau im festen Griff hinter sich her ziehend. Hermine sträubte sich ein wenig und fühlte sich gedemütigt. Sie war keine Schülerin mehr und er durfte sie nicht so behandeln.

Doch obwohl sie ihn angiftete und versuchte sich von ihm zu befreien, ließ er nicht locker. Es würde hier und heute enden. Er hatte keine Lust auf Spielchen. Jetzt würde es entschieden werden. Und so zerrte er sie durch unbekannte Gänge und Flure, stieg Treppen hinauf und hinab. Die Tür, vor der er endlich stehen blieb, schien uralt und verwittert. Er wand sich zum ersten Mal zu ihr um. Sein Blick fand den Ihren und alles verlor an Bedeutung. Sie versank in seinen Augen. Es war seltsam. Obgleich er grob und roh gewesen war, hatte sie sich keinen Augenblick wirklich gefürchtet. Sie vertraute ihm.

'Er hat sich kaum verändert. Dieser Duft... ich muss immer an ihn denken, wenn ich diesen Geruch wahrnehme. Sein Blick ist so düster. Aber ich fürchte mich nicht.'

'Hat sie Angst? Bin ich zu weit gegangen? Ihre Haut ist weich unter meinen Fingern, ich versinke in ihren Augen. Ihre Lippen! Gott, ich möchte sie berühren, küssen.'

'Warum sieht er mich so seltsam an? Er öffnet seine Lippen, aber er sagt nichts. Warum sagt er denn nichts?'

Und dann spricht er endlich. Leise und kontrolliert erklingen die Worte, doch sie ergeben scheinbar keinen wirklichen Sinn.

"Alles wird heute entschieden... noch länger werde ich nicht warten.... es ist Zeit!"

Er sah, wie verwirrt sie war. Ihre Augen schimmerten, ihre kleine Zunge kam nervös hervor und benetzte die Lippen. Severus stöhnte leise auf.

'Was macht sie nur!'

Hermine sah ihn unsicher an und er war gefangen von seinen Gefühlen für sie. Ihre Augen werden größer, als er sich langsam, Millimeter für Millimeter zu ihr herabbeugt. Seinen Blick fest auf ihre Lippen gerichtet. Sie kann seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, doch die erwartete Angst keimt nicht auf.

Würde er es wirklich wagen, sie zu küssen? Hermine hatte ein Deja-Vu. Genauso hatte er schon einmal ausgesehen, aber er hatte es nicht getan. Würde er es auch jetzt abbrechen? Es täte ihr leid...

'Es täte mir leid?! Was um Gottes Willen passiert hier nur?'

Sie wollte etwas sagen, um den Zauber zu brechen. Wer von Beiden ihn gewoben hatte? Sie wusste es nicht. Und irgendwo in ihr, fand sie eine Erwiderung seines Wunsches. Ein Entgegenkommen, ein Sehnen, das sie nie für möglich gehalten hätte.

Gleich! Gleich würde es passieren. Sie öffnete ihre Lippen ein wenig, hob den Kopf ihm entgegen und schloss ihre Augen.


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