Tortur

 

 

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Kapitel 38: Abschied



"Ich habe eine Menge Vorurteile wegen dir abgelegt", sagte Remus Lupin unterdessen zwinkernd und dirigierte ein dickes Buch zurück an seinen Platz im Regal.
Catriona MacGillivray hatte ihn aufgesucht, um ihm persönlich Lebewohl zu sagen; offenbar mochte sie öffentliche Abschiede noch weniger als die meisten anderen Menschen, ließ man den Tränkemeister einmal außer acht.

"Morgen geht alles ganz schnell", hatte sie achselzuckend gesagt und auf seinem Sofa Platz genommen. "Lieber danke ich dir hier und jetzt für deine Hilfe."

Lupin grinste verstehend und setzte sich ihr gegenüber auf einen bezogenen Holzstuhl, nachdem das Buch sicher verstaut war.
"Ich hielt dich nämlich für ausgesprochen arrogant und selbstherrlich", fuhr er belustigt fort, und keine Verlegenheit schmälerte den charmanten Witz in seinen goldbraunen Augen.

"Und jetzt hast du noch streitbar in die Liste aufgenommen?" spottete sie gutmütig, aber Lupin schüttelte ernst den Kopf und erklärte: "Wegen dir habe ich begonnen, auch bei Severus hinter die Fassade zu sehen. - Ich versuch's zumindest."

Sie wölbte eine Braue, halb amüsiert, halb alarmiert. "Du hast viel Geduld", sagte sie langsam. "Professor Snape kann ausgesprochen abweisend sein."

Lupins plötzliches Lachen irritierte die Schottin; sie hob die Hände in einer fragenden Geste, die den Werwolf noch mehr erheiterte.

"Catriona", sagte er atemlos, "wenn du seinen Vornamen benutzt, gibst du nichts preis, das ich nicht ohnehin ahne."

MacGillivray nahm würdevoll die Brille ab und betrachtete ausgiebig die winzige Eidechse, die den Steg zierte.
Nach einer vollen Minute dröhnenden Schweigens legte sie den Kopf schief, so daß sich die kupferne Locke frech in ein Auge kringelte und sagte: "So?" und dann staubtrocken: "Manche Informationen sind goldwert", woraufhin Lupin sie zunächst verunsichert anstarrte, bis er an dem Funkeln in ihren Malachitaugen den Humor erkannte.

"Laß dich nicht abschrecken; er braucht einen Freund, auch wenn er konsequent alle vom Gegenteil zu überzeugen versucht", lächelte Catriona hintergründig und erhob sich. "Ich freue mich übrigens auf die Zusammenarbeit mit euch", verkündete sie heiter. "Obwohl ich nicht glaube, daß Tonks die zweimonatliche Teilnahme an einem Treffen ernst gemeint hat. Irgendwann muß ich schließlich auch arbeiten."

Lupin schüttelte den Kopf - Tonks' Späße waren hoffnungslos gut gemeint; sie war ebensowenig blind wie er selbst und viel romantischer. Natürlich fielen derartige Liebenswürdigkeiten bei Pragmatikern wie Catriona auf taube Ohren.

"Du bist immer willkommen", sagte er diplomatisch und umarmte sie. "Und du erst", bekundete MacGillivray lachend, bevor sie in ihr Quartier zurückkehrte, um zu packen.

xoxoxox

Ein Klopfen an der Tür riß sie jäh aus eifriger Tätigkeit. MacGillivray öffnete mit einem zerstreuten Zauberspruch und wandte sich hastig wieder ihrem Rucksack zu, damit der unerwartete Gast ihre kindische Freude nicht sehen sollte.
Insgeheim hatte sie natürlich den winzigen Keim der Hoffnung gehegt, Snape würde sie am Vorabend des Abschieds aufsuchen, doch im Grunde gehörte die Möglichkeit in den Bereich der Träume. Daß Severus Snape nun in ihrem Wohnzimmer erschien, erfüllte sie mit prickelndem Wohlgefühl.
Er dagegen wirkte unbehaglich und seltsam scheu.

"Severus", sagte sie forsch, um es ihm leichter zu machen und ihre kribbelige Freude zu überspielen, "beherrschst du den Roll-Kringel-Stopfzauber?"

Ohne sich umzuwenden, sah sie seine linke Augenbraue in steilem Bogen aufsteigen und dem kühlen, maskenhaften Desinteresse eine hochmütige Entrüstung weichen.

"Das tue ich", sagte er würdevoll, "obwohl er einem gewissenhaften Menschen äußerst selten dienlich ist."

Catriona lachte still in sich hinein. Er war so berechenbar in seiner Pedanterie, daß er ihrer gutherzigen Provokation aufsaß, ohne die Falle überhaupt wahrzunehmen.
Sie schwang herum, sah ihm sah ihm direkt in die schwarzen Augen und bemerkte mit süffisantem Lächeln: "Praktischen Menschen dagegen häufig - die Socken und Hemden gehören in die Lücken."
Sie deutete triumphierend auf den gepackten Rucksack, verschränkte die Arme vor der Brust und erwartete seine Reaktion.

Snape schien sich nur mit größter Willenskraft eines herzhaften Schüttelns erwehren zu können.
Ein Blick gewählter Geringschätzigkeit traf erst das Gepäckstück, dann MacGillivray, bevor er mit einer herrischen Bewegung des Zauberstabes ihre Kleinigkeiten in perfekter Ökonomie verstaute.

"Danke", lächelte sie zufrieden. Um Snapes Mund tanzte ein winziges Schmunzeln. "Wesentlich effizienter wäre natürlich gewesen, wenn du das Innere des Rucksacks erweitert oder deine Kleidung geschrumpft hättest", bemerkte er listig.
"Das ist der Muggeleinfluß meiner Brüder", winkte sie ab. "Solche Zauber sind viel zu simpel."
Snape gestattete sich ein despektierliches Seufzen. Zu simpel für Muggel? Besser, er dachte nicht mehr darüber nach.
Mit spitzen Fingern beförderte er eine Phiole zutage, umschloß sie kurz, so daß sie fast gänzlich in seiner Hand verschwand und senkte den Blick.

"Ich… möchte dir dies geben", sagte er langsam, und unsichere Scheu durchwob jedes seiner Worte wie ein filigranes, taufunkelndes Spinnennetz.

Catriona liebkoste seine eisige Hand; sie schenkte ihm ein erwartungsvolles, aufmunterndes Lächeln. Wenn sie sich nur genügend zusammennahm, würde sie das unwillkommene, hartnäckige Stechen in den Augen besiegen, das rührselige Tränen ankündigte.

Snape holte flach und zittrig Atem, hob den Blick und sagte heiser: "Eine so kurze Wirksamkeit des Trankes für gute Sicht ist einer Meisterin nicht würdig. Ich habe mir erlaubt, die Zeit ohne Brille für dich auf ungefähr sieben Stunden zu verlängern."

Er streckte ihr die Phiole entgegen; MacGillivray nahm sie zaghaft entgegen und spannte sie so behutsam zwischen Daumen und Mittelfinger, als fürchtete sie, eine hastige Bewegung würde die unwirkliche Szenerie wie eine Seifenblase platzen lassen.

Ihre Augen glitten zärtlich an der kunstvollen Glasarbeit in ihrer Hand entlang, sie beobachtete ehrfürchtig die moosgrüne Flüssigkeit, die je nach Lichteinfall die Farbe änderte und mit einem Mal zu tausend sternenförmigen Lichtpunkten verschwamm. Catriona weinte.
Bei Merlin, zum Teufel mit allen Plänen; daß der Abschied so schmerzen würde, hatte sie nicht erwartet. Sie neigte nicht zu sentimentalen Regungen; das Lebewohl bei ihren Eltern oder Brüdern fiel für gewöhnlich weitaus weniger emotional aus, oder sie scherzten und witzelten so lange, daß sie noch lachend den Portschlüssel ergriff und mit vom Grinsen verspannten Gesichtsmuskeln am Zielort eintraf.

Dies hier war komplett anders. War sie gerade noch felsenfest überzeugt gewesen, das Richtige zu tun, schwammen jetzt Zweifel mit beängstigender Geschicklichkeit auf dem Strom ihrer Tränen.

Hastig erwog sie noch einmal alle Möglichkeiten; vielleicht erwies sich die Analytikposition im St.Mungos wider Erwarten als Herausforderung; die menschliche Anpassungsfähigkeit wurde ja gemeinhin unterschätzt. Als Service für die Diagnostiker zu arbeiten, hatte sicher auch gute Seiten, die ihr nur gerade nicht einfallen wollten.
Und diktierte nicht ihr Gewissen, ihm beizustehen anstatt egoistischerweise die eigenen Interessen zur Entscheidungsgrundlage zu berufen?

Severus Snape trat zu ihr, legte wortlos die Arme um sie und hielt sie minutenlang schweigend. Er hatte nicht geglaubt, daß sie sein Geschenk, das für ihn mehr einer Aufmerksamkeit zum Zeichen seiner Wertschätzung glich, so aufwühlen würde.
Sein eigener Schmerz war für Tränen längst zu groß; er rang ihn unbarmherzig und gewaltsam nieder, konnte dabei jedoch nicht verhindern, daß sich besonders scharfe Spitzen einen Weg bahnten und ihn mit Wellen unbeherrschbarer Pein quälten.

Ihre stillen Tränen unterspülten die Mauer seiner Abwehr, als sei sie auf Sand gebaut. Dachte sie denn, es fiele ihm leicht, sie ziehen zu lassen? Sie in Sicherheit zu wissen, tröstete nur den Verstand, nicht jedoch das Herz, das sich in kakophonischen Schreien nach ihrer charismatischen Wärme sehnte.

"Eigentlich mag ich die Brille ganz gerne", bemerkte Catriona gerade galgenhumorig-herausfordernd, als er hilflos für sich beschied, etwas müsse geschehen, wollten sie nicht beide in bodenlosem Kummer versinken, und zwang sich zu einem schiefen, verschnupften Grinsen.
Ihr Taktgefühl, ihre Sensibilität, feinste Stimmungen zu unterscheiden, schnitt nur tiefer in die Wunde der bevorstehenden Trennung.
Snape preßte die Lippen aufeinander und strich ihr unbeholfen übers Haar. "Ich beherrsche noch einen weiteren unnützen Zauber", sagte er in dem vergeblichen Versuch, spöttisch zu klingen. "Damit könntest du dann trotz des Trankes die Brille verwenden, wenn dir so viel daran liegt."

MacGillivrays plötzliches, glockenhelles Lachen, das sich in ihren tränenschimmernden Augen spiegelte, linderte ein wenig den seiner Seele innewohnenden Schmerz.
Snapes angespannte Züge wurden milder, und etwas wie Sanftmut streichelte seine blassen Wangen. Nur ein feiner Schleier über nachtdunklen Obsidianaugen verriet engsten Vertrauten, wie sehr er litt.

"Was für ein Unsinn", machte Catriona ihrer Erheiterung Luft und umarmte den Tränkemeister innig. "Ich bin zutiefst gerührt, wie du siehst."
Sie nahm die Brille ab, trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch, das sie aus den Tiefen ihrer Robe gezaubert hatte und sah ihn vollkommen ernst an.

"Daß du deine kostbare Zeit für mich geopfert hast, bedeutet mir viel", sagte sie leise. "Meinen aufrichtigen Dank."
Neuerlich aufwallende Tränen drohten sie zu überwältigen, aber sie blieb vorerst Pyrrhussiegerin über die ungebetenen Fluten.

Snape warf ihr einen seltsam hohläugigen Blick zu, zuckte kaum merklich die mageren Schultern und erwiderte rauh: "Ich habe zu danken. Es ist mir durchaus bewußt, daß ich ohne deine Hilfe in erheblich schlechterer Position wäre, als ich es jetzt bin. Du hast…" Er brach ab, krampfte die Finger ineinander und versuchte vergeblich, sein Zittern zu verbergen. Sie sollte wissen, daß er die in ihren Trank investierte Zeit keinesfalls als Opfer betrachtete, aber es war völlig unmöglich, weiterzusprechen. Er zuckte abermals hilflos die Schultern, schauderte und hüllte sich schützend in die lange Robe, ohne die man ihn niemals antraf.

MacGillivray entwand seine Arme zärtlich; Trost bei jemand anderem als sich selbst zu suchen, war Snape noch immer fremd, aber als sie liebevoll seine ausgezehrte Gestalt an ihren warmen Körper zog, klammerte er sich minutenlang verzweifelt und stumm an sie.
Als er sich schließlich von ihr löste, tat er dies mit einer schmerzlichen, energischen Endgültigkeit, die Catriona bitter wehtat.
Kreideweiß lehnte er an ihrem Schreibtisch und biß sich abwesend auf die Lippen, bis sie bluteten.

"Wenn du Hilfe brauchst, ich komme jederzeit wieder", versprach sie, um ihn aus der elegischen Starre zu reißen. "Du brauchst mir nur eine Eule zu schicken."

"Ich dachte, du könntest nicht einfach die Forschung unterbrechen", wandte Snape ein, aber seine Stimme klang monoton und kein bißchen anklagend oder gar spöttisch.

Über Catrionas Lippen huschte trotz der Sorge um ihn ein verschmitztes Lächeln. "Ich habe gewisse, sehr wertvolle Ergebnisse meiner Forschung für solche Notfälle zurückgehalten", tat sie sachlich kund. "Sollte mir die Stiftung dann die Reise verwehren, kann ich sie damit… sagen wir, umstimmen."

Snape sah sie scharf an, und aus der schwachen Spur von müdem Interesse in seinen Augen wurde ein halb ungläubiges, halb anerkennendes Blitzen.

"Du denkst und handelst wie eine echte Slytherin", sagte er beifällig. "Der Sprechende Hut hat sich wohl damals geirrt."

Ein Hauch von Farbe kehrte in sein bleiches Gesicht zurück.

Catriona suchte mit zuversichtlichen Fingern seine frostkalten, knochigen Hände. "Dein Lob macht mich stolz", gestand sie warmherzig, "obwohl es mir in Ravenclaw später ganz gut gefiel und ich immer besser sein wollte, als du."

Snape wölbte eine Braue. Wollte sie ihm damit zu verstehen geben, daß sie ihn beneidet hatte? Ihn?
Unwillkürlich schoss ihm einer der bevorzugten Sprüche seines verhaßten, verabscheuungswürdigen Muggelvaters durch den Sinn, nach dem man Mitleid geschenkt bekam, währenddessen Neid verdient sein wollte. Tobias Snape hatte unbewußt den Nagel auf den Kopf getroffen.

"Zu dir oder bei mir?" lächelte MacGillivray betont heiter, da er still auf ein Gemälde an der Wand blickte, das sie nie hatte leiden mögen. Wenn er nur nicht wieder in Melancholie verfiel; seine resignierte, tiefe Wehmut ängstigte sie ins Bodenlose.

"Mein Quartier", entschied er ohne Umschweife und erklärte kaum hörbar: "Ich wünsche die Erinnerung an dich in meinen Räumen", woraufhin sich MacGillivray tröstend an ihn schmiegte und einen Kuß auf seine spröden, blutigen Lippen hauchte.

"Es geht nicht anders", flüsterte sie und fragte sich im selben Atemzug, wen sie zu überzeugen gedachte.

Snape bot ihr schweigend den Arm. "Ich empfehle Feentränen", sagte er trocken. "Die passen gut zu unserer derzeitigen Stimmung."

MacGillivray ließ sich in seine Gemächer führen, die so spartanisch-zweckmäßig eingerichtet waren, daß sie jedem anderen unwohnlich erscheinen mußten. Allein, der Tränkemeister bewegte sich mit natürlich souveräner Würde, als er zwei Gläser mit violettdunkler Flüssigkeit füllte und neben ihr auf dem Sofa Platz nahm, so daß einfühlsamen Beobachtern niemals der Gedanke kam, er habe etwas anderes verdient.

Bei allen Geistern, wie würde sie ihn vermissen!

"Ich hätte… viel versäumt, wärest du mir nicht aufgezwungen worden", sagte er entwaffnend ehrlich und nippte an den Feentränen, die auf der Zunge süßwürzig perlten, um Gaumen und Rachen anschließend herbwarm tanzend zu betören.

"Wirst du den Werwolftrank zu Voldemorts Zufriedenheit perfektionieren können?" entfuhr es MacGillivray unvermittelt, und nur eine hohnspöttelnde Augenbraue kündete davon, daß ihr seine charmante Bemerkung durchaus nicht entgangen war.
Beim nächsten Ruf würde sie nicht mehr da sein, um ihm moralische oder fachliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen.

"Sicher", machte Snape gleichmütig und schnippte geringschätzig mit den Fingern, als sei dies das Unwichtigste der Welt.
"Sprich nicht mehr darüber", beschied er streng, "das ist kein Thema für einen letzten Abend."

Er schlug die Beine übereinander und sah sie lange durchdringend an.
Ohne daß es einer Absprache bedurft hätte, schlossen sie einander gleichzeitig in die Arme, suchten jene tiefe Nähe, die nur zwischen ihrer beider Seelen existierte und hielten sich innig umschlungen, als könne einzig der enge Kontakt die bevorstehende unausweichliche Trennung verhindern.
Keiner sprach; zu schmerzlich, ihre Empfindungen in Worte zu fassen, leere Hüllen, die doch nichts ausrichten würden gegen die einmal getroffene Entscheidung. Es gab kein Zurück und keine Alternative; sowohl MacGillivray als auch Snape waren sich dessen bewußt, und die unabdingliche Hoffnungslosigkeit machte alles nur noch schwerer.

Erst spät in der Nacht tauschten sie den Platz auf der Couch gegen Snapes Schlafgemach; beide gefangen in der abergläubischen, unausgesprochenen Angst, die gemeinsame Ruhe würde die Nacht und damit die Zeit bis zum Abschied übermächtig verkürzen.

Während Catriona irgendwann in gleichmäßigen, tiefen Schlaf sank, lag Snape wach, die Augen auf einen unsichtbaren Punkt in der Dunkelheit gerichtet, starr, abwesend, unendlich einsam.
Er erinnerte sich nicht, eingeschlafen oder aufgewacht zu sein, so daß er erschreckt zusammenfuhr, als ihn jemand grob am Arm packte und in eine schmutzige Zelle stieß, deren Aussehen ihm nur zu vertraut war. Grausiges Entsetzen lähmte ihn sekundenlang; noch einmal Azkaban würde er nicht überleben, bis eine vertraute Stimme wütend bellte: "Wer ist das Weib?" und Snapes Seele gefror.
"Das ist die, die sich zu dem Verräter legt", lautete die hohntriefende Antwort, gefolgt von einem lüsternen Kichern, und eine vermummte Gestalt packte MacGillivray im Genick.
Snape stockte der Atem; seine Gedanken rasten. Was tat sie hier? Das ergab keinen Sinn; sie hatte nichts mit Azkaban und dem Ministerium zu tun, nur einer würde sie benutzen, um ihn zu quälen, wenn er glauben konnte, dadurch an Informationen zu gelangen. Wie waren sie überhaupt hierher gelangt? Weshalb war Catriona dabei? Wo war "hier"? Wie…
Nur nicht zeigen, was sie ihm bedeutete, schoß es ihm durch den Kopf; sie durften nicht wissen, daß er sie kannte, daß es eine Verbindung gab, daß er sie, bei Merlin, mit jeder Faser seines Körpers innig liebte. Sie war einzig als Druckmittel wertvoll, nur nichts preisgeben, den Geist verschließen, es gab keine Beweise -

Gerade als man die Schottin gewaltsam aus der Zelle zerren wollte, fuhr Snape auf, schweißgebadet, orientierungslos und ohne einen Bezug zur aktuell gültigen Realität.
Jemand schlief an seiner Seite… sein Quartier in Hogwarts, Catriona. Ihr war offensichtlich nichts geschehen; er selbst unversehrt, konnte ein solches Grauen ein Traum gewesen sein? Und wenn ja, welche Bedeutung hatte er für sie beide? Eine echte Warnung oder Ausgeburt seiner überreizten, gemarterten Sinne? Da MacGillivray, die für gewöhnlich jeden seiner intensiven Träume durch ihre mentale Verbindung miterlebte, friedlich schlief, schien eher letzteres wahrscheinlich, aber konnte eine so reale Bedrohung seiner Phantasie entsprungen sein? Was, wenn Voldemort etwas ahnte oder er verraten worden war?

Der Tränkemeister erhob sich lautlos, warf zitternd einen schweren Morgenmantel über und schleppte sich ins Wohnzimmer, wo er in völliger Dunkelheit am Schreibtisch Platz nahm und sich einzig darauf konzentrierte, eine solide Barriere in seinem Bewußtsein zu errichten. Die Umsetzung fiel nicht sonderlich schwer, doch sein geschwächter Körper reagierte mit Brechreiz und Kreislaufstörungen, die ihn zwangen, den Kopf auf die Arme sinken zu lassen. Bloß nicht wieder einschlafen und der Macht des Unterbewußten hilflos ausgeliefert sein.

Irgendwann quälte er sich unter Aufbietung sämtlicher Kräfte hoch und kehrte an MacGillivrays Seite zurück, die ihn schlaftrunken in die Arme zog und besorgt murmelte: "Schlecht geträumt?"
Snape verneinte. Es nützte nichts, sie einzuweihen und damit unnötig zu beunruhigen, so lange sie nicht in akuter Gefahr schwebte. In wenigen Stunden würde sie die ungeteilte Aufmerksamkeit für ihre Forschungen benötigen; um keinen Preis durfte er sie mit seinen Geistern belästigen.

"Schlaf, Catriona", flüsterte er weich, rückte dicht neben sie und zwang sich zu gleichmäßigen, tiefen Atemzügen.

xoxoxox

Der Morgen dämmerte naßkalt und zögernd; Schnee fiel unablässig in dicken, feuchten Flocken aus tiefhängenden grauen Wolken.

Catriona MacGillivray streckte sich wohlig - wie angenehm, in Gesellschaft zu erwachen. Sie hatte nicht übel Lust, den Rest des Tages gemeinsam mit dem Zaubertrankmeister im Bett zu verbringen und die Reisepläne allein schon aufgrund ihres Unwillens aufzustehen abzusagen.
Ihr Blick streichelte zärtlich Snapes flache Gestalt, liebkoste sein eingefallenes, blasses Gesicht, das selbst im Schlaf viel zu ernst wirkte.
Er würde sich nicht schonen und seinem Körper rücksichtslos alles abverlangen, und niemand hatte die Autorität noch das Interesse, dem Einhalt zu gebieten. Einzig Remus Lupin war feinfühlig genug, aber Snape konnte nicht vergeben und pflegte jeden Versuch der freundschaftlichen Annäherung so vehement und verletzend abzuschmettern, daß Catriona seine Beharrlichkeit aufrichtig bewunderte.

Sie legte sich behutsam zurück. Sein zögerliches Erwachen in ihren Armen schenkte ihnen einen letzten Moment absoluter Intimität und unwiederbringlicher Nähe.

"Was wirst du als erstes tun, wenn du dein Team erreichst?" erkundigte er sich leise und erkannte mit einem Mal, daß er nichts über die Menschen wußte, mit denen sie in Brasilien arbeitete. Keine Anzahl, keine Geschlechter, keine Ausbildung, schon gar keine Namen. Er war so beschäftigt gewesen, daß er nie gefragt hatte, und sie hatte aus Rücksicht oder Zurückhaltung nie etwas erzählt.
Er wußte auch nicht, was ihre Brüder taten, ob sie Familie hatten und sie damit zur Tante avanciert war (nicht, daß er sie sich in einer solchen Rolle hätte vorstellen können), ob sie ihre Eltern regelmäßig sah oder womit sie sich gern beschäftigte, wenn sie einmal nicht arbeitete.
Noch vor wenigen Monaten hätte er solchen Banalitäten keine Bedeutung beigemessen oder sie bestenfalls als aufdringliche Neugier abgetan; nun, da es möglicherweise nie mehr die Chance gab, Persönliches über sie zu erfahren, überwältigte ihn sentimentale, unwirkliche Reue. Gebot es nicht die Höflichkeit, solche Dinge über die Person zu wissen, der man sich so innig verbunden fühlte? Natürlich konnte er die reine Information erlangen, ohne Catriona selbst zu befragen, aber danach stand ihm keineswegs der Sinn.

"Die Verbesserungen aus der Welt schaffen, die während meiner Abwesenheit gemacht wurden", sagte MacGillivray humorvoll, aber ihr Ton verriet, daß sie aus wenig erfreulicher Erfahrung sprach.
"Ich werde dich empfindlich vermissen", fügte sie impulsiv hinzu und sah ihm ernst in die dunklen Augen. "Vergiß mich nach Möglichkeit nicht."

Snape lächelte dünn, strich ihr behutsam die ewig vorwitzige kupferne Locke aus der Stirn und gab zurück: "Ich werde sehen, was ich tun kann." Eine Braue in der für ihn typischen Art gewölbt, wirkte er eher spöttisch als traurig, doch bitteres Leid verbarg sich in den Tiefen seiner unergründlichen Augen.

Catriona zuliebe frühstückte er eine Kleinigkeit, obwohl ihm die Welt seltsam entrückt erschien, die Wahrnehmung reduziert; fremd und fern, als sei es ausgeschlossen, daß er als Akteur und nicht nur als Zuschauer in dem bizarren Abschiedsdrama mitwirkte.

MacGillivray hatte aus Sicherheitsgründen entschieden, den Portschlüssel außerhalb des Schlosses zu aktivieren, und Snape geleitete sie stumm hinaus, ohne mit weiteren Abschiedsgästen auch nur zu rechnen.
Dumbledore, McGonagall, Tonks und Lupin folgten ihnen ungebeten mit besorgt-mitfühlenden Gesichtern, aber Snape, der ihre Anwesenheit kaum erfaßte, blickte niemandem in die Augen, sondern stand steif und sehr gerade in dem nassen Flockenwirbel - dunkler Gram in all dem optimistischen Weiß.

"Vielen Dank", sagte er brüchig, als sie ihm die Hand reichte. Dies war die Vorstellung für Zuschauer, die sie instinktiv gaben, ohne daß es einer Absprache bedurft hätte. Sie hatten sich alles gesagt; keine Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit die Contenance zu verlieren.
"Es war mir eine außerordentliche Freude", entgegnete MacGillivray weich. Sie glitt geschmeidig auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuß auf seine bleiche Wange. "Bis bald", flüsterte sie ganz nah an seinem Ohr, und der Geist eines traurigen Lächelns erhellte für einen Lidschlag des Zaubertränkemeisters bleiches Gesicht.

Remus Lupin drückte Tonks' Hand, während Minerva McGonagall ihre Strenge mit einer gehörigen Portion Milde geglättet hatte und ungewohnt sanft dreinschaute.

"Auf Wiedersehen. Es hat mir besser gefallen, als zu Schulzeiten."

MacGillivray schulterte den Rucksack und nickte freundlich in die Runde. Sie liebkoste Snape ein letztes Mal mit wundervollen Jadeaugen, bevor sie den Portschlüssel, eine Messingkelle aus seinem Büro, die Lupin ein wehmütig-amüsiertes Lächeln entlockte, aktivierte und verschwand.

Der Tränkemeister verharrte noch eine geraume Zeit regungslos in immer dichter werdendem Schneetreiben. Die feuchte Kälte fraß sich durch seinen Umhang, drang ungehindert auf seine klamme Haut, aber während einzelne Schneekristalle auf seinem Haar zu glitzernden Tropfen schmolzen, stand er still und unbeeindruckt in der unwirklichen Winterlandschaft.

"Komm", sagte Lupin schließlich leise, beinahe scheu, denn obwohl ihn Snapes Leid bitter dauerte, legte er dennoch keinen Wert auf eine Erkältung aus bloßer Solidarität. Längst klapperten ihm höchst unrhythmisch die Zähne, und Frostschauer durchliefen seine in viel zu dünnen, abgetragenen Stoff gewickelte Gestalt. Tonks, Dumbledore und McGonagall hatten sich bereits in den vertrauten Schutz der Schloßmauern begeben; nur er fühlte sich verantwortlich und blieb.

Es war, als habe ein Blitzschlag den Tränkemeister getroffen und anstelle ihn zu töten, wieder zum Leben erweckt. Er machte auf dem Absatz kehrt, ohne Lupin auch nur anzusehen und stürmte in einem Wirbel schwarzer Roben den Weg zum Schloß hinauf. Erst am Eingang hielt er inne, drehte sich um und sagte schroff: "Ich benötige keinerlei Unterstützung. - Trotzdem meinen Dank."

Lupin blieb zurück, als die Tür dröhnend ins Schloß fiel; ein wenig verärgert, ein wenig bedauernd, aber nicht wirklich überrascht.


 

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