Kapitel 37: Sonnentausud
"Severus." Die Stimme hatte einen melodischen Akzent, und Snape grübelte, wem sie gehören mochte. Seine Eltern kannten keine Schotten, Iren oder Waliser.
Jemand hüllte ihn in eine Decke, und erst da wurde ihm jäh bewußt, daß ihn violente Schauder durchliefen und seine Zähne so fest aufeinanderschlugen, daß es schmerzte.
"Lehn dich gegen mich", offerierte die Stimme so verlockend, daß er tat wie geheißen und beim nächsten Atemzug den Duft von Diptam wahrnahm. Catriona MacGillivray.
Sich an sie zu klammern, war wie ein Reflex; er vergrub das Gesicht an ihrer Schulter. Allmählich ließ der Schüttelfrost nach.
Snape richtete sich auf, strich sich fahrig wirre Strähnen aus den Augen. Catriona hielt seine zitternde Hand warm und tröstend in der ihren und sagte leise, gleichsam um sich zu vergewissern, daß er wußte, wo er sich jetzt befand: "Die Erinnerungen deiner Mutter. Sie selbst hat sie dir gesandt."
Der Tränkemeister blieb die Antwort zunächst schuldig. Nach einer Zeit geraumen Schweigens gestand er tonlos: "Ich erinnere mich nicht daran, gar nicht. Das nächste, das ich weiß, ist mein V- ist Tobias, der mir Wasser einflößt. Ich war…mitgenommen."
Er verstummte, schlug die Augen nieder. 'Mitgenommen' war eine typische Snapesche Untertreibung; er hatte sich immer wieder übergeben, bis sein Vater schließlich ein zweites Mal in jener Nacht den Arzt kommen ließ.
"Eileen?" erkundigte sich Catriona unendlich weich und fürchtete gleichzeitig die Antwort.
Snape holte Atem. Als er sprach, klang seine Stimme dumpf. "Sie war acht Wochen in einem Muggelkrankenhaus. Ich glaubte, sie würde sterben."
'Und sie nicht minder', fügte MacGillivray in Gedanken hinzu, 'warum sonst hätte sie einen solchen Schritt der Legilimentik unternommen?'
Über Eileen Princes wirklichen Tod konnte sie nichts wissen.
Sie schloß den Zaubertrankmeister in die Arme, spendete ihre Wärme und schenkte ihm tröstliche Nähe, bis er sich genügend entspannte, um sich einem unruhigen Schlummer hingeben zu können.
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"Miß MacGillivray."
Die Schottin blieb stehen, überrascht, auf dem sonst für sie unüblichen Dienstweg in die Gewächshäuser aufgespürt worden zu sein.
"Ah, Hermione." Ein Lächeln erhellte ihre ernsten Züge, und auch die Schülerin grinste verhalten.
"Geben Sie auch Kräuterkunde?" platzte es aus ihr heraus, denn MacGillivray hatte ihren Utensiliengürtel umgeschnallt und ließ einen gewaltigen Krug anmutig neben sich herschweben.
"Sie kommen heute in den Genuß einer interdisziplinären Stunde", sagte sie zwinkernd und dann: "Bleiben Sie neugierig, Miß Granger. Professor Snape wäre der letzte, der Potentiale nicht fördert."
"Was ist mit Freunden?" rief Hermione impulsiv, ohne zu bedenken, daß die Ältere von Snapes Ungerechtigkeiten nichts wissen konnte. "Loyalität meine ich. Zum Beispiel bin ich sehr gut mit Harry Potter und Ron Weasley befreundet, die… Professor Snape ist nicht immer fair, finde ich", stieß sie errötend hervor.
"Oh." MacGillivray nickte verstehend. Das Mädchen befürchtete Zwist, wenn es ausgerechnet den Erzfeind der besten Freunde um Zusatzaufgaben ersuchte. Sie sann ein Weilchen nach und sagte dann milde: "Freunde sind wichtig, und Loyalität ihnen gegenüber ist unabdingbar."
Die Schülerin seufzte erleichtert, wurde jedoch sofort ernst, als die Schottin fortfuhr: "Ein Freund würde allerdings niemals Ihrer Weiterentwicklung im Wege stehen, ganz gleich, was er oder sie persönlich davon hält. Bedenken Sie dies, Hermione."
Granger nickte ernsthaft, und MacGillivray hoffte, sie nähme sich zu Herzen, was sie ihr geraten hatte. Sie folgte ihr in das Hauptgewächshaus, wies dem Krug einen Platz neben einem Sonnenanbetenden Wurmfarn zu und hielt sich unauffällig im Hintergrund.
Wer jemals Pomona Sprout bei der Unterrichtsvorbereitung zugesehen hatte, bezweifelte nicht mehr, daß sie aus purer Energie bestand. Sie flitzte hierhin und dorthin, wässerte bald einen Sumpfampfer, dann wieder sprach sie einer Kannenpflanze Mut zu für die nächste Jagd und brachte die Ohren vor dem neu entfachten Elan eilends in Sicherheit. Und zwischen all diesen Aktivitäten richtete sie völlig unbeschwert die Schülerarbeitsplätze ein.
MacGillivray verfolgte amüsiert, wie Harry Potter hereinkam, Ron Weasley im Schlepptau, dicht gefolgt von Draco Malfoy, an dessen Arm dasselbe dunkelhaarige Mädchen hing, dessen Namen ihr schon einmal entfallen war. Crabbe und Goyle trotteten wie gewöhnlich hinterdrein.
Sie schüttelte den Kopf und lachte still in sich hinein. Eine so sonderbare Konstellation war ihr zuvor noch nie begegnet.
"Platznehmen, setzen Sie sich!" rief Sprout durchdringend, und kaum daß jeder seinen Platz gefunden hatte: "Heute werden wir etwas Besonderes besprechen: Abwehrreaktionen im Pflanzenreich."
Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, in der Catriona MacGillivray aufmerksam die Reaktionen der Schüler verfolgte. Hermione setzte sich in der ihr eigenen Art kerzengerade hin, als könne sie auf diese Weise den Ausführungen der Lehrerin noch besser folgen. Ron tuschelte abgelenkt mit Harry, während Seamus Finnegan schleunigst einen vorwitzigen Finger vor einer Gefräßigen Efeutute in Sicherheit brachte.
"Die Flohblume beispielsweise", dozierte Madam Sprout und deutete auf ein unscheinbares Gewächs zu ihrer Linken, das in einem dichten Teppich über den Boden rankte, "erkennt, ob ihre Feinde Säuger oder Reptilien sind. Säuger erfahren bei Berührung Ausschlag, ganz ähnlich Flohbissen, der jedoch nicht juckt. Reptilien bekommen Schuppenfäule."
Jemand kicherte unterdrückt, aber Sprout ignorierte die Störung und legte stattdessen die Schlinge aus. "Wer kann mir sagen, was die Claisenreaktion ist?"
Erwartungsgemäß schraubte sich einzig Hermione Grangers Hand sofort in die Höhe, ihr folgte jedoch der Arm Neville Longbottoms, der auf Sprouts Geheiß souverän erklärte: "Es handelt sich um eine Komplexbildung, bei der Sud von vielzähnigem Sonnentau genutzt wird."
Catriona unterdrückte ein Grinsen. Daß Sprout so gerissen war, hatte sie nicht erwartet.
"So ist es", bestätigte die Lehrerin für Kräuterkunde und verlieh fünf Hauspunkte für Gryffindor. Neville errötete vor Stolz.
"Wir machen einen Klassenversuch", verkündete sie gänzlich unschuldig und schwenkte den Zauberstab, woraufhin sich eine Windende Schlangenwurz zischelnd durch die Reihen schob und jeden der Schüler berührte.
"Das färbt doch!" rief Hermione Granger halb entsetzt, halb empört, als ihr mit einem Mal ein Licht aufging, was sich in MacGillivrays Krug befinden mußte.
"Weitere fünf Punkte für Gryffindor", lächelte Sprout liebenswürdig. "Blau übrigens. Die Schlangenwurz sondert feine Stäube ab, die sich mit dem Sonnentausud, den uns Miß MacGillivray freundlicherweise gebraut hat, zu einem farbigen Produkt verbinden."
"Das ist aber keine echte Abwehrreaktion", warf Harry Potter scharfsinnig ein, und Catriona gab ihm im Stillen Recht. Er konnte nicht wissen, daß all dies nur der Vorarbeit zu einem einzigen Ziel diente.
"Richtig und falsch", sagte die Kräuterkundelehrerin weise. "Die Pflanze hinterläßt Spuren, die wir gelernt haben, zu unserem Nutzen sichtbar zu machen. - Fertig, Miß MacGillivray?"
Als die Schottin bestätigend nickte, bemerkte Sprout lässig: "Keine Sorge, im Anschluß üben wir den Reinigungszauber."
Draco Malfoy wirkte reichlich konsterniert, und sein Blick schwenkte ins Angewiderte, als die ersten von MacGillivrays kunstvoll gezauberten Sonnentausudtropfen indigoblaue Arme, Hosenbeine und zum Teil sogar Gesichter zurückließen.
Als der Nebel Millicent Bulstrode traf, verfärbte sich ihr ganzes Gesicht; sie rieb sich die Wangen und begann, sich plötzlich hingebungsvoll zu kratzen.
Catriona hob interessiert die Brauen, richtete ihre Brille und genoß das sich entfaltende Schauspiel. Neben Bulstrode frönten Crabbe, Goyle und ein Bursche, den sie nicht kannte, einer wahren Kratzorgie, während ein Teil der Klasse bereits angesichts der ulkigen Verrenkungen prustete und kicherte.
"Das sollte nicht passieren, nicht wahr?" erkundigte sich Hermione bestürzt, aber Catrionas Blick glitt prüfend zu Neville Longbottom, in dessen Augen allmähliches Verstehen dämmerte.
Sie lächelte schlau und sagte vollkommen ruhig: "Mr. Longbottom, was ist Ihre Theorie?"
Die Gequälten hüpften jetzt wie aufgezogen hoch und nieder. Neville schielte unsicher zu Sprout, deren feines Schmunzeln von Triumph kündete.
Zögernd begann er, unterbrochen nur vom Johlen, als sich Crabbe wie ein Wildschwein am Stamm einer Bluteibe scheuerte: "Es gibt meines Wissens nur eine Pflanze, die solchen Juckreiz auslöst - der Musizierende Schellenbaum - wenn man ihn mit Bleiwasser gießt."
Malfoy wurde mehrer Nuancen blasser; sogar Goyle unterbrach sekundenlang sein Jucken, um in einer Geste ertappten Entsetzens zu Crabbe zu schielen, der nur zurückstarrte und die Schultern zuckte.
"Gestehen Sie freiwillig?" lächelte Sprout süffisant. "Oder bevorzugen Sie ein weiteres halbes Stündchen Fingertraining?"
"Bloß nicht!" brüllten Crabbe und Goyle wie aus einem Munde und riefen, sehr zu Malfoys Mißbehagen: "Es sollte doch nur ein Streich sein."
Zu Catrionas übergroßem Erstaunen fügte Goyle hinzu: "Tut uns leid, daß Sie verletzt wurden", woraufhin Malfoy noch unversöhnlicher dreinblickte.
Entweder unterschätzte er die Gerissenheit seines Kumpans, oder Gregory Goyle bereute wirklich.
"Schön", sagte Sprout trocken, der die Angelegenheit unheimlichen Spaß zu machen schien, "und Sie, Miß Bulstrode? - Hatten Sie mit der letzten Strafarbeit nicht genug zutun?"
"Doch", quetschte die Angeredete verstockt durch die Zähne. "Tut mir auch leid."
Catriona grinste spöttisch, während sich Pomona Sprout Zeit nahm, den Gegenzauber zu sprechen und die Übeltäter von ihren Qualen zu erlösen.
"Ihre Hausaufgabe wird eine Abhandlung über die eben gesehene Reaktion sein", verkündete Sprout vorhersehbarerweise, aber diesmal wagte niemand zu mucksen. "Und Sie werden sich zusätzlich vor Professor Snape verantworten müssen", beschied sie im Hinblick auf die Urheber des Streiches, die ganz so aussahen, als würden sie den Juckreiz der Konfrontation mit ihrem Hauslehrer vorziehen.
Catriona glitt beschwingt hinaus in einen frostklaren Morgen, dessen strahlende Sonne unwirklich hell die Ländereien von Hogwarts überstrahlte.
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Sie setzte ihre Schritte geschickt, atmete tief die reine, eisige Luft und gab sich alle Mühe, nicht an die bevorstehende Abreise zu denken.
Severus Snape konnte unmöglich seine ungezählten Aufgaben allein schaffen, aber der Perfektionist in ihm würde nicht eher ruhen, bis sein Körper vollends den Dienst aufkündigte. Es widerstrebte ihm, Aufgaben halbherzig zu erledigen - sie kannte dieses Verhalten nur zu gut von sich selbst.
Catriona schlug die Arme eng um den Körper, als könnte sie damit dem Gefühl der Zerrissenheit begegnen, das seit Snapes letztem Erinnerungstraum in ihr tobte. Ihn ausgerechnet jetzt zu verlassen, erschien ihr ein besonderer Frevel, woraufhin ihr Gewissen nicht zögerte, sie daran zu erinnern, daß sie selbst alle Optionen, bleiben zu können, als inadäquat abgelehnt hatte.
Langsam wandte sich MacGillivray dem Schloß zu, das imposant hinter ihr aufragte. Jedes der Fenster barg ein Stückchen Heimat für Severus Snape; für sie, obgleich vertraut, nur die höfliche Zuvorkommenheit, die man einem Gast entgegenbrachte.
"Sie werden's doch irgendwie vermissen, nicht wahr?" riß sie eine bekannte Stimme aus der bedrückten Traurigkeit, die sich ungefragt ihrer bemächtigt hatte.
Nymphadora Tonks, in dickem Parka und mit Filzbarett auf dem Haar, deutete vage auf die majestätische Silhouette des Schlosses und lächelte wissend, als MacGillivray ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit mit einem Stoßseufzer gestand: "Sehr sogar, aber ich muß zurück."
Tonks hakte sie in einem plötzlichen Impuls unter und sagte freimütig: "Wir werden Sie auch vermissen - ja, sogar ich, die ich Sie kaum kenne. Und wie Sie mit Severus zusammengearbeitet haben, das hat mir imponiert. Ohne Sie hätte ihn Voldemort bestimmt umgebracht."
"Übertreiben Sie nicht", murmelte MacGillivray unbehaglich. Obgleich sie bezweifelte, daß die Aurorin von ihrer weit über das Professionelle hinausgehenden Beziehung zu Hogwarts' Tränkemeister wußte, so bestand doch immerhin die Gefahr, daß sie beim Ordenstreffen zwei und zwei zusammengezählt hatte. Vertraulichkeiten pflegte Catriona indes mit niemandem auszutauschen, schon gar nicht mit einer Fremden, mochte sie ihr noch so sympathisch sein.
Nymphadora Tonks geleitete sie mit sanftem Nachdruck zum Schloß zurück.
"Ich bewundere Sie", sagte sie warm, bevor sie durch einen Seiteneingang eintraten. "Sie könnten es leicht haben, aber Sie wählen den steinigen Weg."
"Um Professor Snape besorge ich mich", entfuhr es MacGillivray plötzlich scharf, und sie ließ alle Vorsicht fahren. "Er würde niemals zugeben, daß ihm etwas zuviel wird, und dennoch kommt dies… häufig vor."
"Aber wieso - oooh!"
Tonks' Augen wurden groß, als jähe Erkenntnis sie wie ein bockender Besen traf, und Catriona verwünschte sich für ihre unpassende Impulsivität. Sie schwor sich im Stillen, die Aurorin in einen Laubfrosch zu verwandeln, wenn diese den Mund nicht hielt und sie mit einer lästerlichen Bemerkung ärgerte, aber Tonks, noch völlig mitgenommen von der Vorstellung, jemand könnte freiwillig Snapes Nähe suchen, witzelte verdattert: "Ich verspreche, nett zu sein" und wandte sich hastig ab, um die überraschte Verlegenheit zu überspielen.
"Außerdem müssen Sie mindestens alle zwei Monate an einem Treffen teilnehmen", fiel ihr gerade noch ein, mochte MacGillivray es als Trost oder Scherz auffassen.
Sie zwinkerte sicherheitshalber, schüttelte das Barett vom Haar und nahm die Treppe zum Gryffindorturm in aufgeregten Sprüngen, während die Schottin in die Kerker hinabstieg.
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Severus Snape stand über einen Kessel gebeugt, einen Probenlöffel in der Hand, mit dem er von Zeit zu Zeit konzentriert ein wenig der perlgrau changierenden Flüssigkeit zur visuellen Prüfung entnahm, um sie dann Tropfen für Tropfen zurück in den Kessel fallen zu lassen.
"Nun?" fragte er, nichts weiter, aber MacGillivray verstand seine kryptische Anspielung sofort.
"Laß es mich so ausdrücken", gab sie verschlagen zurück, "mehrere Mitglieder deines Hauses tragen unverkennbare Kratzspuren."
Um Snapes schmale Lippen zuckte der Geist heiterer Belustigung, aber er blieb auf den Kessel fixiert und warf, als sich die Farbe der Flüssigkeit für einen Sekundenbruchteil in schillerndes Schwarz verwandelte, eine Handvoll Kräuter hinein, so daß ein melodisches Brodeln das Labor erfüllte und der Sud wallend in vertrautes Weinrot zurückkehrte.
"Modifikationen am Werwolftrank", bemerkte MacGillivray mit hochgezogenen Brauen, während der Tränkemeister einige Worte in herrischen Federstrichen notierte.
Er wirkte gereizt, faßte sich jedoch soweit, um ihr zumindest einen Platz anzubieten.
"Deine Meinung", verlangte er kurz und seltsam abgehackt. "Mädesüß und Stechapfel - Verlängerung der Wirkdauer, ohne den Rest zu stören?"
Catriona nahm sich Zeit, seine gehetzte Anfrage zu überdenken. Snape füllte den Trank unterdessen seelenruhig in einen gewaltigen Krug und versah den Kessel mit einem Putzzauber, so daß der Schwamm eifrig auf- und niederschrubbte und dabei ein singendes Geräusch verursachte.
"Ich glaube schon", teilte ihm MacGillivray nach eingehender Überlegung mit. Sie trat leichtfüßig neben ihn, vermied es aber tunlichst, ihn zu berühren. Snapes ohnehin schlechte Laune würde bei Vertraulichkeiten außerhalb seines Quartiers nur noch düsterer werden.
"Glaubst du oder weißt du?" hackte er bissig und musterte sie aus unangenehm glitzernden Augen.
"Wissen wirst du es erst nach einem Test", belehrte sie ihn kühl, ohne auf seinen Tonfall einzugehen. "Weise Miß Granger bitte nicht ab, wenn sie sich wegen spezieller Aufgaben an dich wendet."
Ihre heimliche Hoffnung, ihn mit dem neuen Thema etwas abzulenken, erfüllte sich nicht.
Snapes Mund wurde hart, und er mußte dem Impuls beiseite zu treten, mit aller Macht widerstehen.
"Befiel mir nicht", sagte er grantig. "Außerdem wird sie das nicht tun. Loyalität ihren nichtsnutzigen Freunden gegenüber."
MacGillivray warf ihm einen scharfen Blick zu. Die Schüler und vermutlich auch ein Großteil des Lehrerkollegiums verkannten Snapes Beobachtungsgabe und Sensibilität vollkommen, wenn sie annahmen, er bemerke nicht, was sie bewegte oder worum ihre Gedanken kreisten.
Daß es ihn nicht interessierte, stand auf einem anderen Blatt.
"Ich reise morgen ab, Severus", sagte sie leise. "Gibt es etwas, bei dem dir meine Hilfe noch dienlich wäre?"
'Noch unendlich viel', durchzuckte es den Zaubertrankmeister, laut sagte er jedoch: "Nichts" und sah zielgenau an ihr vorbei - ein schweigendes Eingeständnis seiner Hilflosigkeit, wie er mit dem Wissen, das ihm ihre Ankündigung beschert hatte, umgehen sollte.
"Komm." Nun berührte sie ihn doch, spürte den groben Stoff der langen Robe rauh zwischen den Fingern und wünschte, ihn festhalten und bleiben zu können. "Es ist herrlich draußen."
"Vor allem kalt", informierte er sie trocken, und für einen Moment erwartete sie Protest, so als müsse er Spaziergänge aus Prinzip ablehnen; um so überraschter war sie, als er sich wortlos in einen schweren Umhang hüllte und einen wollenen Schal um den Hals wickelte.
"Die Landschaft entbehrt nicht eines gewissen Reizes im Winter", bemerkte Snape säuerlich, nachdem sie fast zwanzig Minuten in völliger Stille gewandert waren. Längst konnte man vom Schloß nur noch die Umrisse sehen, ein verschwommenes Versprechen in der klaren Luft.
MacGillivray nickte versonnen.
"Morgen wirst du Wasser sehen und Wald und den schweren Duft tropischer Feuchte atmen", sagte der Tränkemeister und bot ihr unerwartet den Arm. Vielleicht fühlte er sich so weit draußen nicht von neugierigen Blicken bedrängt, oder er maß eventuellen Beobachtern keine Bedeutung mehr bei, nun, da sie so bald abreiste.
"Ich verwende einen Portschlüssel", teilte sie ihm sachlich mit. "Das Flohnetzwerk hat sich nicht bewährt."
Snape zuckte die Achseln, aber sein Blick sprach unmißverständlicher, als Worte es gekonnt hätten.
"Wirst du mir schreiben, wenn du Hilfe benötigst?" fuhr sie fort und lachte, als er ihr ein kategorisches "Nein" entgegenschleuderte.
"Mein Fehler", parierte sie gekonnt, "aber von deinen Fortschritten und Erfolgen werde ich erfahren."
Ein Lächeln kroch über Snapes eingefallenes Gesicht. "Vielleicht", sagte er vage und schob die Möglichkeit weit von sich. Unvorstellbar, mit Briefen die klaffende Wunde wieder und wieder aufzureißen, die ihr Fortgehen unweigerlich schlagen würde.
Er klammerte sich an die inständige Hoffnung, sie nicht vor dem gesamten Lehrerkollegium oder gar den Schülern verabschieden zu müssen.
Ein unwillkürlicher Schauder durchlief ihn, den sie als Kälte mißinterpretierte. Er sträubte sich nicht, als sie den Rückweg antraten.
Madam Sprout erwartete ihn sicherlich längst, um ihm genüßlich von den Vergehen seiner Schüler zu berichten, eine Tatsache, die allerdings kaum dazu gereichte, ihm den Tag zu verderben. Er sah die zu verhängende Strafe nämlich schon bildlich vor sich: Extraktion von Wunffschleim, der im Verdacht stand, halluzinogene Eigenschaften zu besitzen. Und bevor eine Bande experimentierfreudiger Schüler auf den Gedanken kam, dies im Selbstversuch zu erproben, wollte er informiert sein. Daß die Arbeit ohne Magie zu erfolgen hatte, stand freilich außer Frage.
Zunächst wünschte ihn allerdings der Schulleiter zu sprechen. Snape winkte den Hauselfen ungeduldig fort, der ihn mit der Nachricht bereits an der Treppe zu den Kerkern erwartete.
Er hatte es aufgegeben, sich auf dem Weg zu solchen Gesprächen zu fragen, was man wohl mit ihm zu besprechen wünschte - die Überlegungen waren müßig, und Zeit zu verschwenden, konnte er sich in der prekären Situation beileibe nicht erlauben.
Albus Dumbledore begrüßte den Tränkemeister herzlich, jedoch bei weitem nicht so überschwenglich, wie Snape befürchtet hatte. Die sonst unvermeidlichen Süßigkeiten waren nirgends auszumachen. Stattdessen schenkte der Alte herb duftenden Schwarztee zeremoniell in ein antikes Glas und reichte es dem Gast, dem nichts anderes übrig blieb, als es zunächst zu akzeptieren.
"Catriona reist morgen ab", sagte Dumbledore sanft, aber keine Regung zeigte sich in Snapes blassem Gesicht.
"So hat sie es mir mitgeteilt", bestätigte er kühl. Was erwartete der Alte? Die Bitte, ihr Bleiben zu ermöglichen? Völlig ausgeschlossen; Albus kannte ihn zwar bei weitem nicht so gut, wie er glaubte, aber immerhin lange genug, um zu wissen, daß er nie einen derartigen Wunsch äußern würde.
Gewiß, es war kein Geheimnis mehr, daß er MacGillivrays Hilfe zu schätzen gelernt hatte, aber wieviel sie ihm bedeutete, konnte der Schulleiter unmöglich ahnen.
"Severus, wenn du der Ansicht bist, weitere Hilfe zu benötigen, stelle ich gern jemanden zur Assistenz ein", bot Dumbledore so gefällig an, daß es Snape eiskalt überlief. Er schüttelte vehement den Kopf und betonte entrüstet: "Auf keinen Fall! Ich bin absolut in der Lage, meine Aufgaben selbständig zu erfüllen."
Des Alten nachsichtiges Lächeln sandte eine Lohe glühenden Ärgers durch seine Brust. Nichts wußte er, gar nichts! Schon jetzt vermißte er MacGillivrays Scharfsinn, ihren liebevollen Spott, ihre Zärtlichkeit und ihr aufrichtiges Zuhören.
"Daran zweifelt niemand, Severus." Der Schulleiter ließ das Thema zu rasch wieder fahren; irgend etwas stimmte nicht, aber Snape verspürte kein Interesse, der Sache auf den Grund zu gehen. Wenn man etwas von ihm wollte, würde man es ihn schneller wissen lassen, als ihm lieb sein konnte.
Andererseits - jede Minute, die er im Gespräch mit dem Direktor verbrachte, blieb ihm in der unbarmherzigen Abschiedsstimmung mit Catriona erspart. Ihre Gegenwart schmerzte empfindlich in der Gewißheit, sie schon morgen zu verlieren, und das Zusammensein mit ihr versetzte ihn in einen Zustand gereizter, dumpf-resignierter Hilflosigkeit, in dem er unwirsch reagierte und sie mit Sarkasmus strafte, der ihm selbst am meisten wehtat.
"Die Ferien würden sich für einen Urlaub eignen", bemerkte Dumbledore leichthin, während er angestrengt zum Fenster hinausspähte, als könne er eine Kuriosität dort draußen erblicken.
Snape versteifte sich abrupt; das Teeglas wurde firm abgestellt, und er sagte kalt: "Mir steht nicht der Sinn nach Urlaub. War das alles?"
Der Schulleiter wandte sich zu ihm um, ein liebenswürdiges Lächeln im faltigen Gesicht. "Alles", sagte er in herzlichem Singsang, und Snape glitt hinaus, ohne noch einmal zurückzusehen.
Was, bei Merlins allmächtigem Wissen, hatte das zu bedeuten? Sofern es überhaupt einen tiefergehenden Hintergrund gab… Dumbledore brachte es fertig, hin und wieder gänzlich unerwartete Vorschläge zu machen, die einer Laune heraus entsprungen sein konnten und die unter dem Deckmantel väterlicher Besorgnis präsentiert wurden. Natürlich pflegte Snape solche Abwegigkeiten stets abzulehnen. Diesmal allerdings versetzte ihn die an sich harmlose Bemerkung in höchste Alarmbereitschaft. Catriona betraf einzig ihn selbst; er wünschte keinerlei noch so wohlmeinende Einmischung.
Severus Snape kehrte zu dem zurück, das ihm von jeher Schutz und Bestätigung gegeben hatte, wenn er sich unliebsamen Gedanken oder Emotionen zu entziehen suchte - seiner Arbeit. Bei der erforderlichen Konzentration auf marginale Feinheiten gab es keinen Platz für Grübeleien, und er konnte jederzeit die lästige innere Stimme darauf verweisen, daß er derzeit für Gewissensbisse oder ähnlichen unliebsamen Ballast nicht zu sprechen war.
Kleine Pflanzenkunde: Mädesüß (Filipendula ulmaria) verwenden die Muggel traditionell bei Erkältungen. Nicht geeignet für Personen, die Salicylate nicht vertragen.
Stechapfel (Datura stramonium und D. metel) enthält mit Hyoscyamin, Scoploamin und Atropin Alkaloide, die zu bedeutenden Vergiftungen bei Uneingeweihten führen können. In der Muggelheilkunde hat isoliertes Atropin große Bedeutung.
Sonnentau (Drosera rotundifolia) kann bei Reizhusten gute Linderung erzielen.
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