Sein und Schein

 

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Kapitel 7: Komödie der Irrungen

 



Teil 4

Sie saßen alle bis spät in die Nacht über den Kesseln und Zutaten. Die Diskussionen begannen sich im Kreis zu drehen. Sie kamen einfach nicht mehr weiter. Snape strich sich müde über die Augen. Er hatte seit Dumbledores Eule nicht mehr geschlafen. Neben ihm saß Bernardo auf einem der Laborhocker und versuchte, das Feuer unter dem Kessel im Auge zu behalten. Auch er wirkte übermüdet und dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab.
"Ich fürchte", sagte er matt, "dass meine Kenntnisse und Fähigkeiten einfach nicht ausreichen. Was immer dieser Lockhart mit deiner Kollegin angestellt haben mag, es kann durch einen Zaubertrank nicht umgekehrt werden. Nicht, soweit ich sehen kann."
"Vielleicht sollten wir die Basis des Vielsafttrankes noch einmal verändern?" Die beiden Männer sahen zu der Frau hinüber, die sich auf der anderen Seite des Tisches auf den Hocker fallen ließ. Gwendas sonst so glockenklare Stimme verriet dieselbe Müdigkeit.
"Womöglich ist der Ansatz falsch?" überlegte sie laut. "Der Vielsafttrank ist nur für Verwandlung von Mensch zu Mensch. Aber hier war die Metamorphose von Mensch zum Tier. - Ich verstehe nur nicht, was die Fähigkeiten der Animaga so blockiert."
"Das tätest du, wenn du Lockhart kennen würdest." Der Gedanke an diesen Kerl verursachte Snape Kopfschmerzen. "Der ist nur in einem genial und zwar im Verursachen von Katastrophen."
Wie auf Stichwort zischte es plötzlich bedrohlich und alle sahen zur Ecke hinüber, wo die Magnus-Brüder verwundert zusahen, wie ihr Kessel langsam schmolz und glühend vom Tisch tropfte. Johann Magnus gab seinen Bruder Albert die Schuld dafür, der ihm jedoch wütend entgegenhielt, dass er sich nicht um alles kümmern könne. "Warum hast du nicht ein Auge darauf gehabt?"
Snape seufzte ergeben und murmelte so etwas wie 20 Punkte Abzug für Gryffindor. Es hatte keinen Zweck mehr, sie waren alle übermüdet und unkonzentriert. Beim nächsten Mal würde irgendjemand das Labor aus Versehen in die Luft jagen. Mit seinem Zauberstab winkte er das Feuer unter dem eigenen Kessel aus, in der Gewissheit, dass damit der Trank darin verdorben war. Erschöpft setze er sich neben Bernardo und starrte auf die Zutaten, die überall auf dem Tisch verstreut waren. Wenn seine Schüler das jetzt sehen könnten. Bei dieser Unordnung hätte er ihnen gehörig Punkte abgezogen und nun? 10 Punkte weniger für Slytherin überlegte er und stützte die Unterarme auf dem Tisch ab.
Bernardo raffte sich auf. "Wir sollten schlafen gehen - alle. Wir haben noch bis morgen Mittag Zeit, bevor alle wieder aufbrechen. Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir ausgeschlafen sind. - Severus?"
Gwenda betrachtete die schlafende Gestalt auf der anderen Seite des Tisches mit einem milden Lächeln. Snapes Kopf war auf die Arme gesunken. "Tja, Bernardo, ich fürchte, Sie führen gerade Selbstgespräche. Unser berühmter Zaubertrankmeister ist eingeschlafen."
"Bin ich nicht!" murmelte Snape mit einer Stimme, die Gegenteiliges vermuten ließ. Es kostete ihn einige Anstrengungen, die Augen wieder zu öffnen und die Kopfschmerzen zu ignorieren.
Die Magnus-Brüder hatten ihre Diskussion über die Schuldfrage beendet und räumten nun die Reste ihres Versuches weg. Isolde und Jeanne dagegen begannen ihren Disput gerade mit Apollonius, der ihnen gereizt einige unanständige Namen verpasste, weil sie nicht auf ihn hören wollten. Von seinem sonst betörenden Charme war nichts geblieben und die beiden Frauen gifteten zurück. "Sie sehen schon aus wie so ein Feuersalamander - erzählen Sie uns nicht so etwas!"
"Ach beruhigen Sie sich Isolde, der redet schon wie so ein Jarvey!" Jeanne zog die junge Frau aus Durmstrang von dem Spanier weg.
Die anderen Seminarteilnehmer sahen zu den dreien hinüber und schienen dankbar für diese kleine Abwechslung zu sein. Die Aufregung munterte sie ein wenig auf und lenkte von der allgemeinen Erschöpfung ab.
Wie schön wäre es jetzt, sich die Ohren zuzuhalten, wünschte sich der Zaubertrankmeister aus Hogwarts.
Als ob Bernardo seine Gedanken gelesen hätte, klopfte er ihm nur auf die verspannte Schulter. "Ich kümmere mich darum, geh du erst mal schlafen. Du bist schon seit zwei Tagen und Nächten nicht mehr aus dem Labor herausgekommen."
"Kann ich nicht gleich hier sitzen bleiben?" nuschelte Snape schlaftrunken.
"Komm, du großer Magier, ich bring dich ein Stück!" Gwendas Lichtgestalt glitt fast lautlos um den Tisch herum. Sie rüttelte Snape kräftig durch, bis der soweit wieder klar denken konnte, dass er sich auf die Beine stemmte und abwehrend die Hände hob. "Ich kenne den Weg, danke."
Für einen Moment blieb er stehen und starrte in den langsam abkühlenden Zaubertrank in seinem Kessel. Was hatten Madam Isolde gesagt? Salamander? Die Worte sickerten langsam wie Tropfen in seine Gedanken. "Murtlap!" murmelte er plötzlich. "Salamander und Murtlap!"
Schlagartig war Snapes Müdigkeit wie weggeblasen. Er drehte sich zu Apollonius herum.
"Haben Sie Salamanderblut benutzt?" wollte er wissen.
Der Spanier sah auf und hielt sich dabei die Lehrerin aus Durmstrang noch immer auf Distanz. "Ja, wir dachten, es würde mit seinen wiederherstellenden Eigenschaften die Blockade auflösen. Ging aber daneben."
"Was ist passiert?"
"Der Tank ist hoch giftig geworden."
"Darum kümmere ich mich später. - Bernardo, kann man Murtlap mit Salamanderblut auch bei hohen Temperaturen miteinander verbinden?"
"Sicher, vorausgesetzt die Zutaten sind gut ausbalanciert, sonst fliegt dir der Kessel um die Ohren!"
Langsam traten die Seminarteilnehmer zum Tisch heran, an dem Snape mit Bernardo und Gwenda stand. Sogar Isolde und Jeanne ließen von Apollonius ab. Jeder von ihnen konnte spüren, dass sie der Lösung auf der Spur waren.
"Murtlap-Gewächs stärkt die Widerstandskraft gegen Flüche und böswillige Zauberei", erläuterte die Lehrerin aus Beauxbatons. "Ich kenne die Wirkung allerdings nur als vorbeugende Maßnahme. Funktioniert es auch rückwirkend?"
Snape eilte an die große Tafel an der Wand und ließ die komplizierten Formeln und Listen darauf mit seinem Zauberstab verschwinden. Dann notierte er die einzelnen Komponenten, die er für den neuen Trank zu nutzen gedachte. "Lassen Sie uns noch einmal ganz von vorne beginnen."

***



Da war sie wieder, diese Fremde, die seit Tagen bereits in ihrem Revier wilderte. Mrs. Norris betrachtete die gestreifte Katze böse. Sie hockte vor dem Bild, in dem dieser lächerliche Mensch immer hin und her winkte, sobald einer daran vorbeikam. Jetzt schien das Bild zu schlafen - zum Glück. Der Mann in dem Bild verscheuchte ihr die Mäuse mit seinem Gequatsche.
"Miau!" drohte Mrs. Norris.
Die Fremde sah sie nur gelangweilt an und richtete dann ihren Blick auf das Bild. Was fand die nur daran? Neugierig geworden, trat Mrs. Norris näher und setzte sich schließlich neben der grauschwarz-gestreiften Katze. Na schön, dass ist ihr Schloss - Hogwarts - und es sieht auch ganz witzig aus, wenn dort die Lichter an und aus gehen. Aber Mäuse jagen und Schüler auf verbotenen Pfaden aufspüren war doch viel interessanter.
Schon wollte sich die Katze entfernen, da tauchte, wie bestellt, einer der Schüler auf. Rote Haare? Natürlich, konnte ja nur einer der Zwillinge sein. Wo steckte denn der andere? Mrs. Norris sah sich um. Sollte sie warten oder lieber gleich Filch warnen. Erst einmal den Schüler anfauchen. Meistens half das schon, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Mrs. Norris lief dem Zwilling entgegen und machte sich feindselig bemerkbar.
Die andere Katze vor dem Bild starrte herüber. Schien, als ob sie verärgert war. Sie stolzierte zu dem Weasley und betrachtete ihn streng von oben bis unten.
Fred schrak nun wirklich zusammen. "Oh, Professor McGonagall!" stotterte er, als er die Katze als seine Hauslehrerin erkannte. "Ich, ähm, also ich gehe dann mal wieder in den Turm zurück", druckste er herum und verschwand.
Mrs. Norris bedachte die fremde Katze mit einem anerkennenden Blick. Bei allen Schlossmäusen, das war gekonnt. Was hatte diese Katze, was ich nicht habe? Einen der Zwillinge in die Flucht zu schlagen war wirklich eine tolle Leistung.
Die gestreifte Katze hatte wieder Stellung vor dem großen Bild neben dem Eingang der Halle bezogen und starrte darauf.
Sie beschloss, dem Beispiel der Fremden zu folgen, mal sehen, was passieren würde.

"Miau!"
Gleichzeitig sahen zwei Katzen in dieselbe Richtung und gewahrten den großen schwarzen Kater der Slytherins, der nun heranstolzierte. Mrs. Norris strich sich automatisch mit der Pfote über die Ohren und versuchte ihr normalerweise struppiges Fell zu glätten, bevor sie mit einem charmanten "Miau!" antwortete.
Dieser Kater sah umwerfend aus, aber er war durch und durch ein Slytherin: hinterlistig und böse. Na und? Ihr Ruf war ja auch nicht besser. "Miau!" Seine Herrin war diese Millicent Bulstrode. Wie konnte so ein stattlicher Bursche so eine hässliche Herrin haben?
Mrs. Norris Gedanken wurden unterbrochen. Auf der anderen Seite des Flurs kam noch ein Kater anmarschiert. Drei Katzenaugenpaare richteten sich auf Krummbein, der nun auf die kleine Versammlung zugewackelt kam und ein munteres "Miau!" an alle richtete.
Auf keinen Fall, überlegte Mrs. Norris. Mit einem Gryffindor gab sie sich nicht ab. Sie stand auf, streckte sich und stolzierte dann in Richtung schwarzer Kater davon, der ihr, nach einigen Augenblicken interessiert folgte.
Krummbein leistete McGonagall gern Gesellschaft und setzte sich nun gleichfalls vor das Bild.
Die Turmuhr schlug bereits Mitternacht, als auf dem Flur erneut leises Tippeln von Pfoten zu hören war. Krummbein kam sofort auf die Füße und sah sich um, immer auf der Hut, zufällig wieder den Kater von Slytherins zu treffen, der nur zu gern versuchte, ihm eins auszuwischen.
Aber dieses Mal war die dunkle Gestalt, die sich an der Wand entlang drückte nicht der Kater, sondern das Frettchen der Lehrerin für Elemente. Merlin war über und über mit Schnee bedeckt und schüttelte sich nach und nach die schmelzenden Flocken aus dem Fell. Als er an den Katzen vorbeikam, sah er sie misstrauisch an, bevor er weitertippelte und eine feuchte Spur hinter sich ließ.
Oh, überlegte Krummbein, das wird der guten Mrs. Norris nicht gefallen. Bestimmt kann sie es kaum erwarten, diesen Dreck ihrem Herrchen zu zeigen.

Im Schlafraum von Ron und Harry schien durch das Fenster der Mond und ergoss sein silbernes Licht auf den Dielen des runden Zimmers. Neville Longbottom drehte sich mit einem vernuschelten "Ich vergesse es nicht, Großmutter!" gerade auf die andere Seite, als die Tür zum Schlafraum leise geöffnet wurde. Eine große schmächtige Gestalt schlich sich an den Betten der Jungen entlang und blieb reglos in der Mitte zwischen denen von Harry und Ron stehen. Das helle Mondlicht umspülte die Füße des Eindringlings. Endlich huschte die Gestalt zu einem der Betten und schob langsam den Vorhang beiseite.
Ron schrak heftig zusammen, als sich eine Hand auf seinen Mund legte. "Pscht!" flüsterte Fred und vergewisserte sich, dass sein Bruder ihn erkannte. Erst als Ron langsam nickte, nahm Fred die Hand von seinem Mund.
"Bist du völlig bekloppt!" zischte Ron und stieß Fred wütend in die Seite. "Hättest mich fast umgebracht. Das war nicht komisch!"
"Beruhige dich und mach keine Szene."
"Was ist denn los?"
"Komm, nimm deine Sachen mit, ich warte unten auf dich."
Ron sah noch, wie Fred leise zur Tür zurückeilte und dahinter verschwand.
Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors war es nicht besonders hell und im Kamin glimmte nur noch leicht die Glut.
"Was 'n los!" gähnte Ron, als er, seine Sachen hinter sich her schleifend, die Treppe herunter kam und sah, wie Fred ungeduldig winkte.
"George ist verschwunden!" Keine nennenswerte Reaktion. "Komm schon, Ron, wach auf!"
"Ja, ja alles klar!" gähnte Ron erneut und machte auf dem Absatz kehrt. "Für eure blöden Spielchen sucht euch einen anderen! Ihr seid ja von aller Magie verlassen, mich mitten in der Nacht zu erschrecken und aus dem Bett zu treiben."
"Das ist kein Scherz!" entgegnete Fred.
Irgendetwas in seiner Stimme ließ Ron aufhorchen. Noch nicht ganz überzeugt drehte er sich zu seinem Bruder um. "Also, wenn das doch einer ist, wart ihr die längste Zeit meine Brüder gewesen!" gab Ron zu bedenken. Doch Fred schüttelte traurig den Kopf. "Er ist wirklich verschwunden, wir müssen ihn sofort suchen gehen."
Jetzt eilte Ron die Treppen herunter, nicht weniger besorgt als Fred. Während er sich anzog, erzählte der Ältere ihm, dass George zur Küche hinunter wollte, um sich bei den Hauselfen einige Naschereien zu besorgen. Fred stand derweil im Hauptflur Wache. Nachdem er eine ungewöhnlich lange Zeit rumgehangen hatte, kam ihm die Sache komisch vor. "Also bin ich auch zur Küche runter, aber die Elfen versicherten mir, dass George gar nicht da gewesen war."
"Vielleicht hat ihn einer der Lehrer erwischt oder Filch?" mutmaßte Ron.
"Nein, denn dann wäre bereits irgendjemand hier gewesen - zumindest aber George. Ron, ich sage dir, etwas komisches passiert hier. Der alte Muggel Shakespeare würde sagen: Es ist was faul im Schlosse Hogwarts. - George ist zwischen Hauptflur und Küche verschwunden."
"Also gut, gehen wir ihn suchen." Mit einem leicht mulmigen Gefühl im Bauch kletterte Ron seinem Bruder durch das Porträtloch nach. Fred sah wirklich besorgt aus.
Die verschlafene Fette Dame auf dem Gemälde sah ungnädig auf die beiden Gryffindors. "Wo wollt ihr denn zu dieser Stunde noch hin? - Hey, das sind ja die Weasleys! Was ist? Noch nicht genug Süßigkeiten gehabt?" Schon nickte die Frau auf dem Porträt wieder weg, als sie erneut geweckt wurde. "Was denn Jungs, rein oder raus?" brummte sie gereizt und öffnete wieder.
"Wo willst du hin, Ron?"
"Ich hole nur eine kleine Hilfe!"
Zum dritten Mal schreckte die Fette Dame aus dem Schlaf. "Nun reicht 's aber!" schimpfte sie.
"Tschuldigung!" nuschelte Ron und schob Fred ein wenig abseits. "Hier, ich habe mir die Karte der Rumtreiber von Harry geborgt."
"Du hast Harry geweckt?"
"Nein, ich wusste doch, wo er sie versteckt hat. Lumos!" flüsterte Ron und hob die erleuchtete Zauberstabspitze ein wenig über die Karte.
Fred tippte mit seinem Zauberstab auf das magische Papier. "Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin!" Sofort gab die Karte ihr Geheimnis preis. Die Grundrisse von Hogwarts erschienen und einige Schriftzüge deuteten die Positionen verschiedener Personen an.
Sofort fiel eine Anhäufung von Namen auf. Verwundert schauten sich die Brüder an. "Gibt's hier irgendwo eine Party, von der wir nichts wissen? Oder haben wir Weihnachten verpasst. Wieso drängen sich denn alle vor der Großen Halle?"
"Äääh!" entfuhr es Ron. "Lockhart ist auch wieder da."
Erneut tippte Fred mit dem Stab auf die Karte "Unheil angerichtet! - Nicht zu fassen, ich mache mir Sorgen und George schmeißt 'ne Party!"
"Aber wieso denn gerade mit Lockhart?" Ein wenig zögerlich folgte Ron seinem älteren Bruder. "Sei vorsichtig Fred! Der Name von McGonagall war auch dabei."
Die Brüder blieben am Abzweig zur Großen Halle stehen. "Also, wenn da eine Party ist, dann sind die Gäste verdammt leise!" Fred schaute vorsichtig um die Ecke, während Ron hinter ihm ungeduldig wartete. "Was ist? Haben sie die Party abgesagt?"
"Da ist keiner!"
Sie zogen sich in eine der Nischen zurück und konsultierten noch einmal die Karte. "Merkwürdig. Ich habe zwei Katzen vor Lockharts blödem Bild gesehen, aber keinen George."
"Das sieht nicht gut aus." Ron zählte fünf Personen auf der Karte, aber mal von ihrer Hauslehrerin in der Gestalt der Katze abgesehen, gab es niemanden weiter. "Entweder funktioniert die Karte nicht, oder aber hier passiert was sehr, sehr merkwürdiges. Hermine hatte heute Nachmittag Schreie auf dem Flur gehört, kurz bevor die beiden Hufflepuff-Mädchen verschwunden sind."
Fred maß seinen Bruder mit einem grimmigen Blick. "Es gab keine Schreie. Nicht von George" betonte er. "Mitten in der Nacht hätte schon ein einziger Schrei das ganze Schloss geweckt."
"Und was nun?" wollte Ron wissen. Bevor Fred ihm jedoch antworten konnte, trat Albus Dumbledore aus dem Halbschatten des langen Flures hinaus in das Licht der Fackeln in der Eingangshalle.
"Minerva, Sie sitzen vor dem Bild, als wüssten Sie mehr als ich."
Dumbledore klang sehr bedrückt. Er sah Krummbein um sich herum spazieren und nahm ihn auf die Arme. "Und du mein Freund, scheinst auch mehr zu wissen."
Er kraulte gedankenverloren Hermines Kater und betrachtete das Gemälde an der Wand.
"Ich habe Eulen zu den Eltern der beiden Hufflepuff-Mädchen geschickt", berichtete er weiter. "Madam Sprout ist völlig aufgelöst und gibt sich selbst die Schuld, wobei sie mir nicht sagen kann, was sie falsch gemacht haben könnte. - Ich frage mich, ob da irgendeine Art von Schwarzer Magie im Spiele ist."
Vorsichtig setzte der Schulleiter den Kater auf den Boden ab. "Na los, lauf zurück in den Turm, die Nacht ist fast vorbei. Und Sie, Professor, sollten sich auch langsam zur Ruhe begeben. Kommen Sie, Minerva!" Dumbledore winkte der gestreiften Katze zu. Dabei traf sein Blick auf Fred und Ron, die halb verborgen in ihrer Nische standen.
Die beiden Weasleys erschraken, doch der Schuldirektor lächelte nur mild und ging mit McGonagall zurück in sein Büro.
"Wir sollten es ihm sagen!" versuchte Ron sich selbst zu beruhigen.
"Nein, noch nicht" entgegnete Fred entschieden. "Erst wenn wir uns sicher sind, dass George wirklich verschwunden ist."
"Aber du hast doch gehört, dass die beiden Mädchen auch weg sind. - Wir haben die Karte!"
"Ron, denk daran, was Vater immer sagt: traue keinem Ding, wenn du nicht sehen kannst, wo sein Gehirn ist. Die Karte kann sich irren!"
"Hat sie sich denn schon mal geirrt?"
Fred schüttelte den Kopf. "Lass uns erst noch einmal nach George suchen. Wenn wir ihn nicht finden, gehen wir morgen früh zu Dumbledore. Einverstanden?"

***



"Verdammt!" Mit einem wütenden Schrei fegte Snape die Zutaten vom Tisch und stützte sich gereizt mit den Händen auf der Arbeitsplatte ab. Sein Haar fiel ihm ins Gesicht, als er den Kopf senkte und die blubbernde Flüssigkeit betrachtete. Ein rötlicher Dampf stieg daraus empor. Er hätte aber bläulich sein müssen. Verzweifelt fuhr sich Snape mit einer Hand über die Augen. "Es funktioniert nicht - WARUM!" schrie der Zaubertrankmeister den Kessel an.
Durch die Fenster schob sich erstes Tageslicht. Die anderen Zaubertrankbrauer hatte er schon vor Stunden aus dem Labor gescheucht. Sie waren alle erschöpft und übermüdet. Bernardo versprach er, umgehend zu folgen. Aber er blieb, denn das Problem ließ ihn nicht los. Noch immer suchte Severus verzweifelt nach dem Fehler bei dem Gebräu.
Das war lächerlich! Albus hatte ihm lediglich mitgeteilt, was passiert war und nachgefragt. Etwas Neues zu erfinden, davon war im Brief nie die Rede gewesen. Wenn er ehrlich zu sich selber war, machte er nur deswegen verbissen weiter, weil ihn sein Ehrgeiz dazu antrieb. Doch hier schien er wirklich an seine Grenzen zu stoßen. Das machte ihn erst recht wütend und gereizt. "Verdammt!" fluchte er noch einmal und stieß weitere Zutaten vom Tisch.
"Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde."
Unwillig schaute Snape zur Tür und gewahrte die helle Gestalt von Gwenda. Seiner Gwenda, echote der inzwischen nicht mehr ganz so unangenehme Gedanke durch seinen erschöpften Geist. Fast augenblicklich verfluchte er sich und schüttelte die lästigen Erinnerungen von sich ab.
"Was willst du?" fragte er, halb betäubt von der Müdigkeit.
"Mit dir reden, was sonst? Weißt du, Severus, es ist ziemlich schwierig, dich mal ohne deinen alten Lehrmeister zu erwischen. Wieso mag er wohl hier sein? Spioniert er wieder? Beobachtet er uns?"
Snape ignorierte die Fragen. "Worüber wolltest du mit mir reden?" Sie sah aus, als hätte es die letzten 15 Jahre für sie nicht gegeben. Noch immer so schön und zeitlos wie einst. Sie war ihm gegenüber im Vorteil.
Sie war ihm gegenüber immer im Vorteil gewesen, und das nicht nur, weil sie heute Nacht einige Stunden hatte schlafen können und er nicht.
"Über deinen wahren Herrn und Meister. Er hat einen Auftrag für dich", fuhr sie mit dieser engelsgleichen Stimme fort.
Der Zaubertrankmeister versuchte, sich zu konzentrieren. Gwenda als Botin des Dunklen Lords? Warum wunderte er sich nicht darüber? Snape richtete sich zu seiner vollen Größe auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Aufmerksam musterte er die Gestalt an der Tür. Wenn es um Voldemort ging, dann war äußerste Vorsicht angebracht. Ausgerechnet jetzt. Er war viel zu erschöpft für solche Dinge.
"Wenn du ihn zu seiner Zufriedenheit ausführst, dann nimmt er dich vielleicht schon bald wieder in den Inneren Kreis der Auserwählten auf."
"Wenn es sein Wunsch ist!" versuchte Snape angemessen zu reagieren. Er trat zu der Frau, die an der Wand neben der Tür lehnte. Mit einem spöttischem Lächeln beobachtete sie ihn.
"Was für ein Auftrag?" wollte Snape wissen. Wie beiläufig begann er mit einer Strähne ihres langen silberblonden Haares zu spielen. Er konnte die Wärme ihres Körpers spüren, ihren Duft riechen: Rose und ein Hauch von Minze.
"Später!"
Der Zaubertrankmeister packte die Frau an den Schultern. "Nein, jetzt!" Zum Muggel mit diesem Weibsstück.
Gwenda war es ein leichtes, sich aus dem Griff des Mannes zu winden. "Später, wenn du wieder bei klarem Verstand bist. Schlaf dich erst einmal aus."
Der Lehrer aus Hogwarts hatte der Gestalt wütend den Rücken zugekehrt und war wieder zu seinem Kessel gegangen. "Erst wenn ich hier fertig bin."
Die Frau seufzte. "Du weißt genau, was bei dieser Brühe falsch läuft. Ohne schwarze Magie kommst du nicht weiter."
"Das ist zu gefährlich, Dumbledore würde es nicht akzeptieren", blaffte Snape. "Es muß auch anders gehen. Und es geht auch anders!" zischte er.
"Du solltest auf die Magnus-Brüder hören. Sie kennen sich da aus."
"Ich weiß, deswegen traue ich ihnen auch nicht!" schrie der Zaubertrankmeister die Frau an.
"Du Narr!" schimpfte jetzt Gwenda. Sie knallte die Tür hinter sich zu.
"Ja, ich Narr!" murmelte Snape und meinte sowohl seine widersprüchlichen Gefühle als auch seine Unfähigkeit die Lösung des Problems zu erkennen. Er war so nahe dran und trotzdem. Eine Kleinigkeit nur. Was hatte er übersehen?

Etwas zupfte an seiner Robe. Snape brauchte eine Weile, bis er sich dessen bewusst war. Irgendwie musste er eingeschlafen sein, dabei konnte sich der Zaubertrankmeister gar nicht daran erinnern.... Noch immer dieses nervige Zupfen an seiner Kleidung.
"Sir, aufwachen, Sir!"
Es roch nach frisch aufgebrühtem Tee. Das Aroma kitzelte Snape in der Nase und verleitete ihn dazu, die Augen zu öffnen. "Tobby?"
Der Hauself schob die Tasse über den Tisch. "Tobby hat sich Sorgen gemacht, Tobby weiß, dass der Professor morgens seinen Tee braucht, um wach zu werden. Tobby ..."
"...redet zu viel!" schnauzte Snape den kleinen Kerl an. Der Hauself ließ Kopf und Ohren hängen.
"Ja, Sir!"
Snape rieb sich die Augen und zog dann die Tasse zu sich heran. Bei Tageslicht besehen, wirkte das Zaubertranklabor, als hätten sich hier eine ganze Anzahl von Longbottoms ausgetobt. Das Schlimme war, dass sein Arbeitsplatz an Chaos die anderen übertraf. Hämisch hob Snape die Augenbrauen. Der Baronin wird das nicht gefallen, was er aus ihrem neuen schicken Labor gemacht hatte. Etliche Spuren dürften wohl nur schwer zu beseitigen sein, von den Brandlöchern auf den Tischen ganz zu schweigen. Aber sie hatte selber Schuld, er sollte sich doch wie zu Hause fühlen? Trotz seiner Niedergeschlagenheit entlockte ihm der Gedanke an eine völlig aufgelöste Baronin ein gehässiges Grinsen.
"Sag den anderen Elfen, sie sollen hier aufräumen. Nach dem Frühstück machen wir weiter."
"Aber Sir, Professor Sir, wir reisen heute Vormittag ab."
Snape brummte eine unverständliche Antwort. Darüber konnte er später nachdenken. Jetzt wollte er sich nur seinem Tee widmen.
Tobby begann derweil sich um das Aussehen seines Professors Gedanken zu machen. Normalerweise legte der Zaubertrankmeister sehr viel Wert auf akkurate Kleidung, doch so, wie er jetzt aussah, war er weit davon entfernt. Beflissen schnippte der Hauself mit den Fingern. In seiner Hand quoll einen Moment Rauch auf, der sich zu einer Bürste manifestierte. Vorsichtig begann Tobby, Pulver und Krümel von Zutaten von der zerknitterten Kleidung zu bürsten.
"Hör auf damit!" Mit einer unwirschen Handbewegung schüttelte Snape den Hauselfen ab. "Was soll das?"
"Tobby beseitigt den gröbsten Schmutz, Tobby bürstet Staub, Pulver, Zaubertrankzutaten und Haare von der Kleidung seines Professors, Sir. " Er zog ein langes weißes Haar von Snapes Robe, betrachtete es verwundert und ließ es zu Boden fallen. "Tobby weiß, dass der Professor ordentliche Kleidung haben will." fuhr die kleine Gestalt fort. "Aber die Brandflecken bekommt er nicht mehr raus."
"Hör auf zu reden!" Snape hielt sich die Ohren zu.
"Ja Sir!" Der Hauself kullerte ängstlich mit den Augen und ließ die Ohren hängen. Vorsichtig versuchte er, weiter die Kleidung des Zaubertrankmeisters herzurichten. Er war so sehr damit beschäftigt sich unauffällig zu benehmen, dass er erschrocken quiekte, als Snape ihn an den dünnen Armen packte und ihn fürchterlich durchschüttelte.
"Was hast du da gerade gesagt?" herrschte er ihn an. In seinem Gesicht spiegelte sich eine schwer einzuschätzende Mischung aus Wut und Triumph. Tobby begann zu jammern. "Nichts, Sir, nichts!"
"Natürlich!" Snape ließ den völlig verdatterten Hauself auf die Erde plumpsen und riss sich die Arbeitsrobe von den Schultern. Er starrte sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. "Du hast ja recht, Tobby: überall Staub, Pulver und Reste von Zaubertrankzutaten ...!" Er eilte zur Tafel. Mit dem Finger folgte er der Auflistung der Zutaten und klopfte dann breit grinsend gegen die Tafel. "Ich bin ein Narr, Tobby, und du ein Genie!"
"Wirklich?" fragte der Hauself verwundert. Er trat nur zögerlich näher. Snapes Stimmung schwankte extrem und zeichnete sich durch eine ganz besondere Unberechenbarkeit aus.
"Nein, natürlich nicht du, Idiot!"
Na bitte, Tobby hatte es gewusst. Die Launenhaftigkeit seines Professors würde ihm einen anstrengenden Tag bescheren.
Jetzt grinste Snape wieder wie ein Schuljunge nach einem gelungenen Streich. "Tobby, pack die Sachen, wir reisen ab."

***



Nein, die Baronin bekam keinen Herzinfarkt, als sie das Labor betrat und die Verwüstungen - um nichts anderes als das konnte es sich nach ihrer Meinung handeln - besah. Sie war allerdings auch nicht weit davon entfernt. Ihre bis dahin fast mütterlichen Art mit den Zaubertrankbrauern umzugehen, schlug in eisige Ablehnung um. Professor Snape beobachtete sie mit kalter Gelassenheit, während er die letzten Laborgläser verstaute.
"Das ... das ... das ...", stotterte die Direktorin der Deutschen Schule für Zauberei und Hexerei.
"Was?" zischte Snape.
"Mein Labor, mein schönes neues Labor", rief die Baronin immer wieder aus.
"Wie Sie sehen können, steht es doch noch. Was wollen Sie eigentlich? Und die letzten Rauchschwaden verziehen sich auch bald. Sie werden sehen, Madam, in einigen Tagen riecht es auch nicht mehr so sehr nach geschmolzenen Kupferkesseln und eingebrannten Zutaten."
Der Zaubertrankmeister genoss die letzten Momente in dem Labor. Mit Sicherheit würde es Beschwerden an Dumbledore und an die Gilde der Zaubertrankbrauer geben, aber das berührte ihn nicht weiter. Er hatte sich nicht um diesen Job gerissen und sah daher auch keine Veranlassung, sich für das Chaos verantwortlich zu fühlen Viel wichtiger war es jetzt, endlich nach Hogwarts zurückzukehren, um die verhexte McGonagall aus ihrer misslichen Lage zu befreien.
Der Gedanke daran, dass die Hauslehrerin der Gryffindors dem Hauslehrer der Slytherin etwas schuldig sein würde, war ein sehr gutes Gefühl. Da konnte es selbst ihm richtig weihnachtlich ums Herz werden.
"Baronin", grüßte Snape und schob sich an der kleinen runden Person vorbei.

Auf dem Weg zu seiner Unterkunft begegnete Snape seinem alten Lehrmeister. Bernardo gab ihm einen Brief für Dumbledore mit und versprach, falls sie in England Unterstützung gegen Voldemort benötigten, sofort zu kommen.
"Die Zauberer in Italien denken alle, die Entwicklung, gegen die Albus so sehr ankämpft, ginge sie nichts an. Aber dabei vergessen sie, dass viele Anhänger des Lords nach dessen Sturz ins Ausland gegangen sind. Ich weiß von mindestens vier Todessern. Sie verhalten sich unauffällig, aber wer weiß schon zu sagen, was sie im Verborgenen tun? Sei vorsichtig, Severus und hüte dich vor Gwenda. Sie hat sich mit Sicherheit nicht geändert."
Severus nickte. "Möglich. Wer kann das schon sagen?" Er steckte den Brief in die Innentasche seines Gehrocks. Sie reichten sich zum Abschied die Hände.
"Viel Glück mit dem Zaubertrank bei deiner Kollegin. Ich wusste schon immer, dass du ein Genie bist. Wenn der Trank funktioniert, dann fürchte ich, hast du mich endgültig in den Schatten gestellt."
Für einen Moment kräuselte sich ein leichtes Lächeln um Snapes Lippen, dann setzte er wieder seine üblichen Maske auf. "Ich schicke dir eine Eule, wenn der Trank funktioniert."

Snape eilte weiter durch die Gänge der Wartburg und konnte schon von der Treppe zu den Kellergewölben das Geschrei hören. Er blieb stehen und lauschte. Entnervt verdrehte er die Augen, als er die Stimme erkannte. Was hatte dieser verwünschte Hauself denn nun schon wieder angestellt?
Der Zaubertrankmeister beschleunigte seine Schritte und riss die Tür auf. "Was ist hier los?" donnerte er.
"Professor, bitte, Tobby hat es nicht verhindern können", jammerte der kleine Hauself und schrie auf, als ihn ein weiterer Fluch traf.
"Mieser kleiner Wicht!" fauchte Gwenda. Sie sah mit zornigen Blicken zuerst auf den Gegenstand ihrer Wut und dann zu der dunklen Gestalt an der Tür.
"Aufhören, sofort!" befahl der Zaubertrankmeister barsch. Doch Gwenda warf nur ihr langes geflochtenes Haar zurück und ließ kleine Funken weiterhin auf die am Boden liegende Figur regnen.
Augenblicklich zog Snape seinen Zauberstab "Expelliarmus!"
Der rote Lichtstrahl traf Gwenda an der Schulter und riss sie nach hinten. Mit den Armen rudernd versuchte sie das Gleichgewicht zu halten. Sie stolperte über den Saum ihres langen Gewandes und landete der Länge nach auf Severus' Bett.
"Du wagst es, mich wegen eines dummen Hauselfen anzugreifen?" Ihre Stimme klang jetzt schrill und alles andere als lieblich.
Snape verzog das Gesicht zu einem spöttischem Grinsen. Ohne die Frau aus den Augen zu lassen, hob er Gwendas Zauberstab auf und steckte ihn weg. Sein Blick traf auf Tobby, der sich schluchzend und wimmernd hinter seinen Professor geflüchtet hatte und ängstlich dessen Umhang umklammert hielt. "Verschwinde aus meinen Augen!" zischte Snape. Der kleine Kerl hinkte davon.

Langsam trat Severus näher an das Bett heran. "Kannst du mir verraten, wieso du meinen Hauselfen misshandelst?"
"Wieso misshandelt? Ich habe ihn diszipliniert", gab Gwenda gereizt zurück. "Er hat mich nicht einlassen wollen und mir auch nicht meine Wünsche erfüllt. Dieser Hauself ist ziemlich aufmüpfig. Du solltest ihn öfters in die Mangel nehmen, damit er weiß, wo sein Platz ist."
"Tobby weiß sehr wohl, wo sein Platz ist."
"Pah!"
Snapes Augen glitzerten wütend. Er konnte sich schon denken, um was für Wünsche es sich gehandelt haben mochte. Wahrscheinlich wollte sie ihn aushorchen, aber die Elfen aus Hogwarts waren nicht so rasch zu übertölpeln. Na ja, Tobby wahrscheinlich schon, aber so dumm war selbst der nicht. Wenn er zwischen dem Zorn einer Fremden oder seines Professors wählen müsste ... nun ja.
"Gib mir meinen Zauberstab wieder."
"Sag doch einfach 'Bitte'!"
"Nicht in diesem Leben!"
"Auch gut", gab Snape zurück. "Dann behalte ich ihn."
"Du mieser, hinterhältiger, arroganter Kerl!" brach es aus Gwenda heraus. Sie versuchte, vom Bett herunterzurutschen und verhedderte sich dabei völlig in ihren langen Gewändern.
"Gute Charakterisierung, wirklich!"
"Was ist nur aus dem charmanten Mann geworden, mit dem ich nachts Muggel und Schlammblüter jagen war?"
"Nur 15 Jahre älter!" gab Severus gelassen zurück. Er stand an einen der Bettpfosten gelehnt und beobachtete spöttisch, wie Gwenda daran arbeitete, wieder Ordnung in ihre Kleidung zu bekommen. Das lange Haar löste sich dabei aus ihrem geflochtenen Zopf und fiel ihr jetzt wie flüssiges Silber über ihre Schulter.
Ihr Anblickt weckte erneut die alten Erinnerungen. Severus spürte einen leichten Stich im Herzen und versuchte, ihn zu ignorieren. Nie wieder, sagte er sich, niemals wieder.
"Was willst du eigentlich hier?"
"Mit dir reden. Nachdem du diesen Trank nun endlich zusammengebraut hast, bekomme ich vielleicht deine ungeteilte Aufmerksamkeit."
Gwenda gab es auf, Haare und Kleidung wieder in Ordnung zu bringen. Stattdessen lehnte sie sich auf das Bett zurück und rekelte sich in einer verführerischen Pose. Ihre eisgrauen Augen taxierten den Zaubertrankmeister herausfordernd. Snape stand noch immer mit vor der Brust verschränkten Armen am Bettpfosten gelehnt. Gleichgültig zuckte er mit den Schultern, doch dann löste er sich mit einem Ruck vom Bettrand. Er setzte sich neben die bezaubernde Gestalt und brachte sogar ein Lächeln zustande. Gwenda legte ihre Hand auf seinen Arm. Ihre Fingerspitzen streichelten ihn sanft. Snape griff nach einer der silberblonden Haarsträhnen und schob sie Gwenda über die Schulter zurück. Die Frau lächelte kokett. Langsam neigte sich Severus ihr zu, bis seine Lippen fast ihr Ohr erreichten. Voller Erwartung schloss Gwenda die Augen.
"Ich habe eine Überraschung für dich!" flüsterte Snape und gab seiner Stimme einen warmen, fast samtigen Ton. Sein Atem streifte ihr Ohrläppchen.
"Hmhm!" murmelte die Frau auf seinem Bett erwartungsvoll. Sie drückte sich näher an ihn heran.
"Ich bin nicht interessiert!" Das war wieder diese eisige zischende Stimme, deren Klang jedem einen Schauer über den Rücken jagte.
Gwenda öffnete ungläubig die Augen.
Snape stand vom Bett auf und bedachte die Frau mit ausdruckslosem Blick. "Hast du wirklich geglaubt, ich falle noch immer auf deine Spielchen rein?"
Zorn flackerte in Gwendas Augen auf. Severus fand es bemerkenswert, wie sie sich unter Kontrolle hatte. Statt in lautes Gezeter oder in Tränen auszubrechen, nahm sie seine Absage mit scheinbarer Gelassenheit auf.
"Ein Versuch war es wert!" hörte er sie sagen. Er reichte ihr die Hand, so dass sie besser aufstehen konnte. "Bist du deswegen gekommen und hast meinem Hauselfen deine Flüche auf den Hals gehetzt?"
"Nein, ich bringe dir den Auftrag unseres Meisters." Mit wenigen Handgriffen bändigte Gwenda ihr langes Haar. "Er will, dass du ein Gemälde aus dem Schloss schaffst."
"Gemälde?" Severus hatte zwar noch immer nicht den richtigen Einblick, was die Pläne des Lords anging, aber ein Gemälde aus Hogwarts zu stehlen, war doch etwas merkwürdig.
Gwenda lachte über das fragende Gesicht des Zaubertrankmeisters. Es war wieder dieses helle verführerische Lachen. "Wir haben über Mittelsmänner einen eurer Lehrer dazu gebracht, ein Gemälde von sich anfertigen zu lassen und es der Schule zu schenken."
Snape verzichtete zu fragen, welcher Idiot ein Gemälde von sich der Schule schenken würde.
"Das Bild ist verzaubert worden. Einige Flüche stecken in ihm und wenn eine bestimmte Situation eintritt, dann wird die Person vor dem Gemälde in das Bild gesaugt und dort eingesperrt."
Das war im höchsten Maße beunruhigend. Im Snapes Kopf arbeitete es hektisch.
"Interessante kleine Falle. Mir ist aber kein neues Gemälde aufgefallen, bevor ich abreiste", gab er gleichgültig zurück.
"Es ist da, verlass dich darauf." Gwenda setzte sich in den Lesesessel und musterte Snape. Sie zog das lange helle Gewand etwas höher und schlug dann elegant die Beine übereinander. "Der Grundgedanke war, dass wir Potter und vielleicht sogar Dumbledore damit einfangen könnten. Allerdings sind die Chancen auf so einen Treffer ziemlich gering. Und es könnte ein netter Versuch werden, etwas Chaos in Hogwarts zu verbreiten. Wenn das mit dem verzauberten Bild klappt, könnte man diese Methode auch anderenorts verwenden. - Sozusagen als Muggelfalle."
"Ist die Idee deinem kleinen hinterhältigen Geist entsprungen?" wollte Snape wissen. Er saß auf dem Rand seines Bettes und sah zu Gwenda hinüber.
"Nein. Ich kann dir auch nicht sagen, wer damit angefangen hat." Sie wippte mit dem Fuß und schaute mit halb gesenkten Augenliedern zu Snape hinüber.
"Und ich soll das Bild zu Voldemort schaffen?"
"Sobald er dir den Auftrag erteilt. Je länger es hängt, um so mehr werden gefangen."
"Und du glaubst, das Verschwinden von Personen im Schloss fällt nicht auf?" Der Plan war so aberwitzig und zu naiv, so dass ein Erfolg recht fraglich blieb. Wer würde schon vor dem Bild eines ewig grinsenden Lockhart stehen bleiben? Eine Menge verliebter Teenager, säuselte eine kleine Stimme in seinem Kopf. "Dumbledore wird schnell dahinterkommen."
"Aber er wird es nicht schaffen, die Personen daraus zu befreien."
Er musste so schnell wie möglich nach Hogwart zurück, bevor es zu spät war. "Warum das Bild aus dem Schloss bringen, warum es nicht gleich dort vernichten?"
"Unser Meister möchte halt auch seinen Spaß haben. Die Flüche - und glaube mir, es sind nicht wenige - hat er selber in das Gemälde geprägt. Oh, er sah richtig glücklich aus, als er uns das fertige Bild zeigte."
Gwenda stand auf. "Es wird Zeit für mich. In einer halben Stunde werde ich in Wales erwartet." Sie stand jetzt vor ihm und hielt ihm die Hand hin.
"Was?"
"Mein Zauberstab."
Snape hob spöttisch die Augenbrauen, um seine Mundwinkel zuckte ein gehässiges Lächeln.
"Bitte!" fügte Gwenda genervt hinzu. Sie riss ihm den weißen Stab aus der Hand. "Wir sehen uns spätestens bei Neumond wieder."

***



Fred und Ron standen vor dem Wasserspeier, der den Weg zu Dumbledores Büro versperrte. Es war noch reichlich früh am Morgen und die beiden Jungen froren fürchterlich, nachdem sie die ganze Nacht das Schloss auf der Suche nach George durchforscht hatten. Am Ende führte sie die Karte des Rumtreibers wieder vor den Eingang der Großen Halle. Es war zum Verzweifeln.
"Bitte, wir möchten zu Professor Dumbledore!" sagte Fred dem Wasserspeier. Es dauerte einige Augenblicke, dann sprang er beiseite und gab den Weg zur Geheimtür frei. So schnell sie konnten eilten die Brüder hinauf in den Turm. Erst vor der Tür zum Büro stoppten sie schnaubend. Fred trat an die Tür, doch bevor er anklopfen konnte, bat Dumbledores freundliche Stimme die beiden herein.
"Ah, die jungen Weasleys - Guten Morgen, Ron und Fred? - Guten Morgen, Fred! Was führt euch denn zu dieser ungewohnten Stunde in mein Büro?"
"Er ist weg, Professor Dumbledore!" platzte es aus dem älteren der Brüder heraus. Ron nickte eifrig dazu.
"Wer?"
"Unser Bruder, Sir, er ist seit gestern Abend verschwunden. Ron und ich haben die ganze Nacht nach ihm gesucht, aber er ist weg, obwohl er eigentlich da sein müsste."
Die beiden Weasleys waren so verzweifelt, dass Fred sogar die Karte des Rumtreibers dem Professor vorlegte.
"Er müsste doch da sein, die Karte hat sich noch nie geirrt!"

 Kapitel 6

 Kapitel 8

 

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