Kapitel 4: Lesestunde
Hermine schlug das Buch auf und begann an Snapes Lehrerpult stehend zögernd die ersten Seiten aus dem Buch vorzulesen.
Es handelte sich hierbei um einfache und grundlegende Sachverhalte der Zauberbraukunst, die zuweilen von Snapes gelangweiltem Gähnen kommentiert wurden.
Doch ließ er sie immer und immer weiter lesen. Nach dem Einführungskapitel begann eine endlose Abhandlung über Frauenleiden und ihre Beseitigung, da die Autorin anfänglich klar gestellt hatte, dass sie die studierenden Zauberinnen zuallererst von ihren geschlechtsspezifischen Wehwehchen zu lösen hätten. Snape spielte derweil mit seinem Zauberstab und ließ kleine Rauchwölkchen aufsteigen die sich gegenseitig spielerisch anrempelten. Sein Gesicht war säuerlich verzogen.
Im dritten Kapitel führte die Ronkowa sehr spezifische Liebeszauber auf um sich jedweden Mann gefügig zu machen. Snapes Gesicht hatte einen einzigen gequälten Ausdruck angenommen. Das vierte Kapitel beinhaltete dann endlich allgemeine Tränke. Teilweise waren sie Hermine bereits aus dem Unterricht bekannt, allerdings gab es hier unzählige Varianten und Ergänzungen. Snape hörte ihr inzwischen aufmerksamer zu, nickte zwischendurch immer wieder zustimmend. Anscheinend schien die Ronkowa ihr Handwerk doch zu verstehen. Kapitel für Kapitel arbeitete sich Hermine durch das dicke Buch, ihre Augen tränten inzwischen und ihr Mund war vom vielen Sprechen trocken.
Endlich ließ Snape sie aufhören. "Sie haben noch eine Dreiviertelstunde Zeit bis Ihr Unterricht beginnt, Sie sollten sich etwas frisch machen und etwas trinken, Ihre Stimme hat doch sehr gelitten und klingt wie das Quaken einer Kröte."
Hermine sah in sprachlos an. Unterricht? Durch die Kerkerfenster drang dämmriges Tageslicht herab. Er hatte sie die ganze Nacht vorlesen lassen.
"Ich nehme das Buch an mich und erwarte Sie heute nach dem Abendessen", sprachs, und rauschte aus dem Klassenzimmer ohne auf eine Erwiderung von Hermine zu warten.
Hermine war total erledigt. Sie kroch in ihren Turm, nahm eine heiße Dusche und verzichtete aus Zeitmangel aufs Frühstück. Wenigstens hatte sie nicht auch noch Zaubertränke in der ersten Stunde sondern konnte in "Geschichte der Zauberkunst" vor sich hindösen. Nach der dritten Stunde hielt sie es jedoch nicht mehr aus und meldete sich krank. Fast auf allen Vieren kroch sie in ihr Bett und fiel in einen tiefen Schlaf.
Um kurz von sechs erwachte sie wegen ihres knurrenden Magens und so eilte sie nach einer Katzenwäsche in den Speisesaal.
Ein kurzer Blick auf den Lehrertisch zeigte ihr, dass Snape ziemlich ausgeruht aussah und sogar für seine Verhältnisse recht guter Dinge zu sein schien, da er sich nicht nur mürrisch an seiner Teetasse festhielt, wie er es sonst gerne tat, sondern genüsslich einige Stücke Kuchen verzehrte, bevor er abrupt aufstand und hoch erhobenen Hauptes aus dem Saal rauschte, nicht ohne Hermine mit einem auffordernden Blick zu streifen, der dieser augenblicklich einen Kloß im Hals bescherte.
Er hatte seine Malzeit beendet, sie Hermine, hatte gefälligst das gleiche zu tun und so beeilte sie sich, ihm in den Kerker zu folgen.
Die Tür zum Klassenzimmer stand offen, als sie ankam und zögernd blieb sie in der Tür stehen.
"Miss Granger?" Seine Anrede war keine Begrüßung, sie war eine Aufforderung.
Snape stand mit dem Rücken zu ihr am großen Kessel, den er für Demonstrationen im Unterricht benutzte. Langsam ging Hermine zum Lehrerpult und schrak fürchterlich zusammen, als die Tür hinter ihr mit lautem Knall ins Schloss fiel. Snape hatte dies bemerkt und grinste hämisch. "Knallen Sie nicht so die Tür zu!", schnarrte er und grinste über seinen eigenen mageren Witz. Er drehte sich halb zu Hermine rum und musterte sie eingehend. Hermine kam sich fürchterlich verloren vor und fröstelte unter seinem Blick.
Snape rauschte an ihr vorbei, ließ sich auf einem Tisch nieder und sagte: "Wir werden von nun an nicht mehr so schnell voran kommen, ich möchte den ein oder anderen Trank prüfen und selber zubereiten. Manche Dinge scheinen mir nicht absolut schlüssig zu sein!"
Innerlich stöhnte Hermine doch sie nickte nur stumm und begann zu lesen.
Inzwischen hörte Snape nicht einfach nur zu, sondern er hatte angefangen sich Notizen in ein kleines Buch zu machen. Irgendwann, nach zwei bis drei Stunden so schätzte Hermine, ließ er sie mit der Lesung stoppen. Sie hatte gerade ein Kapitel über das Veritaserum beendet. Zwar war ihr die konventionelle Rezeptur nicht besonders geläufig, doch merkte auch sie, dass die Ronkowa es verstand, die Tränke auf das Wesentliche zu reduzieren. Bei ihr gab es keine Floskeln, kein unnötiges Getue, keine Linksherum und Rechtsherum, bei ihr gab es effektive Substanzen, Wirkung und Gegenwirkung und sonst nichts.
Das Rezept für das Veritaserum interessierte Snape so sehr, dass Hermine es dreimal vorlesen musste und dann begann Snape es mit ungläubigem Gemurmel nachzubrauen.
Fast vergaß er Hermine dabei, die langsam schläfrig wurde und müde über dem Lehrerpult hing. Kurz nach Mitternacht entließ Snape sie barsch, nicht ohne sie daran zu erinnern, dass sie am morgigen Tage wieder nach dem Abendessen zu erscheinen hätte.
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