Kapitel 3: Die verbotene Abteilung
Es war schon lange nach Mitternacht als Hermine wieder erwachte. Einen kurzen Moment war sie verwundert ob der Tatsache, dass sie noch Kleider anhatte, dann fiel ihr ihr Ärger über Snape und die erlittene Schlappe des Nachmittags wieder ein.
Jetzt lag sie wach und schaute durch das Fenster auf den Mond, der schon fast voll war und sein mattes Licht über die Zinnen des Schlosses spendete. Hermine konnte sich nicht entschließen ein Nachthemd anzuziehen, der Ärger begann wieder ihr Blut in Wallung zu bringen. Wieder sah sie Snapes böse grinsendes Gesicht vor ihren Augen. Ach verflucht! Mit einem schnellen Satz war Hermine aus dem Bett, griff energisch nach ihrem Zauberstab und schlich zur Tür, durch die sie vorsichtig schlüpfte. Ebenso vorsichtig spähte sie die Gänge entlang, aber die Luft schien rein zu sein.
Sicher schliefen inzwischen selbst Filch und der rastlose Snape tief und fest.
Leise schlich sie über die Flure, immer im Schatten an der Wand, zwischendurch reglos verharrend und auf feindliche Schritte lauschend. Doch alles war still. Nach einigen Minuten hatte sie die Bibliothek erreicht, huschte durch die Bücherregale und schlich vorsichtig die Treppe zur Verbotenen Abteilung empor. Den Schutzzauber hatte sie schon in ihrem ersten Jahr knacken können und ohne Mühe drang sie in die staubigen Reihen der verbotenen Bücher vor.
"Lumos", wisperte sie leise und ein kleiner Lichtstrahl kam aus Ihrem Zauberstab, gerade stark genug um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können.
"Identificia Ronkowa", zischte sie und der kleine Lichtstrahl an der Spitze des Zauberstabes verwandelte sich in einen hauchdünnen leuchtenden Nebelfaden, der ihr den Weg durch das Labyrinth der Regale wies. Zielstrebig wurde sie in einem noch dunkleren Flügel der Abteilung in eine Sackgasse aus massiven Bücherschränken geführt. Am Ende kräuselte sich der Nebelstreifen zu einer kleinen hüpfenden Wolke zusammen und zu ihrer Freude erkannte Hermine im fahlen Licht ihres Zauberstabes etwas über ihrer Augenhöhe die zwei sagenhaften Werke der Nadjeschda Ronkowa. Vorsichtig und ehrfürchtig ergriff sie den ersten Band, der sich irgendwie hölzern anfühlte und schickte sich an, aus der Sackgasse heraus an ein Fenster zu treten um ihre Beute im Mondlicht genauer untersuchten zu können.
Doch als sie sich umwandte setzte ihr Herz für einen Schlag aus und Eiseskälte überkam sie. Am Ende der Sackgasse stand eine große dunkle Gestalt, die alleine durch ihre Aura furchteinflößend gewesen wäre, auch wenn Hermine nicht blitzartig klar geworden wäre, dass es Snape war, der da 10 m von ihr entfernt wie das personifizierte Böse aus dem Nichts aufgetaucht war.
Langsam ging Snape auf sie zu und im Gegenlicht erkannte Hermine dass er seinen Zauberstab in der Hand hielt.
"Lumos." Das eine Wort kam eisig über seine Lippen und eisig waren seine Augen die nun auf Hermine herabsahen, die das Buch ängstlich an ihre Brust gepresst hielt.
"Misssssss - Granger?" Aus seiner Anrede klang alles zugleich: Verachtung, Beschimpfung, Strafe. Scheinbar endlos hielt er sie mit seinen kalten Augen fest und versperrte ihr hoch aufgerichtet den Weg. Langsam griff er nach dem Buch und schaute prüfend auf den Titel.
"Das erste Buch der Ronkowa", zischte er leise, "wie erstaunlich und überaus überraschend, Sie hier anzutreffen."
Hermine wurde schlagartig klar, dass er nicht nur mit ihr gerechnet sondern ihr regelrecht eine Falle gestellt hatte, in die sie vollkommen naiv getappt war. Die plötzliche Erkenntnis ließ ihr einen erneuten Angstschauer über den Rücken jagen und panisch suchte ihr Gehirn nach einem Ausweg, nach einer Flucht vor dem was nun kommen würde. Snape würde sie lauthals schreiend und schimpfend über die Flure scheuchen, direkt zu McGonagall die sie dann wegen des schweren Verstoßes gegen die Schulregeln von der Schule weisen musste. Und das im letzten Jahr vor ihrem Abschluss, vor ihrem Studium, vor ihrer großen Zukunft.
Snape war einen halben Schritt zur Seite gewichen, bohrte ihr jetzt seinen Zeigefinger in der Rücken und zwang sie damit vor ihm her aus der Sackgasse heraus und an das gegenüberliegende Fenster zu treten.
"Öffnen Sie es!", knirschte er zwischen den Zähnen hervor und drückte Hermine das Buch unwirsch in die Arme. Hermine sah verwirrt zu ihm auf
"ÖFFNEN SIE ES." Obschon geflüstert, waren seine Worte lauter und bedrohlicher geworden. Mit zitternden Fingern versuchte Hermine die hölzernen Buchdeckel zu öffnen. Doch es ging nicht, das Buch war komplett aus einem Stück und schien eine geschnitzte Attrappe zu sein.
"Nun Missss Granger?", aus Snapes Stimme glomm triefender Sarkasmus und Gehässigkeit.
"Es geht nicht", antwortete Hermine verzagt.
"Es geht also nicht?" Snapes Gesicht war ein einziger Triumph. "Miss Hermine ichweissundkannalles Granger kann das Buch also nicht öffnen!" Er lehnte sich spöttisch an die Fensterbank und hielt den Zauberstab etwas höher um Hermines verschämtes Gesicht besser auszuleuchten. "War es das wert, Miss Granger, ein Schulverweis für ein Buch das sie nicht einmal in der Lage sind zu öffnen?" Snape badete in Hermines Unwohlsein. "Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Ich hätte erwartet dass sie besser recherchiert hätten bevor sie dieses strafbare Unterfangen gestartet haben. Wenn Sie nicht nur in der Lage gewesen wären aus einem Lexikon abzuschreiben, sondern auch die Wahrheiten zwischen den Zeilen zu lesen, dann hätten Sie gewusst, dass Sie das erste Buch der Ronkowa nur mit der - Hingabe ihrer Hände - öffnen können!"
Hermine sah verwirrt auf.
"Und nun öffnen sie das verdammte Buch!"
Hermine drehte das Buch irritiert in ihren Händen...
"Mit der Hingabe ihrer Hände!", fauchte Snape erneut.
Als Hermine ihn wiederum irritiert ansah drehte sich Snape betont verzweifelt zum Fenster und sagte zu ihr in einem Ton als hätte er es mit einem kompletten Vollidioten zu tun: "Sie - müssen - es- streicheln!"
Hermine strich vorsichtig über den Buchrücken, doch nichts geschah, außer das Snape theatralisch seinen Kopf an das Fensterglas drückte. Hermine rubbelte nun mit der rechten Hand über den Buchdeckel worauf ihr Snape gereizt das Buch wieder entriss und sie anfuhr: "Dies Miss Granger, ist das erste Buch der Ronkowa und nicht Aladins Wunderlampe."
Er griff energisch nach Hermines linker Hand und hielt diese eisern fest, als er das Buch hineinlegte. Dann nahm er mit undurchsichtigem Blick ihre rechte Hand und legte sie von der anderen Seite auf das Buch. Seine langen und schmalen Hände lagen nun auf den ihrigen und nun zischte er sie erneut an: "Mit der Hingabe ihrer Hände", und ließ ihre Hände, geführt durch seine über die Buchdeckel streichen. Hermine war zum zerreißen gespannt und wagte nicht, sich dem Griff des Lehrers zu entziehen. Verblüfft stellte Hermine fest, dass seine Hände nicht kalt und hart waren, sondern warm und von angenehmer Stärke und für einen kurzen Augenblick entspannte sie sich. Augenblicklich erschien ein rötliches Licht zwischen den Buchdeckeln und aus dem Holzeinband war ein Ledereinband geworden. Problemlos ließ sich das Buch nun öffnen. Sofort ließ Snape ihre Hände los. "Guuut gemacht." Seine Lippen kräuselten sich spöttisch. "Und nun sagen Sie mir, was Sie sehen." Hermine schaute auf die erste Seite des Buches und sagte leise: "Ein Portrait von Nadjeschda Ronkowa."
"Beschreiben sie es!"
Hermine drehte das Buch zu Snape herum und erwiderte: "Schauen Sie doch selbst."
Snapes Reaktion war von erschreckender Heftigkeit: "Verdammt, Granger, was für eine Närrin sind Sie eigentlich? Sie sollten inzwischen wissen dass es ein Weiberbuch ist, von einem Weib geschrieben...", er schritt langsam um Hermine herum, "für Weiber geschrieben, und nur ein verdammtes Weib kann die Schriften lesen und die verdammten Bilder ansehen.... UND JETZT SAGEN SIE MIR WAS SIE SEHEN!" Snapes Stimme vibrierte vor Wut. Hermine war zusammengezuckt und begann mit zitternder Stimme zu sprechen: "Ich sehe eine Frau."
"Ach was?!" Snape fixierte sie böse.
"Ich sehe eine Frau", begann Hermine erneut, "sie hat einen langen Zopf und ist noch nicht alt und sie ist über einen Kessel gebeugt und rührt darin rum......"
"WEITER"
Hermine stockte "...und....."
"WEITER!!!"
"sie ist fast nackt"
Snape beugte sich nun ebenfalls über das Buch. "Was sehen sie noch?"
"Sie hat so was wie eine Tätowierung"
"Wo?" Snapes Stimme erschien Hermine plötzlich heiser.
"Auf dem Bauch, das heißt eigentlich um die Taille herum."
Snapes Gesicht war Hermines jetzt so nah, dass sie seinen Atem riechen konnte.
"Beschreiben Sie die Tätowierung."
"Es ist eine Schlange, die sich selber in den Schwanz beißt."
Snape richtete sich auf und stieß ein leises Keuchen aus. "Dann ist es also echt!" Aus seiner Stimme sprach Erleichterung. "OK Miss Granger, gehen wir." Er leuchtete den Weg vor ihr mit seinem Zauberstab aus und wies sie an vor ihm her zu gehen. "Professor", begann Hermine zaghaft und drehte sich vorsichtig zu Snape um. "Professor ich wollte wirklich nur einmal ein gute Note von Ihnen bekommen." Mit dem Mut der Verzweifelung hatte sie zu ihm gesprochen, doch sein Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes.
"Gehen sie schon", raunzte er sie an.
Mit hängenden Schultern lief Hermine vor ihm her. Nun würde er sie bei McGonagall melden, die würde ihren Eltern eine Eule schicken, dass sie abgeholt werden müsse und morgen würde sie ihre Koffer packen und ihr Leben hinter sich lassen. Keine Zauberei mehr, keine Freunde mehr, ein Leben in der Muggelwelt. Wahrscheinlich würde sie Zahnmedizin studieren und die Praxis ihres Vaters weiterführen. Ihre Eltern würde das vielleicht sogar freuen, aber alles, was ihr etwas bedeutet hatte war zunichte gemacht worden. Alleine durch ihren Stolz, durch ihren Wunsch es dem verhassten Snape zu zeigen, war sie in die Situation gekommen und Snape hatte sie dort hinein manövriert. Wahrscheinlich in der Absicht, sie um ihren Abschluss zu bringen und ein für Allemal aus der Zaubererwelt zu verbannen. Tränen waren ihr in die Augen gestiegen und wie ferngesteuert ging sie vor Snape her Richtung McGonagalls Büro.
"HIER ENTLANG MISS GRANGER" Snapes Stimme riss sie unsanft aus ihren düsteren Gedanken. Irritiert blieb Hermine stehen. Snape deutete auf die Treppe die hinunter in die Kerker führten.
"Aber..."
"Nun gehen sie schon", schnauzte Snape und Hermine gehorchte widerstrebend. Was kam nun auf sie zu? Was sollte sie jetzt nachts im Kerker? Unsicher schritt sie die Treppe hinunter, dicht gefolgt von Snape der sie im unteren Gang schnell überholte und schwungvoll die Tür zum Klassenzimmer aufstieß. Zögernd folgte ihm Hermine und blieb abwartend stehen, während Snape mit einer einzigen wütenden Gebärde sämtliche Fackeln und Kerzen entzündete. Mit einem Schlag war es fast taghell in dem Gewölbe. Snape trat dicht an sie heran und schnarrte: "Und jetzt Miss Granger..."
Hermine zuckte zusammen und schloss unwillkürlich ob seiner unangenehmen Nähe die Augen
"....werden sie mir vorlesen!" Snape wirbelte mit rauschendem Umhang herum, knallte das Buch der Ronkowa laut aufs Lehrerpult und ließ sich hinter einem Schultisch in der ersten Reihe nieder. Hermine riss vor Erstaunen die Augen auf und starrte ihn ungläubig an. "Ich soll bitte was, Sir?"
"Sie werden mir jetzt vorlesen, das ganze verdammte Buch"
Hermine war zögernd an das Lehrerpult herangetreten und hatte das Buch erneut aufgeschlagen. "Ich kann Ihnen jetzt unmöglich das ganze Buch vorlesen, Sir", protestierte sie schwach.
"Nicht das ganze Buch, aber einige Kapitel schaffen wir bis zum Morgengrauen." Snape legte langsam und nachdrücklich ein Bein nach dem anderen auf den Tisch vor ihm und lehnte sich bequem zurück. "Und morgen werden Sie wiederkommen und mir wiederum vorlesen, und übermorgen, und überübermorgen, die ganze verdammte Woche lang, und die Woche danach und die Woche nach der Woche......." Wieder einmal weidete sich Snape in Hermines Unbehagen.
"Dann werden Sie mich also nicht verraten?" Hermines Frage sollte nicht so verzagt klingen und innerlich ärgerte sie sich über sich selber.
"Solange wie Sie mir vorlesen, werde ich Professor McGonagall nicht von Ihrem Fehltritt berichten"
"Ein Handel?"
"Miss Granger, ich mache keinen Handel mit Ihnen."
"Dann ist es Erpressung."
"Ich bevorzuge den Ausdruck Interessensgemeinschaft." Snape grinste gehässig.
"Ich könnte das Buch auch für sie abschreiben."
Snape schlug die Hände vor sein Gesicht und warf den Kopf theatralisch in den Nacken. "Kind, das würde doch nichts nützen, ich könnte es doch dann auch nicht lesen. Es funktioniert nur so: Sie lesen mir vor und ich mache mir selber Notizen. Auf diese Art und Weise kommen Sie doch noch zu Ihrem Schulabschluss und ich kann mit dem .... Weiberkram... mein Wissen komplettieren. Damit hätte ich dann endlich alle einschlägigen Werke durchgearbeitet." Seine Stimme bekam etwas Träumerisches. "Dann wäre ich endlich mit allen Studien fertig und könnte mich ganz auf meine Forschung konzentrieren. UND JETZT FANGEN SIE ENDLICH AN ZU LESEN SONST ÜBERLEGE ICH MIR DAS NOCH ANDERS!!!!!!!!"
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