Von Mördern und Verrätern

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite




Kapitel 52: Magica Pudidus

Als Albus Remus’ Haus betrat, drang auch gleich das Gewirr verschiedener Stimmen zu ihm hinüber.

Er folgte ihnen ins Wohnzimmer. Harry, Ron und Hermine saßen auf dem Sofa, vor einigen Tassen Tee, die vergessen auf dem Teetischchen standen, und unterhielten sich hitzig mit Sirius und Minerva, die neben ihnen standen und sehr ernst dreinblickten. Albus seufzte missbilligend. Natürlich würde Harry und seine Freunde sich bei Severus entschuldigen wollen. Dass sie nicht ihm gegenüber die Bitte schon geäußert hatten, hatte ihn ehrlich erstaunt. Er vertraute Minervas Einschätzungsvermögen im Normalfall, aber dennoch wäre es ihm lieb gewesen, wenn die Kinder nicht zu Severus in seinem jetzigen Zustand gingen. Auf jeden Fall nicht, wenn er selbst nicht da war, um die Situation unter Kontrolle zu behalten. Severus würde es nicht mögen von Schülern so hilflos gesehen zu werden und Albus wettete seinen antiken „Feuerkometen“ darauf, dass die Begegnung nicht friedlich vonstatten gegangen war. Severus war jemand, der sich um alles in der Welt keine Schwäche zugestand und falls er den Schülern in seinem Zustand wirklich gegenübergestellt worden, und dabei bei Bewusstsein gewesen war, dann würden wohl die Noten der drei bis zu ihrem Schulabschluss darunter leiden. Das hieß, wenn Severus je wieder unterrichten konnte, fügte er traurig in Gedanken hinzu.

Er machte einige Schritte in den Raum, bis ihn Sirius bemerkte und sich sogleich ein erleichterter Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht breit machte.

„Albus!“

Auch die anderen drehten sich zu ihm um, doch auf ihren Gesichtern fehlte die Erleichterung und Harry sah eher verstört aus, während sich auf Rons Gesicht Wut und auf Hermines Verwirrung und Schuld spiegelte.

Also war Severus wach gewesen.

Albus seufzte erneut, ging zu der kleinen Gruppe und nickte ihnen zur Begrüßung zu.

„Albus, Merlin sei Dank, bist du da“, empfing ihn Minerva.

Albus hätte von ihren Worten eigentlich besorgt sein müssen, doch ihre Stimme enthielt keine Hektik oder Besorgnis, sondern eher Entrüstung. Eine Entrüstung die sie immer dann an den Tag legte, wenn Severus mal wieder die Gryffindors unterbutterte.

„Was hat Severus denn getan?“ fragte er mild und schaffte es nicht recht, sich ob den überraschten Gesichtern der anderen, dass er gleich wusste, worum es ging, zu amüsieren. Er hatte wahrlich andere Sorgen und Severus sollte erst einmal die Chance gegeben werden zu heilen, bevor man ihn mit Schülern konfrontierte.

Minerva allerdings fing sich gleich wieder. „Dieser unmögliche Mensch. Mr. Potter, Mr. Weasley und Miss Granger wollten sich bei ihm für den Brief entschuldigen und er hat etwas sehr Gemeines und Verletzendes zu Mr. Potter gesagt. Ich weiß ja, dass es für ihn nicht einfach sein wird, ihnen zu vergeben, aber kann er nicht sehen, dass es ein Unfall war und die drei schon bestraft genug sind? Immerhin hat ER ja auch schon einmal einen schlimmen Fehler begangen.“

Albus schüttelte langsam den Kopf. „Minerva, du solltest doch Severus nach all den Jahren wirklich schon gut genug kennen, um zu wissen, wie er reagieren würde. Du hättest Severus nicht so ausliefern sollen.“ Er nickte den drei Teenagern leicht zu. „Es ist sehr lobenswert und tapfer von euch dreien, dass ihr zu eurem Fehler steht und euch bei Professor Snape entschuldigen wolltet. Aber es war zu früh.“ Er sah wieder auf McGonagall und schaffte es gerade noch, die Anklage aus seinem Gesicht zu verbannen. „Severus ist ein stolzer Mensch, Minerva, und mag es nicht, hilflos gesehen zu werden. Vor allem nicht vor Schülern. Ihm wurde Schlimmes angetan und er wird Harry dafür mit verantwortlich machen. Er wird eine Entschuldigung von einem Gryffindor, vor allem James’ Sohn nie ernst nehmen, nachdem was alles früher zwischen den Beiden vorgefallen ist.“

„Was meinen Sie damit?“

Albus sah zu dem nun plötzlich sehr interessiert aussehenden Teenager. „Nun, wie du weißt, hatten dein Vater und Severus einige Differenzen.“ Er entschied sich nicht auf die Details dieser Streits einzugehen. Harry brauchte nicht alles zu wissen.


„Wie war es im Ministerium“, fragte Sirius. Der Animagus sah ungewöhnlich ruhig aus. Eigentlich hätte Albus erwartet, dass er mindestens genauso entrüstet über Severus wäre wie Minerva, aber der ehemalige Herumtreiber ließ sich für diesmal nicht über seinen Jugendfeind aus, sondern wirkte eher nachdenklich.

„Ich habe etwas Druck ausgeübt und Fudge hat versprochen, dass er mit dem Schulrat darüber reden wird, die Auroren abzuziehen, aber ich weiß nicht, wie verlässlich dieses Versprechen ist.“

„Und die Ordensmitglieder?“ fragte nun Minerva.

Albus konnte förmlich spüren, wie Harry und seine beiden Freunde aufhorchten. Nun. Vielleicht war es endlich an der Zeit, die drei einzuweihen.

„Wir haben soweit alles installiert. Es ist möglich, dass wir noch einiges nicht gefunden haben, aber die Plätze, die wir verkabelt haben, sollten reichen. Nun müssen wir uns nur noch bereit halten und warten.“

Er drehte sich wieder zu den Schülern um. „Wir listen schon seit einiger Zeit alle uns bekannten Orte auf, wo sich die Todesser unseres Wissen nach für Treffen aufhalten könnten. Die meisten Orte sind magisch geschützt, deshalb haben wir auch auf Muggeltechnik zurückgegriffen. Diese Muggels haben unglaubliches fertiggebracht, ohne Magie zu verwenden. Ihre Abhörgeräte sind noch wirkungsvoller, als die neueste Erfindung der Weasley-Zwillinge und vor allem erwartet Voldemort keine mechanischen Maßnahmen von uns.“

„Aber was soll das bringen?“ fragte Ron.

„Und wie sind sie in die Häuser und zu den andere Standorten gekommen. Sind die nicht magisch dagegen geschützt?“ ergänzte Hermine.

Albus lächelte kurz. „Die meisten Zauberer haben noch immer die Angewohnheit, Hauselfen zu unterschätzen, bloß weil sie so unterwürfig sind. Ich werde euch den Plan später genau erklären, aber im Moment möchte ich gerne nach Severus sehen.“

„Wir sollten eigentlich zurück“, sagte Minerva. „Unser Verschwinden von der Schule soll nicht auffallen.“

„Wartet noch ein paar Minuten. Ich versuche nicht zu lange zu sein, aber Harry, Hermine und Ron sollten endlich die ganze Wahrheit erfahren. Schon zweimal hat es zu einer Tragödie geführt, weil wir ihnen etwas verschwiegen haben, Minerva. Ich bin vielleicht manchmal etwas naiv, aber ich bin nicht schwer von Begriff. Ich mache den Fehler kein drittes Mal, vor allem da es Harry auch betrifft.“

„Zweimal? Und was soll mich auch betreffen?“ fragte Harry etwas verstört.

Albus lächelte ihm freundlich zu. „Später, Harry, später. Ich bin bald wieder unten.“

Damit wandte er sich ab und wollte schon den Raum verlassen, als ihn Hermines Stimme zurückhielt. „Ach ja, Professor. Wir haben nur einen einzigen Spruch gefunden, der eventuell gehen könnte, aber er hätte Nebenwirkungen, die Professor Snape nicht hat, da das Opfer des Fluches fast immer erblindet. Wir hatten nicht genug Zeit um das Buch noch einmal genauer durchzusehen Vielleicht haben wir etwas übersehen...“

Das wiederum wollte Albus sofort wissen. „Was genau ist es für ein Spruch, den ihr gefunden habt?

„Ein alter Fluch, der die Magie eines Zauberers vollkommen zerstört“, fiel nun Harry ein. „Darum gibt es auch kein Gegenmittel. Er hiess Avenu... avene…” Harry sah hilfesuchend zu Hermine, die etwas entnervt die Augen verdrehte. „Aveneficium.“

„Ja, genau, das war es“, lächelte Harry.

Wieder nickte Albus. „Das wäre dann die vierte Möglichkeit“, murmelte er abwesend und drehte sich zu Sirius um. „Hat Severus sich an irgend etwas in der Richtung erinnert?“

Der Animagus sah zu der Verwandlungslehrerin und diese schüttelte den Kopf und antwortete stattdessen. „Nein. Ich habe ihn gefragt, aber er erinnert sich nicht, oder aber er stellt auf stur und will sich nicht erinnern.“

Albus nahm das mit einem Stirnrunzeln entgegen. Er würde den Slytherin wohl besser selber fragen. Er nickte ihnen noch einmal zu und machte sich dann vollends auf den Weg zu Severus’ Zimmer.

Er war gerade bei der Treppe angekommen, als er hastige Schritte hörte, die ihm folgten.

„Albus? Kann ich dich mal schnell sprechen?“

Albus blieb am Fuß der Treppe stehen, eine Hand schon auf dem Geländer und einen Fuß auf der untersten Stufe. Er drehte sich zu Sirius um, ohne jedoch die Haltung aufzugeben. Er wollte wirklich nach Severus sehen, vor allem wenn dieser wach war. So lange hatten ihn die Sorgen um den Slytherin halb krank gemacht und nun würde er endlich wieder mit dem jungen Zauberer reden können und sich versichern, dass er wirklich lebte. Der Junge sollte wissen, dass er nicht alleine war und dass man ihm helfen würde. Außerdem müsste Albus herausfinden, welcher Spruch genau auf Severus angewandt wurde und ob es rückgängig zu machen war. Auch wenn er dafür nicht große Hoffnungen hatte. Von den vier möglichen Flüchen waren zwei unumkehrbar, einer führte über Monate zum Tod, und nur bei einem kam die Magie von allein nach und nach zurück. Dass Voldemort gerade diesen Spruch angewandt hatte, machte leider keinen Sinn. Wofür dem Verräter die Magie nehmen, wenn sie dann doch zurückkam?

Er schob diese Gedanken für den Moment zurück. „Was ist los, Sirius?“

Der Animagus schloss zu ihm auf und sah ihn sehr ernst an. „Etwas stimmt nicht mit Snape, Albus.“

Albus fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. „Hatte er einen Rückfall? Ist es sein Kreislauf...?“

„Nein, körperlich geht’s ihm besser“, unterbrach Sirius energisch, senkte seine Stimme aber sogleich zu einem Flüstern, mit einen nervösen Seitenblick die Treppe hinauf. „Snape benimmt sich so komisch. Nicht wie sonst. Der ist kurz vor einem Zusammenbruch.“

Albus verengte die Augen und redete auch unbewusst leiser. „Wie meinst du das?“

Sirius zuckte mit den Schultern. „Sehe ich vielleicht aus, wie ein Slytherinexperte? Er ist einfach komisch.“

Ein großes Gewicht der Angst löste sich von Albus’ Herzen. „Natürlich wird er das sein. Severus zeigt nicht gerne Schwäche, vor allem nicht vor dir. Außerdem hat er ein Trauma zu verarbeiten, vor allem wenn er nicht weiß, ob er jemals wieder seine Magie benutzen kann. Da hat er wohl ein kleines Recht darauf, verstört und aggressiv zu sein, denkst du nicht?“

„Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl, da ist mehr. Aber das wirst du gleich selbst sehen.“

Albus klopfte Sirius gutmütig auf die Schulter. „Ich werde ihn genau beobachten. Danke für deine Besorgnis.“

Auf diese Bemerkung schnaubte Sirius nur angewidert. „Um den Slytherin? Nie. Ich will ihn einfach schnell loswerden. Ich mache all dies nur deinetwegen, Albus, und das weißt du auch. Ich schulde dir mein Leben, weil du Harry und den anderen damals den Tipp gegeben hast.“

Damit drehte sich Sirius um und ging wieder ins Wohnzimmer. Albus seufzte erneut und stieg die Treppe hinauf. Es war offensichtlich, dass Sirius auch jedes Wort davon ernst meinte. Es war der verrückte Wunsch eines alten Mannes gewesen, dass die beiden die Chance nutzen würden um ihre Feindschaft zu begraben, doch scheinbar war dies nicht möglich.

***



Severus lag reglos auf dem Rücken, sein Oberkörper durch einige Kissen in einer sanften Schräglage gestützt. Der Slytherin starrte gegen die Decke und zeigte durch nichts, dass er ihn hereinkommen gehört hatte.

Albus trat durch die Tür ins Zimmer und schloss sie sorgfältig hinter sich. Er bewegte sich langsam zum Bett und blieb davor stehen. „Severus?“

Die Augen des Zaubertränkemeister weiteten sich andeutungsweise, als er Albus' erkannte und dann drehte der Slytherin den Kopf und sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an.

Albus griff nach einem Holzstuhl, der bei dem kleinen Tisch stand und setzte sich an die Seite des Bettes. „Wie geht es dir?“

Severus antwortete nicht sofort und nickte nur leicht mit dem Kopf. „Albus?“

Albus lächelte fürsorglich auf den Mann hinunter. „Ja. Es tut mir leid, dass du mich erst jetzt siehst. Ich war ein paar Mal hier, aber du hast immer geschlafen.“

Severus ging nicht darauf ein. „Du hast mich herausgeholt?“ fragte er stattdessen.

Für eine Sekunde dachte Albus, dass der Enthusiasmus, der in der Bemerkung hätte sein sollen fehlte, doch dann erinnerte er sich, mit wem er sprach. Severus konnte seine Gefühle nur selten ausdrücken, wenn es nicht gerade Wut oder Enttäuschung war. „Natürlich habe ich das, Severus. Wir können von Glück reden, dass wir einen Hinweis bekommen haben. Scheinbar hat der dunkle Lord deine Stärke unterschätzt. Aber du wirst wieder gesund. Wir werden es ihm schon zeigen, nicht wahr?“

Albus gab sich alle Mühe, zuversichtlich zu klingen. Er war sich bewusst, dass er eine der wenigen Personen auf dieser Welt war, vielleicht sogar die einzige, der Severus vollkommen vertraute. Mit der Unsicherheit ob er jemals wieder Magie benutzen konnte, brauchte Severus diesen Optimismus.

Aber Severus sah alles andere als optimistisch aus. „Ich bin nun als Spion und sogar als Lehrer nutzlos.“

Es war kaum mehr als ein Flüstern. Nun verwunderte es Albus nicht mehr, dass das Sirius aufgefallen war. Severus war auf der einen Seite ein sehr stolzer Mann und wollte andererseits auch Vergangenes wiedergutmachen und ohne Magie fühlte er sich nutzlos. Es zerriss fast Albus’ Herz, den Slytherin so zu sehen. Er legte seine Hand fürsorglich auf die Schulter des verletzten Zauberers. „Keine Sorge, Severus. Wir finden schon etwas anderes, wobei du uns nützlich sein kannst. Du und dein Wissen sind für uns unersetzlich.“

Severus schloss für eine Weile die Augen und als er sie wieder öffnete, schien es Albus, dass eine neue Entschlossenheit in sie getreten war. Er lächelte den jungen Zauberer glücklich an. „Es wird schon alles gut werden, mein Junge. Wir sind alle froh, dass wir dich wiederhaben.“

Albus wusste, dass es Severus unangenehm war, wenn man ihm zu gefühlsdusselig kam, doch das musste gesagt werden. Wären da nicht all die Verletzungen und würde Albus nicht mit Sicherheit wissen, dass es schmerzlich und unangenehm für den Slytherin war, hätte er ihn wahrscheinlich sogar umarmt. Er schmunzelte innerlich, als er sich das vorstellte. Severus war einfach nicht der Umarm-Typ von einem Mensch.

„So, Sirius sagte mir, dass es dir wieder besser geht“, änderte er das Thema in eine erheiterndere Bahn. „Es freut mich zu sehen, dass ihr euch noch nicht umgebracht habt. Vor allem, nachdem Sirius dein Haar geschnitten hat.“

Darauf sah ihn Severus groß an. „Das war Black? Ich dachte...“

Albus zwang sich zu einem Lächeln. Er hatte eigentlich erwartet, dass ihm Sirius dies schon auf die Nase gebunden hatte, was sicherlich zu Streit geführt hätte. „Deine Haare waren zu verschmutzt. Das wäre kaum mehr rausgegangen, hat Sirius erzählt. Sieht auf jeden Fall recht gut aus, wenn ich das mal sagen darf.“ Behutsam wollte er eine kurze Strähne aus Severus’ Gesicht streichen, doch der Slytherin wandte abrupt den Kopf weg und starrte gegen die Wand.

Albus seufzte leise. Severus mochte es nicht, angefasst zu werden. Er senkte die Hand wieder und beschloss es darauf beruhen zu lassen. „Aber lassen wir das mit den Haaren. Es ist nicht wichtig und sie werden nachwachsen.“

Albus erwartete eine sarkastische, oder böse Bemerkung Severus’ doch der Slytherin presste bloß die Lippen zu einem dünnen Strich und schmollte weiter darüber, dass Sirius ihm die Haare geschnitten hatte. „Sei beruhigt, Junge“, seufzte Albus. „Ich tue alles, was in meiner Macht steht, damit wir die Auroren wegbekommen, aber es wäre wirklich zum Wohl von euch beiden, wenn ihr endlich die Vergangenheit begraben würdet.“
Severus ging nicht darauf ein sondern verzog bloß gehässig den Mund, wie Albus schon erwartet hatte. Gut für ihn, dass er ein so geduldiger Mensch war, aber Severus testete diese Fähigkeit immer wieder aufs neue. Der Junge war so sehr verbittert, dass er es sich selber immer noch schwerer als nötig machte. Leider hatte er dieses Mal auch einen guten Grund verbittert zu sein, nachdem was man seinem Körper und seiner Magie angetan hatte. Das brachte ihn zum nächsten Problem „Schau mich bitte an, Severus.“

Widerwillig drehte der Tränkemeister den Kopf und sah ihn an. „Minerva sagt, dass du dich nicht mehr an den Fluch erinnerst, der dir deine Magie nahm?“

Ganz kurz flackerte etwas wie Widerstand in Severus’ Augen. „Ja.“

Und damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein, was wiederum Albus überraschte. Er hätte mehr Enthusiasmus erwartet, wenn es um eine Chance ging, den Fluch aufzuheben, doch dann war Severus ein Mensch, der nicht gerne Kontrolle über Dinge abgab, die er seiner Meinung nach selber erledigen sollte.

Er entschied sich, trotzdem weiter zu bohren. „Warum erinnerst du dich nicht? Warst du bewusstlos?“

Severus schloss kurz die Augen, als wolle er ein besonders schmerzliche Erinnerung vertreiben und dann begann Albus zu verstehen. „Du willst dich nicht erinnern.“ Er gab sich Mühe, nicht anschuldigend zu klingen und legte eine Hand beruhigend auf Severus’ Schulter, und der verletzte Zauberer ließ das für dieses Mal sogar zu. „Voldemort hat dir Schlimmes angetan und ich verstehe, dass es schmerzlich sein muss, sich daran zu erinnern wie er diesen Fluch auf dich angewandt hat, aber wenn wir eine Chance haben wollen einen Gegenfluch zu finden, dann muss es sein.“

Der Zaubertränkemeister sah aus, als führe er einen schweren Kampf mit drohenden Tränen. Noch nicht einmal vor ihm konnte er sich eine solche Schwäche zugestehen, dachte Albus betrübt. Aber die Tatsache, dass er scheinbar seiner eigenen Stimme nicht mehr vertraute, um etwas gehässiges zu antworten, war schon Beweis genug für seine emotionale Verfassung.

„Ich habe Nachforschungen angestellt und vier mögliche Flüche entdeckt, die ich dir nun nennen werde. So musst du nicht zuviel darüber nachdenken.“ Albus beschloss nicht zu erwähnen, dass Harry, Hermine und Ron bei der Suche geholfen hatten. Das wäre nur Salz in eine offene Wunde.

Severus nickte knapp und starrte wieder an die Decke. Albus seufzte erneut. Der Junge tat alles um seine wahren Gefühle zu verstecken, auch wenn er miserabel dabei versagte.

Der Direktor holte tief Luft und starrte für eine Sekunde auf die Hände in seinem Schoss. Einer der Flüche würde Severus im Laufe der nächsten Monate töten und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Wenn es dieser Fluch war, den Voldemort in seinem kranken Glauben an Sadismus auf den jungen Zauberer angewandt hatte...

Albus rieb seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigfinger. Er wollte Klarheit, aber er fürchtete auch Severus’ Antwort auf seine nächste Frage und etwas in ihm drängte, nach diesem Fluch zuletzt zu fragen und zu hoffen, dass er nie soweit kam.

Selbst wenn dieser Fluch schrecklich Sinn machen würde.

Aber dann holte er einmal tief Luft und sah wieder auf Severus. Er musste es wissen. „Enervare Mortvenenum?“ fragte er nur knapp.

Relativ schnell schüttelte Severus den Kopf. „Nein.“

Albus ließ den Atem raus, den anzuhalten er sich nicht einmal bewusst gewesen war. Er fühlte eine zaghafte Anflug von Erleichterung, aber ein wenig ängstlicher Zweifel blieb. „Bist du dir absolut sicher, Severus?“

„Ja.“

Albus beobachtete den Zaubertränkemeister zweifelnd. Die Antworten kamen etwas zu schnell und abgehackt für seinen Geschmack. Severus wolle noch nicht einmal flüchtig darüber nachdenken, was er hatte erdulden müssen. Nicht dass es Albus nicht verstehen würde. Es war ein Schock für den Geist und Körper eines Zauberers, wenn ihm seine Magie entrissen wurde und nachdem was er gelesen hatte, auch sehr schmerzhaft. Vergleichbar, wie wenn einem ein Bein bei lebendigem Leib rausgerissen wurde. Er hoffte nur, dass Severus sich nicht irrte. Wenn der angewandte Fluch nicht bei den anderen drei war...

Nun, es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Albus beschloss erst mal den unwahrscheinlichen auszuschließen. Voldemort würde kaum einen Spruch anwenden, der sich mit der Zeit von selber verflüchtigte. Das wäre sinnlos. Fragen musste er aber trotzdem, auch wenn es traumatisch für Severus war. „War es Magica Pudidus?“

Wieder erwartete er ein sofortiges, knappes ‚Nein’, aber Severus antwortete nicht, sondern schloss nur die Augen und schien sich auf etwas zu konzentrieren, so stark, dass sich sein ganzer Körper anspannte.

„Severus?“ fragte Albus vorsichtig.

Der Slytherin sah ihn jedoch weiterhin nicht an und nickte nur knapp.

Konnte das sein? Albus fühlte erhebliche Zweifel in sich hochsteigen. So einfach konnte es doch nicht sein. „War das der Fluch? Bist du sicher?“

Severus atmete langsam und tief, als hielte er sich nur mit Mühe unter Kontrolle, aber er nickte wieder.

Als der Direktor den Zauberspruch erwähnt hatte, musste sich Severus, obwohl er es hatte vermeiden wollen, an die Schmerzen und den Schock erinnert haben. Und obwohl es Albus leid tat, dass er seinem Freund das antun musste, wurde dies doch von einer enormen Erleichterung und Freude überdeckt und er konnte ein Grinsen nicht verhindern, das sich auf sein Gesicht stahl.

„Das ist wunderbar, Severus. Das bedeutet, dass deine magischen Kräfte nach und nach zurückkommen werden. Du wirst wieder zaubern können. Was heißt, dass wir wahrscheinlich auch deine Hände werden heilen können.“

Enthusiastisch griff er nach beiden Oberarmen Severus’ und registrierte erst jetzt, dass der Tränkemeister noch immer verkrampft und mit geschlossenen Augen dalag und seine Freude wahrscheinlich noch nicht einmal mitbekommen hatte. Sofort fühlte er sich ein wenig schuldig, dass er sich so hatte mitreißen lassen, obwohl Severus noch immer in der Erinnerung gefangen zu sein schien. Vorsichtig fing er an, die Muskeln unter seinen Händen zu massieren. „Schhh, Severus. Beruhige dich. Es wird alles gut. Ganz ruhig.“

Er redete lange beruhigend auf den Slytherin ein und langsam entspannte sich dessen Körper und er schien sich auf Albus’ Stimme zu konzentrieren. „So ist es gut. Du brauchst nur Zeit. Die Erinnerung wird verblassen, vor allem, wenn die Magie wieder da ist.“

Mit einem tiefen, rasselnden Atemzug öffnete Severus die Augen und sah gequält zu ihm hoch.

Albus legte eine Hand beruhigend auf Severus’ eingefallene und bartbewachsene rechte Wange. „Das wird schon wieder, Junge. Deine Magie wird zurückkommen und die Erinnerung verblassen. Wir haben dich zurück in Hogwarts und am Zaubertränke lehren, bevor du dich versiehst.“

Auf diese Bemerkung hin, verzog der Slytherin grimmig den Mund und Albus lächelte ihn freundlich an. „Ich weiß, dass du die Aussicht auf laute Kinder nicht so sehr genießen wirst, aber wir werden es langsam angehen und wann auch immer du Hilfe brauchst....“ Er setzte sich auf und sah Severus eindringlich über seine Brille hinweg an. „Ich werde dir helfen wo ich kann. Meine Tür ist immer offen für dich, Severus, ich hoffe das weißt du?“

Severus ließ einen absolut un-snapeischen Seufzer hören. „Ich bin mir dessen bewusst, Direktor.“

Der geschäftsmäßige Tonfall Snapes freute Albus genauso sehr, wie es ihn traurig machte. Es war der typische Snape-Tonfall, wenn Albus versuchte, auf persönlicher Ebene mit ihm zu reden, aber es war auch Beweis dafür, dass er die Episode von vorhin überwunden hatte. Der Snape, den er kannte, ließ niemanden an sich heran. Dennoch würde er ein Auge auf ihn halten.

Er beschloss Severus erst einmal etwas zu geben, was seine Gedanken in eine andere Bahn lenken würde. Außerdem würde die Aussicht auf Wiedergutmachung dem Mann helfen, mit dem Schock der Folter und der entrissenen Magie fertig zu werden.

„Erinnerst du dich noch an unsere Idee, falls die Sache mit dem Gift nicht funktioniert?“

Severus sah ihn misstrauisch an. „Du meinst Lupins hirnverbrannte Idee mit der Muggeltechnik?“

Wieder lächelte Albus. Das hörte sich doch schon viel eher nach dem alten Snape an. „Ja. Und entgegen deinen Zweifeln scheint es sogar zu funktionieren. Bei den besser gesicherten Orten, wie in Malfoy Manor mussten wir es mit Magie koppeln, da dort ähnliche Schutzzauber gegen Muggel-Technologie kreiert worden sind wie in Hogwarts, aber Dobby konnte sie alle platzieren.

Albus begann Severus davon zu erzählen, was während der letzten Monate, in denen er weg gewesen war, alles vorgefallen war, und so langsam hatte er das Gefühl, dass der alte Snape zurückkam. Zumindest ansatzweise. Albus gab sich Mühe, positiv zu klingen und Snape genau von ihrem Plan zu erzählen. Der Slytherin war schlimm zugerichtet worden und Albus wusste aus Erfahrung, wie nachtragend der Mann war. Wenn er die Aussicht vorgesetzt bekam, dass er sich für das, was ihm angetan wurde rächen konnte, dann würde dies ihm besser bei seiner Genesung helfen, als jede Medizin.


 

Kapitel 51

Kapitel 53

 

Review

Zurück