Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 28: Am Anfang der Nacht


Severus wusste, dass dies das Ende war. Seine Tarnung war dahin und jetzt stand er hier, gehalten von dem Mann, den er einst Meister genannt hatte und der nun ein Messer an seine Kehle hielt. Er hatte in diesem, seinem finalen Spiel alles gesetzt und verloren.

Nein, nicht ganz alles. Er wusste tief in sich, dass der Tod die einfachste und für ihn barmherzigste Lösung war. Dass er dabei nicht die Gnade eines schmerzlosen Avada Kedavra erfahren würde, hatte er irgendwie erwartet. Entgegen dem was ihm Dumbledore und Lupin hatten einreden wollen, hatte er von Anfang an gewusst, dass diese Mission ein Himmelfahrtskommando war. Er hatte sich erniedrigt, gelitten, gemordet und Dinge getan, die ihm ein Einwegticket zur Hölle verschafften, egal aus welchen Beweggründen er auch immer hatte handeln mögen. Severus hatte mit dieser Mission nicht nur sein Leben aufs Spiel gesetzt, sondern seine Seele verkauft.

Er bezweifelte, dass die Opferbereitschaft seiner letzten Taten die Brutalitäten, die er in der Vergangenheit vollbracht hatte wettmachten. Zuerst als Todesser und auch später, als er seine Tarnung nicht gefährden konnte, hatte er schlimmes getan. Er war ein Killer. Egal aus welchen Gründen; er hatte Männer, Frauen und Kinder umgebracht ohne mit der Wimper zu zucken. Nur jemand, dessen Seele schon lange verdorben war, konnte so was tun. Und nun würde er die Quittung seiner Handlungen erhalten.

Er seufzte und hob den Kopf in ergebener Erwarten und lehnte sich sogar etwas in die Klinge, die Voldemort gegen die verletzliche Stelle unterhalb seines linken Kieferknochen hielt. Er spürte den scharfen, brennenden Stich, als die Haut verletzt wurde und sich die Klinge in die oberen Hautschichten ritzte.

"Mein Severus", zischte Voldemort hinter ihm, seine Stimme voll Genugtuung, während er Snape mit einer fast zärtlichen Umarmung noch näher gegen seine knochige Brust zog, und sein Gesicht an die Wange seines erkorenen Opfers schmiegte. "Trotz allem noch so stolz." Severus konnte das Beben Voldemorts Brustkorbes spüren als er sprach und der Atem des dunklen Lords streifte sein Gesicht in einer spöttischen Intimität. Der Druck auf die Klinge wuchs sachte und Severus spürte etwas warmes, dickflüssiges seinen Hals herunterfließen, ein unangenehmes, juckendes Gefühl hinterlassend.
"Du hast noch eine Chance auf einen würdevollen Tod, Severus. Sag mir, was ich von dir hören will."

Severus wusste, was Voldemort wollte. Sein Tod war in dem Moment beschlossene Sache gewesen, als der dunkle Zauberer den verrückten Brief abgefangen hatte. Voldemort wollte ihm Angst machen und ihm zeigen, dass er der Stärkere von Beiden war. Er hatte, zwischen wiederholten Cruatiusflüchen immer wieder von ihm verlangt, Voldemorts Überlegenheit anzuerkennen.

"Ich werde Euch nie wieder Meister nennen. Ich werde als freier Mann sterben. Ihr habt keine Macht mehr über mich", flüsterte Severus so leise, dass ihn nur Voldemort hören konnte, die verhöhnende Vertrautheit des dunklen Zauberers imitierend. Alles was ihm noch geblieben war, war sein Stolz, und diesen kleinen Egoismus wollte er sich bewahren. Auch wenn er wusste, was dies bedeutete.

Ein leiser, wütender Laut von Voldemort ertönte hinter seinem rechten Ohr, und dann explodierte sein Hals in heißem Feuer.

Instinktiv wollte er einatmen, doch war dies unmöglich. Er hatte ein Gefühl, als würde er ertrinken, und obwohl sein Bewusstsein die nötigen Informationen kannte und wusste, dass es nicht möglich war, mit aufgeschlitztem Hals zu atmen, dass sein Leben mit jedem Schlag seines Herzens aus ihm heraus gepumpt wurde und seine Roben, Voldemorts Arm um seine Brust und den Boden unter ihm blutrot färbte, begann ein instinktiver Überlebensinstinkt anzuschlagen, als Adrenalin ausgepumpt wurde und seine Herzfrequenz massiv erhöhte, in einem vergeblichen Versuch, für das schwindende Blut zu kompensieren, nur um es schneller aus dem Körper zu treiben. Er japste nach Atem, aber nur ein gurgelndes Geräusch im hinteren Teil seiner Kehle kam zustande. Severus konnte nicht die Panik verhindern, während er langsam an seinem eigenen Blut erstickte, als es seine Luftröhre hinunterlief.

Die Sekunden zogen sich in endloser Agonie aus Schmerz, Horror und Panik dahin, bis endlich ein barmherziger Schleier sich über ihn zu legen schien und die Panik und den Schmerz abebben ließen. Seine Sicht trübte sich und er spürte wie in einem Traum, wie seine Beine nachgaben und er gegen die Person hinter ihm sank, und auf den Boden gelegt wurde. Dann verschwand auch dieses Gefühl und eine dunkle Wärme umschloss ihn.

***



Er war gestorben. Da letzte woran er sich noch erinnerte war ein überwältigender Schmerz gewesen und die Panik als er erstickte. Und dann war der Schmerz und die Angst verschwommen als er in einem See von Ruhe und Frieden versunken war. Es war das erste Mal gewesen, dass er so etwas gefühlt hatte. Das erste Mal, dass er nicht den Druck einer verteufelten und verschwendeten Vergangenheit auf sich gespürt hatte.

Dieses Gefühl konnte nur der Tod gewesen sein. Aber wenn das so war, warum war ihm dann kalt? Warum lag in seinen Knochen der Schatten eines höllischen Muskelkaters? Und warum hing in seinen Muskeln eine solche Schwäche und Müdigkeit? Und warum hinterliess jeder Atemzug einen ziehenden Schmerz in seiner Kehle?

Severus versuchte die Augen zu öffnen, doch die Lider kamen ihm so unglaublich schwer vor, so dass es eine ungeheure Willenskraft seinerseits brauchte, bis es ihm schlussendlich gelang. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber irgendwie erschien ihm der Stein, der sich einige Zentimeter vor seinen Augen befand und der ihm gegen die rechte Stirnhälfte und Wange drückte, fehl am Platz.

Er drehte den Kopf ein wenig zur Seite und sah, dass der Stein der Boden eines dunklen Raums war, der die typische beklemmende Atmosphäre hatte, die einen sofort erkennen liess, dass man in einer Zelle war. Severus kannte solche Räume. Zu oft hatte er selbst Menschen in derartige Löcher gesteckt und sie mit Flüchen und Zaubertränken gefoltert und getötet. Er wusste zwar nicht genau wo er war -- man hätte ihn einfach an einen anderen Teil Englands bringen können -- aber sehr abwechslungsreich waren solche Zellen nie angelegt. Klein, kalt und unpersönlich.

Er hatte immer gewusst, dass selbst Todesser nicht vor Bestrafung sicher waren und die Möglichkeit bestand, dass er einmal eine dieser Zellen näher kennen lernen würde, doch im Moment war er vor allem versucht herauszufinden, weshalb er überhaupt noch lebte. Wenn sein Körper auch nicht unbeschadet schien. Er erkannte die Nachwirkungen vom Crucatius schon zu gut, aber die Müdigkeit und Schwäche waren neu, genauso wie die fast schon schmerzliche Trockenheit in seinem Mund und Rachen. Er versuchte zu schlucken, doch dies wurde mit einer brennenden Agonie quittiert, der von seiner Kehle ausging. Severus unterdrückte ein Stöhnen, begreifend, dass dies nur in noch mehr Schmerzen resultieren würde. Und er begann zu verstehen was passiert war.

Zum Teufel mit Voldemorts magischen Kräften. Severus wusste nicht, welchen Fluch der dunkle Zauberer gebraucht hatte, um seine aufgeschnittene Kehle zu heilen und ihn am Leben zu erhalten, aber er bezweifelte, dass es weisse Magie gewesen war.

Severus spürte einen Hauch von Enttäuschung. Es wäre auch zu einfach gewesen so schnell zu sterben. Nun ja. Einfach war wohl nicht das richtige Wort. Lieber hundert Crucios als noch einmal miterleben zu müssen, an seinem eigenen Blut zu ertrinken.

So bäuchlings auf dem kalten, harten Boden zu liegen, war bei Weitem nicht sehr bequem, doch die Energie, sich gross zu bewegen war einfach nicht mehr in Severus vorhanden. So blieb er einfach still liegend und schloss die schweren Augenlider.

Als die Eule mit dem Brief mitten in der Versammlung zu ihm geflogen war und er den Brief abgenommen und gelesen hatte, war er erst einmal zu überrascht gewesen, um irgendwie zu reagieren, oder sich zu fragen, wer einen solchen Blödsinn schrieb, denn dass das Schreiben von Dumbledore kam, stand ausser Frage. Erst als ihm Voldemort das Pergament abgenommen und selber gelesen hatte, hatte er begriffen, in wie grossen Schwierigkeiten er steckte.

Severus' stärkste Waffe war schon immer seine Stimme gewesen. Er war stolz darauf, gezielte Worte wie ein Messer zu gebrauchen. Doch diesmal hatte er gewusst, dass ihn nichts was er sagen würde retten konnte. Wer auch immer den Brief geschickt hatte, hatte damit sein Todesurteil besiegelt. Voldemort vertraute niemandem bedingungslos und wenn Severus es auch geschafft hatte, sich wieder in seiner Nähe bewegen zu können, brauchte es doch nur den Anschein eines Verdachts, um den Zorn des Schwarzmagiers zu erregen. Nur durch diese Paranoia war er jemals so mächtig geworden.

Doch nun, in dieser Zelle, mit nichts zu tun, als sich nicht zu bewegen und der unnatürlichen Stille zu lauschen, blieb Zeit über das wer und warum nachzudenken.

Der Plan war gut gewesen, das musste er zugeben. Hinterhältig und durchdacht. Er wusste selbst nicht so recht, ob er wütend oder amüsiert sein sollte. Wer auch immer diesen Plan entwickelt hatte, musste einfach Slytherinblut in den Adern haben. Aber Severus konnte sich nicht vorstellen, dass einer seiner Schüler, aktuelle oder frühere, dies machen würden. Sie hatten keinen Grund, ausser sie wussten die Wahrheit und sympathisierten mit Voldemort, wobei sie aber sicher den dunklen Lord persönlich informiert und nicht einen Brief an ihn geschickt hätten. Und wahrscheinlich hätten sie dann auch keinen solchen Stuss von wegen Spionage und Dumbledores Enkel geschrieben. Dies war ein weiteres Rätsel. Es war wirklich so gewesen, dass die Maebys plötzlich verschwunden waren, so dass man sie nicht mehr kidnappen konnte. Niemand wusste davon und dass ein weiterer Spion unter den anwesenden Todessern gewesen war, erschien ihm unglaubwürdig. Und selbst wenn, dann hätte er ihn ja nicht verraten.

Wer hatte überhaupt am meisten Grund, dies zu tun? Black? Ja, dem würde er es zutrauen, aber der Mann war 1.) eingeweiht und auf ihrer Seite, und 2.) nicht schlau genug, um so was zu durchdenken.

Wer noch? Potter? Dumbledore hatte den Jungen sicherlich eingeweiht, als es nicht mehr nötig war, dass er die Gerüchte anheizte. Dumbledore mochte dieses verzogene Gör zu sehr um ihn länger als nötig leiden zu lassen. Dennoch würde es Sinn machen, dass er mit Hilfe seiner superschlauen Freundin Granger und diesem unmöglichen Weasley auf so eine Idee kam. Nur woher sollte der Junge die Information über die Maebys haben? Und würde der junge Potter ihn wirklich umbringen wollen? Er bezweifelte es.
Aber er hätte ja auch den Herumtreibern nie so etwas zugetraut, dachte er bitter.

Wie dem auch sei. Es war passiert und alles was für Severus noch von Bedeutung sein sollte, war, wie lange er gefoltert würde, bevor man ihn endlich tötete.

Wie auf Kommando hörte er das knirschende Geräusch, wenn Stein über Stein geschoben wurde, von irgendwo hinter sich.

Er öffnete die Augen und sammelte alle Kraft um den Kopf zu heben. Kaum hatte er ihn jedoch auch nur einige Zentimeter vom Boden hochgehoben, als sich der Raum um ihn zu drehen begann und er das Gefühl hatte, die Gesetze der Gravitation hätten ihn aus ihren Griffen gelassen. Begleitet wurde dieses Gefühl von einem heftigen Pochen hinter seinen Schläfen, das ihm den Schädel zu spalten drohte. Instinktiv entfuhr ihm ein Stöhnen, was wiederum seine Kehle unter Feuer setzte. Kraftlos liess er den Kopf wieder auf den Boden sinken, voll darauf konzentriert, keinen weiteren Laut mehr zu machen.

So bemerkte er auch nicht, wie sich jemand neben ihm niederkauerte, bis dieser sprach.

"Na, tut es weh, Severus?"

Severus würde Lucius Malfoys Stimme überall erkennen und sie brachte wieder etwas Ordnung in seinen purzelbaumschlagenden Kopf. Wieder unterdrückte er ein Stöhnen, aber diesmal nicht wegen der Schmerzen.

"Du sagst ja nichts, Severus. Hast du etwa Angst?"

Severus schloss die Augen. Er wusste, dass Malfoy ihn nur reizte, aber im Moment konnte er das nicht brauchen. Sein Kopf dröhnte als wenn eine Kapelle in dessen Inneren eine Fanfare spielen würde. Ausserdem hatte er keine Energie übrig, wütend zu werden. Er wollte nur allein gelassen werden, oder noch besser, vielleicht ein einfaches, kleines ‚Avada Kedavra'?

"Lord Voldemort hat mir die Kontrolle über dich gegeben, Severus, weißt du? Findest du das nicht äussert zuvorkommend von ihm?"

Also kein Avada Kedavra. War ja auch zu erwarten gewesen bei der Regelmässigkeit, in der das Glück ihm seit seiner Geburt treu blieb.

"Ich würde mich ja gerne noch weiter mit dir unterhalten, Severus, doch leider habe ich noch andere Verpflichtungen, aber ich werde mir das nächste Mal mehr Zeit für dich nehmen, versprochen."

Eine Verwirbelung der staubigen Luft vor ihm, zeigte Severus an, dass der andere Mann aufgestanden war. Kurz darauf hörte er wieder das Knirschen des Steines, als, wie er vermutete, die Tür wieder geschlossen wurde.



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T.B.C.


 

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