Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 19: Der Traum

Der grosse Salon mit den hohen, buntglasverzierten Fenstern war taghell erleuchtet, dennoch schien sich eine beklemmende Düsterheit hier eingenistet zu haben und das Licht in Unterdrückung zu zwingen, so dass es seine ganze Kraft zu strahlen zu verlieren schien. An einem Ende des langen, grossen Raumes sass eine gebieterische, dunkle Gestalt mit einem Aussehen, das kaum mehr etwas menschliches an sich hatte. Die spinnenhaften, langen knochigen Finger waren um die Lehnen gekrallt und der Mann hatte sich in seinem Thron leicht vorgebeugt und starrte auf eine andere Gestalt zu seinen Füssen. Neben dem in graue Hemd und Hose gekleideten Mann, der zusammengekauert am Boden lag, stand ein weiterer Mann mit silberblondem, langen Haar. Lucius Malfoy hielt den Kopf hoch, aber seine Augen ruhten mit Abscheu auf dem Mann am Boden.

"Steh auf und schau mich an, Severus."

Der Mann am Boden schien die Worte erst nicht gehört zu haben, denn es vergingen einige Minuten, bis er sich endlich regte und sich mit sichtlicher Mühe in eine kniende Position manövrierte. Als er seinen Oberkörper jedoch vom Marmorboden abstiess, liess ihn ein tiefes, keuchendes Husten innehalten und er fasste sich mit einer Hand an seine Brust, als würde ihm das Husten schlimme Schmerzen bereiten. Als er es dann endlich doch geschafft hatte auf die Knie zu kommen, hielt er den Blick noch immer gesenkt und rang röchelnd nach Atem.

"Severus, Severus", tadelte Voldemort leise. "Askaban ist dir scheinbar nicht sehr bekommen, wie ich sehe." Ein bösartigen Lächeln schlich um seine dünnen, durchscheinenden Lippen. "Das ist gut."

Severus Snape antwortete nicht, sondern war noch immer damit beschäftigt, genug Sauerstoff in seine Blutbahn zu bekommen.

"Ich habe gesagt du sollst mich ansehen", zischte Voldemort nun wieder wütend und hob seine Hand andeutungsweise in einem stillen Befehl. Lucius griff sofort nach Snapes Haar und riss dessen Kopf gewaltsam zurück, ohne dass er jedoch den Ekel aus seinem Gesicht verbannen konnte, den er dabei empfand, das fettige, strubblige und mit Dreck versetzte Haar anzufassen.

Snape hatte die Augen offen, aber er schien kaum mehr fähig zu atmen und sog die Luft ratternd durch halbgeöffnete Lippen. Dennoch heftete er den Blick auf den Mann vor ihm, der sich nun von dem Thron erhob und nur Zentimeter vor ihm niederkauerte, so dass ihre Augen auf fast derselben Höhe waren.

"Mein lieber Severus. Mein bester Mann, wenn es um Zaubertränken geht", raunte Voldemort nun mit einer theatralisch führsorgenden Stimme. "Du hast mir schon viel geholfen, aber du hast mich auch verraten, nicht?" Noch während er redete, zog Voldemort seinen Zauberstab. "Crucio!"

Der kranke Mann wurde von der Wucht, die die Nähe des Fluchs bewirkte, einige Meter zurückgeworfen und wand sich dort unter unsäglichen Schmerzen am Boden. Die gurgelnden, jappsenden Laute, die aus seinem Mund kamen, waren kaum Schreie zu nennen. Snape hatte nicht genug Luft in seinen Lungen übrig, um noch zu schreien.

Voldemort schien sich auch vollkommen bewusst um den Zustand des ehemaligen Todessers und er hielt den Fluch nur ein paar Sekunden. Es reichte jedoch, um Snape röchelnd und kaum bei Bewusstsein am Boden liegen zu lassen, sein Körper immer noch von gelegentlichen Zuckungen gepeinigt.

"Enervate!" rief Voldemort und ein leises Stöhnen löste sich von Snapes Kehle. Der dunkle Lord erhob sich wieder und trat nahe an den gefallenen Mann heran. "Du hast für Dumbledore spioniert."

Snape nickte. Zu Worten schien er nicht mehr fähig. "Und du hast Sirius Black umgebracht", fuhr Voldemort lauernd fort.

Snape versuchte sich etwas zu fassen, aber bei dem Namen Blacks lachte er leise, was allerdings wieder in einem Hustanfall endete. "Kein grosser Verlust", brachte er schliesslich hervor.

"Es hiess, dass er einer meiner Männer war, und dann hättest du einen Todesser umgebracht und solltest dafür sofort hingerichtet werden. Ich hoffe, das ist dir bewusst."

Diesmal unterdrückte Snape ein Lachen, aber ein fieses Grinsen lag über seinen Zügen. "Das war er nicht. Er hat es mir selber gesagt."

"Und was, wenn ich dir sagen würde, dass er mein Spion gewesen war um Dumbledore auszuhorchen?"

Snape zuckte nur andeutungsweise die Schultern. "Dann werdet Ihr mich wohl gleich umbringen, was keinen grossen Unterschied machen wird, da Ihr es ja sowieso tun werdet."

"Warum hast du ihn umgebracht."

Snapes Lächeln vertiefte sich und seine Augen begannen seltsam zu glänzen. "Er hat mich genervt."

Wenn Voldemort Augenbrauen gehabt hätte, wären sie ob dieser Aussage wahrscheinlich in die Höhe geschossen, so allerdings weiteten sich bloss Voldemorts Augen. "Er hat dich genervt?"

"Ich glaube er hatte Flöhe. Ausserdem hinterliess er überall seine Haare."

Voldemort ging nicht auf diese Aussage ein. "Und wenn er mein Spion gewesen wäre?"

"Unwichtig. Er hat einfach genervt."

"Severus, wirst du uns sagen, was du über den Orden weißt?" fragte Voldemort langsam.

Snape sah Voldemort direkt in die roten Augen und das Glitzern in seinen verschwand wieder. "Warum sollte ich? Ihr werdet mich ja sowieso töten."

Voldemort lächelte. "Das stimmt, aber es würde deinen Tod schnell und schmerzlos machen. Und wer weiss, wenn die Informationen gut sind, dann lasse ich dich noch so lange am Leben, wie du uns nützlich sein kannst."

Der dunkle Lord dachte einen Moment nach, bevor er sich wieder zu dem am Boden liegenden Zauberer hinkniete und ihm an den Schultern fassend half, in eine sitzende Position zu kommen. Seine Stimme wurde wieder sanft und fürsorglich, wie die Stimme, die eine Mutter für ihr verängstigtes Kind gebrauchen würde. "Severus, wenn du noch einen Wunsch frei hättest bevor ich dich töte, was würdest du dir wünschen? Sag es mir."

Snape hob erneut den Kopf und er antwortete leicht keuchend und heiser. Dennoch lag ein scharfer Ton in seiner Stimme. "Ich will Gerechtigkeit, die ich nie erfahren habe. Rache für ein Leben das ich nie leben konnte. Ich habe für Euch gearbeitet, mein Bestes gegeben und wurde dafür benutzt. Dann habe ich für Dumbledore gearbeitet und wurde dafür verraten!" In einem Sekundenbruchteil verschwand der scharfe Ausdruck jedoch wieder und Snapes Stimme wurde fast weinerlich. "Ich will meinen Wille zurück und ich will für einmal in meinem Leben gewollt, anstatt gebraucht werden. Ich will tun was ich will, und nicht was andere wollen das ich tue. Ich will nie wieder benutzt werden."

Voldemort besah sich das Häufchen Mensch vor ihm, das einmal ein stolzer Zauberer gewesen war und nun wieder abwesend nach Luft rang und weder weinerlich noch wütend klang, so als hätte es die letzte Minute und sein Geständnis nie gegeben. Doch dann kräuselten sich Voldemorts Lippen zu einem Lächeln und er zog Snape an sich und umarmte ihn fast liebevoll. "Ich werde dir dein Leben und deine Rache geben. Nie wird dich je jemand benutzen, mein Severus." Der dunkle Lord lächelte noch immer, als er seinen Zauberstab an Snapes Schläfe hielt und "Dormus" murmelte.

Fast sanft legte er den nun schlafenden Zauberer auf den Boden und erhob sich.

"Lucius, sieh zu, dass er gesäubert und geheilt wird." Sein Lächeln wuchs ein bisschen breiter und wurde eine Spur bösartiger. "Sieht aus, als hätten wir ein neues Mitglied."

"Mein Lord", begann Malfoy. Er zögerte kurz, als ob er abschätzen würde, ob sein Einwand das Risiko eines Crucios wert war, aber dann atmete er einmal tief ein und sprach: "Ich bin mir sicher, das Ihr Eure Gründe habt, mein Lord, aber ist es nicht gefährlich, ihn bei uns zu behalten? Er hat alle noch vorhandenen Zweifel selber ausgeräumt. Er hat für Dumbledore spioniert. Ausserdem ist er eindeutig nicht mehr bei Sinnen."

Voldemort sah ihn lange an, als ob er überlegen würde, seinem Todesser für die Zweifel an seinen Entscheidungen zu bestrafen oder ihm seine Gedanken zu erklären und entschloss sich schlussendlich für letzteres.

"Dass Snape seine Situation irgendwann zum Verhängnis werden würde, war unverkennbar. Er ist ein Mensch und alle Menschen haben ein Selbstwertgefühl und gewisse fundamentale Bedürfnisse. Sie wollen akzeptiert werden. Snape war auf beiden Seiten verfolgt, gehörte nirgends dazu und der einzige, der ihm immer so etwas wie persönliches Interesse entgegenbebracht hatte, war Dumbledore. Der hat aber schon einmal Snape in meine Arme getrieben, als er die Sache mit Black unter den Teppich gekehrt hatte. Sonst wäre unser Zaubertränkemeister nie zu uns gekommen. Er hatte es nicht in sich -- ein zu starkes Gewissen hinderte ihn. Aber Snape ist stolz und an dem Abend, wo er fast von Black umgebracht worden war, hat man seinen Stolz mit Füssen getreten. Dumbledore hat es geschafft, Snapes Vertrauen in ihn wiederherzustellen, aber das Gefäss des Vertrauens zu Dumbledore hat, bei aller Wertschätzung, schon damals einen Sprung erhalten. Nun ist es in Millionen Stücke zerborsten. Snape ist vielleicht wirklich ein wenig verrückt geworden, doch so kann ich ihn formen. Ich gebe ihm was er will und er wird für mich über Leichen gehen. Er hat bestimmte Talente und ein Wissen, das uns nützlich sein kann. Lebend ist er viel wertvoller als tot. Nun geh und kümmere dich darum, dass ihn jemand versorgt. Danach kehre nach Hause zurück. Das Ministerium wird sicher bald Antworten von dir haben wollen."

Voldemorts Stimme hatte eine Endgültigkeit an sich, die Malfoy alle Widerworte raubte. Er verbeugte sich tief und zückte seinen Zauberstab in Richtung Snape, um den bewusstlosen Zauberer anzuheben und hinter sich herschweben zu lassen, als er aus dem Raum verschwand.

Erst als die Tür wieder ins Schloss gefallen war und Voldemort alleine zurückblieb, lachte dieser laut auf. "Zwei zu eins für mich, lieber Dumbledore. Du hast ihn schon wieder zu mir getrieben. Und dieses Mal werde ich keine Fehler mehr machen, das schwöre ich dir."


Harry erwachte schweissgebadet in seinem Bett, das diabolische Lachen Voldemorts noch immer in den Ohren.

 

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