Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 18: Wieder in Hogwarts

Seit seinem elften Lebensjahr hatte sich Harry immer auf den Schulbeginn Ende des Sommers gefreut. Doch diesmal war die Vorfreude beträchtlich gedämpft. Snape war nicht wieder eingefangen worden und seit seiner Flucht vor einer Woche war er wie vom Erdboden verschluckt. Der Tagesprophet hatte einen riesigen Bericht gedruckt, indem man die Theorie aufstellte, dass er selber für den Notfall einen solchen Plan entwickelt hätte und ein unbekannter Hintermann das Dokument mit der gefälschten Botschaft zu Malfoy geschickt hatte. Dieser hatte in einem Interview natürlich sein größtes Bedauern ausgedrückt, dass er gegen sein Wissen einem Verbrecher zur Flucht verholfen hatte und hatte als Zeichen seiner Bereitschaft, den Schaden beheben zu helfen, eine stattliche Summe an das Ministerium gespendet, das sie zur Wiederfindung des Flüchtigen brauchen sollten. Danach wagte niemand mehr, ihn auch nur schief anzusehen und er bekam sogar eine offizielle Entschuldigung des Ministeriums, in die Sache mit einbezogen worden zu sein.

Mr.Weasley hatte daraufhin eine gehörige Standpauke über die Ministeriumsoffiziellen gehalten, die noch nicht einmal eine Bestechung erkennen könnten, wenn sie nackt vor ihnen einen Samba tanzen würde.

Mrs. Weasley schien sich allerdings in den Kopf gesetzt zu haben, diese ganze Sache nicht allen die Freude zu verderben zu lassen und so hatte sie Snapes Flucht die ganze Woche nie erwähnt und hatte sich so normal wie möglich verhalten, obwohl Harry sie manchmal dabei ertappte, wie sie ihm besorgte Blicke zuwarf.

"Ich erwarte, dass ihr euch alle anstrengt und ich keine Beschwerdeeulen von Direktor Dumbledore erhalten werde", sagte sie nun streng, mit in die Seite gestemmten Armen, als sie alle auf dem Bahnsteig vom Hogwarts Express standen.

"Mom, du verwechselst uns mit Fred und George", piepste Ron auf. "Und die sind nicht mehr in der Schule."

Mrs. Weasley atmete tief durch und in ihrem Gesicht war maßlose Erleichterung zu lesen, dass die Zwillinge tatsächlich die Schule im letzten Jahr abgeschlossen hatten. Harry hatte allerdings das Gefühl, dass die arme Frau nicht am Ende der Beschwerden über die beiden angekommen war. Noch immer verfolgten die Zwillinge ihren Traum von einem eigenen Scherzartikelladen und beide hatten Hilfsjobs in der Winkelgasse angenommen, um das nötige Startkapital zusammenzubekommen.

"Zumindest bekam ich bei den beiden nur Reklamationen über zerstörtes Schuleigentum oder Streiche, die sie anderen Schülern gespielt hatten. Bei euch bekomme ich regelmäßig Post, dass ihr bedroht, gekidnappt oder verletzt werdet", antwortete sie mit vorwurfsvollem Blick.

"Als wenn wir etwas dafür könnten", murrte Ron.

"Ron, Harry, Ginny!" rief jemand aus der Richtung des Zuges. Hermine hatte ein Fenster heruntergezogen und winkte ihnen nun fröhlich vom Innern eines der Waggons entgegen.

"Wir müssen los, Mom", sagte Ron grinsend. "Bis in einem Jahr dann." Er drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und war auch schon mit seinem ganzen Gepäck in der Menge untergetaucht.

"Dieser Junge", seufzte Mrs. Weasley mit einem Kopfschütteln. "Na dann verschwindet lieber auch mal, sonst fährt am Ende der Zug noch ohne euch ab."

Ginny umarmte ihre Mutter herzlich, bevor sie Ron folgte und dann wandte sich Mrs. Weasley an Harry. "Pass gut auf dich auf, Harry. Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf ist noch immer hinter dir her, und auch Snapes Flucht ist besorgniserregend. Ich mache mir wirklich Sorgen um euch alle."

"Keine Sorge, Mrs. Weasley. Mir wird schon nichts passieren und ich verspreche auch ein Auge auf Ron und Ginny zu halten."

Die ältere Frau lächelte und umarmte Harry ebenfalls kurz, während sie auch ihm einen Kuss auf die Wange drückte. "Sei vorsichtig Harry."


Harry hatte das Abteil, das Hermine für sie freigehalten hatte, recht schnell gefunden. Er schob seine Truhe unter den Sitz neben Rons und hob Hedwig mit ihrem Käfig auf die Ablage über dem Fenster. Er war gerade von der Ablage zurückgetreten, als er auch schon einen Armvoll Hermine am Hals hatte.

"Es ist schön, dich wieder zu sehen Harry", lachte sie. Sie schob ihn eine Armlänge von sich weg und beäugte ihn kritisch. "Bist du in Ordnung?"

Harry nickte. Gleich nach dem Artikel im Tagespropheten hatte sie ihnen eine Eule geschickt, um zu fragen, ob Rons Vater nähere Informationen hatte und was von dem Schriftstück überhaupt stimmte. Hermine hatte am eigenen Leib erfahren müssen, dass Rita Kimmkorn einen Hang zum Ausschmücken ihrer Artikel hatte und es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Harry und Ron hatten ihr daraufhin in einem Brief alles mitgeteilt, was sie auch wussten.

"Mir wird es wunderbar gehen, wenn die Snape wieder gefangen haben, Hermine", antwortete er bitter. "Und ich hoffe, dass er diesmal für den Ausbruch den Kuss erhält."

Hermine nickte bedrückt. Die Tatsache, dass sie Harry nicht widersprach machte deutlich, dass sie sich erheblich um ihn sorgte.

***



Die Ankunft in Hogwarts war nicht anders wie jedes Jahr und verhöhnte in ihrer Normalität die Ereignisse, die sich hier vor ein paar Monaten abgespielt hatten. Hagrid rief alle Erstklässler zu sich und der Rest der Schüler stieg in die Pferdelosen Kutschen, die sie zu der Schule brachten. Die Große Halle war mit tausenden schwebenden Kerzen geschmückt, wie jedes Jahr, und die Lehrer saßen schon am Lehrertisch versammelt, mit Ausnahme von McGonagall, die die Erstklässler hereinführen würde. Am linken Ende des Tisches, dort wo bis jetzt immer Snape gesessen hatte, saß ein weißhaariger kleiner Mann, der noch älter als der Direktor aussah, so verrunzelt war sein Gesicht und er war in seinem Sitz leicht übergebeugt als Zeugnis eines vom Alter durchgebeugten Rückens. Zu Harrys Erstaunen sah er Mrs. Figg zwischen Direktor Dumbledore und Remus Lupin sitzen. Natürlich hatte Harry seit letztem Jahr gewusst, dass sie zum Orden gehörte, doch sie hier zu sehen, überraschte ihn doch etwas.

Dumbledore saß gerade und mit erhobenem Kopf da und blickte mit dem Ansatz eines Lächelns über die Schüler, die sich unter lautem Geplauder in die Halle drängten. Er schien genauso wie immer, aber Harry bemerkte, dass er ein wenig angespannt wirkte, wenn man genau hinsah.

Als sich sämtliche Schüler gesetzt hatten und Dumbledore die Hand hob, um die Kinder zum Ruhigsein zu ermahnen, trat McGonagall mit ihrem typisch strengen Gesicht in die Halle, gefolgt von einer Horde interessierter, aber auch etwas eingeschüchterter Erstklässler. Auch die Auswahlzeremonie zeigte nicht viel Neues, und Harry besah sich das Ganze mit mäßigem Interesse.

Seine Aufmerksamkeit wuchs erst wieder, als die neuen Schüler an ihren jeweiligen Tischen saßen und sich Dumbledore von seinem Sitz erhob.

"Liebe Schüler." Er wartete einen Moment, bis die noch immer andauernden Gespräche erstorben waren und er die gesamte Aufmerksamkeit der Schüler hatte. "Ich möchte euch alle ganz herzlich in Hogwarts willkommen heißen. Vor allem diejenigen, die zum ersten Mal hierher kommen." Er ließ seinen Blick über seine Lesebrille hinweg bedeutsam über die vorderen Enden der Tische gleiten, wo die Erstklässler ihren Platz gefunden hatten.

"Wie die Schüler, die schon länger hier sind, bereits wissen, haben wir zwei offene Stellen im Lehrerkollegium. Deshalb möchte ich euch Arabella Figg vorstellen, die dieses Jahr Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten wird."

Die ältere Frau erhob sich kurz und nickte den Schülern lächelnd zu.

"Da seit gewissen ... Umständen gegen Ende des letzten Jahres auch der Zaubertränkelehrer und Hauslehrer der Slytherins ausgefallen ist, habe ich kurzfristig Professor Benjamin O'Malley verpflichten können, der vor fast fünfzehn Jahren hier schon unterrichtet hat. Er wird auch die Kontaktperson für die Slytherins sein. Dieses Arrangement ist allerdings nur vorübergehend, bis wir einen permanenten Ersatz für Professor Snape gefunden haben."

"Na hoffentlich auch", flüsterte Ron. "Der sieht so aus, als könne er ohne fremde Hilfe nicht einmal einen Kessel anheben."

Harry antwortete mit einem Anstandslächeln, aber achtete nicht sonderlich auf Ron, sondern beobachtete weiterhin den Direktor. Dieser wirkte wirklich etwas unter Druck und angespannt, vor allem wenn er Snape erwähnte, wenn er es auch sehr gut verbarg. Harry nahm sich fest vor, so schell wie möglich mit dem Mann wegen Snapes Flucht zu reden. Es würde ihn nicht überraschen, sollte Dumbledore mehr Informationen haben und Harry war entschlossen alles zu tun, dass Sirius' Mörder seiner Strafe nicht entkam.

"Außerdem wird dieses Jahr Remus Lupin hier im Schloss wohnen. Die Zeiten sind unsicher und er wird Hagrid bei der Überwachung des Verbotenen Waldes helfen."

Harry lächelte zufrieden bei dieser Ankündigung. Er hatte mit Remus Lupin über den Sommer in regem Briefkontakt gestanden und war somit auch über seine Pläne informiert. Der Werwolf hatte ihm geschrieben, dass Dumbledore sehr besorgt war wegen Voldemorts größer werdendem Einfluss und fürchtete, dass er vielleicht sogar versuchen würde, sich der Schule zu nähern. Da auch der Orden geschwächt war, weil er zwei Kämpfer verloren hatte, wollte Dumbledore die Wachen für die Schüler verstärken.

Harry hatte sehr wohl zwischen den Zeilen gelesen. Dumbledore würde auch erfahren haben, dass Snape von Voldemort aus Askaban befreit worden war und sich sicherlich Sorgen machen, ob der Informationen die der Mann hatte.

***



Für den Rest des Tages versuchte Harry vergeblich, den Direktor allein zu erreichen. Nachdem er mit seinen Freunden ihre Schlafsäle bezogen hatte, machten sie sich auf die Suche nach dem Mann.

Als sie schlussendlich vor dem Wasserspeier standen und verschiedene Süßigkeiten auf der Suche nach dem Passwort ausprobierten, schwebte der fast kopflose Nick den Korridor entlang.

"Sir Nicolas!" rief Hermine sofort.

Der Geist kam näher und lächelte sie freundlich an. "Hallo ihr drei. Hattet ihr schöne Ferien?"

"Ja", antwortete Hermine gleichgültig. "Kennt Ihr das neue Passwort für das Büro des Direktors?"

"Natürlich. ‚Pfefferminzbonbon' aber im Moment wird euch der Wasserspeier nicht durchlassen, selbst wenn ihr das korrekte Passwort sagt. Das Lehrerkollegium ist in einer Besprechung und der Direktor hat dem Wasserspeier gesagt, dass er nicht zu sprechen ist."

"Das gibt's doch nicht", wand Ron ein. "Und was wenn es ein Notfall ist? Die Schule könnte brennen oder so was."

"Wenn es wirklich ein Notfall ist", der Hausgeist der Gryffindors schielte zweifelnd auf die Schüler hinunter, "dann wird er es auch sonst wissen, oder man kann einen Hauselfen zu ihm schicken, die kommen um alle Hindernisse herum."

Harry seufzte laut. "Dann kommen wir halt später zurück."

"Das wird auch nichts bringen. Der Direktor muss, soviel ich weiß, später noch ins Ministerium. Ihr müsst schon bis morgen warten. Oder wendet euch doch einfach an Professor McGonagall. Sie ist schließlich eure Hauslehrerin."

"Ja, ist gut. Danke Nick." Und mit diesen Worten machte sich Harry und seine Freunde leicht enttäuscht davon.

***



Nachts lag Harry noch lange wach in seinem Bett, seine Gedanken um Snape, den Ausbruch und Dumbledores eventuelle Pläne kreisend. Mit diesen Gedanken schlief er gegen zwei Uhr Morgens endlich ein.

 

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