Geheimnisse

 

 

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Kapitel 51: Des Teufels Opfer


Je dunkler die Wirklichkeit
desto heller der Traum

Aus Irland



Firenze war verzweifelt. Frustriert trippelte er auf dem Absatz herum und sah die schmale Treppe vor sich an. Sie war zu eng und zu niedrig. Auf Hogwarts hatte er auch schmale Treppen erklommen, doch keine war so eng gebaut gewesen. Plötzlich stoppten die Schreie und Firenze stand still und trat nicht mehr der Stelle. Was war geschehen? Angestrengt hörte er in die Tiefe und dann zuckten Lichtblitze in den Gang unter ihm.
"BLACK!" rief er und verfluchte seinen großen Körper.
Das Einhorn erhob sich in dem großen Flur auf die Hinterbeine und wieherte hell. Der Klang warf sich in den Wänden wieder und wurde verstärkt.

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Geschickt rollte sich Sirius ab und kam hinter einer Säule zum Halten. Nach Luft ringend sah er sich um. Er glaubte das Einhorn zu hören, oder war es nur der Klang eines gesprochenen Fluches? Es war eine Folterkammer, in der er gelandet war, eine klinisch reine und sorgfältig aufgeräumte Folterkammer. Die einzelnen Gerätschaften hingen in Griffhöhe an der Wand entlang und die Kohlebecken glänzten im Feuerschein. Hecktisch sah er sich nach einer Waffe um, irgend etwas was er gebrauchen konnte. Moray hatte seinen Zauberstab gezückt und einige Flüche auf Sirius los gelassen. Doch Sirius war zu geschickt und trotz der Panik hatte er einen halbwegs klaren Kopf bewahrt. Black drehte den Kopf, über sich sah er etwas wie einen langen, mit Nägeln gespickten Stab. Das war eine gute Waffe, seine Hand zitterte als er danach greifen wollte - er mußte sich dieses verrückten Aurors erwehren - doch er erreichte sie nie. Ein Seil wurde von hinten um die Säule geschlungen und schnürte ihn am Hals fest gegen den Stein. Das Seil wurde festgezurrt und gab Sirius nicht mehr frei. Nach Luft japsend sah Black Peter Moray in sein Blickfeld treten. Blacks Hände verkrallen sich in den Strick, er schnitt ihm in den Hals und nahm die Luft.
"Sieh da, sieh da. Der berühmt-berüchtigte Massenmörder Sirius Black", säuselte der Auror und beugte sich zu ihm herunter, jedoch im sicheren Abstand.
Luft! Black brauchte Luft!
"Sie überraschen mich, Black. Sie hier? Doch nicht etwa auf der Suche nach IHM?" Peter Moray wedelte lässig in Richtung Snape.
Sirius wollte ihm eine Beleidigung an den Kopf werfen, doch die Fessel war zu eng angezogen und so kam nur ein heißeres Krächzen heraus. Dass er ihn einen Mörder nannte überraschte ihn nicht, viele sahen noch in ihm einen verrückten Mörder, trotz aller Gegenbeweise. Sirius versuchte einen weiteren Blick auf Snape zu erhaschen. War er zu spät gekommen?
Moray wirkte gespielt überrascht. "Oder etwa doch? Sie haben ihn tatsächlich gesucht." Mit dem Zauberstab strich Moray sanft eine Haarsträhne aus Blacks Gesicht und falsche Verwunderung schwang in der Stimme des Auroren mit.
"Sie werden verstehen, ich bin ein beschäftigter Mann... Nicht dass es das erste Mal gewesen wäre, dass ich hier zwei oder mehr Gäste gehabt hätte. Oh nein. Ich hatte immer genug Gästezimmer."
'Verrückt!', dachte Sirius und versuchte weiterhin Luft zu bekommen. 'Der ist total verrück!' Verzweifelt strampelte er mit den Füßen, was Moray nur ein Lachen entlockte und er noch einen Schritt zurück wich.
"Oh Mr Black, Sie sollten sich sehen. Wie ein Fisch auf dem Trockenen. Und was macht man mit Fischen auf dem Trockenen?"
Misstrauisch sah Black den verrückten Auroren an, sein Blick trübte sich.
LUFT!
"Man erlöst sie!" flüsterte Peter und hob den Zauberstab.
Ein helles Wiehern, und etwas Weißes schimmerte im Eingang zur Folterkammer. Überrascht von der Störung drehte sich Peter Moray um und trat drei Schritte rückwärts. Das Einhorn stand angriffslustig in der Tür und senkte bedrohlich den Kopf. Das Horn, sonst so wunderbar, und in diesem Moment so tödlich. Moray wich einen halben Schritt seitlich aus. Sirius sah seine Chance und trat mit dem bisschen Kraft, was er noch hatte, fest von hinten nach Moray.
Der Auror, überrascht von dem plötzlichen Angriff von hinten, stolperte und fiel vorwärts gegen die nächste Wand. Es gab ein hässliches Geräusch, Knochen knirschten und ein dumpfes Schneiden, als ob in Fleisch geschnitten wurde. Sirius wurde es schwarz vor Augen, dieser Tritt hatte ihn das bisschen Luft gekostet, das er noch hatte.
Aber wie von Wunderhand löste sich der Strick von seinem Hals und er fiel, nach Luft ringend, vornüber. Die Augen fest geschlossen versuchte er zu Atem zu kommen. Mit einer Hand rieb er sich den Hals, mit der anderen versuchte er sich abzustützen. Kühle Luft strich durch seine Lungen. Das war einfach zu knapp gewesen. Etwas Weiches strich über sein Gesicht und Sirius öffnete die Augen.
Er sah in die unendlichen Augen des Einhorns. Dankend hob er die Hand und strich über die weichen Nüstern des Tieres.
"Keine Sekunde zu spät meine Freundin. Keine Sekunde zu spät", sagte er rau und stand vorsichtig auf.
Peter Moray hing, aufgespießt von seinen eigenen Foltergeräten, an der Wand, den Rücken Sirius zugewandt, und dieser war nicht darauf erpicht das Gesicht des Auroren zu sehen. Ein kleiner Rinnsal Blut troff bereits die Wand entlang.
Stattdessen wandte er sich Snape zu. Dieser hing bewußtlos in seinen Ketten und atmete rasselnd. Sirius stolperte auf ihn zu und versuchte die Eisenmanschetten zu lösen - ohne Erfolg, sie waren mit Magie verschlossen. Während er sich auf die Ketten konzentrierte versuchte er den geschundenen Körper noch zu ignorieren.
'Alles zu seiner Zeit', dachte er und rüttelte an den Ketten.
Nichts.
Voll Verzweiflung sah sich Sirius nun um. Moray hatte einen Zauberstab und er lag nutzlos neben dem Toten auf dem Boden. Tief in ihm wiederstrebte es Sirius den Zauberstab von Moray zu benutzen. Wie viel Leid hatte er damit anderen zugefügt, von den Morden ganz abzusehen. Aber wenn er Snape da raus haben wollte.... doch das Einhorn erlöste ihn von dieser Entscheidung. Das magische Wesen stand wie eine Statue vor dem bewusstlosen Mann und betrachtete ihn eingehend. Sirius wich zur Seite und überließ ihm das Feld. Das Einhorn hob den Kopf und strich mit seinem Horn über die Fesseln, die sich mit einem Schnappen öffneten und Snape endlich frei gaben.
Sirius sprang gerade noch nach vorne und fing den geschundenen Mann auf. Seine Hände zitterten und was er allein schon durch diesen Kontakt fühlte und auch roch drehte ihm fast den Magen um. Es kostete ihn seine ganze Willenskraft Snape nicht einfach fallen zu lassen und sich in der nächstbesten Ecke zu übergeben. Die zitternden Hände fuhren über Verbrennungen, und als er eine Hand auf den Rücken Snapes legte, fühlte er, wie er Hautfetzen in den Händen hielt. Kalter Schweiß stand dem Todesser auf der Stirn und er sah sehr blaß aus. Die wenigen Tage hatten ihm viel abverlangt.
"Jetzt bringen wir dich erst mal hier raus", murmelte Sirius und hob den Verletzten an.
Fast befürchtete er Snape würde davon aufwachen, doch nichts geschah, leblos, wie tot, hing er Black in den Armen. Aber tot war er noch nicht, die Brust hob und senkte sich zitternd bei jedem Atemzug. Das Einhorn schritt voran und ohne sich noch einmal umzudrehen gingen sie aus der Folterkammer.

Firenze erwartete sie nervös und als er Snape erkannte stieß er einen ungewöhnlichen Klagelaut aus. Black wurden die Knie weich und er ließ Severus auf den kalten Boden der Diele gleiten. Das Einhorn hatte Sirius im Gang doch den Vortritt gelassen, nun stieg es hinter ihnen hervor und schüttelte sich ausgiebig. Vorsichtig näherte sich Firenze und sah auf Snape herab. "Warum erwischt es am Ende immer ihn?"
Der Todesser lag wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, auf dem Boden. Dort, wo die Haut noch zu sehen war, schien sie ungewöhnlich blass und durchsichtig, fast wie Pergament.
"Ich weiß es nicht Firenze", murmelte Black und fuhr sich zitternd durch die langen schwarzen Haare.
"Ich suche Decken, verarzten Sie ihn und dann machen wir, dass wir aus diesem kranken Haus kommen", erklärte Firenze fest und verschwand kurz darauf.
Kalte Luft strich aus dem Kerkern hoch und nahm ihnen das bisschen Wärme, das sie noch hatten. Sirius stand auf um den Geheimgang mit der Treppe zu schließen. Es klackte leise und das Bodenmosaik rutschte an seinen ursprünglichen Platz zurück. Endlich kam keine kühle Luft mehr aus dem Kerker und endlich sah die Eingangshalle fast normal aus. Doch es blieb kalt, eiskalt. Die Kälte legte sich um die Knochen und klammerte sich dort fest. Das Einhorn wachte ruhig über Snape, und wüsste Sirius nicht, dass Snape noch lebte, würde er es für eine Totenwache halten. Mit kühler Entschlossenheit diesen Ort endlich verlassen zu können, suchte Black nach dem Verbandskasten.
Während er den Rucksack durchsuchte fiel sein Blick auf seine Handgelenke. Der Verband sah schon ganz abnutzt und dreckig aus. Er war ebenfalls verletzt, wenn auch nicht so stark. Seine Wünsche musste er erst mal zurück stellen. Mit festem Griff nahm er den Verbandskasten. Während er sich zu Snape umdrehte kam Firenze mit weißen reinen Leinenlacken und zwei dunkelblauen Decken. Als er das Stirnrunzeln von Black sah erklärte der Zentaur mit einem leichten Zittern in der Stimme: "Ich dachte, dann sehen wir schneller wenn ein Verband durchweicht ist, und es ist sauber."
Verständnisvoll nickte Black und zusammen mit Firenze machte er sich daran das letzte bisschen Kleidung, das kaum noch die Bezeichnung Kleidung verdiente, von Snape zu schälen, um ihn dann zu verarzten.
Sirius kam es seltsam vor, so in die Privatsphäre des anderen Magiers einzudringen, aber wenn sie diese Drecklumpen an Snape ließen würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich dessen Wunden entzündeten. Vor ein paar Tagen hätte er es nie gewagt Snape zu entkleiden.
'Wie schnell sich doch Grenzen verschieben', dachte Black und schüttelte innerlich den Kopf.
Dumbledore hatte dies schon oft gemacht, der alte Mann hatte es ihm erzählt. Auch hatte der alte Direktor Snape oft neu einkleiden müssen, auch waschen gehörte sicherlich oft dazu. Wie hatte Dumbledore damals gesagt? Severus hatte schon schlimmeres überlebt? Sirius hoffte, dass dies auch hier zutraf, wobei er keine so großen Hoffnungen hatte.
Getrocknetes Blut, Schweiß, Ruß und anderes verklebte die Haut und machte es Black unmöglich die Wunden erst-zu-versorgen. So schickte er Firenze noch einmal los um eine Schale mit Wasser und Lappen zu holen.
Behutsam und mit Hilfe des Zentrauren befreite er Snape dann vom gröbsten Dreck. Es war schwierig einen Mann zu behandeln, der in einem so kritischen Zustand war und bei dem man ständig auf Atmung und Puls achten mußte. Firenze beichtete Black nach einigen Minuten, dass er das noch nie bei einem Menschen gemacht hatte.
"Nun ja, für das erste Mal ist es ganz gut!" murmelte Black aufmunternd und meinte es auch ehrlich so.
Firenze war zwar manchmal etwas plump, aber er konnte eine große Behutsamkeit an den Tag legen. Endlich, nach Minuten die allen wie Stunden vorkamen, konnte Black die Brandverletzungen mit einer kühlenden Salbe behandeln und er tupfte die offenen Wunden mit größter Vorsicht mit einer Tinktur ab. So konnte sich Black gleich einen groben Überblick verschaffen, mit was er es hier zu tun hatte. Moray hatte ganze Arbeit geleistet. Es gab fast kein Gelenk das nicht überdehnt oder gar ganz heraus gesprungen war, Quetschungen und Prellungen übersäten den Körper. Die Brandwunden bereiteten Sirius auch Kopfschmerzen, von denen gab es mehr als Sirius im ersten Moment zählen konnte. Tränen traten ihm in die Augen, als er sich gerade daran machte den Rücken zu behandeln, hier gab es die größten offenen Wunden, tief und blutig.
Große Tränen kullerten aus den Augen des Zentauren und tropften auf Sirius' Schulter. Firenze schwieg und reichte Black weiteres Verbandsmaterial.
An die herausgesprungenen Gelenke traute sich jedoch keiner von beiden.

Es war noch mitten in der Nacht als sie das Haus endgültig verließen. Firenze trug Snape sicher und vorsichtig in seinen Armen, wobei man nicht mehr sah als ein blaues unförmiges Bündel Mensch. Black hatte den Rucksack geschultert und sah vorsichtig die Landstraße auf und ab. Das Einhorn folgte ihnen in einer Wolke aus Blumenduft und Frühling.
"Wohin bringen wir ihn?" fragte Firenze vorsichtig, als sie die Straße entlang gingen.
Black lächelte grimmig und antwortete: "An einen Ort wo man einen ehemaligen Gefangenen von Askaban, einen Todesser, einen Zentauren und ein Einhorn am wenigsten vermutet."
Das ferne London glitzerte in der Dunkelheit.


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