Geheimnisse

 

 

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Kapitel 49: Stadt


Der Ungläubige täuscht sich über das jenseitige, der Gläubige über das diesseitige Leben.

Rivarol



Die Nacht kam und ging. Sirius schlief unter den sanften Händen des Zentauren endlich ruhiger und somit über 12 Stunden tief und fest. Als sich der Hund streckte und den Morgentau aus dem Fell schüttelte sah er mit überraschten fahlen Augen die Morgensonne an. Ehe es sich Firenze versah stand wieder der Magier vor ihm.
"Morgen", stammelte der Animagus und wies auf die Sonne. "Es ist Morgen!"
"Sie haben lange geschlafen", bestätigte der Zentaur und streckte sich nun selbst.
"Aber... Aber warum haben Sie mich nicht geweckt?" Black sah Firenze vorwurfsvoll an.
Dieser gähnte nur herzhaft und schüttelte sich ausgiebig.
Hecktisch sammelte Sirius alle seine Sachen zusammen; bevor er sich der Stadt zuwandte, sah er die zwei magischen Wesen an.
"Wir kommen mit, keine Sorge", sagte Firenze ruhig und zupfte dem Einhorn ein Blatt aus der Mähne.
"Das geht nicht!" protestierte Sirius. "Man wird Sie sehen! Wir werden Ärger bekommen."
Die Muggel würden schreiend vor ihnen davon laufen, oder sie verehren wie Götter, je nachdem wie sie magischen Wesen gegenüber eingestellt waren. Es würde jedoch eine Panik ausbrechen und man würde auf sie aufmerksam werden. Vor Blacks innerem Auge spielten sie dramatische Szenen ab. Doch seine Seele war zwiegespalten, ein Teil von ihm wollte nicht allein reisen, der andere geriet bei dem Gedanken, mit einem Zentauren und einem Einhorn mitten durch eine Stadt zu laufen, beinahe in Panik.
Firenze lächelte ihm aufmunternd zu und Sirius seufzte.

***



Es war Morgen in der Muggelstadt und die Muggel strömten aus Bussen und Eisenbahnen zu ihren Arbeitsstellen. Muggelkinder gingen lachend oder auch fluchend in die Schulen, Hausaufgaben wurden noch schnell ausgetauscht oder über bestimmte Stunden gefachsimpelt. Das Getümmel war am dichtesten bei Schulen, Kaufhäusern und großen Bürogebäuden. Doch es gab auch andere Szenen: genervte Eltern, die ihre Kleinkinder in die Horte oder Kindergärten zerrten. Es gab hier viel Geheul und Geschrei. Sirius beobachtete kopfschüttelnd wie eine sehr elegant gekleidete Frau ihr gerade drei Jahre altes Kind mit viel Überredungskunst in einen Kindergarten zerrte. Noch während er dies beobachtete kam ihm ein Geschäftsmann entgegen, dieser rümpfte bei seinem Aussehen leicht die Nase und ging schnell weiter. Verblüfft sah Black an sich herunter, okay er sah nicht gerade aus wie der Vertreter einer Bank, eher wie ein Landstreicher. Der alte Mantel war schlammverdreckt von der Höhlenerforschung, wie auch seine Hosen und Schuhe, sein Haar lag wirr und verfilzt um seinen Kopf. Er sah schlichtweg furchtbar aus. Als er abwartend an einer roten Fußgängerampel stand, klopfte er sich etwas Staub aus der Kleidung. Neben ihm wartete eine Frau mit Kinderwagen auf das Signal, das Kind darin war sehr klein, gerade alt genug um in einem Kinderwagen sitzen zu können, und sah fasziniert in die unergründlichen Augen des Einhorns. Zu verblüfft um etwas zu sagen sah er wie das Kleinkind verzückt eine Hand ausstreckte um nach den Horn zu greifen. Es lachte über das ganze Gesicht und als das Einhorn im freundschaftlich ins Gesicht schnob, klatschte und gluckste es vor Vergnügen. Die Ampel sprang auf grün und das Kind winkte dem magischen Wesen zum Abschied. Sirius wurde von mehreren Passanten angerempelt als er der Frau mit den Kinderwagen hinterher sah. Firenze trat neben ihn und Black bemerkte wie sich um den Zentauren und das Einhorn eine Art von Menschenblase bildete.
"Wie kommt es, dass Kinder euch sehen können und die Erwachsenen nicht?" fragte er und trat auf die Straße, die Ampel war immer noch auf grün.
"Nun Mr. Black, Kinder sind noch zu unbedarft. Man macht ihrem Geist noch wenig Vorschriften, sie glauben an das was sie sehen. Im Gegensatz zu den Erwachsenen...", Firenze zeigte auf das Einhorn, das gekonnt einer Gruppe von Managern auswich, "... was es nicht geben KANN wird auch nicht gesehen, es ist zu unwahrscheinlich. Man hat ihren Geist zu oft gestutzt, ihnen den Glauben an das Unmögliche genommen. Im Alter..."
Black sah wie eine alte Dame im Rollstuhl dem Zentauren zunickte.
"...kommt der Glaube wieder. Dann jedoch ist es meist zu spät."
"Aber dann sind ja die ganzen Schutzmaßnahmen des Ministeriums unnötig!" sagte Black überrascht.
"Wir haben nie darum gebeten! Viele von uns könnten auch ohne den sogenannten Schutz des Ministeriums leben. Es war eine Erfindung der Magier, nicht eine der unseren", meinte Firenze fest und sah Sirius von der Seite aus an.
Die Erklärung des Zentauren gab Sirius zu denken, so hatte er nie darüber nachgedacht. Doch er ging inmitten des Beweises von Firenze, hunderte von Menschen strömten an ihnen vorbei und keiner störte sich an dem Anblick des Zentauren und des Einhorns. Unbewußt und instinktiv wichen die Muggel den magischen Wesen aus und wenn sie es nicht taten, so wichen die magischen Wesen ihnen aus. Hier und da lachten kleine Kinder bei ihrem Anblick und Sirius glaubte in den verzückten Gesichtern ein Stück Unendlichkeit zu sehen, als ob ein bisschen Magie auf sie abfärbte. Die Kinder strahlten von innen heraus, und nicht wenigen alten Menschen liefen beim Anblick des Einhorns stumm die Tränen über das Gesicht. Sie waren sich bewußt geworden wie viel sie falsch gemacht hatten und dass es noch viel mehr gab als sie sich je geträumt hatten. Black lief inmitten dieser kleinen Wunder und stummen Herzenswünsche und fühlte sich fehl am Platz. Hier gab es Begegnungen zwischen dem Möglichen und Unmöglichen, zwischen Glauben und Hoffen, zwischen Vernunft und Phantasie, und er war zeuge davon. Jetzt fürchtete Black nicht mehr um die magischen Wesen, vielmehr fürchtete er das was sie in den Muggeln auslösten.

***



Peter Moray was völlig außer Atem, man ließ ihm keine Ruhe, den restlichen gestrigen Tag, die Nacht und heute früh war er pausenlos im Einsatz gewesen. Es herrschte Hektik, wie sie nur während dem ersten Sturz des Dunklen Lords geherrscht hatte, mit einem Unterschied: Diesmal war der Sturz endgültig und die Konsequenzen waren für einige katastrophal gewesen. Im Ministerium und unter der magischen Gemeinschaft rollten Köpfe. Der Chef der Personalabteilung mußte seinen Hut nehmen und wurde gleich für zwei Jahre nach Askaban gebracht, weil er ehemalige Todesser eingestellt hatte. Angesehene Familien wurden enteignet oder zu Verhören ins Ministerium gebracht. Bei einigen stellte sich schnell heraus wer für Voldemort gearbeitet hatte und wer nicht. Doch Moray war skeptisch, was hatte damals Malfoy gesagt? Nicht alle Todesser tragen das Dunkle Mal?! Er traute niemanden mehr, frühere Verbündete sah er mit Misstrauen an. Während er in einer Verschnaufpause mit einer Tasse Tee an seinem Schreibtisch saß, wanderten seine Gedanken ab. Er hatte ein Problem und dazu ein sehr überflüssiges sogar! Snape war ihm so gut wie zu nichts mehr nutze. All die Arbeit, all die Geduld, die er in die Befragung gesteckt hatte, waren umsonst gewesen. Wie er von einigen Kollegen wußte, traute man den Erzählungen des jungen Potters nicht. In denen hieß es Irrwitzigerweise, der Todesser Snape hätte den Jungen gerettet! Und überhaupt war der Junge immer etwas seltsam gewesen, warum ihm Glauben schenken?
Natürlich, er hatte den Dunklen Lord endgültig besiegt, ein Umstand, der immer noch geheimnisumwittert war, keiner wußte genau wie - aber warum hatte er dann Snape zur Flucht gebraucht? So setzte man Severus Snape vorsichtshalber auf die Liste von gesuchten Todessern.
All dies wurde überschattet vom Tode Albus Dumbledores, damals als Voldemort das erste Mal verschwunden war, hatte man irgendwie immer Rückhalt in dem Direktor von Hogwarts gehabt. Der alte Mann war in diesen hektischen Zeiten immer im Ministerium gewesen und seine Anwesenheit war für alle, außer für Moray, beruhigend gewesen. Diese Ruhe fehlte vielen schmerzlich, und hier und da stahl sich ein Auror für eins-zwei Stunden vom Dienst fort, um dem ehemaligen Direktor von Hogwarts die letzte Ehre zu erweisen. Moray blieb im Ministerium, ihm war der alte Mann egal.
Er stockte in seinen Gedankengängen, aber vielleicht war er Snape nicht egal? Wenn auch nur ein Bruchteil von dem stimmte was man in den letzten Stunden erzählte, könnte Albus Dumbledore ein Druckmittel werden. Ein sarkastisches Lächeln stahl sich über die Lippen des Auroren, so war ihm der alte Mann selbst noch im Tod eine Hilfe. Seine Freunde bekamen gleich einen Dämpfer, man hatte in einem alten Anwesen in Schottland eine Gruppe von Toten gefunden. Auroren wurden ausgesandt um den Umstand zu ermitteln, wie diese Menschen gestorben waren. Ob es Muggel oder Magier waren, kam nicht heraus. Mürrisch stand Moray auf und warf sich seinen Mantel um. Die Teetasse stand verlassen auf dem Schreibtisch und kleine Kondenswölkchen stiegen von der heißen Flüssigkeit auf.

***



Sirius verließ die Muggelstadt in Richtung London, auch hier war seine Suche erfolglos geblieben. Eher war er beinahe ein zweites Mal in die Hände von Auroren geraten, als diese ein altes Anwesen in einem Park durchsuchten. Seine Sinne, die immer noch geschärft waren von der langen Flucht, hatten sie frühzeitig gewarnt. Auf leisen Sohlen und auf vielen Umwegen hatten sie die Stadt verlassen. Muggel mochten das Einhorn und den Zentauren nicht sehen, aber Zauberer und Hexen.
Als sie die Stadt hinter sich ließen, meinte Firenze aufmunternd: "Nun ja wenn Snape da gewesen wäre, hätten sie ihn gefunden oder? Wie bei den anderen Anwesen.... unsere Liste schrumpft!"
Black nickte bei den Worten nur und sah auf der Liste nach was es in und um London für Verstecke gab. Es waren fast nur noch diese übrig, nach dem Wegfall der Todesserhochburgen. Wenn es doch kein so weiter Weg wäre! Sie bräuchten mindesten vier Tage nach London! Wenn nicht mehr! Wütend zerknüllte er das Pergament von Hagrid und er zischte: "Verdammt, Verdammt! Wenn wir so weiter machen. Wird es zu spät sein."
Voldemort verzieh keine Fehler und seine Bestrafungen für Verrat waren grausam und fast immer tödlich, überlegte Sirius betrübt.
Firenze nickte verständnisvoll. "Dann müssen wir uns ein schnelleres Transportmittel suchen!"
Noch während Black über ein schnelleres Transportmittel nachdachte drängte sich ein zweiter Gedankengang in seine Überlegungen und plötzlich sah Sirius auf, war er so blind gewesen? Voldemort verzeiht keine Fehler, seine Augen wurden glasig, was hatte Moody damals in der Nacht gesagt als die Sache mit den Longbottoms war? Nicht nur Todesser folterten und töteten. Made Eye hatte ihm einen Hinweis gegeben! Mit schreckensweiten Augen drehte sich Sirius langsam zu Firenze um. Der Zentaur sah in seltsam an. Schlagartig war die Liste von Hagrid bedeutungslos geworden. All die Mühen des Halbriesen waren auf eine grausame Art und Weise eine massive Fehlinformation geworden.
"Firenze, ich glaube ich weiß wo wir in London suchen müssen. Dass ich es nicht früher gesehen habe!" flüsterte der Zauberer.
"Und wo?" hakte der Zentaur sachte nach.
"Wir suchen die Wohnungen der Auroren ab", antwortete Black und wurde ganz hektisch.
"Auroren? Warum Auroren? Und warum London? Gibt es hier keine Auroren?" Firenze trippelte auf der Stelle und sah sich um.
"Weil Voldemort krank war. Bitte sieh dir an was er mit Snape gemacht hat. Was ist wenn er sein perfides Spiel weitergetrieben hat und ihn keinem seiner Todesser überlassen hat, sondern einem Auroren?! Und die meisten, die ich kenne, die dafür in Frage kommen, wohnen in London. In Askaban hört man eine Menge", sagte Sirius mit harter und gleichzeitig so verzweifelter Stimme.
Es hatte einige kranke Wärter und Auroren in Askaban gegeben. Er hatte auch einige davon in Hogwarts kennen gelernt. In seinem Geist ging er die ihm bekanten Namen und Orte ab.
Firenze erstarrte. "Die Gruppe rund um Moray!"
"Richtig, die Gruppe um Moray zum Beispiel", bestätigte Black, "und die wohnen fast alle in der Nähe von London. Jetzt müssen wir nur noch schnell dahin kommen."
Eine eiserne Stille lag über ihnen. Fieberhaft dachten alle nach, wie am schnellsten nach London kommen.
Firenze durchbrach sie und zeigte hinter Black. "Wie wäre es damit. Die habe ich schon schnell reisen sehen."
Sirius drehte sich um. Ein Güterzug kam bei einem Bahnübergang zum Stehen und bei der Hälfte der Waggons stand die Tür offen, sie waren leer. Sein Blick wanderte weiter, von hinten kam ein weiterer Zug und brachte neue Waggons und lange würde dieser hier nicht mehr stehen bleiben.
"Dann aber schnell", sagte Sirius und rannte los, Firenze und das Einhorn hinter her.
Innerlich betete Black zu seinen Schutzgeistern, dass dieser Zug wirklich nach London fuhr. Ein schneller Blick auf die Tafeln, die außen an den Zügen angebracht waren, zeigten, dieser hier ging wirklich nach London. Sie hatten Glück! Im Gebüsch warteten sie einige Minuten, der Zugschaffner sah mehrmals suchend aus seinem Führerhaus, fast so als erwartete er ungebetene Mitfahrer. In den kurzen Pausen, wo er von einer Seite des Zuges auf die andere blickte, kletterte Black geschwind in einen offenen Waggon. Das Einhorn holte kurz Schwung und kam krachend und klappernd im Güterwaggon zum Stehen. In Blacks Ohren war dies viel zu laut. Das gleiche tat Firenze, nur musste dieser sich sehr bücken um sich nicht den Kopf anzuschlagen. Black sah sich schnell um, der Waggon war leer und sauber gefegt worden. Gerade als er Firenze zu seinem fabelhaften Einfall gratulieren wollte hörte er Stimmen.
"Ich dachte ich hätte da was gehört", kam es von draußen.
Schnell zogen sich die Drei in die dunkelste Ecke zurück.
"Der Chef zieht mir das Fell über die Ohren wenn wir wieder Anhalter mitnehmen", grummelte eine zweite Person.
Zwei Bahnwärter streckten den Kopf in den Waggon. Mit wachsamen Augen suchten sie den Waggon ab. Noch mehr Ärger konnten sie sich wirklich nicht leisten. Mit einem Winseln kam ihnen ein großer struppiger Hund entgegen und sah sie mit treuen fahlen Augen an.
"Ach herrje, ein Streuner", lachte einer der Bahnwärter und streichelte über das schwarze Fell.
"Na bei dir geht's ja noch. Fahr ruhig mit", lachte der zweite von ihnen und packte sogar sein Brot aus und brach es entzwei. "Hier, wird eine lange Fahrt nach London."
Mit begeistertem Schwanzwedeln verschlang der Hund das Brot und brachte die Bahnwärter noch mehr zum Lachen als er verspielt vor ihnen auf- und abhüpfte, in der Hoffnung ein weiteres Stück zu ergattern.
"Nee Junge, tut mir leid, der Rest ist für mich", sagte der Bahnwärter und steckte sein restliches Brotstück ein.
Immer noch lachend gingen die beiden weg. Aus dem Schatten schälte sich der Zentaur und das Einhorn. Der Zug setzte sich stockend in Bewegung und wenig später ratterten sie über das Land.
Black stand an der offenen Waggontür, sah kurz raus und drehte sich dann zu seinen Begleitern um.
"Kein Wort. Firenze kein Wort", grummelte er.
Der Zentaur grinste über beide Ohren.

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