Kapitel 13: Panik
Die das Dunkel nicht fühlen, werden sich nie nach dem Lichte umsehen.
Buckle
Ein einsamer Klageschrei zerriss die Stille am Morgen in Hogwarts. Zerfetzte die Ruhe und zufriedene Stimmung, die noch vom Vortag herrschte. Ließ Geister aus den Wänden erscheinen, die sich dann hektisch nach dem Ursprung umsahen. Mrs. Noris, die Katze von Filch, rannte fauchend davon und suchte hinter einer Rüstung Deckung. Sirius stand am Fuß der Treppe, die in seine Räume führte. Er hatte den Schrei auch vernommen und begann sich zu orientieren. Woher war er gekommen? In seiner Eile hatte er sich nur eine Hose und ein Hemd angezogen, seine Haare sahen verwirrt und zottelig aus wie zu seinen besten Askaban-Zeiten. Der Fette Mönch aus Hufflepuff schwebte eiligst an ihm vorbei.
"Halt! STOP!" rief Sirius und rannte dem Geist hinter her. "Wo..."
"Gryffindor!" antwortete der Mönch knapp und verschwand in einer Wand.
Sirius hatte das Gefühl, dass er keine Eingeweide mehr besaß. HARRY! Er rannte los. Auf dem Weg zum Gryffindorturm überrannte er beinahe den kleinen Professor für Zauberkunst, schlug einen Haken um Madame Sinistra, der Lehrerin für Astronomie, und stieß um ein Haar mit Dumbledore zusammen. Keinen der Lehrer beachtete er, all seine Gedanken war auf sein Patenkind gerichtet. Schlitternd kam er vor dem Gemälde der Fetten Dame zum Stehen, diese duckte sich schon als sie Sirius erkannte.
"MACH AUF!" brüllte er das Gemälde an. "Du weißt wozu ich fähig bin!"
Mit einem ängstlichen Quieken ließ sie in ein.
Schlagartig sah sich Sirius einem völlig überfüllten Gemeinschaftsraum gegenüber. Schüler, noch in Schlafanzügen oder in dicke Morgenmäntel gehüllt, standen umher. Normalerweise wären die Erstklässler sofort in Deckung gegangen wenn sie Sirius Black gesehen hätten, nicht so jetzt. Alle hatten sich in einem dichten Pulk um etwas oder jemanden in der Mitte des Raumes gescharrt.
Sirius knurrte und schob sich an den Schülern vorbei. Einige starrten ihn entgeistert an, wieder andere schienen so von dem eben Geschehenen eingenommen, dass sie sich ohne Widerspruch auf die Seite schieben ließen. Es herrschte gespenstige Stille im Gemeinschaftsraum. Sirius glaube jeder müsse sein Herz schlagen hören, so laut schlug es in seiner Brust. Endlich war er nur noch einen Meter vom Zentrum der Aufmerksamkeit entfernt. Er erkannte einen schwarzen Haarschopf! Sirius wurde es eiskalt.
'Bitte nicht Harry!', betete er innerlich. 'Bitte laß nichts mit Harry geschehen sein! Bitte! Bitte!'
Endlich schob er den kleinen Collin auf die Seite und sah auf den Boden. Harry saß auf dem Boden und hatte freundschaftlich seinen Arm um jemandes Schulter gelegt.
"Harry!" krächzte Sirius, es klang unnatürlich laut im Raum.
Harry sah auf, die Augen glasig, fast so als schien er gleich zu weinen. Hermine saß neben Harry und hielt die Hände des Schülers am Boden. Ron stand zitternd hinter ihnen und versuchte halbherzig einige Schüler davon abzuhalten näher zu kommen.
"Was?" fragte Sirius, wenigstens schien es Harry halbwegs gut zu gehen. Besser als diesem ihm noch unbekannten Schüler, der zusammengekauert auf dem Boden lag.
Wortlos reichte Harry Sirius ein Stück Pergament. Während er zu lesen begann, schob er einige widerspenstige Strähnen aus dem Gesicht.
An Neville Longbottom
Sohn von Mr. und Mrs. Longbottom, wohnhaft bei Mrs. Longbottom Sen.
Ich habe die traurige Nachricht, dass die oben aufgezählten Personen, (Mr. und Mrs Longbottom und Mrs Longbottom Sen.) gestern Abend eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Es gab einen Todesserüberfall auf das Krankenhaus und auf das Haus Ihrer Großmutter.
Ich bedauere zutiefst, Ihnen dies mitzuteilen und möchte Ihnen auch auf diesem Wege meine Anteilnahme aussprechen.
Mr. Winegood
Meisterheiler im St. Mungos Krankenhaus
Sirius spürte wie ihn jemand am Arm zupfte. Harry reichte ihm einen weiteren Fetzen Pergament.
Ein alter Fehler wurde korrigiert.
Lord Voldemort
Die Schrift war nicht schwarz, wie die des Heilers, sondern blutrot. Sirius wollte fluchen und seinem Ärger freien Lauf lassen. Doch das Zittern von Neville Longbottom hielt ihn zurück.
"Neville...", versuchte Harry seinen Freund zu trösten, doch die Stimme seines Patenkindes klang irgendwie gar nicht so stark, sondern dünn und hilflos.
'Der Junge muss hier raus! Er muss zu Pomfrey!', dachte Sirius und bückte sich zu Neville.
"Komm Junge", versuchte er Neville zu erreichen. "Wir gehen zu Poppy."
Doch Neville rührte sich nicht, schien erstarrt zu sein. Mit einem Seufzer ging Sirius Black neben Neville Longbottom in die Knie und hob ihn sachte an. Eine Bewegung, wie eine Welle, ging durch die geschockten Schüler, diese machten den Weg frei. Sirius sah sich plötzlich Professor McGonagall gegenüber.
"Ich bringe ihn zu Poppy", erklärte Sirius ihr.
Harry an seiner Seite übergab ihr die Pergamentrolle. Sie warf einen Blick darauf und dann nickte sie stumm. Sirius schob sich an ihr vorbei und verließ den Gryffindorturm. Nur am Rande bemerkte er Harry, Ron, Hermine und Dumbledore, der vor dem Portraitloch gewartet hatte. Er nickte ihm zu und zusammen machten sie sich auf den Weg zum Krankenflügel. Sicher und stark hielt Sirius Black Neville Longbottom in den Armen. Trug in durch das Schloß, an schockierten Lehrern vorbei. Harry öffnete die Tür des Krankenflügels für ihn. Madame Pomfrey sah auf, es schien als ob sie sich in aller schnelle angezogen hätte und sich gerade auf den Weg machen wollte. Es war totenstill als Sirius den Jungen auf einem Bett ablegte. Neville schien sie gar nicht wahrzunehmen, starrte mit offenen Augen ins Leere. Pomfrey machte eine unwirsche Handbewegung und jagte sie alle aus dem Flügel.
"Seine Eltern?" fragte Dumbledore kurz.
Sirius nickte. "Und seine Großmutter."
Dumbledore schickte die drei Freunde resolut zurück in den Turm. Sirius bat er jedoch ihn zu begleiten. Er spürte, dass der ehemalige Gefangene von Askaban verstört und gleichzeitig zornig war. Albus ahnte, dass Sirius sich fragte warum Snape nicht Alarm geschlagen hatte. Eine Tatsache, die selbst Albus beunruhigte. Warum hatte Snape ihm keine Warnung geschickt? Leise flüsterte er dem Wasserspeier das Passwort zu und gemeinsam erklommen sie die Stufen zu seinem Büro. In den gemütlichen Räumen des Direktors angekommen setzte sich dieser an seinen Schreibtisch und bevor er den Mund öffnen konnte, flog bereits die erste Eule herein und ließ einen Brief vor Dumbledore fallen. Ein kurzer Blick genügte, es war eine Nachricht aus dem Krankenhaus. Sirius scharrte nervös mit den Fuß auf dem Boden. Immer noch spiegelten sich die widersprüchlichsten Gefühle auf seinem Gesicht wieder.
"Ich sehe, dass Sie eine Frage haben", sagte Dumbledore milde.
Sirius Black sah den Direktor verblüfft an. "Soeben wurden die Eltern und die Großmutter eines Schülers ermordet und Sie fragen mich welche Frage ich Ihnen stellen möchte?"
Dumbledore lächelte traurig. "Ich kann weder die Eltern noch die Großmutter von Neville Longbottom lebendig machen. Solche Zauber beherrsche ich nicht. Aber ich habe schon am Bild der Fetten Dame gespürt, dass Sie etwas beschäftigt. Was ist es?"
Sirius schnaubte abfällig und sah weg.
"Ah, lassen Sie mich raten. Sie fragen sich, 'Wo war Snape? Warum hat er uns nicht gewarnt?' Habe ich recht?"
Sirius Black zuckte zusammen, Albus hatte ins Schwarze getroffen.
"JA!" sagte Sirius laut. "WO war Ihr Spion? WO waren seine ach so wichtigen Informationen? WO war dieser Slytherinbastard! WO?"
Dumbledore nickte verständnisvoll. "Eine Frage, die ich mir auch stelle, wo war Sn...."
Die Tür sprang auf und ein Auror von Ministerium betrat den Raum. Man erkannte ihn an dem aufgenähten Aurorensymbol auf der Jacke. Ein Zauberstab, der Funken sprühte und drei Kettenringe darunter. Sirius wich instinktiv aus, zu tief saß bei ihm die Angst vor Auroren. Der Auror, ein Zaubererpolizist, griff automatisch nach seinem Zauberstab, zu tief saß bei ihm noch die Order, Sirius Black zu fassen.
Dumbledore versuchte die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Ja Mr..?"
"Mr. Moray. Ich bin Auror im Ministerium und muss Sie bitten mir zuerst einige Fragen zu beantworten und mich dann zu Neville Longbottom zu führen."
"Was wollen Sie von Neville Longbottom?" fragte Dumbledore ruhig.
"Zu Identifizierung seiner Eltern und Großmutter und zur Befragung", sagte Mr. Moray ruhig und kalt.
"DAS können sie nicht tun!" brauste Sirius auf.
Moray sah Sirius abschätzend und herablassend an. 'Natürlich', dachte sich Dumbledore, 'er sieht aus als ob er soeben ein zweites Mal aus Askaban ausgebrochen wäre. Die Haare unordentlich und wild, die Kleidung etwas schäbig und nur in aller Eile übergestreift.'
"Ich glaube kaum, dass Sie das nötige Wissen für eine solche Entscheidung haben Mr. Black", sagte der Auror und musterte Black.
"Mr. Black vielleicht nicht. Aber ich! ICH bin hier der Direktor und ICH sage, dass Mr. Neville Longbottom im Moment nicht in der Lage ist Ihnen Fragen zu beantworten, geschweige denn seine toten Eltern oder Großmutter zu sehen!" Dumbledore klang ruhig aber die Kraft und Stärke, die in seiner Stimme mitschwangen, spürte jeder im Raum.
"Aber jemand muss es tun, so verlangt es bei einem Mordfall das Gesetz!" beharrte Moray.
"Ich kannte die Personen und werde sie für Sie identifizieren." Neville war nicht der Einzige, der seine Eltern besuchte, auch Dumbledore sah immer nach den Longbottoms wenn er im Krankenhaus war.
Bevor Moray Luft geholt hatte für eine weitere Auseinandersetzung, kam ihm Albus zuvor. "Aber zuerst erzählen Sie genau was passiert ist."
Moray verzog das Gesicht begann aber zu erzählen. "Es geschah heute in den frühen Morgenstunden. Die Besucher wurden noch nicht eingelassen, da hat sich eine Gruppe Todesser mit Hilfe von Portschlüsseln Zugang in die geschlossene Abteilung verschafft. Sie wissen, dass diese Abteilung mit einem Apparierschutz versehen ist. So weit wir es in der kurzen Zeit zurück verfolgen konnten, spaltete sich die Gruppe in zwei auf. Eine davon tötete, nein, vergiftete Mr. und Mrs. Longbottom. Zur gleichen Zeit brachen zwei von diesem Abschaum in die Wohnung der alten Mrs. Longbottom ein und töteten sie."
"Sie sprachen von zwei Gruppen im Krankenhaus?" Dumbledore versuchte ruhig zu klingen.
"Ja, die zweite Gruppe wurde nahe der Kinderstation gestellt. Es waren drei Todesser, zwei haben wir erwischt. Einer entkam. Natürlich liefen bei uns sämtliche Alarmanlagen an, als die Todesser in St. Mungos einbrachen." Der Auror klang nun sehr mit sich zufrieden.
"Natürlich", flüsterte Albus, etwas lauter: "Was geschah mit den zwei Gefangenen?"
"Sie beschlossen lieber zu sterben als dem Ministerium ausgeliefert zu sein", sagte der Auror knapp.
Black sah überrascht aus und Albus wußte warum. Das erste was die Auroren taten wenn sie jemanden gefangen nahmen, war sicher zu stellen, dass dieser nicht selbst Hand an sich legte.
"Die anderen entkamen." Jetzt klang Moray gar nicht mehr zufrieden, eher zerknirscht.
"Nun gut, ich werde Ihnen folgen, unterwegs können Sie mir Ihre Fragen stellen." Albus stand auf und griff nach seinem purpurroten Reiseumhang. Er wollte nicht gehen, er wollte sich lieber auf die Suche nach Snape machen. Der Überfall war nicht ganz geglückt und Voldemort war darüber bestimmt nicht sehr glücklich. Doch wenn er es jetzt zuließ, dass man Neville seine toten Eltern und Großmutter zeigte, würde das den Jungen endgültig in den Wahnsinn treiben. Schon auf dem Krankenflügel hatte er diesen schmalen Grad gespürt, auf dem Neville nun wanderte. Fragend warf er Sirius Black einen Blick zu, doch dieser sah weg. Schien sich plötzlich sehr für ein Teleskop auf dem Tisch zu interessieren. Die einzige Person, die er ohne groß Aufsehen zu erregen losschicken konnte, interessierte sich plötzlich für ein Teleskop! Albus schnaubte zornig und ging, ohne Sirius Black weiter zu beachten, aus seinen Räumen. Warum verstand er nicht, dass es hier um mehr ging als um alte Feindschaft!?
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