Geheimnisse

 

 

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Kapitel 12: Verpflichtungen



Es gehört Verständnis und Geduld dazu, um zu erkennen, dass es viele Dinge gibt, die dem Verstand unerschlossen bleiben.

Mark W. Bonner


Halloween war für Sirius Black ein recht trauriger Tag. Es war der Tag an dem sein bester Freund und dessen Frau gestorben war. Harry zu liebe ließ er sich diese immer noch nagende Trauer nicht anmerken. Für das Fest waren er und seine Freunde in Blacks Räume gekommen. Dieser hatte vorher die Rollen von Hagrid gut verborgen. Auch wenn er nicht mehr darin las, so musste sie kein anderer finden. Dobby hatte sogar einen ausgeschnitzten Kürbis aufgetrieben, der in der Mitte des Raumes schwebte. Sie lachten und redeten den ganzen Abend. Die Teller und Platten auf den Tisch leerten sich langsam. Ron Weasley saß zurück gelehnt und mit zufriedenem Gesicht am Tisch. Hermine Granger nippte an ihrem Kelch mit Kürbissaft und Harry hing seinem Paten an den Lippen, als dieser von einem besonders gewagten Quidditchspiel seines besten Freundes James Potter erzählte.
"Und weißt du wie er den Schnatz gefangen hat?" fragte Sirius wichtigtuerisch Harry.
Harry Potter schüttelte den Kopf. "Wie?"
"Er flog eine Rolle hängte den gegnerischen Sucher ab und kurz bevor er abspringen mußte und in den Tribünen landete, griff er nach dem Schnatz." Sirius lachte. "Ok, seinen Besen fand man irgendwo zwischen der vierten und fünften Reihe und dein Vater war direkt vor Dumbledores Füße gelandet. Das Gesicht!! Oh Mann, selten habe ich Dumbledore so gesehen! Er war sich nicht sicher ob er schimpfen oder lachen sollte."
Alle am Tisch lachten mit. Kurz bekam Sirius Black ein schlechtes Gewissen, tat es Harry weh wenn er so von seinem Vater sprach? Er sah in das Gesicht seines Patenkindes, doch nein. Keine Trauer, eher Freude und Spaß. Zufrieden nickte er.
"Wer will noch etwas gekühlten Saft?" fragte Sirius und stand auf.
Sie hatten einen Krug voll draußen auf die Fensterbank gestellt um den Saft kühl zu halten.
"Ich hätte noch gern etwas!" meldete sich Ron sofort.
"RON!" erboste sich Hermine. "Du bist doch schon fast überfressen!"
"Ach Hermine für ein Glas Saft langt es allemal!" konterte Ron.
"Ich hol den Krug." Sirius stand auf und ging zum Fenster.
Vorsichtig öffnete Black das Fenster und angelte nach dem Krug. Ein Schatten, der über den Rasen huschte, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sirius stockte mit den Krug in der Hand. Konnte Voldemort seine Häscher nicht einmal bei einem solchen Festtag in Ruhe lassen? Aber das ging ihn nichts mehr an, Mit seinem Seufzer schloß er wieder das Fenster. DAS war nicht mehr sein Problem! Mit einem etwas aufgesetzten Lächeln wandte er sich wieder seiner Gesellschaft zu.

Severus Snape hatte Glück gehabt. Er war gerade auf den Weg in seine Räume gewesen als das Dunkle Mal auf seinem Arm anfing zu brennen. So schnell es ging hatte er seine Todesserkluft gegriffen und war in den dunklen Wald geschlichen. Natürlich war der Ruf heute gekommen, zwei Tage! Zwei Tage in denen niemandem auffallen würde, dass er fehlte. Zwei Tage volle Konzentration und Ergebenheit Voldemort gegenüber. Die niedrig hängenden Äste umfingen seine Beine, als ob sie ihn aufhalten wollten. Doch da gab es nichts aufzuhalten. Er hatte den Ruf vernommen und dem Ruf mußte man Folge leisten. Ein Verspäten oder gar Fehlen würde äußerst unangenehme Folgen mit sich ziehen und Severus war sich sicher, DANN würde er nicht mehr nach den freien Tagen unterrichten. Schlitternd kam er in der Senke zum Stehen und sah sich ein letztes Mal im Wald um. Sammelte seine Gedanken, sammelte seine Energien, hielt sich seinen Zielort vor dem geistigen Auge fest. Kurz schweifte sein Blick auf das Wurzelwerk des umgestürzten Baumes. Er vermißte Hagrid.

***



Es wurde fast früher Morgen als Harry und seine Freunde Sirius endlich verließen. Sie wünschten ihm eine gute Nacht oder von dem Rest was noch übrig blieb. Sirius lachte und winkte ihnen nach. Die Fette Dame, das Gemälde welches den Eingang zum Gryffindor-Turm bewachte, würde ihnen schon die Leviten lesen. Er lauschte dem leiser werdenden Fußgetrappel. Es war ein guter Abend gewesen! Selten hatte er so viel gelacht, erzählt und gleichzeitig so viel über Harry und seine Freunde erfahren. Immerhin, zwölf Jahre war Sirius Black einer der gefürchtetsten Gefangenen in Askaban, dem Zauberergefängnis gewesen! Zwölf verschwendete Jahre, in denen er nur an die Wand gestarrt hatte. Zwölf Jahre, in denen er nie daran gezweifelt hatte unschuldig zu sein. Zwölf Jahre, in denen er um seinen Freund und dessen Frau getrauert hatte. Er hatte viel versäumtes aufzuholen. Sehr viel! Sein Blick streifte kurz das Versteck, in dem die Pergamentrollen von Hagrid lagerten. Aber das bestimmt nicht mehr!

***



Diesmal war es das Haus eines Todessers, kein Friedhof oder eine abgelegene Lichtung. Voldemort saß auf einem hohen ebenholzschwarzen Stuhl, sein neues grausames Gesicht erleuchtet von Kerzenschein, und die kalten roten Augen schweiften ruhig durch die Reihen SEINER Getreuen. Snape stand ruhig aber mit leicht gesenktem Kopf im Halbkreis der Todesser, die dem Ruf ihres Herrn und Meisters gefolgt waren. Sie waren fast wieder auf die alte Anzahl angewachsen, trotz der vielen Gräueltaten von Voldemort zog es immer wieder Zauberer von nah und fern in dessen Bann.
Dann, wie auf ein stummes Zeichen hin, warfen sich alle in den Staub vor dem Schwarzmagier, bezeugten ihre Ergebenheit, ihre Loyalität. Snape tat es ihnen allen gleich, ohne dabei zu denken. Man erwartete es von ihm, es war ein Teil von ihm. Voldemort ließ es geschehen ohne ein Zeichen von Genugtuung oder Freude. Er war Herr über ihr Leben und Schicksal. Wenn erBbefehle gab, so wurden sie ohne sie zu hinterfragen ausgeführt. Ohne Zweifel.
Leise und zischelnd begann Voldemort zu sprechen, seine frühere kalte Stimme hatte er durch seine Wiederauferstehung nicht zurück erhalten.
"Meine Getreuen! Es ist ein bedeutendes Jahr! Ein großes Jahr! Wir haben bereits wieder Furcht und Schrecken in die Zauberergemeinschaft der Muggelfreunde gesät. Wir haben gemordet!"
Einige Todesser wagten ein Nicken.
"Wir haben gefoltert!" Bei diesen Worten sah Voldemort eine Frau an.
"Wir haben entführt! Und Menschen verschwinden lassen! Mit mehr Furcht denn je spricht man meinen Namen aus! Oder vermeidet ihn auszusprechen." Das Wesen blähte die flachen Nüstern." Meine Macht ist gewachsen! Doch ich will mehr!"
Stille, sie alle wußten er sprach von Harry Potter, seinem Todfeind! Die einzige Person, die es gewagt hatte mehreren Angriffen von Lord Voldemort zu wiederstehen! Snape hörte zu, war ganz und gar der demütige Todesser. Der Dunkle Lord schien ihn zu beobachten. Oder bildete er sich das nur ein? Wo war seine alte Stärke geblieben? Wo die Wärme von Hogwarts? Die wenigen glücklichen Erinnerungen, von denen er früher bei solchen Treffen hatte zehren können? Bei den meisten spielte Hagrid eine Rolle. Aber der Wildhüter war nicht mehr.
"Nicht jedoch heute! Heute, meine Getreuen, sähen wir wieder Tod und Schrecken! Heute lassen wir die Menschen in Panik aufschreien, wenn sie das Dunkle Mal am Himmel sehen!", und Voldemort lachte schrill.
Kalt! Es war so kalt!

***



Irgendwo in Hogwarts stolperte Harry die letzte Stufe zum Jungenschlafsaal hoch, einen kurzen Moment hatte seine Narbe gebrannt. Doch nur kurz. Verwirrt sah er durch ein nahes Fenster. Es geschah in letzter Zeit zu häufig und es war nur ein kurzes Brennen gewesen. Schulternzuckend wandte er dem Fenster dem Rücken zu. Der Abend war zu gut verlaufen um sich darüber weiter Sorgen zu machen, und außerdem war im kalt und er wollte ins warme Bett.

Sirius lag bereits im Bett. Er konnte schlecht einschlafen, trotz der späten, oder sollte man eher sagen frühen Stunde. Vor seinem Inneren Auge sah er diese dunkle Gestalt über den Rasen huschen, immer und immer wieder. Ein Windstoß schlug ein Fenster auf. Der Herbstwind blies heftig in die Wohnung. Brachte das Feuer zum Flackern. Ließ bereits gefallene Blätter in die Zimmer wehen. Einige verbrannten rasch im Kaminfeuer, oder suchten ihren Weg auf Regale und Stühle. Der Wind fing sich in einem aufgeschlagenen Buch und ließ dessen Seiten flattern, fast so als würde er es in sekundenschnelle lesen. Müde und abgekämpft raffte sich Sirius auf. Seine Füße scharrten leise über den Boden, wirbelten nochmals einige Blätter auf. Das Feuer bewegte sich wild im Kamin. Mit festem Ruck schloss er das Fenster. Das Feuer beruhigte sich wieder, prasselte leise weiter. Nur noch die Blätter erinnerten an das eben Geschehene. Sirius starrte das Versteck für Hagrids Gebrauchsanweisung an. Es war plötzlich so kalt in seinen Räumen. So kalt.


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