Hogwarts glich im Laufe des Vormittages mehr einer Festung als einer Schule. Aus Sorge um mögliche Todesserübergriffe auf Schüler und die Schule während Dumbledores Abwesenheit hatte das Ministerium mehrere Auroren nach Hogwarts geschickt. Sie gingen auf den Zinnen Wache, postierten sich an den Toren oder standen wichtigtuerisch in den Gängen umher. Einige von ihnen trugen kleine silberne Gräte mit sich herum und erklärten interessierten Schülern, dass es Detektoren für unerlaubte Portschlüssel war.
"So bald jemand einen Portschlüssel benutzen will um hier herein zu kommen", der Auror machte eine theatralische Handbewegung, "fängt das Ding hier an wie wild zu pfeifen."
Sirius Black zog es vor in seinem Räumen zu bleiben. Er mochte die Auroren nicht, sie gaben ihm das Gefühl von Hilflosigkeit, und ohne einen Zauberstab war er auch irgendwie ihren Launen ausgeliefert. Anders konnte er sich diesen Flohbefall nicht erklären. Er war an einer Gruppe von Auroren vorbeigegangen und plötzlich, aus dem Nichts, war er voll Flöhe gewesen. Aber dank Madame Pomfreys Spezialshampoo war nach einer Haarwäsche kein Floh mehr in seinen Haaren. Harry besuchte ihn kurz, konnte jedoch nicht lange bleiben. Mürrisch erklärte er seinem Patenonkel: "Die wollen, dass wir alle in öffentlichen Räumen bleiben, wie der Großen Halle, Bibliothek oder dem Gryffindor-Aufenthaltsraum. Nicht einmal raus oder in die Innenhöfe dürfen wir."
Sirius nickte verständnisvoll und rubbelte sich noch seine Haare trocken. "Ich verstehe sie. Es ist nur zu eurer Sicherheit. Grüß Ron und Hermine von mir."
Harry winkte zum Abschied und ließ Sirius allein zurück.
Nachdenklich sah er seinem Patenkind nach. Was hatte Harry sich einfallen lassen um ihn zu besuchen?
'Er ähnelt James mehr als er denk', dachte Sirius mit einem Lächeln.
Zur Mittagszeit brachte Dobby der Hauself ihm ein überraschend dürftiges Mittagessen.
"Die Auroren bewachen alles, Sir. Dobby entschuldigt sich für dieses karge Essen." Der Hauself wirkte sehr unglücklich und sah betreten zu Boden.
Sirius sah auf den Tisch und verzog angewidert das Gesicht. Eine dünne Gemüsesuppe, etwas trockenes Brot und ein alter Apfel stand da neben einem Glas Wasser.
"Askabankost", fluchte er leise.
"Es tut Dobby so leid. Sir. Wirklich!" Dobby schien kurz davor im Boden versinken zu wollen.
"Nicht deine Schuld Dobby. Nimm das Tablett und bring es zurück in die Küche. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich ohne Mittagessen auskomme." Sirius gab dem Hauselfen das Tablett und schob ihn aus seinen Räumen.
Diese verfluchten Auroren spielten ihr grausames Spiel mit ihm. Als er die Tür öffnete um Dobby nachzusehen, sah er einen Auroren am Fuße der Treppe stehen. Der Mann lächelte zu ihm hoch und winkte mit dem Zauberstab. Sirius schleuderte die Tür zurück ins Schloß. Wenn Dumbledore dageblieben wäre, dann würden die Auroren sich hier nicht so aufführen. Sein Blick blieb am Bogen haften, wenigstens konnte er sich im Notfall verteidigen.
Der Tag schlich dahin. Dem spöttischen Mittagessen folgte um die Abendzeit ein weiterer Witz der Auroren, sie schicken den in Tränen aufgelösten Dobby mit trockenem Brot zu Sirius. Dieser hatte alle Hände voll damit zu tun den Hauselfen zu beruhigen und ihm zu erklären, dass es ja nicht seine Schuld war.
Er solle mit den Brot zum See gehen und die Krake damit füttern. Nein, es mache ihm überhaupt nichts aus einen Tag nichts zu essen. In Askaban habe er auch nicht immer regelmäßig Essen bekommen. Und böse sei er dem Hauselfen erst recht nicht. Er befolge ja nur Anordnungen. Ja, und er dürfe sich später bei Dumbledore über die Auroren beschweren. Mit vielen weiteren Beteuerungen und mit der Bitte, Harry seine besten Grüße zu übermitteln, brachte er den Hauselfen zur Tür.
"Und ja Dobby...", Sirius stockte. Als er die Tür geöffnet hatte, sah er sich einer kleineren Gestalt im Reiseumhang gegenüber.
Dobby verbeugte sich nur und verschwand so schnell wie er konnte.
Nicht noch ein Auror, dachte Sirius genervt.
"Habt ihr nicht schon genug Spaß gehabt?" fragte er sein Gegenüber leicht gereizt.
"Spaß?" Alastor Moody schob die Kapuze in den Nacken. "Was für Spaß?"
"Mad Eye!" Sirius seufzte erleichtert. "Kommen Sie herein."
Mad Eye, wie Alastor Moody, der alte Auror auch genannt wurde, betrat das Zimmer von Sirius.
"Ich war gerade bei Dumbledore, ich soll Ihnen ausrichten, dass er möglicherweise erst in ein paar Tagen kommen kann. Er organisiert die Beerdigung für Nevilles Eltern und Großmutter. Gleichzeitig kümmert er sich um den Nachlass. Der arme Junge." Moody hinkte ins Zimmer und wärmte sich am offenen Kamin.
"Wie geht es Neville?" fragte Sirius und schloß die Tür hinter Moody.
"Nicht gut, steht immer noch unter Schock. Aber Madame Pomfrey kümmert sich um ihn." Moody sah Sirius durchdringend an, sowohl mit seinem echten als auch mit seinem strahlblauen magischem Auge. "Von was für einem Spaß haben Sie vorhin geredet?"
Sirius winkte ab. "Ach einige der Auroren meinen mich an meine Askabanzeit erinnern zu müssen und andere Späßchen mit mir zu treiben."
"Hm, ja, ich kenne ihren Leiter, einen gewissen Peter Moray. Er war früher Vorgesetzter von Mr. Longbottom, bis Nevilles Vater in meine Abteilung kam. Longbottom war ein guter Kerl, hatte das Herz am rechten Fleck. Wäre er länger in Peters Abteilung gewesen... nun ja, Sie haben seine Aurorengruppe kennen gelernt." Moody wirkte plötzlich sehr abwesend, schien Sirius gar nicht mehr wahrzunehmen.
"Wie kam Longbottom in Ihre Abteilung?" fragte Sirius um Moody wieder ins Hier und Jetzt zurück zu holen.
Moody lächelte traurig. Sirius schloß kurz die Augen, wie oft hatte er dieses traurige Lächeln in letzter Zeit sehen müssen.
"Wie gesagt Longbottom war gerade ein frischgebackener Auror, hatte eine junge wunderschöne Frau und war voller Elan für seinen Job. Doch geriet er in die Schußlinie von Voldemort. Warum genau ist mir nicht bekannt. Ich kann nur spekulieren, dass es um Informationen ging. Ein Überfall war geplant, doch wir wurden gewarnt."
"Dumbledore!" riet Sirius und setzte sich auf einen Sessel.
Moody nahm auch Platz und nickte ernst. "Ja richtig, Dumbledore. Ich war gerade anderweitig unterwegs und so bekam Peter den Auftrag. Ich kam kurz nach dem vereitelten Überfall hinzu... kurz danach."
Moody driftete wieder ab, schien alles vor Augen zu haben. "Es sah aus wie auf einem Muggel-Schlachtfeld. Tote Anhänger Voldemorts lagen auf dem Boden, einige konnten noch fliehen, ließen aber ihre Gefallenen oder Verwundeten zum Sterben zurück."
Plötzlich sah Alastor Sirius Black an. "Einer der Todesser ist vor meinen Augen gestorben. Peter Moray hatte keinen Heiler kommen lassen und als ich endlich einen angefordert hatte kam heraus, dass der Apparierschutz zu lange anhalten würde um Hilfe kommen zu lassen, und nicht jeder kann sich seinen eigenen Portschlüssel zaubern. Der Todesser ist einfach unter meinen Händen weggestorben, weil Moray nicht geholfen hat. dieser Todesser wäre einfach elendig am Rande gestorben. Allein, wenn ich nicht gekommen wäre. Ich erinnere mich, ich schrie Peter an, das sei Mord! Und wissen Sie was er geantwortet hatte?"
Sirius schüttelte den Kopf.
"Na und? Die morden auch!" Alastor lachte rau. "Deswegen musste dieser Mann sterben. Longbottom wurde noch am selben Abend in meine Abteilung versetzt. Manchmal frage ich mich wie es damals ausgegangen wäre, wenn ich den Auftrag bekommen hätte. Wissen Sie Mr. Black. Es ist so als ob man selber Blut an den Händen hat, nicht nur Voldemort hat getötet oder töten lassen. Hat sich an der Hilflosigkeit und Verletzlichkeit anderer ergötzt. Nicht nur der Dunkle Lord. Oh nein!"
Sirius wußte darauf nichts zu antworten.
Moody seufzte. "Aber wie ich sehe brauche ich Ihnen Dumbledores Nachricht gar nicht zukommen zu lassen. Sie sollen den Auroren aus dem Weg gehen. Sie machen es ja schon. Dumbledore sagt weiter: Wandern Sie nicht im Schloß umher. Ich sag denen, sie sollen Sie in Ruhe lassen. So dürften Sie in den nächsten Tagen wenigstens hier ungestört leben können. So viel Respekt haben die noch vor mir!"
Sirius nickte.
"Gut, dann gehe ich mal wieder. Aber zuvor..." Alastor zog seinen Zauberstab und ließ ihn kurz über dem Tisch kreisen. Eine Platte mit Aufstrich, Käse, Brot und frischem Obst erschien aus dem Nichts.
"Ein gutes Abendessen Mr. Black." Der alte Auror stand auf und verließ Sirius Black.
Sirius saß am Tisch und aß sein viertes oder fünftes belegtes Brot. Er dachte über die Geschichte von Mad Eye nach. Wie entrückt und teilweise schuldig er geklungen hatte. Für Sirius war es damals auch schon eine gefährliche Zeit gewesen. Auch er hatte nicht mehr genau gewußt wem er trauen konnte. Fatalerweise hatte er dem Falschen vertraut. Aber so richtig kurz nach einer Kampfhandlung war er noch nie wo aufgetaucht. Halt nein. Bei der Ermordung seines Freundes James war er kurz darauf da gewesen und so verstand er Moody, wenn dieser wieder alles sehen konnte. Sirius verfolgte dieser klagende Blick seines Freundes immer noch im Schlaf. Doch was sah erst Alastor Moody? Anhänger Voldemorts, die ihm wegstarben. Weil andere nicht geholfen hatten, sondern diese Personen einfach so zum Sterben liegen ließen. Ohne Aussicht auf Hilfe. Sirius stand auf und öffnete ein Fenster, es war im plötzlich so stickig hier im Raum. Der Mond schien hell in das Zimmer.
Srrrrrrrrr
Sirius duckte sich. Was bei Merlin war das gewesen?
Ein Pfeil steckte zitternd im Fensterrahmen. Sofort erkannte er diesen Pfeil und dessen kunstvoll angebrachte Federn. Zentauren-Pfeile. FIRENZE!
Sirius nahm den Pfeil und starrte zum Verbotenen Wald. Nichts.
Er suchte mit den Augen den Rasen vor dem Schloß ab. Nichts.
Dann da! Bei Hagrids Hütte. Im Schatten der Hütte stand er, dieses gold-weiße, phantastische Wesen und winkte ihm zu. Plötzlich verschwand der Zentaure hinter dem Haus. Sirius verdrehte den Kopf und sah auf eine nahe Zinne. Dort patrouillierte ein Auror.
Was wollte Firenze von ihm und warum nahm er in Kauf, dass die Auroren auf ihn aufmerksam wurden?
Der Auror verschwand und wieder kam Firenze zum Vorschein, winkte wie wild mit beiden Armen. Black zog seinen Kopf zurück und verschloß das Fenster.
"Dieser verrückte Zentaure!" fluchte Sirius Black, griff nach Pfeil und Bogen und schlich sich aus seinen Räumen. Es würde schwierig werden an den Auroren vorbei zu kommen, aber es wäre nicht das erste Mal, dass er unerkannt aus Hogwarts entkommen wäre. Er lächelte grimmig, nicht das erste Mal.