Gefangen

 

 

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Kapitel 7: Meer des Schmerzes

 


Die Tage und Wochen, die folgten, vergingen in wirren Fieberträumen, mit Folter und Schmerzen, und wieder Folter und noch mehr Schmerzen, nur unterbrochen von stundenlanger, tiefer Bewusstlosigkeit. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, lebte nur in einer grauenvollen und sich nie ändernden Gegenwart, in der Vergangenheit und Zukunft ihre Bedeutung verloren. Es war alles ein und dasselbe. Folter und Schmerz. Nur die Folterknechte wechselten. Aber welchen Unterschied machte es schon, ob es Crabbe oder Goyle waren, die ihn traten und schlugen, oder ob Lestrange oder Malfoy den Zauberstab schwangen, der ihm immer neue Wunden zufügte? Die Schmerzen waren inzwischen zu einem allumfassenden Gefühl geworden, so dass es ihm schwer fiel zu sagen, woher sie kamen - von den Knochenbrüchen oder den vielen blutunterlaufenen Prellungen, den Brandmalen oder den blutenden Schnittwunden, die nahezu jeden Zentimeter seines geschundenen Körpers bedeckten.

Manches war so bizarr, dass er sich nicht sicher war, ob es überhaupt wirklich geschehen war. Hatte Dolores Umbridge ihn tatsächlich dazu gezwungen, mit ihrem grausamen Federkiel ‚Ich soll meinen Meister nicht betrügen' tief in seine Hand zu ritzen?

Pettigrew hatte ihm wieder und wieder Einhornblut eingeflößt und war zunehmend wütend darüber geworden, dass sein Magen rebelliert und er den größten Teil der widerlichen Substanz erbrochen hatte. In seiner Wut hatte die Ratte mit ihrer silbernen Klaue seinen Kiefer gepackt und seinen Mund zugehalten, wobei er ihn fast erstickt hätte. Und seinen Kiefer brach.

Ab und an kam der Dunkle Lord um zuzusehen. Aber anscheinend wurde er schnell seines Spielzeugs müde, wie auch die meisten seiner Anhänger. Folter machte einfach nicht so viel Spaß, wenn sich die Reaktionen des Opfers größtenteils auf leises Stöhnen und Wimmern beschränkten, weil es zu schwach war vor Schmerzen zu schreien. Außerdem wurde er für ihren Geschmack viel zu schnell ohnmächtig. Crabbe und Goyle machte dies jedoch nichts aus. Sie waren seine treusten Begleiter. Erstaunlicherweise war er noch immer in einem Stück, oder fast in einem Stück. Und er hatte auch noch nicht seinen Verstand verloren. Immerhin wusste er noch, wer er war.

Seit einiger Zeit waren keine Besucher mehr im Kerker gewesen, nicht einmal die Ratte. Waren sie schließlich des grausamen Spieles überdrüssig geworden? Sogar die beiden Schläger? Hatten sie beschlossen, ihn allein in seiner Zelle verrotten und endlich sterben zu lassen? Es konnte nicht mehr lange dauern. Noch wenige Tage, vielleicht nur Stunden, und der Effekt des Einhornblutes würde nachlassen. Wie er so mit kranken Lungen, die verzweifelt um ein Minimum an Sauerstoff kämpften, auf dem kalten Steinboden lag, übel zugerichtet und blutend, konnte er fast fühlen, wie der Tod unaufhaltsam näher kam. Bald würde er ihn erlösen. Nur noch ein kurzes Stück zu gehen. Wenn sie ihn nur sterben ließen ...

Aber das taten sie nicht. Das Quietschen der rostigen Tür riss ihn aus seinem fast bewusstlosen Zustand. Wieder eine Hoffnung zunichte gemacht. War er zu unendlichen Schmerzen verdammt wie der unsterbliche Prometheus, der ewig dafür leiden musste, dass er seine Götter verraten hatte?

"Ssseverusss, wie geht es dir heute, mein Sohn?" Es war der Dunkle Lord, dessen Stimme vor falschem Mitgefühl nur so troff. Severus hatte es längst aufgegeben, auf diese Fragen zu antworten, da das Sprechen zu schmerzhaft für seinen wund geschrienen Hals und seinen gebrochenen Kiefer war. Sie würden ihn dafür, dass er nicht antwortete, treten, aber das würden sie sowieso tun. Oder den Cruciatus benutzen. Oder irgendeinen anderen Folterfluch. Inzwischen kannte er sie alle ... Doch diesmal blieb die Strafe aus.

"Ich habe schon viel zu viel meiner kostbaren Zeit mit dir verschwendet, Verräter", beklagte sich Voldemort stattdessen. "Du hast mich nicht nur als Todesser schwer enttäuscht, sondern du hast dich außerdem sowohl als Informationsquelle als auch als Spielzeug als vollkommen wertlos erwiesen. Nun, was soll ich mit dir anstellen? Ich könnte dich in deiner Zelle verrotten lassen, bis nichts als bleiche Knochen von dir übrig sind. Aber ich bin kein Unmensch, wie ich schon einmal betont habe. Ich werde dich am Leben lassen. Ich werde dich sogar deinem geliebten Direktor Dumbledore zurückgeben, so dass er deine Gesellschaft noch einmal genießen kann - nach einer speziellen Abschiedsbehandlung."

Spezielle Abschiedsbehandlung. Die Worte hingen unheilverkündend in der Luft. Aber er hatte keine Gelegenheit länger über ihre Bedeutung nachzugrübeln, denn sein Kopf wurde gepackt, nach oben gerissen, und eine weitere Dosis Einhornblut wurde seine Kehle hinunter gezwungen. Inzwischen war sogar sein Magen zu müde, um mehr als ein paar schwache und vergebliche Kontraktionen zustande zu bringen.

Alle waren dazu eingeladen, seiner letzten Bestrafung beizuwohnen. Der hallenartige Raum war schon mit Todessern gefüllt, als er in seiner Mitte auf den Boden geworfen wurde.

"Zeit, einem alten Freund Adieu zu sagen", verkündete Voldemort, als seine Anhänger geräuschlos den üblichen Kreis gebildet und ihre Ehrerbietung erwiesen hatten. "Aber nicht ohne eine spezielle Überraschung als Belohnung für überaus treue Dienste. Hebt eure Zauberstäbe, meine Todesser." Auf ein Signal von Pettigrew hin deuteten alle mit ihren Zauberstäbe auf die Gestalt in der Mitte des Kreises.

"Crucio!"

Gut zwanzig Flüche trafen Severus gleichzeitig in die Brust und schmetterten ihn mit der Kraft eines Tsunami auf den Boden. Seine Lungen wurden zu winzigen Punkten zusammen gepresst, und es war völlig unmöglich, sie mit Luft zu füllen. Jede Zelle, jedes Molekül in seinem Körper wurde zerfetzt, in Flammen gesetzt, in einer Supernova des Schmerzes auseinander gerissen. Er schrie, schrie bis er keine Stimme mehr hatte, ertrank in einem Meer von Schmerzen, in dem sich sein Verstand, sein Selbst auflösten und eins wurden mit der unerträglichen Agonie. Dann fiel er tiefer und tiefer in den dunkelsten Abgrund, in das schwärzeste Nichts, das kalt und leer war wie das Universum.

Als die versammelten Todesser schließlich den Fluch aufhoben, lag Severus bewegungslos und kaum atmend da, während dünne Rinnsale von Blut aus seinen Ohren und seinem Mund auf den staubigen Boden tröpfelten und dort kleine, scharlachrote Pfützen bildeten.

"Seht den Verräter!", rief Voldemort erneut. Minuten des Schweigens. Dann gab der Dunkle Lord Pettigrew ein Zeichen, der sogleich dem bewusstlosen Ex-Todesser eine alte Decke überwarf, ihn an den Oberarmen packte und hinaus in die dunkle Winternacht zog. Den schlaffen Körper fest an sich gepresst desapparierte er.

Ein weiteres Geschenk seines Meisters für Albus Dumbledore. Wurmschwanz kicherte hämisch, als er vor dem großen, schmiedeeisernen Tor mit den geflügelten Ebern aus Stein stand. Er ließ die leblose Bürde auf den langen, gewundenen Weg fallen, der hinauf zu dem schlafenden Schloss führte. Die nächtliche Landschaft war in tiefe Stille getaucht.

Sollte er in seiner Animagus Form hier bleiben und beobachten, was passieren würde? Jemand würde am Morgen das makabere Bündel, das niemand anderes als der Zaubertränkelehrer von Hogwarts war, finden. Wahrscheinlich dieser große Dummkopf von einem Wildhüter mit seiner sabbernden Töle. Vor seinem geistigen Auge konnte er schon fast sehen, wie der Halbriese bei dem grausigen Anblick in Tränen ausbrach. Ja, er würde sich in den Sträuchern verstecken und warten. Der Meister würde sicher eine detaillierte Beschreibung zu schätzen wissen. Zu dumm, dass so viele Katzen im Schloss lebten. Er schüttelte sich leicht bei dem Gedanken an das rote Untier, das ihn einmal fast getötet hätte, als er noch das Haustier von Ronald Weasley war. Wenn nur diese Katzen nicht wären, hätte er sich in das Gebäude einschleichen und die Reaktionen der Schüler und Lehrer beobachten können. Wäre sicher äußerst unterhaltsam gewesen ...

Gerade als Wurmschwanz sich verwandeln wollte, hörte er direkt in seiner Nähe ein ärgerliches ‚Miau'. Verdammt! Eines dieser vierbeinigen Monster. Hatte die Katze seine Gegenwart gewittert? Wenn es Mrs. Norris war, würde sie den Fremden sofort ihrem Herrn, dem abscheulichen Filch, melden. Oder war es McGonagall in ihrer Animagus Form? Merlin bewahre ihn! Besser kein Risiko eingehen und gleich desapparieren. Kein Spaß mehr heute Nacht. Verfluchte Katzenviecher!

Mit einem ärgerlichen Seufzer, der von einem leisen ‚Plop' gefolgt wurde, verschwand der enttäuschte Zauberer und ließ den reglosen Körper von Severus Snape hinter sich zurück.


 

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