Alcyone - Teil 3

 

 

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Kapitel 6

Diese Kapitel widme ich dem Planeten Team, insbesondere Moon und Uranus


Es war ein herrlicher Morgen, als Alcyone die Oxford Street entlang lief. 
Die letzten zwei Tage waren für sie relativ ruhig verlaufen und vergingen relativ schnell. Montags und Freitags waren die Tage, in denen Alcyone den ganzen Papierkram zu erledigen hatte und das war die Arbeit, auf die sie ohne weiteres verzichten könnte. An den restlichen Tagen der Woche hatte sie ausnahmslos Unterricht mit den Auszubildenden. Das wiederum war die Arbeit, die ihr wirklich Spaß machte.
Alcyone betrat an diesem Donnerstagmorgen relativ gut gelaunt (sie hatte die letzte Nacht ohne unerfreuliche Zwischenfälle

 durchgeschlafen) ihr Büro, überflog die Post (zwei Bewerbungen, eine Einladung), holte ihren Umhang für Gartenarbeiten aus dem Schrank und machte sich auf den Weg zu den Unterrichtsräumen, die sich allesamt im Keller befanden. Unterwegs schaute sie noch bei Tom herein, der ihr gähnend "Guten Morgen" wünschte, selbst aber so aussah, als wäre es für ihn noch mitten in der Nacht.

Nach etwa fünf Minuten Fußmarsch durch unzählige Gänge und etlichen Treppenhäusern fand sich Alcyone vor der Tür zu ihrem Unterrichtsraum wider.

Schweigend und so geräuschlos wie möglich öffnete sie die Tür und betrat das hellerleuchtete Zimmer.

Es war zwar ein Unterrichtsraum aber unterschied sich total zu denen in Hogwarts. Während die meisten Unterrichtsräume in Hogwarts nackte Steinwände hatten und deutlich zeigten, daß sie Räume in einem Schloß waren, war dieser Raum hier völlig schlicht. Die Wände waren weiß verputzt und zu allen Seiten gleich hoch und der Raum war viel kleiner und rechteckig. Es gab keine Erker oder Säulen oder ähnliches. Es gab nur ein Fenster, das fast die ganze Außenwand in Anspruch nahm. Sehr viel heller wurde der Raum dadurch zwar nicht, aber er befand sich ja innerhalb des Zauberministeriums, welches voller Hexen und Zauberer war, und somit stand es außer Frage, warum alle Räume im Keller ausnahmslos hell erleuchtet waren.

Alcyones Klasse war schon vollzählig erschienen und die Auszubildenden saßen, sich unterhaltend, an den schweren Holztischen.
Alcyone schloß die Tür hinter sich und stellte sich an den Pult.

"Guten Morgen!", begrüßte sie schlicht ihre Klasse.
Das Gemurmel und Gerede starb mit einem Augenblick ab und alle Auszubildenden, die sich nach hinten gedreht hatten, um mit ihren Freunden zu reden drehten sich nach vorne und lächelten Alcyone zu.
Alcyone wußte, daß sie sehr beliebt war. Sie war gerecht, immer freundlich und hatte noch nie zu einer härteren Strafe greifen müssen. Die Auszubildenden lobten ihre Art des Unterrichts und das lag nicht zuletzt daran, daß Alcyone sie einfach liebte und es ihr mehr als Spaß machte.
"Guten Morgen Miß Hide", grüßte sie ein Mädchen aus der ersten Reihe.
Alcyone lächelte ihr kurz zu.
Heute Morgen hatte sie die Auszubildenden des zweiten Lehrjahres und am Mittag würden die des Dritten kommen, bei denen demnächst die Prüfung anstand. Da diese in nicht mehr all zu entfernter Zukunft anstanden, und ein Teil davon praktische Aufgaben in den ministeriumseigenen Gewächshäusern und Gärten war (von Außen machte das Ministeriumsgebäude nicht den Eindruck, daß es so groß war, wie es tatsächlich war, was aber an den vielen Muggelabwehrzaubern lag), hatte Alcyone heute etwas ganz ‚besonderes' für diese Klasse geplant.

"Sie können Ihre Bücher gleich wieder einpacken. Heute werden wir die ganz Zeit im Garten verbringen."

Einige machten ein erfreutes Gesicht, andere wiederum nicht. Offensichtlich gefiel ihnen der Gedanke, an einem kalten Februartag im Garten zu arbeiten, nicht besonders. Dabei sollten sie aber wissen, daß es später, wenn sie berufstätig sein würden, keine Rolle spielen würde, ob es stürmte, regnete, die Sonne schien oder schneite. Die Arbeit würde getan werden müssen, ohne Rücksicht auf meteorologische Gegebenheiten.

Die Bücher wurden in die Taschen gepackt und alle zogen sich ihre warmen, mantelartigen Umhänge über.

"Wenn Sie mir dann bitte folgen würden."

Das quietschende Geräusch umeinander geschobener Stühle hallte durch den Raum, vermischt mit dem Genuschel der Auszubildenden, und Schuhen, die auf dem Gummiboden quietschten. 

Alcyone und ihre Klasse liefen ein paar lange Gänge im Keller entlang, dann eine schmale Treppe hinauf und verließen das Gebäude nach etwa 10 Minuten Fußmarsch durch eine unscheinbar aussehende Tür. 

Dahinter, im Freien, erstreckte sich ein großes Areal voller Beete, Wiesen und Gewächshäusern, umgeben von einer mannshohen Mauer aus Stein. Das Ganze war natürlich mit Muggelabwehrzaubern geschützt.

Alcyone blieb am Rande einer der Wiesen stehen, die durch feine Kieselwege voneinander getrennt waren. Außerdem waren um die Wiesen kniehohe Hecken angebracht angepflanzt, was diesem Garten einen schönen optischen Effekt verpaßte. Nicht zu vergessen die Büsche, die auf einer Wiese standen und die zum Üben benutzt wurden. Damit wurde Gestaltung betrieben. Es war nicht gerade einfach, einen simplen Busch in eine Figur zu verwandeln, was wieder einmal zeigte, daß es nicht reichte, nur in einem Fach gut zu sein. Alcyone selbst hatte ihre Probleme damit und mußte während ihrer Ausbildung hierbei noch einiges nachholen und Sonderkurse belegen. Inzwischen hatte sie dies sehr gut drauf, etwas, was nicht zuletzt dazu führte, daß sie sich in ein Tier verwandeln konnte.

Die Klasse scharrte sich im Halbkreis auf dem Weg um Alcyone.

Alcyone wartete, bis alle einen Platz gefunden und zur Ruhe gekommen waren, und begann dann, ihnen mitzuteilen, welch tolle Aufgabe ihnen heute zuteil werden würde.

"Wie Sie alle wissen finden demnächst die Prüfungen statt. Da die Prüflinge in einer perfekten Umgebung arbeiten sollten und es immer gut kommt, wenn die Umgebung einwandfrei ist, werden Sie heute das Vergnügen haben, das Unkraut zu entfernen und den Garten hier zu entgnomen."

Ein einheitliches Murren war zu hören. Alcyone konnte es verstehen. Den Garten zu entgnomen und Unkraut zu jäten war mitunter die undankbarste Aufgabe, die es in einem Garten zu tun gab. Doch sie mußte getan werden.

"Und damit Sie nicht den Eindruck von mir haben, ich würde Sie schikanieren wollen, werde ich selbstverständlich mitmachen."

Nicht das Alcyone dies gerne tat, aber sie wollte als gutes Beispiel vorangehen und deutlich machen, daß es ihr ernst war.

Sie teilte die Klasse in mehrere kleine Gruppen und ordnete jeder Gruppe ein Teilstück des großen Gartens ein. Sie selber gesellte sich zu der Gruppe, der die meisten Beete zugeteilt waren, da sich dort bekanntermaßen die meisten Gnomen aufhielten.

Alcyone und ihre Gruppe lief zu den Beeten und begann nach den kleinen, ungebetenen Gästen zu suchen. 

Im Gegensatz zu den anderen hatte Alcyone große Vorteile, was das Finden der kleinen Lebewesen anging. Sie hatte Erfahrung und kannte das Verhalten der Gnomen ganz genau und so war es kein Wunder, daß sie die erste war, die einen Gnom gepackt, und weggeschleudert hatte.

"Wie schafft Sie das nur?", hörte sie eine junge Frau sagen.

Alcyone drehte sich zu ihr und lächelte. "Sie müssen die Gnomen studieren. Lernen Sie ihre Verhaltensweise kennen, dann wissen Sie genau, wo und wie Sie sie finden können. Wir werden das in der nächsten Unterrichtsstunde genauer durchgehen."

Kaum hatte Alcyone diese Worte ausgesprochen hatte sie auch schon den nächsten Gnom entdeckt, der keine fünf Sekunden später weit über die Mauer hinaus flog. 

Alcyone wollte gerade wieder einen Gnom, der in seiner Dummheit nachgeschaut hatte, was vor sich ging, schleudern, als sie dieses Gefühl überkam, daß sie vor zwei Tagen schon hatte. Ihr war furchtbar schlecht, und sie wußte, daß sie sich in den nächsten Sekunden übergeben würde.

Sie ließ den Gnom aus der Hand fallen, erhob sich von ihrer Hocke und rannte so schnell sie konnte zu dem kleinen Gebäude neben den Gewächshäusern, welches sowohl einen Schuppen enthielt, als auch Toiletten und Waschbecken.

Alcyone nahm die erst beste Toilette, die sie fand, beugte sich über die Schüssel und ließ alles raus.

Sie übergab sich wie schon lange nicht mehr, mit Ausnahme von vor zwei Tagen, als sie etwas gegessen hatte, was ihr wohl nicht so bekommen war. 

"Miß Hide, alles in Ordnung?" Zwei weibliche Auszubildende, die in ihrer Gruppe waren, hatten sich zu ihr gesellt und blickten sie besorgt an. 

Alcyone hob ihren Kopf und blickte zu ihnen.

"Ja, alles okay. Ich komme sofort wieder."

Kaum hatte sie diesen Satz ausgesprochen, überkam sie wieder das Gefühl der Übelkeit, wandte ihre Kopf wieder direkt über die Schüssel und ließ erneut einiges heraus. 

"Es geht schon wieder", sagte sie und versuchte aufzustehen. 

"Sie sehen furchtbar blaß aus, Miß Hide", bemerkte eine der jungen Frauen.

"Es geht mir gut, wirklich", beteuerte Alcyone, betätigte die Klospülung und wusch sich die Hände. 

"Was steht ihr hier noch herum? Es gibt noch genug Gnome, die einen Freiflug gewonnen haben." 

Alcyone scheuchte die Beiden nach draußen. Sie folgte ihnen zu ihrer Gruppe und in den nächsten paar Stunden flogen noch einige Gnomen durch die Lüfte. 



Das Essen, welches sie ein paar Tage zuvor gegessen hatte, hatte seine Spuren deutlicher hinterlassen. Den ganzen Tag über fühlte Alcyone sich nicht gut und noch mehrere Male an diesem Tag stattete sie der Toilette einen Besuch ab.

Als sie sich kurz vor Feierabend erneut entleerte, beschloß Alcyone auf dem Weg nach Hause bei einem Arzt vorbeizugehen. Daß sie sich etwas zugezogen hatte, war offensichtlich und das es von diesem Essen stammte war nun mehr als nur eine Vermutung. Auch einige ihrer Kollegen hatten sie auf ihre Blässe im Gesicht angesprochen und gefragt, ob sie krank sei. Der Arzt würde ihr sicher etwas verschreiben, damit sich ihr Magen wieder beruhigen würde.

Alcyone war bisher öfters bei Muggelärzten gewesen. Sie hatte bisher immer gute Erfahrungen mit ihnen gemacht und war bei einem ganz in ihrer Nähe hängengeblieben. Jedesmal wegen irgendwelchen Kleinigkeiten ins Zauberhospital zu gehen oder den Ministeriumsarzt aufzusuchen war nicht unbedingt das, was Alcyone wollte. Hier sprachen sich Dinge schnell um und der Ministeriumsarzt war auch nicht gerade das, was man vertrauenerweckend nennen konnte. 

Alcyone packte sich also ihre Tasche, zog den warmen Mantel an und machte sich auf den Weg zum Muggelarzt.

Dr. Brinkmans Praxis war keine fünfhundert Meter von Alcyones Wohnung entfernt und lag im unteren Geschoß eines zweistöckigen Gebäudes aus rotem Klinker. 

Die Straße war keine Hauptstraße und Dr. Brinkmans Patienten waren hauptsächlich aus der Gegend. Ab und zu verirrten sich ein paar Außenstehende zu ihm, die ihn aufgrund von Empfehlungen von Bekannten oder Verwandten konsultierten. Bevor Dr. Brinkman seine Praxis hier in diesem Gebäude eröffnet hatte, war er ein angesehener Chirurg in einer bekannten Klinik. 

Alcyone betrat die Praxis durch die große Flügeltür und fand sich sofort an der Rezeption wieder. Die Arzthelferin hinter der Theke lächelt ihr kurz zu. "Guten Abend", sagte sie.

"Guten Abend", entgegnete Alcyone und fuhr gleich fort. "Ich weiß, ich habe keinen Termin, aber ich fühle mich wirklich nicht gut."

"Verstehe", sagte die Arzthelferin und lächelte immer noch. "Das geht schon in Ordnung."

Sie tippte etwas in ihren Computer, fragte Alcyone allen möglichen Unsinn, war erfreut, daß sie schon öfters hier war und wies sie dann an, im Wartezimmer Platz zu nehmen.

Alcyone nickte und betrat durch eine durchsichtige Tür das Wartezimmer.

Es war stilvoll eingerichtet. Weiß tapezierte Wände, die mit Bildern von unbekannten Künstlern verziert waren. Auf dem Sims am einzigen, großen Fenster standen viele grüne Pflanzen. Eine Ecke war mit Spielzeug für die kleinen Patienten ausgerüstet, auf einem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes lagen verschiedene Zeitschriften und an den Wänden entlang standen schwarze, bequem aussehende Stühle. 

Außer Alcyone befand sich nur noch eine weitere Person in diesem Raum. Ein junger Mann. 

Er saß da und sein Blick war in eine Zeitschrift gerichtet. Alcyone konnte nur seine dunklen, kurzen Haare erkennen und er war mit Jeans und grünem Pullover bekleidet.

Alcyone setzte sich auf den ihr am nächsten stehenden Stuhl und schlug die Beine übereinander. In dem Moment schaute der junge Mann hoch und lächelte sie leicht an.

"Hallo", sagte er.

"Hallo", erwiderte Alcyone und sah ihn direkt an. Er war nicht unattraktiv, aber sie schätze ihn um gut 10 Jahre jünger als sie selbst. 
Anstatt, wie Alcyone jetzt erwartet hätte, widmete er sich nicht wieder seiner Zeitschrift, sondern musterte sie genau.

"Sie sehen furchtbar blaß aus. Ihnen geht es wohl nicht sehr gut."

Alcyone schaute ihn verwirrt an. Der Mann war in seiner Art sehr direkt und lag mit seiner Vermutung genau richtig.
Über sich selbst überrascht reagierte sie ehrlich auf seine Bemerkung.

"Ja", bestätigte Alcyone. "Mir ist schon den ganzen Tag nicht gut."

Er lächelte ihr matt zu. "Nu ja, ich bin nur hier, um mich impfen zu lassen. Nächste Woche fliege ich in die Vereinigten Staaten und da sollte ich auf jeden Fall alle Impfungen aufgefrischt haben." Der walisische Akzent in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Alcyone versuchte sich an einem Lächeln. Der Mann hatte es gut. Nur Impfungen. Ihm ging es offensichtlich sehr gut. Wenn sie allerdings an die Spritzen dachte, die auf den Mann zukamen, fragte sich Alcyone, ob er es vielleicht doch nicht so gut hätte.

"Sie sind mutig. Ich habe Angst vor Spritzen", hörte sie sich selber sagen. 

Der Mann lächelte. "Mögen tu ich sie auch nicht unbedingt." 

Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, kam die Arzthelferin rein.

"Mr. Gruffudd, Sie können jetzt kommen."

Alcyone beobachtete den Mann, Mr. Gruffudd, aber er machte keine Anstalten aufzustehen. 

"Oh wenn es geht, würde ich der jungen Dame den Vorrang lassen. Sie hat den Arzt nötiger als ich."

Er schaute abwechselnd zur Arzthelferin und zu Alcyone. 

"Es ist Ihre Entscheidung", hörte Alcyone die Arzthelferin sagen. "Miß Hide?"

Jetzt blickte sie Alcyone direkt an. 

Alcyone schaute zuerst Mr. Gruffudd, welcher ihr zunickte, dann die Arzthelferin an. "In Ordnung", sagte sie und erhob sich langsam von ihrem Stuhl. Dann blickte sie nochmals zu Mr Gruffudd und sagte "Danke. Das ist sehr freundlich von Ihnen."

Er schenkte ihr ein Lächeln, welches in Alcyones Augen irgendwie besonders aussah und sagte: "Gern geschehen und gute Besserung."
Sie lächelte kurz zurück und folgte dann der blonden Arzthelferin.


Kapitel 5

Kapitel 7

 

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