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Kapitel 17: Ein "Kleines Problem"
Die Woche verging sehr rasch. Alcyone und Severus sahen sich so oft sie konnten. Das war eigentlich immer außerhalb des Unterrichts. Sowohl Frühstück, als auch Mittag- und Abendessen nahmen Beide in der großen Halle ein. Dabei schenkten sie sich immer wieder heimliche Blicke. Nach dem Unterricht kam Severus immer zu den Gewächshäusern, bei denen Beide dann immer bis zum Abendessen blieben. Dann liefen sie getrennt in die große Halle, aßen und danach ging jeder in sein Zimmer. Alcyone breitete innerhalb von kürzester Zeit den Unterricht für den nächsten Tag vor und schlich sich dann heimlich in die Kerker. Den Schülern war es eigentlich verboten, nach dem Abendessen noch durch die Gänge zu schleichen, was Alcyone einen ungeheuren Vorteil verschaffte, nicht entdeckt zu werden. Trotzdem war sie immer noch vorsichtig.
Alcyone verbrachte auch jede Nacht bei Severus. Sie stand jeden Morgen immer eine halbe Stunde früher auf als sonst und begab sich im Schutz des frühen Morgens zurück in ihr Zimmer, duschte dort und lief dann so, als ob nichts wäre zum Frühstück.
Das nicht irgendein Schüler Verdacht schöpfte, grenzte fast an ein Wunder. Aber weder Alcyone noch Severus hatten irgendwelches Getuschel über sich gehört und es kam nicht selten vor, daß während des Unterrichts die einen oder anderen Schüler über irgendwen tratschten. Und weder bei Severus noch Alcyones Unterricht kam dies vor. Beide hatten auch keine Schüler gehabt, die sie auf verräterischer Weise heimlich anstarrten.
Alcyone selbst wäre es egal gewesen, wenn die ganze Schule von ihnen Beiden Bescheid wüßte. Es wäre ihr auch egal gewesen, wenn es die ganze Welt wüßte.
Severus hingegen war derjenige, der Alcyone gebeten hatte, es geheim zu halten. Aus einem guten Grund, den er ihr bereits am Sonntag bei dem Spaziergang nannte.
Die Beiden standen hinter den Gewächshäusern, im Schutz von mehreren Büschen.
„Alcy“. Severus blickte sie ernst an.
„Ja?“
„Es gibt da etwas, um das ich Dich bitten muß. Ich weis, daß es Dir nicht leicht fallen wird, aber es wird notwendig sein.“
Alcyone schaute Severus fragend an. Sie hatte nicht die leiseste Vermutung, was er damit sagen wollte. Sie hatte sogar ein wenig angst davor. So wie Severus Tonfall war, mußte es sich um ein wirklich sehr ernstes Thema handeln.
Alcyone nickte.
Severus griff ihre Hand und drückte sie sanft.
„Alcy, ich möchte Dich darum bitten, niemand von uns zu erzählen.“ Severus Stimme klang noch ernster.
„Warum?“
Alcyone konnte sich nicht vorstellen, warum sie niemand davon erzählen sollte. Es gab doch gar keinen Grund dafür. Ihr fiel zumindest kein triftiger ein. Es sei denn. Nein, der Gedanke war lächerlich. Severus würde sich doch nicht für sie schämen. Alcyone schalt sich selber über diese Torheit.
„Ich meine, es gibt doch gar keinen Grund dazu.“ fügte Alcyone ihrer Frage hinzu.
Severus nahm nun auch noch Alcyones andere Hand und legte sie beide in die seinigen.
„Doch“, sagte er und blickte sie ernst an. „Es gibt einen Grund.“
Er lächelte kurz und machte dann wieder ein ernstes Gesicht. Nur, daß diesmal noch etwas anderes dabei war, zu erkennen in Severus Augen.. Alcyone glaubte darin Trauer und angst zu erkennen. Sie hatte keine Ahnung, wovor er angst haben könnte. Severus beantwortete ihr diese ungestellte Frage sogleich.
„Alcy, ich weis, daß es Dich nicht interessiert, daß ich ein Todesser war, aber genau diese Tatsache ist der Grund dafür, daß niemand von uns wissen sollte.“
„Ich verstehe nicht ganz.“ Alcyone wußte nicht, worauf Severus hinaus wollte. Was hatte denn Severus Vergangenheit damit zu tun? Sie hatte ihm doch eindeutig gesagt, daß es ihr egal war.
„Alcy, Du mußt wissen, daß sich Voldemort an mir rächen will, weil ich ihn verraten habe.“
Alcyone schauderte bei dem Namen. Sie spürte auch, daß es Severus nicht leicht fiel, das alles auszusprechen. Doch es mußte getan werden.
„Bisher bin nur ich selbst sein Ziel. Wenn er mich in die Finger bekommt, würde er mich zuerst Höllenqualen leiden lassen und dann grausam töten.“
Alcyone wollte, daß Severus aufhörte. Sie wollte sich nicht diese schrecklichen Sachen anhören müssen. Es machte ihr angst. Sie sagte aber nichts. Sie wußte, daß Severus es zu Ende sprechen mußte, egal wie furchtbar es war.
„Wenn er allerdings wüßte, daß da noch jemand ist, nämlich Du, dann hätte er eine viel wirksamere Waffe. Er würde Dich suchen und mit Sicherheit auch irgendwann finden. Wenn er Dich mir wegnehme, daß wüßte er, könnte er mich damit den schlimmsten Qualen aussetzten.“
Alcyone schüttelte den Kopf. Was sagte Severus da? Auch nur der Gedanke daran, daß sie in den Fängen von Du-weist-schon-wem wäre, war zuviel.
„Severus – nein“, stammelte sie. Sie brachte es nicht fertig, einen vollständigen Satz auszusprechen.
„Verstehst Du jetzt, warum ich will, daß es keiner erfährt? Solange niemand etwas weis, kann Voldemort es auch nicht erfahren und solange bist Du in Sicherheit.“
Alcyone nickte stumm. Das, was Severus ihr gerade erklärt hatte, leuchtete ihr nun ein. Er hatte vollkommen recht.
„Ich verspreche Dir, ich werde es keinem sagen. Allerdings muß ich Dich um eine Ausnahme bitten. Ich kann es nicht vor meinem Bruder verheimlichen. Severus. Ich kann und will Remus nicht belügen.“
Severus trat einen Schritt auf Alcyone zu und nahm sie in den Arm.
„Das werde ich Dir kaum verbieten können – und ich will es auch gar nicht. Aber bitte nur ihm und sonst niemandem. Es ist nur zu Deinem eigenen Schutz.“
„Natürlich.“ Bestätigte sie. Das Sirius es ebenfalls zwangsläufig erfahren würde, erwähnte sie nicht. Es ergab sich ja auch schon aus der Tatsache, daß sie es Remus erzählen würde und Severus müßte es sich eigentlich auch denken können, nachdem was sie ihm gestern alles erzählt hatte. Sirius war ja mit daran beteiligt, daß sie sich mit Severus ausgesprochen hatte, also, war es ja nur logisch, daß er es, selbst wenn keiner es ihm sagen würde, sich doch denken konnte.
Das es noch drei Personen gab, die etwas wußten, verschwieg Alcyone Severus. Sie hielt es für besser, den Namen Harry Potter nicht in seiner Gegenwart auszusprechen. Schon gar nicht in dem Zusammenhang, daß Harry auch einen kleinen Teil mit beigetragen hatte. Severus hätte es mit Sicherheit nicht ertragen, schon wieder in der Schuld eines Potters zu stehen, wenngleich es diesmal auch nur sehr gering, fast unbedeutend, war.
Alcyone nahm sich vor, mit Harry und seinen Freunden noch zu sprechen.
Eigentlich schien jetzt alles diesbezüglich geklärt zu sein, aber das war es nicht.
„Severus, wenn wir das alles verheimlichen, wie sollen wir uns dann sehen? Ich kann doch nicht einfach regelmäßig nach Hogwarts kommen oder Du zu mir nach London ohne das irgendwann jemand Verdacht schöpft.“
„Außerdem, „sagte sie nahc einer kurzen Pause. „Frage ich mich sowieso, wie wir das überhaupt schaffen sollen. So nahe liegen London und Hogwarts auch nicht.“
Sie sah ihm kurz in die Augen und stellte fest, daß Severus auch keine Lösung für dieses Problem zu haben schien.
Alcyone kam eine Idee. Die wäre auch völlig genial, wenn es dabei nicht einen kleinen Haken gäbe.
„Wenn ich apparieren könnte, wäre das ganze kein Problem. Dann könnt ich mich jeden Freitag Abend von meiner Wohnung an die äußerste Grenze von Hogwarts apparieren, dann in meiner Animagus Form durch Dein Fenster fliegen und mich bis Montag Morgen nur in Deinen Zimmern aufhalten, während Du mich natürlich auch immer mit Essen versorgst. Am Montag ganz früh Morgen fliege ich dann wieder los, appariere in meine Wohnung, dusche mich und geh dann wie wenn nichts gewesen wäre zur Arbeit. Wie gesagt, wenn ich apparieren könnte.“
„Du bist ein Animagus?“ Severus schaute sie erstaunt an.
Alcyone nickte lächelnd. „Noch nicht lange. Um ersten Mal habe ich mich im Dezember verwandelt und registriert bin ich seit Freitag.“
„Was - für - ein - Tier?“ Severus brachte die Worte fast nur mit Mühe heraus. Offensichtlich war es Alcyone beinahe gelungen, Severus Snape sprachlos zu machen. Alcyone amüsierte der Gedanke eine wenig und sie mußte sich schon sehr beherrschen, um ein Grinsen zu verbergen.
„Ein Vogel?“ Severus schaute Alcyone ungläubig an.
„Ja ein Vogel.“ Bestätigte sie. „Genaugenommen ein Eisvogel.“
„Ein Eisvogel?“
„Ja, ein Eisvogel.“ Alcyone konnte sich das Lachen kaum noch verkneifen. Die Tatsache, daß Severus ihre Worte ständig wiederholte bestätigte nur die Tatsache, daß er leicht verwirrt war. So hatte sie ihn noch nie zuvor erlebt.
„Soll ich es Dir vielleicht einmal zeigen?“ fragte sie ihn.
„Ja bitte.“
Alcyone lächelte. Sie konzentrierte sich und schon schwebte sie als Vogel direkt vor Severus Nase. Es war erstaunlich einfacher geworden, sich zu verwandeln. Es war offensichtlich tatsächlich so, daß nur Übung notwendig war, um diese Verwandlung perfekt in Griff zu bekommen. Noch ein paar Mal und sie würde sich ohne große Konzentration verwandeln können.
Der Eisvogel flatterte noch wenige Sekunden vor Severus Gesicht, dann verwandelte er sich zurück in Alcyone.
„Beeindruckend“, sagte Severus. Seine Stimme klang wieder etwas gefaßter.
„Danke“, sagte Alcyone.
„Du hast ein sehr schönes Gefieder.“
„Was?“ Jetzt war es Alcyone, die fast sprachlos war.
„Ehrlich. Ein warmes, gesundes Orange und das Blau schimmert wunderschön in der Sonne.“
Jetzt konnte Alcyone sich nicht mehr zurückhalten. Sie mußte grinsen, wenn auch mehr aus Verlegenheit. Das war schon ein einzigartiges Kompliment, daß sie da von Severus erhalten hatte.
„Danke“. Sagte sie etwas verlegen.
„Um auf Deinen Vorschlag zurückzukommen“, lenkte Severus ein. „Die Idee ist sogar sehr gut, wenn Du mich fragst.“
„Bis auf die Tatsache, daß ich nicht apparieren kann.“ Erklärte ihm Alcyone nochmals mit Nachdruck.
„Das dürfte doch kein Problem sein zu lernen.“
„Äh Severus“, sagte Alcyone und blickte ihn mit einem scheuen Lächeln an. „Ich bin es, Alcyone Hide. Die Alcyone Hide, die immer durchschnittliche Noten hatte. Die Alcyone Hide, die durch Zaubertränke durchgefallen wäre, wenn da nicht ein gewisser Severus Snape ihr Nachhilfe gegeben hätte. Glaubst Du allen ernstes, daß Apparieren für mich leicht zu lernen wäre?“
„Du hast es geschafft, ein Animagus zu sein. Dann schaffst Du es auch zu apparieren.“ Severus klang sehr überzeugt.
„Das mit dem Animagus sein ist so eine Sache. Das habe ich nur geschafft, weil ich damals Sirius, James und Peter –“ Alcyone hörte mitten im Satz auf. Sie war sich eine Sekunde lang nicht sicher, ob sie das Severus erzählen sollte. Sie sollte. Sie wollte Severus gegenüber jetzt immer ehrlich sein und ihm bedingungslos vertrauen können. Sie tat es.
„Ich habe damals in der Schule den dreien geholfen Animagus zu werden. Ich hätte damals schon mitmachen können, aber ich wollte es nicht, weil es illegal war. Und im Dezember hatte ich dann eine weitere Chance bekommen und ich glaube, es nur deshalb funktioniert, weil ich damals kurz davor stand.“
„Geschafft ist geschafft Alcy, egal wie. Du hast es geschafft ein Animagus zu sein und ich weis, daß Du es schaffen wirst zu apparieren. Wenn Du es kontinuierlich durchziehst.“
Severus hielt wirklich große Stücke von ihr. Alcyone schmeichelte das sehr und sie fühlte sich auch geehrt, aber vielleicht war es auch zuviel des Guten.
„Setz bitte nicht zu große Hoffnungen in mich. Sonst enttäusche ich Dich noch.“
Severus beugte sich runter und küßte sie auf die Stirn.
„Alcy, Du kannst mich gar nicht enttäuschen.“
Alcyone lächelte matt. Was konnte sie darauf noch erwidern. Je mehr sie darüber nachdachte, um so mehr wurde ihr klar, daß Severus recht hatte. Die Sache war es wirklich wert, apparieren zu lernen und dann könnte sie ihre Idee tatsächlich in die Tat umsetzen. Sie hätte dann tatsächlich die Möglichkeit, so oft sie wollte Severus zu besuchen und das ganze ohne das jemand etwas bemerken könnte. Das wäre einfach zu schön. Nur war Alcyone nicht unbedingt von ihren Fähigkeiten überzeugt.
„Und Du glaubst wirklich, ich bin dazu fähig, apparieren zu lernen?“ fragte sie ihn vorsichtig.
Severus seufzte leise. Dann sprach er in sehr ernstem Ton: „Ich glaube es nicht. Ich weis es.“
Das war zuviel für Alcyone. Das Severus so viel von ihr hielt, verkraftete sie im Augenblick nicht. Sie schwankte leicht. Sie mußte sich setzen, aber es gab keinen Stuhl oder so etwas ähnliches. Alcyone griff nach einem stark aussehenden Ast und hielt sich daran fest.
„Alles in Ordnung?“ fragte Severus. er lief auf sie zu, packte sie sanft an den Armen und stützte sie für einige Sekunden.
Alcyone ließ sich daraufhin in seine Arme sinken.
„Womit habe ich Dich nur verdient?“ Die Worte kamen sehr schwach aus ihrem Mund.
Er lächelte ihr als Antwort nur zu, was Alcyone dankbar begrüßte, denn noch mehr Komplimente hätten sie wahrscheinlich in Ohnmacht fallen lassen.
„Gut Severus“, sagte sie mit fester Stimme, nachdem sie sich einige Sekunden in seinen Armen ausgeruht hatte und wieder selbständig stehen konnte.
„Ich werde es tun. Und ich werde es schaffen. Wart’s ab. Schneller als Du einen Schrumpftrank brauen kannst, habe ich die Prüfung abgelegt.“
Severus nickte. „Das ist die richtige Einstellung!“
Er legte ihr eine Hand auf die rechte Schulter. „Weist Du was, solange Du noch hier bist, kann ich Dir das theoretische Wissen vermitteln. Die praktischen Übungen kann und darf ich Dir nicht beibringen. Zum einen, weil das verboten ist, was Du sicher weißt, und zum anderen weil es hier ja gar nicht funktionieren würde. Aber das weißt Du ja sicher auch.“
Natürlich wußte Alcyone das. Das hatte doch Hermine Granger am Freitag Abend bei ihrem Besuch erwähnt, soweit sich Alcyone erinnern konnte. Aber das war jetzt nebensächlich. Da gab es etwas, was Alcyone brennend interessierte. „Du kannst apparieren? Davon wußte ich ja gar nichts. Seit wann?“ fragte sie ihn neugierig.
Severus nickte und machte dabei ein leicht trauriges und beschämtes Gesicht.
„Habe ich etwas falsches gesagt?“
„Nein“. Severus versuchte vergeblich einen gelassen Gesichtsausdruck zu vermitteln, was ihm aber nicht gelang. „Es sind nur die Umstände, zu denen ich zum apparieren gekommen bin. Die waren nicht sehr glücklich.“
„Inwiefern?“
Alcyone bereute die Frage gleich wieder, als Severus sie beantwortete.
„Ich habe es bei den Todessern gelernt.“ war seine knappe Antwort und Alcyone war froh darüber, daß er dies nicht ausführlicher erzählte.
„Ich würde mich freuen, wenn Du mir die theoretischen Grundlagen vermittelst“, sagte sie schnell um von dem unangenehmen Thema weg zu kommen.
„Das mache ich gerne. Und wenn Du wieder in London bist, dann kannst Du Dich um den praktischen Teil bemühen. Du arbeitest doch im Ministerium, also sitzt Du direkt an der Quelle.“
Alcyone nickte. „Wenn das alles dann auch so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, werden wir nicht darum herumkommen, Dumbeldore zu informieren. Auch wenn ich Dich immer heimlich hier in Hogwarts besuche hat Dumbeldore mehr als nur das recht darauf, es zu erfahren. Allerdings glaube ich, daß das nicht einmal nötig ist. Mich würde es nicht wundern, wenn er auch so erfahren würde. Ich glaube der Mann weis einfach über alles Bescheid, was in Hogwarts vor sich geht“. Alcyone wußte gar nicht, wie richtig sie mit dieser Vermutung lag.
„Ich finde, dann sollten wir keine Zeit verlieren und gleich mit der ersten Lektion beginnen. Laß uns zurückgehen.“
„Ja Professor Snape“. Sagte Alcyone mit gespieltem Respekt, woraufhin Severus sich ein Kleines Grinsen nicht verkneifen konnte.
Dann machten die beiden sich auf den Weg zurück zum Schloß. Es war wie früher. Severus gab Alcyone Nachhilfe, nur hatte sich das Fach verändert.