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Kapitel 13: Mut zur Wahrheit
Ihr Herzschlag wurde immer lauter, so daß er fast schon bis zum Ende des Ganges zu hören war.
Alcyone biß sich auf die Lippen und starrte die Tür vor sich einige Sekunden an. Es tat sich nichts. Sie öffnete sich nicht. Vermutlich war Severus gar nicht da. Vielleicht war er doch in der großen Halle?
Oder aber, er hatte ihr Klopfen gar nicht gehört, was wahrscheinlicher war, denn Alcyone hatte die Tür mehr gestreichelt, als daß sie wirklich mit der Faust drauf gehauen hatte.
Sie hob ihre Hand erneut und diesmal klopfte sie wirklich. Der dumpfe Schlag hallte in dem gewölbten Gang wider und verstummte nach wenigen Augenblicken.
Diesmal hatte e gewirkt. Alcyone hörte Schritte. Sie trat ein Stück zurück und beobachtete die Tür, die sich knirschend öffnete.
„Miß Granger“, hörte sie Severus sagen. Seine Stimme klang kalt, fies und gereizt. „Ich habe Ihnen schon zweimal gesagt, daß ich ihr Aufsatz keine eins verdient. Wenn Sie es heute noch einmal wagen, hier herzukommen, dann gibt es zwanzig Punkte Abzug für“.
Severus brach ab.
Er starrte mit offenem Mund Alcyone an. Seine Gesichtszüge waren härter denn je und in seinen schwarzen, kalten, fast schon hohlen Augen war nichts weiter als die endlose Leere.
„Was willst Du hier?“ herrschte er sie an.
Alcyone erschrak über Tonfall, den Severus ihr gegenüber hatte. Aber was hatte sie eigentlich erwartet? Hatte sie ernsthaft erwartet, daß er sie mit offenen Armen begrüßte, nachdem, was sie zu ihm im Gewächshaus gesagt hatte?
Der Gedanke war lächerlich und naiv.
Severus Verhalten, daß er ihr gegenüber gerade an den Tag legte, war nur mehr als normal in dieser Situation.
Alcyone hätte auf der Stelle umgedreht und wäre verschwunden, wenn da nicht ihr unsagbarer Wille und die unendliche Liebe Severus gegenüber wäre. Diese hielten sie davon ab, sofort das Weite zu suchen.
„Ich muß dringend mit Dir reden!“ sagte sie und versuchte dabei, so sicher wie möglich zu klingen.
Severus fixierte ihren Blick. Er wirkte keineswegs überrascht über ihren Auftritt, was Alcyone nur noch mehr verunsicherte. Dieser Mann wußte genau, was er zu tun hatte, um ungebetenen Gästen schnellstens loszuwerden.
„Schön“, sagte er. Bei ihm klang es aber alles andere als erfreut. „Vor einer Woche noch wolltest Du mich noch aus Deinem Leben haben. Da wäre es Dir am liebsten gewesen, wenn ich auf dem schnellsten Weg Hogwarts verlasse.“
„Es ist sehr wichtig!“ beharrte Alcyone.
„Es interessiert mich aber nicht.“ Die harten Worte trafen Alcyone wie Messerstiche. Wie kalt und emotionslos ein Mensch doch sein konnte. Allerdings, und das wußte Alcyone ganz sicher, verbarg sich hinter Severus fester Mauer der Abneigung und des Hasses der ganzen Welt gegenüber, der Severus, den sie einst kennengelernt hatte und vor allem der Severus, den sie liebte.
„Das sollte es aber!“ sagte sie mutig.
Severus Mundwinkel verzog sich zu einem Lächeln. Es war aber bei weitem kein freundliches Lächeln. Es war boshaft, gemein und hinterhältig.
„Was ist mit Dir los? Als ich mit Dir reden wollte, hast Du mich weggeschickt. Warum um alles in der Welt sollte ich Dich jetzt anhören?“ Seine Lippen bebten. „Verschwinde besten gleich wieder.“
Severus trat noch einen Schritt zurück und war im Begriff die Tür zu schließen.
Alcyone, die zwar völlig von Severus Art überrascht und getroffen war, reagierte trotzdem augenblicklich. Sie trat einen Schritt nach vorne und stellte sich direkt in den Türrahmen, daß Severus sie nicht schließen konnte.
„Was wird das, wenn es fertig ist?“ fragte er scharf.
„Du bist auch nicht gegangen, als ich Dich weggeschickt habe!“
Das hatte gesessen.
Alcyone hatte diese Worte automatisch gesprochen, ohne vorher darüber nachzudenken und erst jetzt, als sie Severus veränderten Gesichtsausdruck sah, wußte sie, daß sie etwas erreicht hatte.
Severus wirkte äußerst überrascht und schien tatsächlich über etwas nachzudenken.
Alcyone realisierte erst jetzt, was sie mit diesen Worten bewirkt hatte.
Als sie Severus weggeschickt hatte, war er nicht gegangen. Er war geblieben, so daß sie schließlich diejenige war, die das Feld geräumt hatte - aus Schwäche. Und das war in ihrem Reich gewesen. In den Gewächshäusern.
Jetzt stand sie auf der Schwelle zu Severus Reich, seinen Gemächern. Alcyone glaubte, nein sie wußte, daß Severus jetzt nicht das gleiche tun würde wie sie. Er würde sie unter keinen Umständen alleine in seinen Gemächern stehen lassen und davonlaufen.
Sie hatte gewonnen.
„Na schön“, sagte er und es klang immer noch gleich hart und kalt. „Sag was Du sagen willst und dann geh!“
Das könnte etwas länger dauern“. Sagte sie gebrochen.
„Bitte“, sagte Severus genervt und öffnete sie Tür ganz. Dann wies er sie mit einer eindeutigen Handbewegung in sein Reich.
Alcyone atmete ein und trat in das Zimmer.
Es war tatsächlich genau so, wie sie befürchtet hatte.
Das Zimmer sah aus, wie ein etwas zu breit geratener Gang im Kerker. Die Wände waren nackt und aus Stein, genauso wie die Deck und der Boden, auf dem Severus wenigstens Teppiche verlegt hatte.
Die Möbel, die in diesem Raum standen, waren schlicht und spärlich.
Ein paar Schränke waren an die Wände gestellt, die aus einfachem, dunklem Holz bestanden und entweder mit Büchern oder Gläser voller ekelhaftem Zeug gefüllt waren.
Des weiteren befand sich ein schlichter Tisch in der Mitte des Raumes, der, wie die vier Stühle darum aus Holz war und auf dem außer einer angezündeten Kerze nichts weiter stand. Einzig und allein der Kamin mit den zwei davor stehenden braunen, alten, Sesseln verlieh dem ganzen Raum etwas Freundlichkeit.
Fenster gab es hier nur zwei Stück und die waren so weit oben an der Mauer, daß sie viel zu klein waren, um selbst bei vollem Sonnenschein den Raum erhellen zu können. Wenn Severus tatsächlich die meiste Zeit hier unten verbrachte, war es klar, warum seine Haut so fahl war.
Alcyone fühlte sich hier drin ganz und gar nicht wohl und obwohl im Kamin Feuer brannte, war es ihr kalt. Sie versuchte ihr Zittern zu verbergen.
„Setz Dich“. Es klang wie ein Befehl.
Alcyone setzte sich aufrecht in einen der Sessel beim Kamin. Sie war viel zu versteift, um bequem hinsetzen zu können. Sie legte ihre Hände in ihren Schoß und zog die Beine direkt an den Sessel.
Gerne hätte sie den Sessel näher zum Kamin hingeschoben, um so der Wärme näher zu kommen, lies es aber bleiben, weil sie Severus auf keinen Fall irgendwie verärgern wollte. Sie war schon angespannt genug und hatte immer noch angst. Würde sie Severus nicht anders kennen, als wie er im Moment zu ihr war, wäre sie wahrscheinlich schon längst wieder abgehauen. Dann wäre es ihr auch völlig egal gewesen, ob er sie dann als feige bezeichnet hätte.
Aber dem war glücklicherweise nicht so.
Severus setzte sich in den anderen Sessel und drehte ihn ein wenig, so daß er ihr direkt gegenüber saß. Sein Gesichtsausdruck war immer noch hart und das machte es Alcyone nicht leichter.
„Also gut. Fang an.“ Wieder klang es mehr nach einem Befehl, als nach einer Aufforderung. Vielleicht wollte er sie damit einschüchtern oder, was Alcyone immer mehr vermutete, verschwand damals mit ihr, auch jegliche Freude aus Severus Leben.
Dieser Gedanke war bei weitem der traurigste, denn sich Alcyone vorstellen konnte.
„Also“, begann sie und kam schon nach diesem unbedeutenden Wort ins Stocken. Wo und vor allem wie sollte sie anfangen. Sie hatte es sich so einfach vorgestellt. Noch vor ein paar Stunden war sie fest davon überzeugt gewesen, einfach zu Severus zu marschieren und ihm alles geradewegs zu erzählen, frei heraus. Doch das ging jetzt nicht mehr. Es gestaltete sich mit jeder Sekunde, die verstrich, zunehmendes schwerer und Alcyone fragte sich, wann sie den Punkt erreichen würde, bei dem sie nicht mehr in der Lage sein würde, überhaupt etwas zu sagen.
Alcyone wußte, daß sie schleunigst etwas sagen mußte, sonst würde es tatsächlich soweit kommen, daß ohne ein Wort gesagt zu haben von Severus rausgeworfen werden würde. Und dann wäre jegliche Chance, mit ihm zu reden, für immer verloren.
Sie faßte sich ein Herz, atmete tief ein und öffnete ihren Mund. Sie vermied es dabei, Severus direkt anzusehen, weil sie glaubte, daß ihr Mut sie dann wieder verlassen würde.
„Ich war nicht immer ehrlich zu Dir!“ brachte sie heraus.
Jetzt, nachdem sie die ersten Worte gesagt hatte, merkte sie, wie leicht es plötzlich war und begann ohne zu Zögern weiterzuerzählen.
„Damals, als Du mir vorgeworfen hast, daß ich Remus lieben würde, habe ich alles abgestritten. Ich habe Dir zu verstehen gegeben, wie absurd doch der Gedanke wäre. Was Du nicht weißt, ist daß Du sehr nahe an der Wahrheit dran warst aber gleichzeitig auch sehr weit entfernt.“
Jetzt traute sie sich einen Blick auf Severus zu werfen. Er saß da, die Hände im Schoß zusammengefaltet und schaute sie fragend an. Sie hatte es geschafft, seine Neugierde zu wecken und das machte es viel einfacher, weiter zu sprechen. Diesmal aber wandte sie sich nicht von seinem Gesicht ab, sondern blickte ihn direkt an, während sie weiter sprach.
„Ich liebte Remus. Das gebe ich offen zu.“
Sie sah Severus triumphierende Augen. Offensichtlich glaubte er, daß er mit seiner Theorie damals ganz recht hatte. Doch bevor er irgend etwas dazu sagen konnte, fuhr Alcyone fort.
„Ich liebe ich auch heute noch. Ich habe ihn immer geliebt und werde nie aufhören ihn zu lieben.“
Snapes Triumph dehnte sich auch auf einen Lächeln aus. Es war ein gemeines, triumphierendes Lächeln, das Alcyone nur dazu brachte, schnell auf den Punkt zu kommen.
„Aber ich liebe ihn nicht so, wie Du das vermutet hattest und wahrscheinlich immer noch vermutest. Ich tue es, weil, weil, weil er.“
Es war doch nicht so einfach wie sie dachte. Sie hatte es seit sie denken konnte allen verheimlicht. Nie hatte sie es jemandem gesagt. All die Jahre ihres Lebens war es ihr bestgehütetes Geheimnis gewesen. Soweit sie sich erinnern konnte hatte sie es niemand erzählen dürfen, alles natürlich nur zu ihrem eigenen Schutz.
Sie sah Severus an. Sein Blick sprach Bände. Zum einen war sein Triumph nicht mehr übersehbar und zum anderen schaute er Alcyone mit so einer Neugierde an, daß es ihr schon wieder leid tat, daß sie nicht in der Lage war, es ihm einfach zu sagen. Und dabei hatte er jedes Recht dazu, es zu erfahren.
Sie dachte daran, wie sehr sie ihn liebte. Sie dachte an all die Jahre voller falscher Wut und an all die Gefühle, die sie für Severus hatte. Sie mußte es ihm jetzt einfach sagen und sie wollte es, mit all ihrer Liebe.
„Remus Lupin“, sagte sie, langsam und deutlich. „Remus Lupin ist mein Bruder.“
Severus fiel die Kinnlade herunter. Sein triumphierendes Lächeln verwandelte sich über Abscheu und Entsetzen zur völligen Fassungslosigkeit.
„Das ist nicht Dein ernst? Du scherzt“ fragte er sie.
Alcyone nickte. „Doch Severus. Es ist mein voller ernst. Über so etwas mach man keine Witze.“
„Warum?“ Seine Stimme klang bei weitem nicht mehr so hart.
„Weil Du es verdienst, die Wahrheit zu erfahren.“
„Ich verstehe das ganzen nicht. Warum sagst Du mir das gerade jetzt?“
Alcyone schluckte. Jetzt mußte sie ihm nur noch sagen, warum sie es ihm verheimlicht hatte. Das war bei weitem auch keine einfache Sache.
Zu ihrer eigenen Verwunderung fiel es ihr jetzt gar nicht mal mehr schwer weiter zu reden. Sie hatte die Sache angefangen und sie war es Wert, durchgezogen zu werden.
„Weil ich bisher zu wütend war, um alles zu verstehen“, gestand sie wahrheitsgemäß. „Ich war wütend auf Dich, weil Du mir Sachen unterstellt hast, die absolut unwahr waren. Ich war wütend, weil Du meine Familie beleidigt hast, und damit auch mich. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich geglaubt habe, mich so in Dir getäuscht zu haben. Und in all meiner Wut, habe ich nicht Einmal daran gedacht, das ich auch selber daran Schuld war.“
Alcyone spürte, wie sie mit den Tränen kämpfte. Sie erzählte nicht nur Severus die ganze Wahrheit, nein, sie war such im Begriff ihm ihr Herz auszuschütten.
Ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, erklärte sie weiter. Dabei kamen ihr noch mehr Erkenntnisse, die sie bisher noch gar nicht realisiert hatte, „Ich war egoistisch. Ich habe nur an mich gedacht. All die Jahre habe ich Dich fast gehaßt. Ich habe Dich des Vertrauensbruchs beschuldigt und konnte einfach nicht verstehen, wie Du mir so etwas antun konntest. Und dabei habe ich Dich selbst dazu gebracht, dies zu tun. Ich habe nie darüber nachgedacht, daß Gerüchte über Remus und mich in Umlauf gehen könnten. Für mich war es als seine Schwester etwas natürliches, daß ich viel Zeit mit ihm verbrachte. Das es außer uns niemand wußte und darüber Mutmaßungen anstellen konnte, lag außerhalb meines Denkvermögens.“
„Warum habt ihr denn überhaupt so eine Geheimnistuerei darüber gemacht?“ fragte Severus. Inzwischen war er so gefangen von ihrer Erzählung, daß er keinerlei Boshaftigkeit oder Kälte oder Härte mehr seiner Stimme hatte.
„Da ist doch offensichtlich“, sagte Alcyone, die erstaunt darüber war, das Severus es nicht selber ableiten konnte. „Wegen dem, was er ist. Glaubst Du, ich hätte auf Hogwarts bleiben können, wenn herausgekommen wäre, daß er ein Werwolf ist?“
Severus schüttelte langsam den Kopf. Zum ersten Mal, seit Alcyone zu erzählen begonnen hatte, erlaubte sich Severus eine Körperbewegung, auch wenn es nur ein Kopfschütteln war.
„Deshalb habe ich es Dir damals nicht erzählt. Ich durfte es nicht.“ Das war nicht ganz richtig. Alcyone mußte es richtig stellen. „Remus hatte mich zur Seite genommen, am Abend des Tages, an dem wir uns kennengelernt haben. Er und Sirius hatten uns belauscht.“
Alcyone sah, wie Severus Gesichtszüge wieder erhärteten. Sie wußte, daß er gar nicht gut auf ihn und auch auf die anderen zu sprechen war. Das müßte sie auch noch klären. Aber alles der Reihe nach.
„Remus hatte mich darum gebeten, Dir nicht blind zu trauen und das beinhaltete auch, daß ich Dir die Tatsache unserer Verwandtschaft zu verschweigen hatte. Ich habe ihm gesagt, daß ich Dir voll vertraue, aber wenn ich es wirklich getan hätte, hätte ich es Dir sagen können.“
Sie wischte sich die einzelne Träne, sie ihr die Wange herunter lief, mit der Hand weg.“ Aber ich habe es nicht getan und das beweist doch offensichtlich, daß ich Dir nicht wirklich vertraut habe, auch wenn ich es geglaubt habe, daß ich es tat. Ich war davon fest überzeugt gewesen.“
Sie rümpfte die Nase. „Und dann passierte die Sache mit Sirius. Ich war wirklich böse auf ihn. Ich habe ihn dafür verantwortlich gemacht, daß er mein Leben zerstört hat. Das ging sogar soweit, daß er mir gleichgültig wurde. Ich hätte damals nie gedacht, daß er zu so etwas fähig wäre. Ich wußte, daß er viel Scheiß machen konnte, aber jemanden in den Tod zu schicken, daß hatte mich hart getroffen. Die Sorgen, die ich mir Deinetwegen gemacht haben, waren vollkommen echt. Ich hatte wahnsinnige angst um Dich und allein der Gedanke, daß jemand, den ich bis dahin als Freund betrachtet hatte, mir und Dir das angetan hatte, hatte mich so wütend gemacht, daß ich nicht in der Lage war, meinen Verstand zu gebrauchen. Das war letztendlich auch ein Grund, warum ich so ausgerastet bin.“
Alcyone atmete tief durch. „Willst Du wissen, warum er das getan hatte?“
Severus nickte.
„Er war eifersüchtig. Eifersüchtig auf Dich. Weil ich Dich geliebt habe. Sein Handeln war das Resultat aus seinem Haß zu Dir und seiner Liebe zu mir. Er konnte nicht verstehen, daß jemand wie ich jemand wie Dich lieben könnte. Für ihn warst Du damals eben der Severus Snape, der nicht fähig war, jemanden zu lieben. Ein Slytherin eben. Nicht fähig auch nur irgend etwas für andere zu fühlen. Aber er hat es eingesehen. Er versteht jetzt, daß Du im Grunde nicht so bist. Er hat auch lange gebraucht, um das zu verstehen.“
Severus Ungläubigkeit war nicht nur auf seinen Blick beschränkt. Alcyone konnte sie regelrecht spüren.
„Er hat es mir gestern gesagt. Ich habe mich mit und Remus die ganze Nach unterhalten und wenn die Beiden nicht gewesen wären, dann wäre ich vermutlich nicht hier. Sie haben mir zu verstehen gegeben, daß ich Dich zu unrecht verurteilt habe. Severus, es tut mir leid. Ich war es, die einen Vertrauensbruch begangen hat. Nicht Du! All die Jahre, habe ich mit falschen Vorstellungen über Dich gelebt. Ich war davon überzeugt, daß Du ein im Grunde doch ein schlechter Mensch bist. Ich habe alle diese Klischees und Vorurteile über Dich, die ich damals überhaupt nicht glaubte, letztendlich doch geglaubt und Dich in meinen Gedanken und Grundfesten zu dem gemacht, was alle immer über Dich gesagt haben. Und dabei war ich diejenige, die ein schlechter Mensch war, indem ich das alles zugelassen habe. Wäre ich von Anfang an Dir gegenüber ehrlich gewesen, wäre das wahrscheinlich alles nie passiert. Aber ich habe es nicht getan. Ich war unfähig dazu. Und das schlimmste dabei ist, daß ich Dich die ganze Zeit immer von ganzem Herzen geliebt habe und es nicht einmal gemerkt habe. All die Jahre. Das kann ich mir nie verzeihen!“
Alcyone flossen immer mehr Tränen herunter.
„Da ist noch etwas, daß mir leider erst jetzt bewußt geworden ist.“ sagte sie und mußte sich beherrschen, um noch klar sprechen zu können. „Ich habe Dir viel zu verdanken. Severus, Du hast mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Kennengelernt hast Du eine schlechte Schülerin, die naiv und schüchtern war und jetzt siehst Du vor Dir eine Erwachsene Person, die in einer leitenden Position ist und die sich getraut hat, Dir das alles zu sagen. Ohne Dich wäre ich niemals so mutig und selbstsicher geworden. Danke Severus.“
Das war’s. Sie hatte ihm alles gesagt, was sie ihm hatte sagen wollen. Jetzt lag es an ihm, mit dem Wissen, daß sie ihm gegeben hatte, daß zu tun, was er für richtig hielt.
Sie stand auf. „Ich lasse Dich jetzt besser alleine. Dann kannst Du in Ruhe darüber nachdenken, was ich Dir eben erzählt habe.“
Ohne sich umzudrehen lief sie auf die Tür zu. Severus machte keine Anstalten, sie aufzuhalten. Vermutlich würde er eine Weile brauchen, um das alles zu verarbeiten. Wahrscheinlich hatte er noch gar nicht richtig begriffen, was sie eben getan hatte. Immerhin hatte sie ihm grade ihr Herz ausgeschüttet und fast die ganze Schuld auf sich genommen.
„Vielleicht“, sagte sie leise, aber noch laut genug, daß Severus es hören konnte, „kannst Du mir das irgendwann verzeihen!“
Sie streckte ihre Hand nach der Türklinke aus und wollt sie gerade berühren, als sie der Klang eines Wort sie zusammenschrecken lies.
„Alcyone!“