Alcyone - Teil 2 - Rückkehr nach Hogwarts

 

 

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Kapitel 14: Eine andere Art von Magie


Erschrocken zog Alcyone ihre Hand zurück. 

Dann drehte sich langsam um. 

Sie sah Severus, der von seinem Platz aufgestanden war und direkt vor dem Sessel stand. In seinem Gesicht konnte sie keine Spur mehr von Verbitterung und Härte erkennen. Aber es war auch nicht der Severus, den sie kannte. Er war irgendwo dazwischen. Sein Blick verriet gleichzeitig Trauer, Überraschung, Fassungslosigkeit und – das fiel Alcyone trotz allem schwer zu glauben – eine Spur von Mitgefühl. 

Severus ging ein paar Schritte auf sie zu, blieb aber, so schätzte das Alcyone, etwa zwei Meter vor ihr stehen. 

„Das hättest Du nicht tun sollen“, sagte er. 

Die Ruhe in seine Stimme beruhigte Alcyone überhaupt nicht. Die Wahl seiner Worte trafen sie. Sie hatte gedacht, daß er jetzt verstehen würde und in gewissen Weise froh wäre, daß er die Wahrheit nun kannte und verstehen würde, warum sie damals so gehandelt hatte. Aber was tat er? Er sagte ihr, daß sie das nicht hätte tun sollen. 

War alles umsonst gewesen? Die ganzen Qualen, die sie auf sich genommen hatte. Sie hatte alles getan, für nichts. 

Sie konnte und wollte Severus Reaktion nicht verstehen. 

Vielleicht hatte er aber auch etwa anderes gemeint oder ihr einfach nicht richtig zugehört. Sie mußte das Klären. Sie wollte nicht so von ihm gehen. Ich nach alledem, was sie ihm gerade gebeichtet hatte. 

„Aber Severus“, begann sie und hatte vor, ihm noch mal mit aller Deutlichkeit zu sagen, warum sie es getan hatte. 

Doch Severus hob die Hand und unterbrach sie. 

„Laß mich bitte reden.“ Sagte er und es klang trotz der Ruhe immer noch wie ein Befehl. 

„Das hättest Du nicht tun sollen“, wiederholte er seine Worte. 

Alcyone fragte sich, ob er sie damit demütigen wollte. 

„Du hättest die Schuld nicht auf Dich alleine nehmen sollen!“ 

Alcyone riß die Augen auf. Hatte Severus eben tatsächlich das gesagt, was sie gehört hatte? Es war unglaublich. Sie starrte ihn mit fassungslosen Augen an. 

„Mich trifft die Schuld genau so wie Dich. Auch ich habe einen Vertrauensbruch begangen.“ 

Sein Gesicht zeigte Alcyone nun tiefen Schmerz. 

„Wenn ich Dir wirklich vertraut hätte, dann hätte ich Dir das mit Lupin nicht vorwerfen sollen und ich hätte Dir geglaubt, als Du mir versichert hattest, daß da nichts zwischen euch war.“ 

„Severus“, sagte Alcyone langsam und der Wunsch, zu ihm zu gehen und ihn in den Arm zu nehmen, gewann fast Macht über Alcyone. 

Severus bewegte seinen Kopf abwechselnd leicht nach rechts und nach links.„Du hast mir alles erzählt. Jetzt bin ich dran Dir alles zu erzählen.“ 

Alcyone glaubte, ein Lächeln auf Severus Gesicht zu erkennen. Ein kleine, unscheinbares, gequältes – aber ein echtes. 

„Es gibt so vieles, was ich Dir sagen möchte, schon lange, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Mein Stolz war viel zu groß, als daß ich auch nur darüber nachgedacht hätte, mit Dir Kontakt aufzunehmen.“ 

Er blickte kurz beschämt zu Boden. 

Alcyone mußte sich sehr konzentrieren. Der Drang, sich vor Liebe auf Severus zu werfen, wurde immer größer und alleine die Tatsache, daß er im Grunde gleich dachte wie sie, machte das ganze nicht einfacher. 

„Als ich Dich dann durch Dumbeldore erfahren habe, daß Du herkommst, war ich zuerst geschockt. Doch dann, als ich Dich beim Frühstück sah und Dir in die Augen blickte, da war es, als hätte ich in Deine Seele gesehen. Ich glaubte, darin alles zu erkennen, Deine Liebe mir gegenüber und die tiefe Trauer und Wut, die ich Dir damals zugefügt hatte. Es war, als hätte ich mit einem Mal erfahren, wie falsch und trostlos mein Leben seit dem Ereignis von damals bis jetzt gewesen war. Ich sagte mir, daß ich so eine Chance nie wieder bekommen würde. Also hab ich meinen Stolz überwunden und bin zu Dir ins Gewächshaus gekommen Ich wollte mit Dir darüber reden. Aber Du wolltest nicht. Als Du mich angeschrien und hast und wegschicken wolltest, da glaubte ich, das ich mich doch ich Dir getäuscht hatte und alles, was ich geglaubt hatte, in Deinen Augen zu sehen, nur Fassade war. Blendung. Das hat mir letztendlich den Rest gegeben. Und mein bisher schon so verbittertes Gemüt hatte seinen Tiefpunkt erreicht. Ich wurde noch gemeiner, als ich eh schon war.“ 

Alcyone, die inzwischen wieder aufgehört hatte zu weinen, spürte, daß sie wieder kurz davor war. 

Sie hätte gerne etwas zu ihm gesagt, ihn getröstet, mit Worten oder einfach nur mit einer simplen Umarmung, die wahrscheinlich viel mehr wert gewesen wäre, als billige Worte. Doch etwas hielt Alcyone zurück. Aus einem ihr unerklärlichen Punkt wußte sie, daß Severus noch etwas zu sagen hatte, daß ihm auf der Seele brannte. 

„Deswegen war ich vorher auch so abweisend zu Dir. Ich war furchtbar gekränkt wegen Deiner Abfuhr und habe an mir selbst und meinem Urteilsvermögen aufs tiefste gezweifelt.“ 

Er trat zwei Schritt näher an sie heran, so daß Beide nur nicht mal mehr einen halben Meter voneinander entfernt waren. Alcyone hätte ihre Arme ausstrecken können und ihn berühren. 

„Du weist gar nicht, wie viel mir das bedeutet, daß Du mir eben alles erzählt hast.“ 

Alcyone versuchte zu lächeln, aber mußte kläglich aussehen. 

Sie wollte Severus sagen, wie viel es ihr bedeutete, was er gerade eben zu ihr gesagt hatte. 

„Severus“, versuchte sie zu sagen, aber es klang mehr wie ein Schluchzen. 

Ihre Augen wurden feucht und sie spürte, daß sich eine einzelne Träne ihren Weg aus dem linken Auge erkämpft hatte und langsam ihre Wange herunter lief. 

Sie konnte trotz ihres getrübten Blickes erkennen, daß Severus noch einen Schritt näher auf sie zugelaufen war und seine Hand gehoben hatte. Er kam mit ihr immer näher an Alcyones Gesicht und wischte die Träne mit einer sanften Bewegung mit seinem Daumen weg. 

Das war’s. Jetzt konnte Alcyone sich nicht mehr zurückhalten. Diese Berührung hatte mehr in ihr ausgelöst, als alle in ihrem bisherigen Leben. Sie streckte ihre Arme aus, warf sich Severus, drückte ihren Kopf fest an seine Brust. Sie konnte seinen regelmäßigen, aber erhöhten Herzschlag hören. Seine Atmung war dafür ruhig und sein Brustkorb hob und senkte sich in langsamen, aber regelmäßigen Abständen. 

Alcyone schlang ihre Arme um seinen Rücken. So fest sie konnte drückte sie sich an ihn und ließ ihren Tränen freien Lauf. Das sie damit Severus Kleidung näßte, war ihr völlig gleichgültig. 

Sie spürte, wie Severus seinen linken Arm auf ihren Rücken legte und mit seiner rechten Hand ihr Haar und ihre Wange streichelte. 

Er küßte ihr Haar. 

Dieser Moment war voller Magie. Nicht die Magie, der sich Severus und Alcyone mit Hilfe ihrer Zauberstäbe oder Zaubertränke bedienten, sondern die Magie, die man nicht sehen konnte. Es war jene Art von Magie, die zwei Menschen nur sehr selten und unter ganz bestimmten Umständen zu spüren bekamen. 

Alcyone wollte, daß dieser Moment voll der wunderbaren Magie nie enden würde, aber sie wußte, daß das unmöglich war. 

„Alcyone“, sagte Severus schließlich. „Es gibt da etwas, was ich Dir noch sagen muß.“ 

Alcyone nickte, soweit das möglich war. 

Es ging mit Sicherheit darum, warum er sich allen gegenüber so gemein, gehässig, ungerecht und abweisend verhielt. Allen, mit Ausnahme von Slytherin. Das hatte er schon zum Teil beantwortet, als er ihr gesagt hatte, wie er mit dem Kummer von damals umgegangen war. Alcyone hatte ihn in sich hineingefressen, mit niemandem darüber geredet und so getan, als hätte es ihr fast nichts ausgemacht. Sie hatte immer nur behauptet, daß Remus recht gehabt hatte, mit dem, was er ihr über Severus erzählt hatte. Das all seine Warnungen wahr gewesen waren. 

Severus dagegen hatte zwar seinen Kummer und seine Wut nicht in sich hineingefressen, sondern die anderen spüren lassen. Vor allem Gryffindor. Das war natürlich klar, weil Gryffindor der Ursprung seines Grams war. Seine einzigen wenigen Freunde hatte er allesamt in Slytherin, es war seine Heimat in Hogwarts gewesen und nun war er Hauslehrer von Slytherin. Da erklärte es sich natürlich von selbst, daß er den Slytherins gegenüber keine Abneigung zeigte, wenngleich Alcyone wußte, daß auch Severus nicht alle wirklich mochte. Aber die anderen Häuser litten nun mal darunter. Und Harry, als James Sohn, hatte es natürlich besonders zu spüren bekommen. Harry war der einzige direkte Nachkomme der Personen, die Severus Leben und Liebe zerstört hatte. Er mußte Severus vermutlich an all die schmerzlichen Vorfälle erinnern, und das beinhaltete nicht nur den Vorfall mit Alcyone alleine, sondern auch den, als James sein Leben gerettet hatte und all die anderen Streiche, die James, Sirius und Remus ihm gespielt hatten. 

Eigentlich war es gar nicht so abwegig, daß er all die Jahre so reagiert hatte. Severus hatte offensichtlich niemanden, mit dem er über all das reden konnte. Alcyone hätte jederzeit mit ihrem Bruder reden können, wenn sie gewollt hätte. 

Doch das wollte er ihr gar nicht erzählen. Es war etwas anderes. 

„Alcyone“, sagte Severus. „Du weist, daß ich ein Todesser war.“ 

Es klang keineswegs gefaßt. In seiner Stimme war etwas, daß sich anhörte, wie tiefes Bedauern. Das Bedauern, ein Todesser gewesen zu sein. 

Alcyone hatte gespürt, wie schwer Severus diese Aussage gefallen war. 

„Ich weis es“, sagte sie sanft. „Remus hat es mir erzählt.“ 

„Aber warum bist Du dann überhaupt noch hier?“ fragte er sie überrascht. „Ich meine, Du müßtest mich für all die grausamen Taten hassen, die ich als Todesser begangen habe!“ 

„Severus“. Alcyone versuchte, soviel Kraft und Überzeugung in ihre Stimme zu bringen, wie es ging. „Es interessiert mich nicht, was Du alles getan hast, als Du ein Todesser warst. Weist Du, Remus hat mir auch erzählt, daß Du wieder auf die gute Seite gekommen bist, und zwar bevor Du-weist-schon-wer seine Macht verloren hatte. Und er hat mir auch gesagt, daß Du eine Zeit lang als Dumbeldores Spion gearbeitet hast. Das war unglaublich mutig und gefährlich. Letztendlich bist Du doch ein guter Mensch gewesen und hast es auch bewiesen. Das ist das Einzige, was für mich zählt!“ 

Es folgte eine Sekunde völligen Schweigens. Alcyone kam diese Sekunde wie eine Ewigkeit vor. 

„Alcyone“. Severus brach die Stille, in dem er ihren Namen aussprach. Die Art, wie er ihn nannte, gab Alcyone zu verstehen, wie sehr er sie auch liebte und wie froh er darüber war, daß sie ihn nicht verurteilte. 

„Alcyone“, wiederholte er. „Ich habe mich damals nicht in Dir getäuscht.“ 

Alcyone lächelte in Severus Gewand. Sie wußte, was er gemeint hatte. Sie war die einzige (mit Ausnahme von Dumbeldore vielleicht), die Severus wirklich kannte. Während alle anderen den Gerüchten geglaubt hatten hatte sie sich ihre eigenen Meinung über ihn gebildet. Sie hatte ihn selbst kennengelernt und ihn so erlebt, wie er wirklich war. Mit dem, was sie ihm gerade gesagt hatte, bewies sie ihm das erneut. Sie war mitunter die Einzige gewesen, die damals wirklich überrascht war, als Remus ihr berichtet hatte, daß Severus Snape zu den Todessern gegangen war. Natürlich hatte sie so getan, als hätte sie gar nichts anderes erwartet, so wie jeder andere auch, aber dem war nicht so. Innerlich hatte sie sich immer gefragt, wieso er das getan hatte. Ihre Wut auf Severus war groß gewesen und sie hatte geglaubt, ihn nicht gut genug zu kennen, aber in ihrem Unterbewußtsein hatte sei immer gewußt, daß Severus nicht von Grund auf böse war, sie war nur zu wütend, um es merken. Jetzt hatte sie es aber herausgefunden, daß es unmöglich war. Sonst hätte er sich nie mit ihr abgegeben und sich schließlich auch in sie verliebt. Es mußte etwas anderes gewesen sein. Aber das war jetzt egal. Er hatte bewiesen, daß er von Grund auf gut war und sie wußte das. Sie hatte es immer gewußt, nur nicht realisiert. Bis gestern. 

Sie wußte, wie schwer Severus das alles gefallen war. Vermutlich genauso schwer wie ihr. Aber es hatte ihr bewiesen, daß er sie noch genau so sehr liebte wie sie ihn. Sie war unsagbar froh darüber, daß sie den Mut aufgebracht hatte und zu ihm gekommen war. 

Es gab so viele, denen sie danken mußte. Sie dankte Harry, Ron und Hermine – vor allem Hermine – dafür, daß sie so neugierig waren, nachgeforscht hatten und sie besucht hatten. Sie dankte ihnen auch dafür, daß sie einen Brief an Sirius geschickt hatten. Sie dankte Sirius dafür, daß er darauf reagiert hatte. Sie dankte ihrem Bruder, daß er so verständnisvoll war und sie dankte Dumbeldore dafür, daß er sie nach Hogwarts geholt hatte. 

Ihre Tränen waren inzwischen wieder getrocknet, so aber nicht Severus Kleider. Sie fühlte, daß sie mit ihrem Gesicht auf ein durchnäßten Gewand drückte. Das war aber nebensächlich. Das würde auch wieder trocknen. 

Sie löste ihren Kopf von seiner Brust und hob ihren Kopf, so daß sie ihm direkt in die Augen blicken konnte. Dann zog sie ihre Arme von seinem Rücken zu sich vor. Sie legte ihre Hände auf sein Gesicht und zeichnete auf beiden Seiten seine Konturen nach. Von der Stirn, über die Wangen bis zu seinem Kinn. 

„Alcy!“ flüsterte sie. „Nenn mich bitte wieder Alcy.“ 

„Alcy“ hauchte Severus ihr zu. 

Alcyone legte ihre Hände ein Severus Nacken und schob sie etwas nach oben. Dann zog sie sanft seinen Kopf so weit zu ihr nach unten, bis sein Gesicht nur noch wenige Millimeter von ihrem entfernt war. Severus wehrte sich nicht. Sie konnte seinen Atem spüren, der ihr mitten ins Gesicht blies. 

Sie schloß ihre Augen und zog seinen Kopf noch ein Stück näher heran. So, daß sich ihre Lippen schließlich berührten. 


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