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Aurélia hatte ihn gefragt, ob er Tee möchte. Er hatte darauf keine Antwort gegeben. Er fragte sich ernsthaft, warum er sich hatte dazu überreden lassen einzutreten. Verdammt, sie war eine Todesserin. Was würde sie davon abhalten, zu Voldemort zu rennen und ihm zu erzählen, dass er etwas so wichtiges vergessen hatte? Würde sie ihn nicht als Schwach ansehen? Das wäre sehr gefährlich, denn es gab viele junge Todesser die auf seine Stellung scharf waren. Er blickte Aurélia durchdringend an. Aber vielleicht konnte sie ihm helfen. Schlussendlich hatte er ihr auch geholfen, als sie verzweifelt an seine Tür gepocht hatte. Er atmete tief durch und begann: "Es ist da etwas sehr ... dummes.... passiert. Gestern Nacht hatte mich der dunkle Lord zu sich gerufen. Ich hatte den Auftrag gehabt innert 24 Stunden einen speziellen Trank zu brauen und ihn ihm zu bringen. Das Problem war, dass ich die Zutaten nicht rechtzeitig geliefert bekam und so musste ich mit leeren Händen vor den Lord treten." Er hob die Tasse Tee, die ihm Aurélia unaufgefordert hingestellt hatte, an die Lippen und trank. Dann blickte er sie wieder ernst an. Snape sah in ihren Augen, dass sie bereits ahnte, was nun folgte. Sie kannte Voldemort schliesslich genauso gut wie er. "Nun, wie sie sich denken können," fuhr er fort. "War Voldemort nicht sehr erfreut darüber, dass sein Befehl nicht ausgeführt worden war." "Aber sie konnten doch nichts dafür, Snape. Ohne Zutaten-" mischte sich Aurélia ein, aber er schnitt ihr das Wort ab. "Das interessiert den Lord nicht, das wissen sie ebenso gut wie ich. Er war sehr zornig und hat mich mit... einigen sagen wir mal.... sehr kreativen Flüchen belegt." Aurélias Gesicht war weiss geworden, vermutlich erinnerte sie sich an ihre eigene Bestrafung vor ein paar Tagen. "Später durfte ich dann zurückkehren. Er hat mir einen neuen Termin für den Trank genannt, aber..." Snape seufzte. Sollte er es ihr sagen? Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und durch die Haare. Er fühlte sich schrecklich, dann blickte er wieder zu Aurélia, die ihn aufmerksam musterte. "Ich.... ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiss nicht mehr, was der dunkle Lord gesagt hat. Er muss mir einen Termin genannt haben, aber..." Snape starrte verzweifelt ins Feuer. Er wusste, dass dies der Anfang vom Ende war. Wenn er sich nicht mehr auf sein Gedächtnis verlassen konnte, dann... dann war sein Leben keinen Sickel mehr wert. Snape war wirklich verzweifelt. Aurélia ließ sich das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. War es ihr nicht zu großem Vorteil, wenn er endlich verschwinden würde? Nein, irgendetwas hielt sie davon ab, ihn einfach hängen zu lassen. "Und sie denken, man könnte das Datum mit Hilfe der Karten oder der Kugel herausfinden?" Ein schwaches Nicken kam als Antwort. "Das wird schwierig....Wir können es versuchen, aber garantieren tue ich nichts." Sie stand auf und holte einen kleinen Beistelltisch zum Kamin. Die Kristallkugel darauf schimmerte im Schein des Feuers. "Sie müssen mir jetzt genau zuhören, es ist wichtig." Er sah sie an. "Sie müssen in die Kugel sehen und sich auf das letzte Treffen mit dem Lord konzentrieren. Nichts anderes darf sich in ihren Gedanken abspielen, sonst könnte es passieren, dass sie keinen Zugang zur Kugel finden." Aurélia machte eine kurze Pause. "Ich werde ebenfalls versuchen etwas heraus zufinden, aber sie müssen mir trotzdem alles schildern, was sie gesehen haben. Jedes noch so kleine Detail, egal wie wirr es ist, könnte die Antwort enthalten." Sie rückte ein wenig näher an die Kugel und Snape folgte ihrem Beispiel. Eine Weile war es absolut ruhig. Wie sie befürchtet hatte, sah Aurélia nichts, die Kugel stellte sich total auf ihren Gegenüber ein. Langsam lehnte sie sich zurück und beobachtete ihn, während sie wartete. Mit einem Mal nahm das Gesicht des Zaubertrankmeisters einen verwirrten Ausdruck an, offenbar sah er etwas... Snape starrte angestrengt in die Kristallkugel. Zuerst war nichts zu sehen und gerade als er sich zurück lehnen und verkünden wollte, dass das alles doch nur Humbug ist, füllte sich die Kugel plötzlich mit grauem Rauch. Er runzelte die Stirn. Konnte das möglich sein? Der Rauch begann sich zu verformen, Gestalten wurden sichtbar. Sie bewegten sich. Er konnte Stimmen in seinem Kopf hören. Zuerst klangen sie wild durcheinander, doch plötzlich wurden sie so deutlich, dass er sie verstehen konnte. Er sah das dreckige Grinsen Voldemorts vor sich. Da kniete jemand vor ihm. Ja, das war er, Snape. Er kniete vor dem Lord und dieser lachte höhnisch. Snape lief ein kalter Schauer über den Rücken. "Snape," hörte er jetzt die kalte Stimme Voldemorts in seinem Kopf. "Ich habe schon immer geahnt, dass Du falsch spielst. Doch jetzt weiss ich es. Ich könnte Dich töten, aber nein. Das ist mir zu einfach. Schau her," Voldemort deutete auf eine schwarze Wolke, die immer grösser wurde und auf einmal löste sich die Wolke auf und das Gesicht von Clarissa erschien. Snape schluckte schwer. "Ja Snape, ich habe dein kleines Geheimnis gelüftet. Sie wird nun an deiner Stelle für den Verrat, den Du über Jahre an mir begangen hast, büssen müssen." Der Lord lachte. Er lachte immer lauter und irrer. Keuchend löste Snape den Blick von der Kristallkugel und setzte sich ruckartig in seinem Sessel nach hinten. Nein, das war absolut nicht das, was er hatte sehen wollen. Er schloss die Augen und versuchte sich ein wenig zu beruhigen. Voldemort konnte doch nichts von seiner Tochter wissen! Er durfte nichts von seiner Tocher wissen! Wenn ihr durch seine Schuld etwas zustossen würde, er könnte sich das niemals verzeihen. Er öffnete die Augen und blickte zu Aurélia, die ihn fragend ansah. "Haben Sie etwas gesehen, Snape?" fragte sie, als er von sich aus keine Anstalten machte, etwas zu erzählen. "Nein! Ich ... ich habe überhaupt nichts gesehen. Könnten.... könnten wir es irgendwie anders versuchen?" So sehr er sich auch bemühte seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Ganz schien es ihm doch nicht gelungen zu sein. Dies bemerkte Snape an dem seltsamen Blick, den ihm Aurélia zuwarf. 'Ich hätte nicht herkommen sollen' dachte Snape. 'Ich hätte auf Trelawney warten sollen, doch hatte ich eine andere Wahl? Bleib einfach ruhig, Severus. Bleib einfach ruhig.' Er hatte etwas gesehen, da war sich Aurélia sicher. Aber was? Es musste ihn ziemlich geschockt haben, dass er sich so benahm. "Nun ja...Die Tarotkarten wären noch eine Möglichkeit." Und ohne auf seine Antwort zu warten holte sie einen Stapel altwirkender Karten aus ihrem Umhang. Sie verteilte sie umgedreht auf dem Tisch und bedeutete Snape drei davon verdeckt zu ziehen. "Sie müssen auf ihr Gefühl vertrauen und die Karten ziehen, bei denen sie etwas spüren. Und denken sie daran, nur auf das Treffen konzentrieren." Er tat es, wie sie bemerkte, mit leicht zitternden Händen. Eine seltsame Aura lag in der Luft. Nun lagen drei Karten vor ihnen und Aurélia enthüllte die erste. Es war eine große Arkana, der Teufel war darauf zu sehen. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit, denn sie wußte, wer nur damit gemeint sein konnte und vorsichtig vermied sie Snape anzusehen. Die zweite Karte war eine Kelchkarte, sie trug die Zahl drei. Das musste die gesuchte Antwort sein. "Die Karten sagen, sie haben drei Tage Zeit bekommen. Das ist es doch was sie wollten?" Offenbar. Snape sprang aus seinem Sessel auf und wollte eben etwas sagen, als Aurélia auch die letzte Karte umdrehte. Ihr stockte der Atem. Als sie das letzte Mal diese Karte für jemanden aufgedeckt hatte, waren schreckliche Dinge geschehen, die ihr und das Leben anderer von Grund auf verändert oder zerstört hatten. "Der Tod..." Hauchte sie. Snape versuchte seine Nervosität zu verbergen, aber seine Hände zitterten leicht, als er die Karten vorsichtig auswählte. Die erste zeigte den Teufel. Das überraschte ihn keineswegs. Sie wussten beide, dass diese Karte dabei sein würde. Die zweite offenbarte, dass er drei Tage zeit bekommen hatte, dass hiess, dass morgen Abend der Trank fertig sein sollte. Oh-oh. Das bedeutete, dass er die Nacht durcharbeiten musste, sonst konnte er es nicht mehr schaffen... Er sprang auf und wollte gerade davoneilen, als Aurélia die dritte Karte aufdeckte. "Der Tod..." hauchte sie. Snape hielt inne. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er drehte sich zu Aurélia um und sah sie durchdringend an. "Was bedeutet das?" sagte er leise. Seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern... "Das letzte Mal..." Aurélia erinnerte sich daran, aber es war einfach zu grausam gewesen. Sie spürte seinen bohrenden Blick auf sich. "Der Tod...der Tod bedeutet oft das Ende." Sie schluckte schwer. "Es muss nicht das Ende eines Menschenlebens sein. Er kann auch einfach nur das Ende einer Aufgabe oder ähnliches darstellen." Glaubte sie selbst, was sie sagte? Die Karte hatte bisher immer Leben gekostet. "Ich kann es nicht sagen." Aurélias Stimme hatte einen erstickten Klang. Sie stand auf und kehrte ihm den Rücken, mit Tränen in den Augen. Zu stark waren die Gefühle, die diese Karte wieder heraufbeschworen hatte. Schnelle Schritte bedeuteten ihr, dass Snape eilig den Raum verließ. Snape sass beim Morgenessen und dachte nach. Die Vision, die er in der Kristallkugel gesehen hatte, liess ihn nicht los. Clarissa könnte in Gefahr geraten. Er war sofort zu Dumbledore gegangen und hatte ihm erklärt, dass er seine Tochter suchen würde, denn wenn sie Voldemort erwischen würde... Doch mitten im Gespräch mit Dumbledore war urplötzlich die Türe aufgerissen worden und Clarissa stand im Raum. Sie hatte ihn Vater genannt. Das hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Noch nie hatte er dies eine Wort von ihren Lippen vernommen. Doch ihre Stimme war voller Hass gewesen. Sie wusste nun, dass er ihr Vater war und mit ihr vermutlich bald die ganze Schule. Er hatte keine grosse Reaktion auf Clarissas Worte gezeigt und hatte das Büro des Schulleiters umgehend verlassen. Trotz dessen, dass er vermutlich einiges an Spott würde über sich würde ergehen lassen müssen, sie war ja eine Gryffindor und keine Slytherin, war er froh darum, dass sie nun endlich die Wahrheit kannte. Augenblicklich dachte er an die letzte Karte die Aurélia Mytam aufgedeckt hatte. Der Tod.... Wieder lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. ‚Voldemort darf nie erfahren, dass ich eine Tochter habe,' dachte er und schloss kurz die Augen. Snape fühlte sich müde und ausgelaugt. Er hatte die ganze Nacht an dem Trank für Voldemort gearbeitet und nun gönnte er sich die erste kurze Pause, doch essen mochte er nichts. Er trank bloss eine Tasse schwarzen Kaffee. Kaum hatte er ihn getrunken, stand er vom Tisch auf. Einige der Lehrer blickten ihn seltsam an, aber er kümmerte sich nicht darum. Snape verliess die grosse Halle, ohne einen Blick auf Clarissa zu werfen. Er konnte es nicht. Er hatte Angst davor, was er sehen könnte. Irgendwie fürchtete er, dass ihn hasste. Noch immer klangen, die verbitterten Worte von Clarissas Mutter in seinen Ohren, als er sie damals verliess... Kurze Zeit später betrat der den Kerker und verdrängte alle Gedanken. Der Unterricht würde erst in einer Stunde beginnen. Solange hatte er noch Zeit, an dem Trank weiter zu arbeiten. Wenn er das Mittagessen ausfallen lassen würde und die Zeit nützen würde um weiter zu machen, dann konnte er am Abend gleich nach der letzen Unterrichtsstunde noch einen Test machen und würde den Trank fertig haben, wenn ihn Voldemort ruft. Ja, so musste es funktionieren. Ein letzter Blick auf den Stundenplan verriet ihm, dass er die 5. Klässler Slytherin/Gryffindor schon am morgen haben würde. Die 6. Klässler wären dann am Nachmittag daran.... |