Die Verlorenen

 

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Kapitel 2: Kälte



Ich appariere in einem dunklen Saal. Ich bin einer der Letzten, wie immer. Seltsamerweise ist Voldemort tolerant, was meine zeitliche Verzögerung betrifft. Anscheinend hat er immer noch Verwendung für mich.

Die schwarzen Gestalten, genau wie ich in dicke, schwarze Umhänge mit weiten Kapuzen gehüllt und hinter Masken und Handschuhen verborgen, stehen in einem weiten Kreis. Unwillkürlich wandern Worte wie 'Kreis der Verdammten' durch meinen Kopf, während ich meinen Platz im Kreis einnehme. Da ich einer von Voldemorts engeren Vertrauten bin, stehe ich sehr nahe neben dem großen Thron, der noch leer ist. Dann wird es auf einmal eiskalt im Saal und Voldemort appariert. Wirklich, er ist ein Freund großer Auftritte. Es fehlt nur noch der schwarze Rauch. Lächerlich. Gefährlich lächerlich.

"Meine Freunde.. meine treuen Untergebenen... wie ich sehe, ist der Kreis geschlossen. Alle sind da.. welche Freude. Wir werden heute zwei neue Mitglieder in unseren Kreis aufnehmen.."

Der Kreis öffnet sich etwas und zwei kleinere Gestalten treten hinein. Sie sind unmaskiert - die Maske werden sie erst aufsetzen, nachdem man ihnen das Schwarze Mal eingebrannt hat. Sie halten die Köpfe gesenkt, so dass ich ihre Gesichter nicht erkennen kann. Beide treten sie vor den Thron und fallen dann auf die Knie. Sie küssen den Saum von Voldemorts weiter Robe und rutschen dann auf den Knien zurück, in die Mitte des Kreises. Voldemort schaut sie mit leuchtenden Augen an. Anscheinend sind sie ihm etwas wert. Gegenüber von mir steht Malfoy Senior, ich erkenne ihn an der kunstvoll verzierten Robe, dieselbe übrigens, die ich trage - zu meiner Schande... Voldemort hat sie uns 'geschenkt', als Dank für einen gelungen Auftrag. Noch hat er keine größere Gegenleistung gefordert. Aber was nicht ist, kann noch werden. Lucius, mein alter Peiniger - pardon, 'Freund' - freut sich über die neuen Mitglieder. Näher zur Macht, näher zum Sieg...

"Giftmischer!"

Ich schrecke hoch, wie immer, wenn Voldemort mich anspricht. Eine Stimme wie Reibeisen, so gefährlich... Ich trete vor, knie kurz nieder.

"Da es ehemalige Hogwartsschüler sind, steht dir die Ehre zu, ihnen mein Mal einzubrennen."

Ich senke nickend den Kopf. Wie ich ihn verabscheue.

"Danke, mein Lord."

Ich stehe wieder auf, drehe mich um. Die beiden Jungen stehen auf, direkt vor mir. Einer der niedrigeren Death Eater reicht mir einen Kelch, gefüllt mit einer dampfenden, roten Flüssigkeit. Ein Betäubungsmittel, das den der es trinkt, wie unter eine leichte Narkose stellt. Man wird müde, spürt aber weniger Schmerz und vor allem - man wird mehr oder weniger willenlos. Mein Meisterwerk. Schande über mich.

Ich hebe den Kelch kurz über meinen Kopf, reiche ihn dann dem vor mir stehenden Jungen. Er schaut mit direkt in die Augen, nimmt dann den Kelch und trinkt. Sanftes Grauen kriecht durch meine Adern, als ich ihn erkenne. Er hat letzten Sommer Hogwarts verlassen, nachdem er einen sehr guten Abschluss gemacht hat. Ein Slytherin. Ein sehr intelligenter Slytherin. Verdammt. Ich hatte so sehr gehofft, dass er es schafft. Dass er seinen Eltern widerstehen kann und seinen eigenen Weg gehen wird. Dass er mit der Schwärze in sich selbst fertig werden könnte. Er hat verloren.

Der zweite Junge zittert ein wenig. Er hat Angst, ich spüre es. Auch er nimmt den Kelch, trinkt, reicht ihn mir zurück. Es dauert allerdings eine Weile, bis ich ihn erkenne. In mir staut sich das Verlangen danach auf, zynisch zu lachen. Oder wenigstens zu schnauben. Aber ich bleibe still. Er wird noch früh genug erkennen, wie dumm es war. Es ist wieder einmal bewiesen, dass sich nicht nur meine Schüler dem Dunklen Lord zuneigen. Es gibt auch schwarze Gryffindors.

Ich warte einige Minuten, bis der Trank wirkt. Die Augen der Jungen werden etwas glasig, sie schwanken leicht. Schließlich drehe ich mich zu Voldemort um. Er nickt mir zu und vor mir in der Luft erscheint ein Dolch. Die lange Klinge blitzt im Licht der wenigen Fackeln kurz auf. Ich ergreife ihn, trete einen Schritt zurück. Das, was jetzt geschieht, muss schnell gehen. So schnell, dass die Jungen erst begreifen werden, was geschehen ist, wenn es vorbei ist.

Der erste Junge tritt vor, legt seinen linken Arm mit aufgerolltem Ärmel in meine ausgestreckte rechte Hand. Sanft fahre ich kurz mit der stumpfen Spitze der scharfen Klinge über die Haut und spüre, wie sich unter der Berührung des kalten Metalls eine Gänsehaut bildet. Ich hole tief Luft, seufze lautlos, schließe kurz die Augen. Wie ich diese Szenen immer hasse. Dann drehe ich den Dolch um, ritze ein Kreuz in den Arm, so tief, das Blut auf den Boden tropft, den schwarzen Marmor rot färbt. Schnell lege ich meine rechte Handfläche auf das Kreuz und drückte fest auf den Arm. Ich spüre, wie mein eigenes Mal aufglüht, schmerzt und wie die Woge von Energie durch meine Fingerspitzen auf den Arm des Jungen übertragen wird. Als der Junge dann endlich den Schmerz spürt und aufschreit, ist es schon vorbei. Das Schwarze Mal leuchtet auf seinem Arm.

Die ganze Prozedur dauert nur Sekunden, und wenig später hat auch der andere Junge das Schwarze Mal auf seinem Arm. Der Dolch verschwindet wieder und ich trete zurück in den Kreis. Beide Jungen fallen auf die Knie und küssen erneut den Saum des Mantels. Während der ganzen Zeremonie hat Stille geherrscht, die nur von den beiden Schreien unterbrochen wurde. Jetzt hört man im hinteren Teil des Saales das Schreien von Menschen. Keiner dreht sich um. Jedes weiß, was jetzt folgt.

Voldemort sieht die beiden neuen Death Eater an und wenn er lächeln könnte, würde er es jetzt tun.

"Zwei neue Mitglieder... das freut mich. Beweist mir euere Loyalität!"

Der Kreis öffnet sich und vier Death Eater zerren zwei schreiende Muggelfrauen in die Mitte. Sie sind beide noch jung, nicht älter als die zwei Jungen und schreien um ihr Leben. Offensichtlich hatte schon jemand seinen 'Spaß' an ihnen, denn ihre Kleider sind zerrissen und sie sind mit Blut verschmiert. In mir krampft sich alles zusammen. Wenn ich nur etwas tun könnte... aber ich kann nichts tun. Ich bin machtlos.

"Tötet sie!"

Voldemorts Stimme hallt durch den leeren Saal und die beiden Muggel hören auf zu schreien. Ihre Gesichter sind angstverzerrt. Todesangst - zu Recht. Der ehemalige Slytherin tritt vor, zieht seinen Zauberstab. Zu selbstsicher. Zu lässig.

"Avada Kedavra!"

Während er die tödlichen Worte ruft und der grüne Blitz eine der beiden Frauen tötet, sehe ich ihn vor mir, wie er in seiner ersten Schulwoche weinend im Bett saß, weil er seine Eltern vermisste und einige Gryffindors ihn geärgert hatten. Wie er gesagt hat, dass er nicht versteht, wie man so gemein sein kann. Ich weiß noch, wie ich ihn getröstet habe. Oh, verdammt.

Voldemort lacht. Ein kaltes Geräusch, ein Geräusch, vor dem man Angst haben kann. Könnte. Hat. "Sehr gut. Und nun die andere- töte sie!"

Der ehemalige Gryffindor tritt vor. Zieht zitternd seinen Zauberstab. Meine Augen sehen die Ratte, Pettigrew, wie er wohl damals gezittert haben muss. Was würde Minerva jetzt sagen. Wie gut, dass sie das hier nicht sehen muss.

"A..avada.. Ke....Kedavra."

Seine Stimme zittert. Es hätte mich nicht gewundert, wenn statt der Frau er selbst in die Luft geflogen wäre. Aber der grüne Blitz verfehlt sein Ziel nicht.

"Sehr gut. Nun, zwei neue Death Eater. Willkommen!"

Glücklich läßt der Ex-Gryffindor seinen Zauberstab sinken, verstaut ihn in seiner Tasche. Lässig lehnt sich der Ex-Slytherin an eine Säule. Er ist glücklich.

Ein Death Eater nach dem anderen disappariert. Erfahrungsgemäß warte ich eine Weile. Normalerweise macht Voldemort sich einen Spaß daraus, nachdem neue Death Eater, die ehemalige Hogwarts-Schüler sind, eingeführt wurden, meine Identität preiszugeben. Seht her, wer alle die Jahre mein Spion in Hogwarts war. Sie sind immer erstaunt. Erfreut. Überrascht. Natürlich kommt es auch heute so.

"Giftmischer!"

Alle sind verschwunden, selbst Malfoy. Nur noch ich, die zwei Neuen und Voldemort sind in dem großen Saal. Ich trete näher an den Thron, verneige mich.

"Mein Lord?"

Voldemort winkt die beiden Jungen näher. Sie knien nieder.

"Seht her, wer euch heute eingeführt hab."

Sie betrachten mich neugierig. Ich senke kurz den Kopf, hebe ihn wieder und setze die Maske ab. Der Ex-Gryffindor quietscht auf. 'Mein' Slytherin lächelt nur. Er neigt kurz den Kopf. "Professor." Ich nicke zurück. "Mr. Whitney" Währendessen starrt der Gryffindor mich an, als wäre ich ein besonders widerliches Reptil. Besonders unrecht hat er nicht.

Voldemort wendet sich wieder an mich. "Giftmischer, geh. Ich werde dir das nächste Mal einen neuen Auftrag geben."

Ich verneige mich erneut, setze die Maske wieder auf und disappariere. Als ich im Verbotenen Wald wieder appariere, ist es stockdunkel und es regnet. Ich lehnte mich an einen großen Baumstamm. Ziehe seufzend die Maske ab und lege den Kopf gegen den Stamm. Meine Augen suchen den Himmel, vielleicht auch Sterne. Aber die Äste sind so dicht, dass man keine Sterne sehen kann. Nicht einen einzigen.

Sanft prasselt mir der Regen auf den Kopf, durchnässt erst die Kapuze und dann, als ich sie abgezogen habe, meine Haare. Das kalte Wasser läuft über mein Gesicht, durchnässt meine Kleidung. Ich fühle mich wie unter einer kalten Dusche. Die Nachtluft ist klirrend kalt und ich atme tief ein und aus. Erst, als ich die warmen Tropfen auf meinem Gesicht spüre merke ich, dass ich weine. Eigentlich müsste ich Albus Bericht erstatten. Aber ich habe keine Kraft, aufzustehen.

-_-_-

4.10.2002 S/Fayet ( dafayet@hotmail.com )


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