Kapitel 4: Wut und Zorn:
Der erste Schultag schien einfach nicht zu enden. Nach Verwandlungen hatte Hermine Flugunterricht. Für keines der Fächer benötigte sie ihre ganze Konzentration und so hingen ihre Gedanken an Draco. Er hatte sie einfach ignoriert. Selbst als sie ihn direkt ansprach, spulte er nur die üblichen Beleidigungen herunter.
'Was ist nur los mit ihm?'
Für die Mittagspause hatte sie sich fest vorgenommen, die Sache ein für alle mal zu klären. SO konnte es nicht weiter gehen. Sie litt unter seiner Kälte und es war unerträglich ihn mit Pansy zu sehen.
Endlich ergab sich eine Möglichkeit. Vor der Halle traf sie auf ihn, ohne seine Begleiter, ohne Slytherin.
"Draco, ich muss mit dir reden!"
"Was ist los Granger, so einsam ohne Potter und den Feuermelder?"
"Draco bitte! Es ist wichtig."
"Was willst du?"
Sie zog den sich sträubenden jungen Mann in eine der unzähligen Nischen.
"Warum hast du keine meiner Eulen beantwortet? Was soll das ganze mit Pansy? Wieso bist du auf einmal wieder so kühl?"
Deutlich genervt atmete Malfoy aus und ignorierte gekonnt den anklagenden Tonfall. Er hatte keine Lust mit ihr zu reden. Wenn sie jemand sehen würde, wäre das äußerst unangenehm. Wie sollte er das nur dem kleinen Schlammblut erklären. Aber bitte, sie wollte ja unbedingt die Wahrheit wissen.
"Hör mal zu! Du bist ja ganz hübsch, aber ich steh nicht so auf Händchen halten und keusche Küsse! ..."
"Aber ich..."
"Pansy ist nicht so zimperlich. Sie weiß schon, was Sache ist. Nicht so prüde wie du, verstehst du mich? Also verschwende nicht länger meine Zeit und höre auf mir nachzurennen wie ein liebestolles Flittchen. Es ist aus, schnall das doch!"
"Draco wie kannst..."
"Lass mich endlich in Ruhe!"
Jedes Wort ließ Hermine mehr erbleichen, tat mehr weh. Mit vielen Dingen hatte sie gerechnet, aber nicht mit der Grausamkeit seiner Antwort. Es fühlte sich an, als würde irgendetwas in ihr zerbrechen und Tränen traten in die Augen. Doch sie würde nicht vor ihm weinen. Vor ihm nicht! Ginny hatte recht, er war nur ein schleimiges Reptil - und dennoch tat ihr Herz weh und sie spürte eine tiefe Verzweiflung. Erst als er sich einfach abwand und zum Essen ging, gab sie auf. Ihre Beine gaben nach und sie ließ sich an der Wand hinab gleiten. Starr wiederholte ihr Geist immer und immer wieder seine Worte und mit einem gequälten Aufwimmern ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
Sie verpasste die Pause und auch die nächsten Stunden. Erst als es zu dämmern begann, raffte sie sich mühsam auf und ging in den Turm der Gryffindor.
"Mensch, Hermine! Wo hast du nur gesteckt? Wir haben dich überall gesucht und Hagrid ist ziemlich sauer, weil du seinen Unterricht geschwänzt hast!"
Ron´s besorgte Stimme und der fragende Blick von Harry gaben ihr den Rest. Wieder brach sie in heftiges Schluchzen aus. Die beiden jungen Männer waren bestürzt, so hatten sie Hermine schon lange nicht mehr erlebt.
"Tut dir etwas weh? Hat dir jemand etwas getan?"
Harry klang mindestens genauso unsicher wie Ron, doch Ginny schaltete sofort und zog ihre Freundin sanft in ihr Zimmer. Sie tröstet sie so gut es ging, denn jene schwieg noch immer. Nur die Tränen schienen nicht versiegen zu wollen. Miss Weasley machte sich wirklich Sorgen. Irgendetwas stimmte einfach nicht mit ihr.
Erst die Sache mit Professor Snape und nun das? Was ging nur in ihr vor? Wer tat ihr so weh? Erst als Hermine einschlief, wagte sich Ginny wieder in den Aufenthaltsraum, wo das dynamische Duo immer noch auf sie wartete. Sie wusste nicht, wie sie ihnen alles erklären sollte. Doch Harry und ihr Bruder bombardierten sie sofort mit unzähligen Fragen.
"Wie geht es ihr?"
"Was ist den los mit ihr?"
"Hat ihr jemand weh getan?"
"War es einer der Slytherin?"
Müde winkte die junge Frau ab. Wie konnte sie diese Fragen beantworten? Sie wusste die Antwort ja selbst nicht. Dennoch unterhielt sie sich eine Weile mit den Beiden, ohne jedoch dem Problem einen Schritt näher zu kommen.
Als die Uhr die achte Stunde schlug, waren sie noch weit von einer helfenden Lösung entfernt. Seit den Ferien hatte Hermine sich verändert. Harry vermisste seine alte Freundin, und Ron, der sie sehr verehrte, war unsicher. Plötzlich durchbrach der hereinstürmende Neville die Stille, welche sich ausgebreitet hatte.
"Wo ist Hermine? Sie sollte seit einer halben Stunde im Kerker sein! Snape ist außer sich vor Wut!"
Erst verstanden die drei ihn nicht. Er war gerannt und sein keuchender Atem verschluckte so manche Silbe. Doch dann traf es sie.
"Harry, Ron, was sollen wir denn machen? Wir können sie doch unmöglich heute diesem... Monster aussetzen!"
"Nein, das geht nicht. Jemand muss es ihm sagen. Mach du das Harry!"
"Wieso ich? Mich hasst er doch am meisten! Mach du es Ron!"
"Nein! Auf gar keinen Fall!"
"Ich gehe sicher nicht zu ihm..."
"Gott, ihr stellt euch beide so dämlich an! Ich werde gehen und es ihm erklären. Das muss er doch verstehen!" Damit rauschte Ginny ziemlich aufgebracht aus dem Raum und verschwand in den Gängen. Harry und Ron sahen ihr eine Weile nach.
"Oh man, er wird sie lynchen! Vielleicht hätten wir doch gehen sollen. Schließlich ist sie deine Schwester und Hermine unsere Freundin!"
"Nee, Gin packt das schon. Die hält einiges aus und außerdem, vielleicht ist Snape gnädig, weil sie ein Mädchen ist?"
"Wann bitte war er das je?"
"..."
Dennoch machte keiner der Beiden den Versuch ihr nachzueilen. Sie packte das schon. Leider war sich Ginny selbst nicht so sicher. Im Geiste ließ sie sich verschiedene Entschuldigung einfallen, doch keine schien ihr angemessen. Sie hatte mindestens genauso viel Furcht vor Professor Snape, aber es ging hier schließlich um ihre beste Freundin. Der Weg zu den Kerkern erschien ihr heute unangenehm kurz und so stand sie plötzlich noch mitten in ihren Überlegungen vor seiner Tür.
Für einen kurzen Moment wollte sie einfach nur umdrehen und wieder gehen. Doch das würde niemandem helfen. Und so klopfte sie zaghaft an.
"Verdammt es wird ja auch Zeit. Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich warten lässt. 20 Punkte..."
Verwirrt brach Severus mitten im Satz ab und starrte die hereingetretene Schülerin böse an. Sie war hochrot und trippelte ängstlich auf der Stelle.
"Miss Weasley! Was suchen Sie hier!"
"Ich... ähm... also...wissen Sie..."
"Hören Sie auf so dämlich herum zu stammeln! Was wollen Sie hier?"
"Professor, ich wollte... wegen Hermine....ähm, krank!"
"Was ist mit Miss Granger?"
"..."
"Jetzt reißen Sie sich gefälligst zusammen!"
"Ich glaube jemand hat Hermine weh getan. Sie hat die ganze Zeit nur geweint und jetzt ist sie eingeschlafen."
In ängstlicher Geschwindigkeit hatte Ginny die Worte runter gespult. Irgendwie hoffte sie, dass die Wahrheit immer besser als eine Lüge sei. Mit hochrotem gesenkten Kopf wartete sie auf eine Antwort.
"Hat sie äußere Verletzungen?"
"N-nnnein?!"
"Haben Sie gesehen, wie ihr jemand weh tat?"
"Nein, aber ich..."
"Es gibt also keinen richtigen Grund heute hier fern zu bleiben?"
"Doch... ich meine nein? Es geht ihr... doch sicher!"
Mit seiner sanftesten Stimme, weich wie edelster Samt und einer Tonlage, die sinnlichste Freuden enthielt gab er sein Urteil bekannt.
"50 Punkte Abzug für Gryffindor für unentschuldigtes Fernbleiben, und 20 Punkte Abzug für Sie Miss Weasley, weil Sie meine Zeit verschwendet haben. Ich erwarte Miss Granger morgen Abend zur gleichen Zeit in meinem Kerker wiederzusehen. Habe ich mich Ihnen verständlich gemacht?"
"Ja, Professor Snape."
Damit war die Sache für ihn erledigt und er gab mit einer herrischen Bewegung die Erlaubnis zu gehen. Ginny wartete keine Sekunden. Mit fliegender Robe stürzte sie durch die Gänge zurück zum Aufenthaltsraum. 70 Punkte verloren!
"Wie soll ich das bloß den Anderen erklären? Wir gehen in unser letztes Jahr mit 55 Punkten im Minus! Oh mein Gott!"
Die beiden Feiglinge hatten auf sie gewartet und dabei eine Partie Zauberschach begonnen. Harry war wie immer am verlieren, was Ron ein Grinsen entlockte. Sie sahen auf, als Ginny in den Raum trat.
"Und? Wie ist es gelaufen?"
"Hat er es verstanden?"
"*schnief*"
"Hey, was ist den los mit dir?"
Doch Ginny brach selbst in Tränen aus und stürmte an den Jungs vorbei in ihr Zimmer. Ziemlich verdattert sahen Ron und Harry sich an.
"Mädchen sind echt zu komisch."
"Na ja, sie ist deine Schwester!"
"Ja schon, aber..."
"Wahrscheinlich war Snape gemein zu ihr!"
"Möglich. Morgen geht's den Beiden bestimmt schon besser."
"Spielen wir weiter?"
"Ja, is gut."
Damit wanden sie sich wieder dem Spiel zu und versuchten nicht an die beiden Mädchen zu denken. Wer verstand schon Mädchen?
Zurück