Die Lawine

 

 

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Kapitel 2 - Worin Ron seinem Ziel ein Stück näher kommt



„Mann, mir ist richtig schwindlig“, keuchte Ron, als sie nach endlosen Minuten unsanft auf einer mit Steinen übersäten Wiese gelandet waren.
„Sieht aber seltsam hier aus und kalt ist es außerdem“, maulte Lavender.

In diesem Moment machte es dreimal ‚Plop’. McGonagall, Flitwick und Snape waren angekommen.

„Oh ... gut, dass ich drei Winterumhänge eingepackt habe“, meinte Minerva fröstelnd.
Severus Snape dachte rasch an den dicken schwarzen Pullover, den er zu guter Letzt doch noch in seine Taschenminiatur gezwängt hatte.
„Mein Rucksack kann auch als Schutzzelt genutzt werden.“ Flitwick zeigte stolz auf das bunte Etwas.
„Für dich vielleicht ... für mich gäbe es bestenfalls eine Mütze ab“, murmelte Snape grimmig.

In der Ferne war ein kleines Haus zu erkennen, das sich wie ein Fremdkörper in der rauen Landschaft ausnahm.
„Dort hinten, das wird unsere Herberge sein, lasst uns hingehen, Kinder. Und denkt daran, ich verbitte mir ab sofort jede Zauberei! Steckt Eure Zauberstäbe gut weg.“ McGonagall marschierte schwer beladen mit gutem Beispiel voran.

„Ihh, hier liegen ja wirklich Knochen rum“, stellte Neville angewidert fest.
Hermine hatte natürlich sofort eine Antwort bereit.
„Es ist noch gar nicht solange her, da wurden auf diesem Feld alte keltische Hexenrituale abgehalten. Die haben solche schwarzen Muggel-Hunde geopfert, ihnen das Hirn rausgenommen und dann fein zerkleinert in den 8-Sinne-Trank getan, um die unglaublichen Riech- und Hörfähigkeiten der Tiere auf sich zu übertragen.“

„Unglaublich ist hier nur Ihre Fantasie, Miss Granger. Einen größeren Unsinn habe ich noch nie gehört. 10 Punkte Abzug für das Verbreiten unwissenschaftlicher Lügenmärchen.“

Snape. Natürlich. Er hatte ein untrügliches Gespür dafür, stets in den unpassendsten Augenblicken aufzutauchen.

„Aber Professor, ich habe das gelesen in ...“
„Und noch mal 10 Punkte Abzug, wegen unerträglicher Rechthaberei.“

... Das ist so ungerecht ... so gemein ... warum lässt er mich nicht mal zu Wort kommen ... oh ich hasse ihn ... ja, ich hasse ihn ...

Alle schauten betreten nach unten.
„Jetzt gehen Sie endlich, ich glaube kaum, dass einer von Ihnen hier draußen übernachten möchte“, herrschte Snape sie barsch an.

... Widerlich ist das alles ... soll Dumbledore doch selbst mitreisen, wenn er es für so wichtig hält ... mit mir nicht mehr ... schade um die verschenkte Zeit ... jedes Buch leistet bessere Gesellschaft als dieser Kindergarten ... die Granger bringt mich noch ins Grab mit ihrer Besserwisserei ... warum rege ich mich überhaupt auf ... nach fast sieben Jahren ...

Der Zaubertranklehrer schüttelte sich genervt, strich sich mit einer entschlossenen Handbewegung die Haare aus den Augen und wollte den Schülern folgen.

Plötzlich spürte er einen leichten Schwindel. Es kam wieder. Es presste seinen Magen zusammen und breitete sich unaufhaltsam in seinem Inneren aus. Brannte sich in seine Eingeweide. Gleich würde er sich übergeben müssen. Sein Blut nach und nach ausspeien, bis seine Adern ausgelaugt waren. Wenn es schlimm kam ...

Fahrig griff er in eine verborgene Innentasche seines Umhangs, zerrte eine kleine Phiole hervor, riss den Verschluss auf und ließ einige Tropfen der öligen grünen Flüssigkeit in seinen Mund gleiten. Schon nach wenigen Sekunden setzte die Wirkung ein. Der Schmerz ließ nach, das Leben kehrte in seine Adern zurück. Er richtete sich vorsichtig auf und atmete tief durch. Er fühlte sich elend, wie nach einer schweren Krankheit.

... Warum jetzt ... nicht in der Nacht ... wenn du siehst, dass die Vögelchen ausgeflogen sind ... du Teufel ... du verdammter Teufel ... es wird auch dein Tod sein ... wenn ich nicht vorher draufgehe ...

Glücklicherweise waren die anderen schon ein Stück entfernt und hatten anscheinend nichts von seinem Anfall mitbekommen. Bemüht, sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, ging er langsam auf das Haus zu.

„Na, Severus, Sie sehen ja aus, als ob Sie gerade dem Teufel begegnet wären. Ist Ihnen nicht gut?“ McGonagall hatte am Eingang gewartet und fasste ihn jetzt besorgt an den Arm. Hastig wich er zurück.

„Kümmern Sie sich ... ähm ... es ist nichts, gar nichts“, entgegnete er betont gleichgültig und schritt eilig an ihr vorbei. Weiber ... und doch hatte die alte McGonagall wieder einmal fast ins Schwarze getroffen.

***



Eine mütterlich dreinblickende ältere Frau empfing sie in der großen Diele des trutzigen Granitstein-Hauses.

„Ich dachte schon, Sie kommen heute gar nicht mehr. Wegen der Unwetter der letzten Tage ist die Zufahrtsstraße gesperrt. Eine Lawine ist aus den Bergen runtergekommen. Alles zugeschüttet. Die Natur spielt mal wieder verrückt. Wie sind Sie denn überhaupt bis hier durchgekommen?“

McGonagall warf einen kurzen hilflosen Blick zu Snape hinüber. Oh Gott, auf eine solche simple Frage waren sie nicht vorbereitet.

„Wir sind geflogen.“ Snape hatte dies in einem derart trockenen, sarkastischen Ton hervorgebracht, dass die Frau ihn zuerst verunsichert ansah, sich dann jedoch zu einem Lachen entschloss.

„Sie sind ja ein Scherzbold. Na, kommen Sie schnell rein ins Warme, die Kinderchen werden ganz durchgefroren sein.“

Besonders komfortabel war die Herberge nicht. Ein Schlafsaal für Jungen, einer für Mädchen. Zwei Duschen für alle. Ein beengter Raum zum Essen und Aufenthalt. Und vom Begriff Wärme hatte die freundliche Wirtin wohl eine ähnliche Auffassung wie die Eskimos.

Snape glich einem Vulkan Sekunden vor dem Ausbruch. Er sollte sich mit Flitwick ein rund 2 x 3 Meter großes Kämmerlein teilen.

Schon hatte er den Mund zu einem saftigen Fluch geöffnet, als McGonagall ihn heftig in die Seite stieß. „Severus, nicht auffallen, zügeln Sie sich!“

Snape biss sich wütend auf die Unterlippe und schwieg.

... Immer noch besser, als mit dir in einem Zimmer ... wenn Flitwick schnarcht, fliegt er aus dem Fenster ... mit samt seinem Schutzmützchen ...

***



Nachdem sich alle einigermaßen eingerichtet hatten, wurde zum Mittagessen geläutet. Die Hogwarts-Schüler, verwöhnt durch üppige Vielfalt und den lautlosen Service der Hauselfen, zogen lange Gesichter. Mausgrauer Porridge und faktisch gewürzloser Irish Stew. Dazu ein zäher, blasser Ginger-Pudding.

„Hmm, das schmeckt aber lecker.“ Flitwick löffelte tapfer und nickte der Wirtin freundlich zu, die tatsächlich vor Freude errötete.

„Wer hat dieses Loch hier ausgesucht?“, fragte Snape leise McGonagall. „Ich kriege das Zeug nicht runter.“

Der Brei in Minervas Mund quoll immer mehr auf. „Ich ... die Adresse ... in einem dicken gelben Buch der Muggel gefunden ...“, würgte sie hervor.

Der Zaubertranklehrer schmiss seinen Löffel auf den Tisch und erhob sich.
„Am Nachmittag werden Professor Flitwick und ich die Gegend erkunden. Morgen um 8 Uhr beginnt Ihre Arbeit. Bis dahin: Keiner verlässt das Gelände. Ich brauche sicher nicht deutlicher zu werden.“

Er warf einen bitterbösen Blick in die Runde und rauschte aus dem Raum.

***



Severus Snape musste dringend an die frische Luft. Der Porrigde vollführte einen wilden Tanz in seinem rebellierenden Magen.

... Wie soll ich diese verfluchte Exkursion nur durchhalten ... und was wird heute Nacht werden ... nur nicht daran denken ... ich würde mich am liebsten verkriechen ... in irgendeine dunkle Ecke ... in meinen Kerker ... niemanden sehen ... lasst mich doch alle in Ruhe ... alle ...

Er lehnte sich schweratmend an einen Brennholzstapel vor dem Haus.

„Severus, so warten Sie doch!“ Flitwicks Hoffnung auf ein kleines friedliches Mittagsschläfchen schwand dahin. Nun gut, sie mussten ja noch die Route für den morgigen Tag festlegen. Hoffentlich wuchsen die Zauberkräuter, die laut einschlägiger Literatur in diesem Gebiet vorkommen sollten, tatsächlich hier. Zwischen Theorie und Praxis klaffte oft ein beträchtlicher Unterschied. Das war nicht erst seit Gilderoy Lockhart bekannt. Ungeschickt kugelte er vom Hocker und stürzte dem Zaubertranklehrer hinterher.

Harry und Ron feixten sich an.
„Snape hat ja heute wieder eine Laune. Rennt wie ein angestochenes Wildschwein raus.“
„Keine andere Laune als sonst. Aber der Fraß ist wirklich unter aller Sau.“
„Der vermiest einem richtig die schönen freien Tage.“
„Oh, da haben Sie aber etwas falsch verstanden, Mr Weasley - Sie sollen hier arbeiten, nicht Ferien machen. 100 Punkte Abzug wegen Gehirntotalverlust ...“
Harry grinste breit und boxte Ron auf den Oberarm.
„Und Sie, Potter, 1000 Punkte Abzug dafür, dass Sie in meiner Gegenwart geatmet haben ...“
Ron boxte zurück.
„Jedenfalls, wie Kräuterhexen durch den Wald schleichen und Pilze erschrecken, nee, das ist nichts für mich“, meinte Ron schließlich.

Hermine hatte die ganze Zeit mit verkniffenem Mund dagesessen.
„Hey, nun lach doch mal, was ist denn los?“ Harry begann jetzt auch Hermine zu boxen.
„Will nicht, lasst mich ...“ Hermine sprang auf und rannte hinaus.
„War irgendwas im Essen, oder warum hetzt die auch so genervt hier rum?“ Harry blickte Hermine verblüfft hinterher.
„Ach nee, weißt doch, sie kann das nicht ab, wenn Snape sie so runterputzt. Da knabbert sie den ganzen Tag dran. Ich geh mal zu ihr.“

... Muss sowieso noch was mit ihr besprechen ... wegen heute Abend ... wie fange ich bloß an ... darf keiner mitbekommen ... oh Mann, wäre das peinlich ... wenn sie ablehnt ... tu mir das nicht an, Mine ..

Hermine stand vor dem Brennholzstapel, an dem vor kurzem noch Severus Snape gelehnt hatte, und kämpfte gegen die Tränen an.

... Reg dich nicht so auf ... du müsstest doch nach so vielen Jahren Snape viel cooler sein ... er wird dir garantiert das Abschlusszeugnis versauen ... warum hasst er mich so ... er hasst uns alle ... wie wir ihn ... aber mich besonders ... dabei will ich ihm doch gar nichts Böses ... ich mag sogar Zaubertränke ... ehrlich ...
er hat manchmal so einen Blick ... wenn er sich unbeobachtet glaubt ... so traurige dunkle Augen ... an was denkt er dann ... ich möchte ihn einmal richtig lachen sehen ... oh Gott ... du bist total verrückt ... Schluss jetzt ... Snape ist ein arroganter herzloser Fiesling ...


Hermine stieß mit dem Fuß brutal gegen den Holzstapel, um von diesen seltsamen Gedanken loszukommen. Mit einem lauten Krachen fielen die Hölzer zusammen.

„Miss Granger, von Ihnen hätte ich das nicht erwartet.“ Das war - nein, dieses Mal nicht Snape - es war McGonagall, die gerade rechtzeitig aus der Tür getreten war, um Hermines Wutaktion mit anzusehen.

Doch Hermine blieb nichts erspart, denn jetzt kam zu allem Unglück Snape herangestürzt.
„Was ist ...?“ Mit einem Blick hatte er die Situation erfasst und grinste schadenfroh.

... Bleib ernst ... die Kleine hat ja Charakter ... als ob du das nicht längst wüsstest, Severus Snape ... sonst würdest du dich ja nicht ständig von ihr herausfordern lassen ... aber das hier gefällt mir ... aus dir kann noch was werden, Granger ... dafür werde ich dir keine Punkte abziehen ... nein ... dafür nicht ... und über den Grund kannst du lange nachgrübeln ... ha ... du wirst nicht darauf kommen ..

Die geballte Ladung McGonagall und Snape - das konnte Hermine nicht länger ertragen. Aufschluchzend rannte sie ins Haus, um sich in der einzigen Toilette einzuschließen.

Kopfschüttelnd schaute Minerva Severus an.
„Die jungen Mädchen heutzutage ... scheinbar so gut erzogen und dann das ... Ich dachte, Sie sind schon unterwegs, Severus?“
„Hmm, muss noch den Kompass holen.“

Minerva schlug die Hände vor das Gesicht.
„Oh je, und wer räumt jetzt das Holz ordentlich zusammen? Ohne Zaubersprüche?“
„Ich glaube, da habe ich eine vortreffliche Idee ...“
Snape fixierte mit einem teuflischen Aufblitzen in seinen Augen Ron Weasley, der gerade auf der Suche nach Hermine aus dem Haus geschlendert kam.

***



... Cruciatus ist viel zu harmlos für dich, Snape ... Auroren auf dich hetzen ... und dann tschüss ... Askaban ... für immer ... du schleimige Schlange ... das kannst du nie wieder gut machen, Hermine ... oder vielleicht doch ... so ein Pech aber auch ... shit shit shit ...

Endlich war der Stapel wieder akkurat aufgebaut und Ron setzte sich aufgebracht und schwitzend auf den Boden.

„Ronny?“
Hermine hatte, nicht zuletzt auf die drängenden Bedürfnisse der anderen hin, ihren Zufluchtsort aufgegeben.
„Tut mir Leid. Ich war so sauer wegen heute früh. Mist auch, dass es gerade dich erwischen musste.“
„Das war doch klar, oder hättest du gedacht, Snape räumt die Dinger selbst zusammen?“

Schuldbewusst hockte sich Hermine neben ihn.

„Ähm ... da du nun hier bist ... ich wollte dich fragen, ob wir nicht zusammen einen kleinen Spaziergang machen könnten, nach dem Tee vielleicht oder später ... hier soll es interessante Höhlen geben, habe ich gelesen.“

Vorsichtig linste er zu ihr hinüber. Jetzt kam der Moment der Wahrheit ...

„Aber Ron, wenn Snape uns erwischt ...“, meinte Hermine zweifelnd. Ihr Tagesbedarf an den Ausgeburten snapischer Gemeinheit war überreichlich gestillt.

Das war zumindest kein definitives Nein.
„Überlass das nur mir“, tat Ron überlegen, „also abgemacht, nach dem Tee treffen wir uns hier draußen?“
Hermine überlegte kurz, warf dann trotzig den Kopf nach hinten.
„Nach dem Tee.“

***



Snape und Flitwick waren unterdessen tief in das unwegsame, waldige und felsige Gelände eingedrungen. Mehr als einmal war der Zaubertrankmeister genötigt, seinem zwergenhaften Kollegen über riesige Baumwurzeln hinweg zu helfen oder ihn aus gestrüppüberwucherten Löchern zu befreien. Aber auch Snapes Umhang verfing sich ständig in irgendwelchen Ästen und war hier und da aufgerissen, was seine Stimmung nicht gerade anhob.

„Severus, sehen Sie nur, dort ... das Osmanthuskraut!“, rief Flitwick erfreut.
„Tatsächlich, ich hätte nicht gedacht, dass wir es finden.“

Dann stutzte Snape. Woher kannte Flitwick ausgerechnet dieses seltene Kraut?
Bisher hatte er die Begleitung des kleinen Lehrers als notwendiges Übel empfunden, aus welchem Grunde auch immer so festgelegt von Albus Dumbledore. Jetzt begann er zu verstehen. Da steckte doch mehr in dem Zwerg, als er ihm zugetraut hätte.

Fast freundlich fragte er ihn: „Woher kennen Sie sich so gut aus mit Zauberkräutern, Flitwick? Geheime Leidenschaft?“

„Ach, wissen Sie, nehmen Sie mir das nicht übel, Severus. So wie Sie gern Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten würden, war es mein innigster Wunsch, Zaubertrankkunde zu lehren. Doch damals, nach Voldemorts Verschwinden, holte Dumbledore Sie nach Hogwarts ...“

Snape zuckte unmerklich zusammen.

... Flitwick ... hat Albus ihn etwa eingeweiht ... was weiß er ... nicht schwierig, eins und eins zusammenzuzählen ... schlummert da was in dem Zwerg ... Rache ... Unsinn ... nach 16 Jahren ... doch nicht dieses Würstchen ... sieh mal an ... der kleine Flitwick ... ich sollte ihn ernster nehmen ...

Er sah den anderen prüfend an. Doch der lächelte nur sanft. Sanft und wissend.
Ohne ein weiteres Wort beugte sich Snape zu den Pflanzen hinunter.

***



Ron wuselte aufgeregt umher. Packte Sachen in seine Tasche ein und im nächsten Moment wieder aus.

... Wenn es super läuft ... brauchen wir die Decke ... und einen Schluck zu trinken ... das macht locker ... die magische Fackel auf jeden Fall ... wird ja rasch dunkel ... ein Glück auch ... wenn ich knallrot werde, sieht sie es nicht ... wie sich ihre Lippen wohl anfühlen ... ob sie schon mal einen Jungen richtig geküsst hat ... und das Andere ... hoffe nicht ... wen denn auch ... obwohl ... mit 17 haben viele schon ... nur ich nicht ... und sie auch nicht ... bestimmt ... sie wäre ja lieber als Buch geboren ... nicht als Frau ... dabei hat sie so eine süße Figur ... das muss ihr nur mal einer klar machen ... ich muss dringend mit Harry sprechen ...

„Harry?“
„Spuck’s schon aus, Alter. Willst dich verdrücken?“, fragte Harry zurück mit einem deutlichen Blick auf Rons chaotisch gepackte Tasche.
„Ähm ... du weißt doch ... ich will mit Hermine endlich allein sein ... wird Zeit ... du hast doch nichts dagegen?“
„Wo denkst du hin, bin nicht scharf auf sie. Als Frau, meine ich. Die kleine blonde Ravenclaw, Chrissi, um die werde ich mich ein wenig kümmern.“
„Krass, ist mir noch gar nicht aufgefallen.“
„Weil du liebesblind bist, Alter. Ich wünsch’ dir jedenfalls viel Glück bei unserem gelehrten Kaktus.“
„Ich halt’s einfach nicht länger aus. Nach dem Tee ziehen wir ab. Also, falls es später wird ...“, Ron grinste breit, „sorg’ dafür, dass es so aussieht, als ob wir schlafen. Lass dir was einfallen.“
„Und zum Abendbrot? Was sage ich da?“
„Kopfschmerzen? Übelkeit? Wäre verständlich nach dem Mittagsfraß. Der Tee wird auch nicht besser sein.“
„Ich befürchte nur, dass sich Snape nicht so leicht täuschen lässt. Ausgerechnet ihr beide ...“
„Ach was, dem war auch schlecht. Meint Hermine zumindest. Das schluckt der schon.“
„OK, ich geb’ mir Mühe. Achtung, Tasche weg, Malfoy kommt!“

***



Kurz nach dem 17 Uhr-Tee huschte Ron unauffällig aus der Herberge und duckte sich hinter den Holzstapel. Professor Snape war nicht zum Tee erschienen, wer weiß, wo er sich gerade rumtrieb. Vorsicht war also geboten. Endlich kam Hermine angeschlichen.

„Konnte nicht eher. Die blöde Bulstrode hat mich wieder angemacht, die ist echt lästig. Leider auch so kräftig ...“ Sie rieb sich den Arm.
„Hast du unseren Zaubertrankspezi irgendwo gesehen? Nicht, dass wir ihm direkt vor den Bug laufen“, fragte Ron leise.
„Habe nur gehört, wie Flitti zu McGon sagte, dass Snape lieber einen Spaziergang machen wollte, als den bitteren Tee zu genießen.“
„Oh Shit, wenn der uns erwischt ... und Harry erzählt gerade allen, dass wir vor lauter Übelkeit ins Bettchen mussten.“
„Ach was. Ich glaube, die Luft ist rein. Komm.“

Hermine war in kriegerischer Laune.

... Ich werde es ihm zeigen ... ich werde heute doch die Siegerin sein ... mit mir nicht, Professor ... und Ronny ... er ist lieb ... hab ihn wirklich gern ... warum also nicht ...

„Mann, was schleppst du denn da mit?“
„Och, falls es dunkel wird ... und kalt ... nun schau mich nicht so an ...“

Bemüht, besonders leise zu sein, huschten sie in die schützenden Schatten der Bäume hinüber.

***



Severus Snape stand auf einer Anhöhe und starrte gebannt auf ein dickes Felsmassiv hinab. War es nur Einbildung, oder hatte er bei dem Erkundungsgang mit Flitwick wirklich das Zeichen an der Felswand neben einem dunklen Höhleneingang gesehen? Das Erkennungszeichen, das nur für die engsten Vertrauten des schwarzen Lords sichtbar war? Nicht der grüne Totenkopf, sondern die Schlange, die sich um ein Doppel-Kreuz schlängelt? Dann befand sich hier in der Nähe, wahrscheinlich in der Höhle, ein geheimer Treffpunkt der treuesten Todesser, zu denen auch er gezählt wurde. Immer noch.

Abgelegen genug war der Ort ja. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Voldemort das Zeichen aktivieren würde. Nicht auszudenken, wenn das in den nächsten Tagen geschehen sollte. Sie würden alle kommen und es würde keine Gnade geben. Die gab es schon lange nicht mehr. Auf beiden Seiten nicht.

... Du wolltest unbedingt hierher, Snape ... das Osmanthuskraut finden ... 60 Kinder ... ein kompletter Jahrgang ... auch wenn du die Blagen verabscheust ... diese Schuld könntest du dir nie verzeihen ... am Tage sind sie sicher ... aber nachts ... wir müssen morgen unbedingt zurück nach Hogwarts ... hoffentlich ist es nicht zu spät ...

Ein knackendes Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Auf dem engen Waldweg unter ihm liefen zwei Gestalten vorbei und unterhielten sich. Das konnte doch nicht ... Granger und Weasley! Das durfte nicht wahr sein. Und sie gingen direkt auf die Höhle zu, an deren Eingang Voldemorts Zeichen prangte.

Sie durften auf keinen Fall weitergehen. Nicht in die Höhle hinein. Er musste sie aufhalten ...

Doch bevor Severus Snape einen Schritt machen konnte, wurde er von einem rasenden Schwindelgefühl erfasst, stürzte auf den feuchten Waldboden und krümmte sich vor Schmerz.
Es war soweit ...

***



Hermine und Ron wanderten durch den Wald.
„Willst du wirklich bis zu den großen Felsen, Ronny? Wird langsam dunkel. Und kalt ist es auch. Außerdem finde ich es ziemlich unheimlich hier, ehrlich gesagt.“
Hermine drückte sich unwillkürlich etwas näher an Ron heran.

„Wer soll uns in dieser Einöde schon begegnen? Und dann bin immer noch ich da, um dich zu beschützen“, sagte er entschlossen und nahm die Hand des Mädchens. Bisher hatte er noch keinen Annäherungsversuch gewagt. Ihr Gespräch beschränkte sich auf solche aufregenden Dinge wie die letzten Hausaufgaben in Arithmantik.

„Ich weiß nicht. Halten wir lieber unsere Zauberstäbe bereit, für alle Fälle.“
„Das ist jetzt dumm. Meinen hat nämlich Snape kassiert, nach dem letzten Duell mit Malfoy.“

Hermine begann in ihrem Umhang zu wühlen.
„Na fein, meiner ist auch nicht da. Wird mir aus der Tasche gefallen sein. Daran ist nur die dämliche Bulstrode Schuld, warum musste sie mich auch aufhalten.“
Hermine stampfte zornig mit dem Fuß auf.

„Komm, gehen wir weiter. Ich habe eine magische Fackel eingepackt. Wenn sie einmal angezündet ist, gibt sie solange Licht, bis der Spruch wieder aufgehoben wird.“
„OK. Aber nur noch bis zu den Felsen.“

Ron war erleichtert. Ihn interessierten im Moment weder nicht vorhandene Zauberstäbe noch die gespenstische Umgebung. Einen romantischen Spaziergang hatte er sich zwar anders vorgestellt, aber mehr war von dieser gottverlassenen Gegend wohl nicht zu erwarten. An den Felsen würde sich bestimmt ein geeignetes Plätzchen finden lassen, wo sie sich hinsetzen und Rast machen konnten. Und dann ...

„Hey, schau mal, das scheint eine große Höhle zu sein.“ Ron entflammte die Fackel und leuchtete in ein riesiges schwarzes Loch.

„Da willst du echt reingehen? Ist doch gruselig.“ Erschaudernd sah Hermine in die modrig-kühle Finsternis.

„Ich bin doch bei dir. Wir gehen nur ein kleines Stück rein. Habe auch eine Überraschung für dich. Fängt sowieso an zu stürmen und zu regnen.“

Es fielen tatsächlich dicke kalte Tropfen vom Himmel. Das überzeugte auch Hermine. Sie betraten die nur vom Fackelschein erhellte Höhle.

Nach ungefähr 50 Metern machte Ron Halt, klemmte die Fackel in eine Felsspalte und legte seine Tasche ab. „So. Jetzt wird’s gemütlich. -
Wirst schon sehen“, setzte er hinzu, als er Hermines zweifelnden Blick bemerkte.

Er öffnete die Tasche wie die Tür einer Schatzkammer und kramte eine dicke Decke, einen von seiner Mutter gefertigten langen Pullover, drei Packungen „Bertie Botts Bohnen“ und zwei Flaschen Butterbier hervor.

„Ronny, du bist super.“ Hermine lachte und gab ihm schnell einen Kuss auf die Wange.

... Wow ... das lässt sich voll krass an ... mach jetzt nur keinen Fehler, Alter ... nicht zu stürmisch die Sache angehen ... sie sieht noch hübscher aus in diesem flackernden Fackelschein

Und er breitete sorgfältig die Decke auf dem zum Glück trockenen Boden aus, so dass sie sich an die Felswand anlehnen konnten.

***



Severus Snape kam langsam zu sich, die Hand immer noch verkrampft um die kleine Phiole gepresst.

... Dieser verdammte Fluch ... bei Merlin ... die Höhle ... die beiden verrückten Gryffindors ... ich muss ...

Mühsam kam er auf die Beine und suchte einen Weg nach unten.

Nach 10 Minuten stand Snape endlich vor der Höhle. Aus dem Inneren kam ein schwacher Lichtschein.

Er hatte sich bereits ein Stück hinein getastet, als plötzlich die Wände um ihn herum erzitterten. Ein Gepolter war zu hören, das mit erschreckend rascher Geschwindigkeit immer lauter wurde. Ohrenbetäubend laut. Hastig blickte er sich um.

Dort, wo noch vor Sekunden ein Ausschnitt des ausgesternten Abendhimmels zu sehen war, herrschte graue qualmende Finsternis. Und diese Finsternis wälzte sich rasend schnell auf ihn zu. Eine Flut von Felsbrocken ...

Er wollte fortlaufen, doch die Wucht der Steinlawine drückte ihn an die Wand.
Er wollte schreien, doch vor Entsetzen brachte er keinen Ton heraus.
Er versuchte sich mit den Armen zu schützen. Vergeblich.

Harte Schläge trafen seinen Körper, knallten gegen seinen Kopf ... bis er unter der Gewalt der Steine niedersank und das Bewusstein verlor.

***



Ron schwebte in einer anderen Welt. Nichts da mit kaltem Gestein und gespenstischem Fackellicht. Er fühlte sich wie auf einer Sommerwiese, es war angenehm warm, die Sonne schien, und in seinem Arm hielt er das wunderbarste Mädchen, das er kannte ...

Er küsste sie wieder, seine Hand fuhr ungeschickt an ihrem Rücken auf und ab. Sie saß immer noch so verspannt da, erwiderte zwar seine Küsse, aber schien nicht richtig bei der Sache zu sein. Also gut, jetzt musste er zu wirksameren Maßnahmen greifen, Liebesplan „Die Eroberung der Hermine - Stufe 2“ ... Er wollte gerade seine Hand auf ihrem Busen platzieren, als ...

“Ron, was ist das, hörst du nichts?“ Hermine löste sich sofort erschrocken von ihrem Freund.

Die Höhle erzitterte und schien zu beben. Dann kam sie, die Lawine aus Stein und Staub, dumpf brüllend, unaufhaltsam, alles unter sich begrabend.

Ron und Hermine umklammerten sich fest.
Hielten sich die Ohren zu.
Schrieen in panischer Angst.

Kurze Zeit später war es vorbei.
Totenstille.
Vorsichtig sahen sie auf. Nur vereinzelte Steine waren bis zu ihnen gekullert. Der Staub und der Rauch kamen von dort, wo sie die Höhle betreten hatten.

Nur, dass da kein Eingang und damit auch kein Ausgang mehr war.
Fassungslos starrten sie auf den riesigen Haufen aus Tausenden Gesteinsbrocken, der sie nun von der Außenwelt trennte.

 Kapitel 1

 

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