Kapitel 33: Reflektion
"Wußtest du, daß man aus Schrumpfelixier elastische Fäden gewinnen kann?"
MacGillivray zeichnete luftgängerinnengleich die scharfen Umrisse seiner Schlüsselbeine nach, malte mit fedrigen Strichen Phantasiegebilde auf seine Haut und genoß sein Schaudern, das, wie sie wußte, noch immer in einer Mischung aus Lust und Abscheu eine unwillkürliche Reaktion auf ihre Berührung darstellte.
Sie hatte die Erinnerung an Lupins Information zunächst aus dem Gedächtnis gebannt; auf gar keinen Fall durfte man Snape zu etwas drängen, insbesondere, da er ruhiger schien nun, da der Vollmond zunächst vorüber war.
"Du etwa nicht?" gab Snape zurück und wich einem Rippenstoß geschickt aus. "Das weiß doch jeder."
Catriona verzog verdrießlich die Stirn, so daß eine schmale Falte zwischen ihren Augen erschien.
"Ich bin nur nicht 'jeder'", parierte sie gekonnt. "Und außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß du weißt, wie man die Fäden haltbar macht. Sonst hättest du sie schon für irgend etwas verwendet."
Sein unwilliges Schnauben verriet ihr, daß sie einen wunden Punkt getroffen hatte. "Wie kommst du überhaupt darauf?" fragte er finster und bestätigte damit nur MacGillivrays Vermutung.
"Miß Grangers Zusatzaufgabe", sagte sie triumphierend. "Man sollte sie fördern; das Mädchen hat einen scharfen Verstand, die Fähigkeit zu abstrahieren und die nötige Neugier."
Ihre Finger glitten jetzt anmutig in zärtlichster Liebkosung durch sein langes Haar.
In den uferlosen Seen seiner unergründlichen Augen verlor sie sich, kaum, daß ihre Seelen einander berührten.
Dieser innigen Verbundenheit zu entbehren, das Band ihrer Gedanken zu trennen und wieder allein zu sein…
Die Vorstellung der feuchtdunklen Hitze des Regenwaldes, die Sinfonie der Töne und Geräusche, das satte Grün, das die Sonnenstrahlen verschlang, Wege, die sie erst erschaffen mußte mit Magie oder Muskelkraft… all dies erzeugte frostige Schauer auf ihrer glatten Haut.
Hastig rief sie sich die eigentliche Forschungsarbeit ins Gedächtnis, die wohlige Müdigkeit, die nach einem anstrengenden Tag ihre Glieder schwer werden ließ, die Euphorie, die die ganze Gruppe erfaßte, wenn eine Isolation funktioniert hatte und sie alle am Feuer bei Lianentau den Erfolg begossen, bis ihnen der Blutalkoholspiegel vorgaukelte, es gäbe keine Mücken und sie lägen am Strand von Rio.
Was hatten sie miteinander gelacht! Nun, da sie daran dachte, wurde ihr schmerzlich bewußt, wie sehr die Unbeschwertheit von ihr gewichen war, die sie alle dort geprägt hatte.
Allein, nichts war mehr wie vorher, und selbst wenn Ort und Team unverändert blieben - sie war nicht mehr dieselbe.
"Ich bevorzuge keinen meiner Schüler", behauptete der Tränkemeister gerade und faltete ernsthaft die Hände. Daß Draco Malfoy bisweilen besser abzuschneiden pflegte, als ihm zugestanden hätte, war gewissen gesellschaftlichen Pflichten geschuldet; Snape war nicht so dumm, den letzten Rest an "Kontakt" zum einflußreichen Vater des Jungen durch unnötige Gerechterei aufs Spiel zu setzen.
Seine Arbeit als Spion und die dadurch bedingte Notwendigkeit, sich mit entsprechenden Leuten gut zu stellen, hatte absoluten Vorrang. Wie immer.
"Ich sagte fördern, Severus", bemerkte MacGillivray ungeduldig, "nicht bevorzugen."
Sie stützte sich auf einen Ellenbogen und wünschte mit einem Mal, er möge das Thema nicht vertiefen.
Nur ein Blick in seine Augen verwandelte alles, das nicht ihrer beider Verbundenheit betraf, in ein undurchdringliches, nebliges Grau.
Die verbleibende Zeit miteinander genießen, leben, als folgten keine weiteren Tage und Nächte, als hinge alles ausschließlich an diesem einen kostbaren, nie endenden Augenblick, in dem sich ihre Seelen und Körper vereinten, um einstweilen am Trank der Ewigkeit zu nippen.
Er spürte jeden ihrer Gedanken, zog sie an sich in einer Umklammerung aus Leidenschaft, überwältigendem Bedürfnis an Nähe und verzweifeltem Verlangen nach Innigkeit.
Mit ihr zu sein, sie wieder zu lassen, engste Vertrautheit und meisterhaft gewahrte Distanz - sie erst verlieh seinem kalten, einsamen Dasein die Wärme, derer es bedurfte, um ein wenig des Eises aus Bitterkeit und Zynismus zu schmelzen, das den Weg zu seinem Herzen in einen gefährlich glatten Steg verwandelte und Wanderer für gewöhnlich komplett abschreckte.
Seit sie regelmäßig an seiner Seite schlief, hatten die Alpträume einen Teil ihres Grauens verloren, fand er nächtens eine zerbrechliche Ruhe und etwas wie scheuen Frieden.
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"So kann es nicht weitergehen, Toby."
Eileen Princes Stimme trug weder Anklage noch Zorn, vielmehr eine kühle, unbeteiligte Sachlichkeit, die, wie sie im Laufe der Jahre herausgefunden hatte, noch am ehesten bei ihm Gehör fand, ohne völlige Abwehr oder einen Wutausbruch zu provozieren.
Tobias Snape fuhr sich ungeduldig durchs Haar und zerstörte damit die lackschwarz gegelte Frisur.
Sein Sohn erinnerte sich nicht, ihn jemals liederlich gesehen zu haben - ärmlich gewiß, bisweilen sogar schäbig, nie jedoch nachlässig, nicht wenn er aus der Fabrik kam und auch nie, wenn er die Beherrschung verlor oder im Jähzorn gar handgreiflich wurde.
"Glaubst du, er vertraut sich mir an?" rief der immer noch jugendlich wirkende Mann, von dem sich Severus Snape geschworen hatte, nicht mehr als seinem Vater zu denken und in dessen gereiztem Tonfall jetzt eine seltsame Verletztheit mitschwang.
"Er verachtet mich - mit jedem seiner Blicke. Was willst du also von mir, Eileen?"
Sie senkte sekundenlang den Blick, und mit einem Mal begriff der Tränkemeister: Er wurde im Traum Zeuge eines Gespräches seiner Eltern, das stattgefunden haben mußte, nachdem er zum neuen Schuljahr abgereist war.
Sie hatten ihm nicht angeboten, ihn zum Bahnhof zu begleiten; er hatte nichts dergleichen erwartet und war daher auch kaum enttäuscht gewesen.
Sein Vater beachtete ihn entweder überhaupt nicht oder erwählte abwechselnd ihn oder seine Mutter zum Objekt seines ungezügelten Temperamentes; zaubern war bei Höchststrafe verboten, jedenfalls wenn es nach dem Willen Tobias Snapes ging, und nie hatte man Ruhe - nein, er bevorzugte inzwischen sogar die Schule - trotz der unliebsamen Mitschüler.
Seit ein gewisser Lucius Malfoy seine Gesellschaft suchte, schienen sich zumindest die Mitglieder seines eigenen Hauses auf nutznießerische, vielleicht sogar respektierende Kameradschaft zu besinnen.
In jenen Ferien war er verschlossener und verstockter denn je gewesen. Jede Nacht schreckte er aus demselben grauenhaften Alptraum, nur um die Demütigung tiefer und tiefer in seinem Fleisch brennen zu spüren.
Von James Potter und Sirius Black vor aller Augen kopfunter an einem Baum aufgehängt zu werden, wäre für eine weniger reservierte, lockere Natur bestenfalls peinlich gewesen; für ihn jedoch war es der Inbegriff der schlimmstmöglichen Erniedrigung. Auf ewig unvergeßlich, ebenso wie der Vorfall mit Lupin.
Seltsam, er hatte während der Ferien nicht den Eindruck gehabt, seinen Eltern wäre irgendeine Veränderung seines ohnehin wenig mitteilsamen, distanzierten Wesens aufgefallen.
Und sein Vater wunderte sich, daß er ihn aus tiefster Seele haßte?
Beinahe amüsant in seiner Absurdität.
"Severus entfernt sich immer weiter von uns", sagte Eileen Prince klar und deutlich, als befürchtete sie, er würde sie sonst nicht verstehen und sah ihren Mann direkt an.
"Das ist auch dein Verdienst. Ich schwöre dir, Toby, wenn du ihn noch einmal bedrohst, werde ich eingreifen."
Das Gefühl einer zusammengeschnürten Kehle, die zu eng zu sein schien, um auch nur einem einzigen Sauerstoffmolekül die Passage zu gestatten, kannte Severus Snape noch aus der Schulzeit.
Seine Mutter hatte sich tatsächlich um seinetwillen gegen den Tyrann aufgelehnt und sich in Gefahr gebracht, um ihn zu verteidigen?
Tobias Snapes stechender Blick brannte heiß in Eileens dunklen Augen, aber sie hielt ihm mit entschlossener, unabdinglicher Gelassenheit stand, auch als er gefährlich leise sagte: "Jetzt drohst du mir" und mit einem einzigen raubtierhaften Schritt so dicht zu ihr trat, daß sie dem Reflex zurückzuweichen, sichtlich widerstehen mußte.
"Du darfst in Muggelgebieten übrigens nicht zaubern", bemerkte er listig, aber plötzlich schnellte er vor, und rauhe Hände umschlossen ihren nackten Arm mit dem Druck einer Schraubzwinge.
"Warum bist du mit mir gegangen damals?"
Diese Frage traf sie unerwartet.
"Weil" -
"Weil du dich gegen deine einflußreiche Familie auflehnen wolltest", sagte er heftig. "Unter deinem Stande heiraten, das alleine war dir nicht genug Rebellion - nein, es mußte ein Muggel sein. Du hast schlecht gewählt, wenn du jetzt bereust."
Für einen winzigen Moment spiegelte sich etwas wie Entsetzen über seine verletzte Bitterkeit und Verachtung in Eileen Princes verhärmtem Gesicht, aber rasch rieb sie die Körnchen der Wahrheit aus den Augen und hob trotzig das Kinn.
"Ich wäre nicht hier, wenn ich dich nicht noch immer liebte", hielt sie ihm mutig entgegen und unterließ den vergeblichen Versuch, ihren Arm zu befreien. "Begreif das endlich. Aber gegen Severus erhebst du die Hand nicht mehr."
Obgleich unausgesprochen, schwebte das "Oder…" einer Gewitterwolke gleich bleischwer im Raum und verdüsterte Tobias Snapes verwegene Gesichtszüge.
"Warte nicht auf mich", sagte er kalt, als er sich verbittert abwandte und sie losließ, wie er eine verabscheuungswürdige Kreatur von sich gestoßen haben würde.
Er stiefelte zum Ausgang, warf die unvermeidliche, über die Jahre abgenutzte Lederjacke über und schlug die Tür hinter sich zu.
Der Tränkemeister hatte seine Mutter selten fröhlich, manchmal wütend, meistens mürrisch oder bedrückt, nie jedoch weinen gesehen.
Die abgrundtiefe Verzweiflung dieser Frau schlug eine klaffende Wunde; es lagen unendlich viel Enttäuschung, Vergeblichkeit und Kummer in ihren Tränen, und er erkannte voller Entsetzen, daß sie seinen nichtswürdigen Muggelvater trotz allem ehrlich geliebt und mit der Entscheidung, sich für ihren Sohn gegen ihn einzusetzen, ein für allemal den dünnen Faden zertrennt hatte, der sie, wie sie gehofft haben mußte, immer noch verband.
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Severus Snape vermied es, die Augen zu öffnen. Zu verlockend vorzugeben, man sei noch nicht erwacht, geradezu paradiesisch, sich auszumalen, dem neuen Tag nicht begegnen zu müssen.
Die Erinnerung an den lebhaften Traum jagte einen violenten Schauer durch seinen abgezehrten Körper; er fühlte sich ein wenig übel, und unwillkürlich zwang verzweifeltes Sehnen nach MacGillivrays Nähe seine bleischweren Lider auf.
"Ruhig", murmelte sie tröstend, rückte so dicht zu ihm, bis ihre schlafwarme Haut mit seinem ewig unterkühlten Leib verschmolz und die gequälte Anspannung einer zittrigen Gelassenheit zu weichen begann.
"Hast du alles gesehen?" erkundigte sich Snape heiser. Eisige Finger suchten Catrionas zuversichtliche Hände und verflochten sich fest mit ihnen, Trost und Versprechen zugleich.
MacGillivrays Nicken beruhigte und erschreckte ihn gleichermaßen. Nicht allein zu sein auf diesen höchst verstörenden Reisen in Erinnerungen seiner Mutter, von deren Existenz er bisher nichts geahnt hatte, verlieh ein beinahe euphorisches Gefühl der Sicherheit. Sie wohnte dem bei, was ihm in Worten auszudrücken gänzlich unmöglich erschien, nahm den Geschehnissen die Spitze, trug ihn mit ihrer Liebe.
Er zog sie enger an sich, zu drängend der Wunsch, ihr noch einmal ganz nahe zu sein, bevor sie der hereinbrechende Tag zumindest physisch trennte.
MacGillivray genoß die unsagbar vertraute Zweisamkeit wie kostbaren Wein: Einmal in den Besitz gekommen, fiel es unendlich schwer, wieder davon zu lassen.
So gern sie sich nach dem Verbleib seiner Eltern erkundigt hätte - aus Rücksicht und Takt verbiß sie jegliche Fragen. Es stand ihr nicht zu, womöglich weitere gräßliche Erinnerungen in ihm wachzurufen.
Noch jetzt füllten Tränen ihre Augen, wenn sie an den Vorfall mit Lupin dachte, und lodernder Zorn entbrannte ihr Herz, rief sie sich Snapes Demütigung ins Gedächtnis. Damals hatte sie die Angelegenheit nicht mitbekommen und das Gerede der Mitschüler als albernes Weibergewäsch abgetan. Nun jedoch verstand sie, warum allein der Gedanke daran Snape zutiefst mitnahm.
Ein solcher Angriff ging weit über das Maß einfacher Animositäten zwischen rivalisierenden Häusern hinaus. Bis zu Lupins Geständnis hatte sie nicht gewußt, daß James und Sirius direkt grausam gewesen waren.
"Ich habe mich in jenem Schuljahr dem Dunklen Lord angeschlossen", sagte Snape leise. "Er bot mir alles, was ich nirgend sonst haben konnte."
"Ich weiß." MacGillivray streichelte zärtlich seine knochigen, spinnenartigen Finger. "Haben die, die so viel davon predigen, das Richtige zu tun, jemals die Versuchung erfahren, die von Dunklen Mächten ausgeht? Ich bezweifle es. Andernfalls würden sie nicht auf dich herabsehen. Ist es nicht viel verlockender, es sich bei dem Tyrann gut gehen zu lassen, anstelle sich unter Entbehrungen gegen ihn aufzulehnen? Zumindest für eine Weile, bis man hinter die Fassade sieht und erkennt, daß man auch nur getäuscht wurde."
Snape fuhr ruckartig auf und fing ihren gelassenen Smaragdblick mit nachtdunklen Obsidianaugen.
Sie verstand ihn mit all ihrem Herzen, moralisierte nicht, wie es insbesondere Leute wie Albus Dumbledore vom Throne herab zu tun pflegten, die in ihrer unendlichen Güte meinten, gegen solch billige Verlockungen des Bösen gefeit zu sein und ihm nun großmütig vergaben, aber im gleichen Atemzug danach trachteten, ihn die Verfehlung niemals vergessen zu lassen.
MacGillivray erhob sich ebenfalls und zog ihn voll entspannter Selbstverständlichkeit in die Arme, so daß seine schwarzen Strähnen einen bizarren Kontrast auf ihrer hellen Haut hinterließen.
"Ich liebe dich um deinetwillen", sagte sie leise. "Du kannst mir alles, musst mir jedoch gar nichts sagen."
Snape, der gerade noch insgeheim ganz das wohlige Gefühl der Geborgenheit ausgekostet hatte, versteifte sich merklich und machte sich aus ihrer Umarmung los. Bedingungslose Liebe hatte er selbst nie erfahren, und die Erinnerungen seiner Mutter waren nur ein weiterer ernüchternder Beweis dafür, daß in vermeintlich romantischen Beziehungen die Tragik eindeutig überwog.
Warum nur würgten ihn dann Tränen im Hals, ihn, der Sentimentalität verabscheute und immer alles allein bewältigt hatte?
"Ich dachte immer…", begann er heiser, "daß meine Eltern einander so gehaßt hätten, wie ich meinen Vater."
Er holte Atem, kämpfte verzweifelt um jedes Wort, bis er in einer jähen Flucht in Catrionas Arme zurückkehrte und unter ihren sanften, unaufdringlichen Liebkosungen erstickt vollendete: "Es entsetzt mich zu sehen, daß sie ihn geliebt hat."
"Und er sie vielleicht auch", wandte MacGillivray ein und wünschte im gleichen Augenblick, sie hätte erst nachgedacht. Die Implikation dessen mußte auf Snape noch ernüchternder wirken - er, der Sohn, befand sich in all dem außen vor, wie gewöhnlich.
"Wohl kaum", sagte er jedoch nur abfällig und löste sich ein zweites Mal von ihr. "Es ist Zeit. Du wolltest doch deinen Trank mit dem fünften Jahr vollenden, wenn ich mich recht entsinne."
"Und du wolltest als Morgenritual zuerst mit mir frühstücken", ging sie sofort neckend auf seinen veränderten Tonfall ein und schenkte ihm ein charmantes Lächeln.
Wie unangenehm ihm solche Gespräche waren - sie würde den Teufel tun und ihm das bißchen Appetit verderben, das er in ihrer Gesellschaft zu haben schien.
"Du bist außerordentlich hartnäckig", stellte der Tränkemeister fest, während er die dunkle Robe in exakte Falten legte, aber in seinen Augen blitzte ergebenes Amüsement.
"Um eines nur will ich dich bitten", sagte er glatt, und hinter der Erheiterung lugte gutmütiger Spott vielsagend mit runden Knopfaugen hervor. "Überlaß den Kaffeezauber mir."
MacGillivray bedachte ihn mit einem grimmigen Blick, der sowohl Entrüstung als auch einzigartige Düpiertheit in sich vereinte; immerhin war sie auf die Qualität ihres Kaffees immer besonders stolz gewesen, aber sie konnte ihm nicht wirklich böse sein.
Wenig später erreichte sie schwebend die gefüllte, köstlich duftende Tasse (wie erleichtert war sie, daß er auch wieder schwierige Magie wagte), in deren aromatischem Braun eine stilisierte Rose Gestalt annahm, die, als spürte sie die Rührung der Betrachterin, sich blitzschnell verwandelte und als feines Vanillemark auf der Untertasse erschien.
"Nicht nur im Alraunenwein ein Genuß", sagte Snape mit einem subtilen Lächeln, und Catriona wurde den Gedanken nicht los, daß er die Königin der Gewürze doch nicht so sehr verabscheute, wie er sie glauben machen wollte.
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So unaufgeregt der Tag begonnen hatte, so desaströs entwickelte er sich weiter. Snape hatte nach einer höchst unerfreulichen Doppelstunde mit dem siebten Jahr, in der ausgerechnet der Vertrauensschüler der Gryffindors um ein Haar durch eine Stichflamme eines grausamen Todes gestorben wäre, einen handfeste Keilerei im Gemeinschaftsraum seines eigenen Hauses unterbinden müssen, bei der es um irgendwelche nicht erfüllte Gefälligkeiten der jeweils anderen Partei ging.
Anschließend war er zu Madam Pomfrey geeilt, die seinem Drängen auf eine verkürzte Infusionsdauer schließlich wutentbrannt mit der spitzen Bemerkung nachgab, sie erteile keine Befehle, wie lange ein beliebiger Trank noch zu kochen hätte, aber des Menschen Wille sei bekanntlich sein Himmelreich.
Binnen kürzester Zeit lehrte ihn aufwallende Übelkeit, daß man Heilerinnen besser nicht widersprach, aber er hütete sich, ein Wort darüber zu verlieren, und auch Madam Pomfrey, die ihren wachsbleichen Patienten mit der ihr eigenen Scharfsinnigkeit sofort durchschaute, schwieg in grimmiger Freude.
Snape beeilte sich, fortzukommen.
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"Severus", Remus Lupins angenehme Stimme verfolgte ihn auf den Korridoren, holte ihn ein, packte ihn gar am Arm?
Snape blieb stehen, blinzelte verwirrt und schüttelte Lupins Hand unwillig ab.
Seit Wochen war ihm nicht mehr so übel gewesen. Er hoffte nur, Poppy Pomfrey genoß ihren Triumph.
"Was ist?" herrschte er Lupin an in dem vergeblichen Versuch, das Unwohlsein zu ignorieren.
"Das Treffen heute abend, im Hauptquartier, übliche Zeit", raunte der Werwolf und fuhr besorgt fort, kaum, daß er das Geschäftliche erledigt hatte: "Du bist nicht verpflichtet teilzunehmen, wenn es dir schlecht geht."
Snape straffte trotzig die Gestalt. Ein zynisches Lächeln kräuselte seine Lippen, und er gab spöttischer denn je zurück: "Wie könnte ich mir das entgehen lassen?"
Er stieß sich von der Wand ab, gegen die er sich unbewußt gelehnt haben mußte und rauschte mit wehenden Roben davon.
Der Gedanke an das Ordenstreffen war kaum erfreulicher, als sich einen Ruf Voldemorts vorzustellen, lediglich planbarer und daher weniger abrupt.
Der Meister der Zaubertränke unterdrückte ein Schaudern. Er hatte dem Werwolftrank bereits viel zu lange seine Aufmerksamkeit entzogen, und wenn Catriona fort war… Sofort rief er sich zur Ordnung und verbot sich kategorisch jeden Gedanken daran.
Unwirsch öffnete er die Tür zu seinem Büro.
MacGillivray saß an seinem Schreibtisch, etwa zwanzig Probenfläschchen vor sich, deren Farbtöne so eindrucksvoll variierten, daß ihn bei der Vermutung, es könne sich um immer denselben Trank handeln, eine trockene Erheiterung überfiel.
"Darf ich vorstellen, fünftes Jahr, Sud gegen Lanzenotterbisse", bemerkte sie humorvoll. "Einige dürften an Wirksamkeit zu wünschen übrig lassen, aber die Farben gefallen mir recht gut."
Demnach schien sie die Unterrichtsstunde mehr oder weniger erfolgreich beendet zu haben. Ein Wunder bei so vielen Hohlköpfen.
"Komm, setz dich", sagte sie plötzlich, als sie seinen unsteten Blick auffing, den auch die kurze Belustigung nicht hatte maskieren können.
Snape nahm dankbar Platz, lehnte den Kopf gegen MacGillivrays Mitte und schloß für zwei tiefe Atemzüge die Augen.
"Brechreiz?" erkundigte sie sich behutsam, während ihre Finger sacht über seine Schultern strichen. Auf diese Weise konnte er nicken, ohne sich zu sehr der elenden Schwäche schämen zu müssen.
"Weiß Madam Pomfrey, daß du ihre Infusionen so schlecht verträgst?"
Snape schluckte pikiert und rollte unter noch immer geschlossenen Lidern ertappt die Augen.
"Eigentlich vertrage ich sie ganz gut", sagte er unschuldig. "Lupin ließ mich Ort und Zeitpunkt des Treffens heute abend wissen. Wenn du also noch immer nicht von der törichten Idee abgekommen bist…"
"Ich bin unbelehrbar", sagte MacGillivray trocken, aber ihr Blick kündete von listigem Mißtrauen.
Sie kannte den Tränkemeister inzwischen gut genug, um zu begreifen, daß er etwas verbarg, wenn er so freigiebig eigentlich geheime Informationen preisgab.
"Warum fühlst du dich dann, als hättest du einen Liter Alraunenwein konsumiert?" fragte sie herausfordernd und nahm überdeutlichen Bezug auf seine vorherige Behauptung.
"Allwissender Merlin, weil ich Zeit schinden wollte!" rief Snape ungehalten und hielt einen Moment den Atem an, um einer besonders intensiven Welle von Übelkeit die Stirn zu bieten.
Die gereizte Umgangssprache aus seinem Mund wirkte fremd und unpassend, ein eindeutiges Zeichen, daß ihn die eigene Dummheit unbändig ärgerte.
"Aha", machte Catriona salomonisch, die längst etwas dergleichen geahnt hatte und fuhr mit liebevoller Beharrlichkeit fort, seine Schultern zu lockern.
Die Erleichterung, daß es ihm nicht wirklich schlechter ging, versetzte sie in eine seltsame Hochstimmung. Eine solch tiefe Sorge um einen anderen Menschen hatte sie bisher nicht gekannt. Es fühlte sich dennoch vertraut an, natürlich und gleichzeitig schmerzhaft. Er lernte, ebenso wie sie selbst, nur aus harten Erfahrungen, zu stur, eigensinnig und stolz, den einfachen Weg zu gehen.
Im Laufe des Nachmittags ließ der Brechreiz nach, und Snape gewann sein bitterböses, zynisches Selbst zurück, dem er speziell zum bevorstehenden Treffen noch den letzten Schliff zu verleihen gedachte.
Eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit korrigierte er noch in aller Seelenruhe Hausarbeiten, und als ihn Catriona ungeduldig ansprach, zuckte er nur die Achseln und sagte mit boshaftem Lächeln: "Wir verpassen nichts, sei dir dessen gewiß."
Als die gewaltige Turmuhr sieben schlug, erhob er sich unbeteiligt, strich die schwarze Robe glatt und trat in den gewaltigen Kamin.
"Viel Vergnügen", sagte er höhnisch, hielt ihre Hand jedoch sekundenlang ganz fest in seiner. "Gute Reise. Grimmauldplatz Nummer zwölf".
Sie tat es ihm gleich und entschwand wie er zuvor in einem Wirbel aus Feuer und Rauch.
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