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Kapitel 2
Die Einteilung der neuen Schüler in ihre zukünftigen Häuser war bereits abgeschlossen. Jetzt saßen alle an ihren Plätzen und lauschten der kurzen Ansprache, die Direktor Dumbledore hielt und in der er noch Einiges zum Ablauf des kommenden Schuljahres sagte.
Harry und die Weasleys diskutierten derweil leise über Professor Snape, der in seinem üblichen Outfit, mit seinem üblichen Aussehen und dem üblichen griesgrämigen Gesicht am Tisch saß und hochmütige Blicke über die Schar der Schüler schweifen ließ. "Man, seid ihr euch sicher, dass das gestern Snape war?", fragte Fred gerade Ron und Harry. "Ich finde nicht, dass irgend etwas an ihm anders aussieht."
Harry schüttelte ratlos den Kopf. "Ich weiß ja auch nicht. Vielleicht hatten wir gestern auch einen Sonnenstich oder so was."
"Er hat doch nur wieder seine üblichen Klamotten an und sich die Haare schneiden lassen", warf George ein.
"Ja, aber erklär mir mal, wie er es von gestern auf heute geschafft hat, seine Haare wieder so fettig zu kriegen", murrte Ron.
"....Und zum Schluß möchte ich euch noch mitteilen", verkündete gerade Dumbledore fröhlich, "dass Professor Severin Snape in diesem Jahr Muggelkunde unterrichten wird."
Im Saal war es schlagartig still, keiner hatte wohl so richtig hingehört und alle starrten Professor Dumbledore an, als ob ihm gerade ein zweiter Kopf gewachsen war. Am entgeistertsten schaute allerdings Professor Snape. Aus Remus' und Sirius' Ecke kam derweil ein schadenfrohes Kichern.
Dumbledore schien die Reaktion auf seine Worte gar nicht bemerkt zu haben, denn er fuhr in unbekümmertem Plauderton fort: "Und weil der gute Professor Snape damit nicht ausgelastet sein wird, wird er außerdem - abwechselnd mit Professor Lupin - Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichten."
Sofort verklang das Kichern aus der Remus-Sirius-Richtung, während gleichzeitig auf Snapes Gesicht die Sonne aufging.
"Leider ist Professor Snape noch nicht anwesend", schoß Dumbledore gerade den Vogel ab, worauf Professor Snape sich tatsächlich, wenn auch zaghaft, meldete.
In dem Moment flog die Tür hinter dem Lehrertisch auf und ein atemloser Professor Snape Nr. 2 stürzte herein. Dieser Snape war eindeutig der sportliche Typ vom Vortag und ein erleichtertes mehrstimmiges "Ahhhh", ertönte am Gryffindor-Tisch. (Doch kein Sonnenstich...)
"T'schuldigung", schnaufte der Neuankömmling. "Ein Telefonat.... Bin nicht eher weggekommen."
"Na Hauptsache, Sie kommen überhaupt noch", tadelte Dumbledore sanft und zwinkerte fröhlich über den Rand seiner Brille hinweg. Dann wandte er sich wieder den Schülern zu. "Darf ich vorstellen, Professor Severin Snape - wie man unschwer erkennen kann, der Zwillingsbruder unseres hochgeschätzten Professor Severus Snape."
Severin setzte sich neben Severus, weil nur noch dort ein Platz frei war und bemerkte nicht den bohrenden, nein, eigentlich eher dolchförmigen Blick, den ihm Severus zuwarf, dem gerade klar wurde, dass nicht er mit der Verteidigung gegen die Dunklen Künste gemeint war, sondern dieser unverhofft aufgetauchte - und ihm gänzlich unbekannte - Doppelgänger.
Severin strahlte fröhlich in die Runde, mit einem Zahnweiß-Lächeln, bei dem sich Gilderoy Lockhart verschämt in irgend einem Keller verkrochen hätte, um dort nie wieder herauszukommen. Seine nachtschwarzen Augen blitzten dabei übermütig und er bildete den größten Kontrast zu dem griesgrämig neben ihm sitzenden Severus Snape, den man sich nur vorstellen konnte.
Sämtliche Anwesenden, außer Professor Dumbledore, wiederum starrten ihn mit offenen Mündern an. Ihre Blicke gingen ständig zwischen Professor Snape Nr. 1 und Nr. 2 hin und her und recht bald setzte an sämtlichen Tischen ein heftiges Getuschel ein. Am anderen Ende des Tisches warfen sich Sirius und Remus verwirrte Blicke zu und begannen eine leise Diskussion über die Vor- und Nachteile von zwei Snapes.
Professor Dumbledore unterbrach die allgemeine Verwirrung, in dem er in die Hände klatschte und das Essen auf den Tischen erschien. Die meisten Anwesenden, besonders die neuen Schüler, die sowieso noch nichts begriffen und denen die Lehrer - zumindest am heutigen Tage - noch egal waren, entschieden, dass das Essen jetzt wichtiger war, als irgendwelche doppelten Professoren.
Severin Snape unterhielt sich während des Essens angeregt mit Professor Trelawney, die zu seiner Rechten saß und völlig hingerissen von seinem Charme war. Links von ihm saß Severus Snape und wer ihn kannte, glaubte die Gewitterwolke, die sich über seinem Kopf formte, schon regelrecht sehen zu können. Irgendwann war seine Geduld am Ende. Unsanft stieß er seinen Doppelgänger an. "Wer sind Sie, zum Teufel?", zischte er wütend.
Severin drehte sich um. "Ich dachte, das hätte Professor Dumbledore schon gesagt", lächelte er unschuldig
"Ja.... Zwillingsbruder", schnaubte Severus. "Ich denke mal, das wüßte ich wohl, wenn ich einen Zwillingsbruder hätte."
Severin seufzte und nahm einen Schluck Wein. "Ich habe das doch auch erst vor kurzem erfahren. Ich bin mit meinen Adoptiv-Eltern mein Leben lang durch die Welt gereist. Sie waren Auroren und sind ständig woanders eingesetzt worden. Später bin ich auch Auror geworden - ich mag diesen Job. Naja, jedenfalls suchte Dumbledore einen zweiten Auror, damit die Eltern der Schüler ihn nicht wieder mit Eulenpost erschlagen wegen Remus Lupin, und er kam auf mich, weil ich nach dem Tod meiner Eltern meinen ursprünglichen Namen wieder angenommen hatte und Dumbledore darüber gestolpert war."
Severus Snape schüttelte den Kopf. "Was wollen Sie mir hier eigentlich für einen Blödsinn auftischen? Wie konnten Sie Ihren 'ursprünglichen' Namen wieder annehmen, wenn Sie, wie sie behaupten, es selbst erst vor kurzem erfahren haben?"
Severin räusperte sich. "Also dass ich ursprünglich Snape hieß, das wußte ich schon. Ich hatte aber keine Ahnung von meiner wahren Familie. Ich galt im Kinderheim als Waise. Als meine Eltern - meine Adoptiv-Eltern - im Kampf gegen einen mächtigen Schwarz-Magier in China getötet wurden, legte man mir nahe, den Namen Bernett zumindest vorübergehend abzulegen und meinen Geburtsnamen wieder anzunehmen, da dessen Anhänger hinter mir her waren. Ich tat das, um so ungehinderter agieren zu können. Naja, und dann kam Professor Dumbledore auf mich zu und bot mir den Job hier an. Ich erbat mir Bedenkzeit aus. Als er das nächste Mal wiederkam, hatte er inzwischen recherchiert und herausgefunden, dass wir tatsächlich Brüder sind. Jedenfalls gab für mich diese Tatsache den endgültigen Ausschlag hierher zukommen." Severin strahlte Severus an. "Ich dachte, ich wäre ganz alleine, und nun habe ich plötzlich noch einen Bruder. Also ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich bin völlig begeistert."
Severus schaute noch immer mehr als skeptisch und verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. Die Begeisterung war ganz eindeutig eine einseitige Angelegenheit.
"Können wir uns nicht duzen?", schlug Severin freundlich vor.
"Nein, können wir nicht", knurrte Severus.
"Naja, das erschwert die Ansprache untereinander aber doch irgendwie", lächelte Severin. "Wir sind beide Professor Snape."
"Ist mir egal. Ich kenne Sie nicht. Punkt." Severus stand mit einer heftigen Bewegung auf und stolzierte hocherhobenen Hauptes und mit wehender Robe davon.
Severin schaute ihm verdutzt nach, dann drehte er sich zu Professor McGonagall um. "Der hat heute aber eine recht üble Laune", kommentierte er grinsend Severus' Abgang.
"Heute?", wiederholte Minerva und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. "Mein lieber Severin, heute ist er - erstaunlicher Weise - noch verhältnismäßig umgänglich."
"Na das kann ja heiter werden", seufzte Severin.
***