Vorwort: Bei diesem Kapitel wäre es nicht schlecht, einige Folgen von "Ally McBeal" gesehen zu haben, um wirklich alles zu verstehen. Aber vielleicht geht es ja auch so...
Kapitel 17: Snape vor Gericht
Snape war es gerade noch gelungen, Professor Dumbledore über den bevorstehenden Überfall auf die McGregors zu informieren, dann mußte er auch schon los.
Mit den anderen sechs Todessern hatte er sich auf einer Lichtung im Verbotenen Wald getroffen und war dann mit ihnen in die Nähe des Hauses der McGregors appariert. Das Haus war magisch abgesichert und Severus hatte die Todesser sich strategisch günstig um das Haus gruppieren lassen. Er selbst hatte sich in etlichen Metern Entfernung unter einen Baum auf einen Hügel gestellt und konnte von dort aus gut beobachten, wie die sechs Todesser gemeinsam daran arbeiteten, den magischen Schutzschirm, der das Haus umgab, zum Zusammenbrechen zu bringen.
Die Todessermaske hatte Snape auf einen Ast gelegt, weil er sie als störend empfand. Seinen Zauberstab hatte er nach der Ankunft in eine Tasche seines Umhangs gesteckt.
Als es nun so aussah, als würde der magische Schutzschirm jeden Moment zusammenbrechen, wollte Snape den Stab wieder hervorholen, um bei dem bevorstehenden Angriff bereit zu sein, auch wenn er vermeiden wollte, sich selbst daran beteiligen zu müssen.
Eine Weile zog und zerrte er an dem Zauberstab herum. Er schien sich irgendwo in der Tasche verfangen zu haben. Mit einem leisen Fluch wandte Severus nun seine ganze Aufmerksamkeit seinem Umhang zu. Die Tasche war wirklich tief und irgendwo da drin hatte sich der Griff des Zauberstabs verfangen. Severus ertastete ein Loch in der Innenwand der Tasche. Nun war alles klar. Die Spitze des Zauberstabs hatte sich gegen den Boden der Tasche gedrückt, während der Griff, der nach oben ragte, durch das Loch in den Saum gerutscht war und so hatte sich alles wunderbar verkeilt.
Es brauchte schon etwas Fingerspitzengefühl, verbunden mit heftigem Gezerre und ein paar saftiger Flüche, bis Severus endlich den Zauberstab befreit hatte und ihn triumphierend in die Luft hielt – genau vor die Nasen von mindestens 4 Auroren, die ihn umringt hatten und mit ihren Zauberstäben bedrohten. "Äh.....", war das einzige, das ihm einfiel.
Eine Sekunde später hielt Snape seine Hand noch in der selben Pose in die Luft, nur hielt er nun keinen Zauberstab mehr – und war außerdem durch den Stupor-Spruch erstarrt...
Im Hintergrund waren gerade 12 weitere Auroren damit beschäftigt, die anderen Todesser zu verhaften bzw. zu töten, sofern diese sich widersetzten. Aber das spielte für Severus keine Rolle, denn davon bekam er nichts mit.
***
Einige Tage später fand bereits die Verhandlung statt. Professor Dumbledore war dazu geladen worden und er hatte darauf bestanden, Severin mitzunehmen.
Nun saßen sie im Gerichtsraum. Die Ränge an den Wänden waren dieses Mal nur sehr spärlich besetzt. Severin wusste, dass Professor Dumbledore sich mit Erfolg dafür eingesetzt hatte, dass die Verhandlung unter dem größtmöglichen Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Außer Dumbledore kannte Severin noch Remus Lupin und Mad-Eye-Moody, die offiziell als Auroren und inoffiziell als Verbündete anwesend waren. Den Vorsitz hatte ein Richter namens Fletcher, der seit Crouchs Tod diesen Posten wahrnahm. Er wurde noch von ein paar weiteren Ratsmitgliedern unterstützt, die ebenfalls Richterämter inne hatten.
Die Tür an der gegenüberliegenden Wand wurde geöffnet und Snape kam herein, von zwei Dementoren flankiert. Er sah etwas blaß und mitgenommen aus, was sicherlich auch auf die Anwesenheit der Dementoren zurückzuführen war.
Kaum hatte er sich auf den einzelnen Stuhl in der Mitte des Raumes gesetzt, als auch schon die Ketten, die an den Armlehnen hingen, aufleuchteten, sich um Snapes Arme schlangen und festzogen. Die Dementoren verließen nun wieder den Saal.
Severin beobachtete die ganze Szenerie mit zusammengezogenen Augenbrauen und langsam steigendem Unbehagen.
"Severus Snape", ergriff nun Fletcher das Wort, "Sie sind hier vor dem Rat für das Magische Gesetz, um sich zu Anschuldigungen im Zusammenhang mit den Umtrieben von Todessern zu äußern", sagte Richter Fletcher. "Wir haben gehört, was gegen Sie vorliegt, und kommen nun zum Urteil. Haben Sie Ihrer Aussage noch etwas hinzuzufügen, bevor wir das Urteil verkünden?"
Severus schüttelte nur stumm den Kopf, worauf sich die Ratsmitglieder erhoben.
"Kommen wir dann also zur Urteilsverkündung", begann Fletcher feierlich.
"Äh, Moment mal kurz", meldete sich Severin nun zu Wort, der es nun nicht mehr aushielt.
Fletcher wirkte aufgrund der unerwarteten Unterbrechung etwas irritiert und auch die anderen Ratsmitglieder warfen sich verwunderte Blicke zu.
"Ja?", fragte Fletcher ungehalten. "Was gibt es denn noch?"
"Hat es keine Vorverhandlung gegeben?", fragte Severin mit verwundertem Blick.
"Der Gefangene wurde von unseren Spezialisten verhört und er hat gestanden. Wer sind Sie eigentlich?", antwortete Fletcher ungehalten.
"Ich bin der Bruder des Angeklagten, das sieht man doch", schnappte Severin zurück und kam auch gleich auf den nächsten Punkt. "Hatte der Angeklagte einen Verteidiger?"
"Wieso Verteidiger? Ich sagte doch, er hat gestanden", blieb Fletcher hartnäckig.
"Mag ja sein, er hat doch aber trotzdem das Recht auf eine professionelle Verteidigung oder wurde die ihm etwas vorenthalten?" Severin ließ nicht locker und so langsam wurde in dem Saal Gemurre und Gemurmel laut. "Also ich scheine ja offensichtlich nicht zu wissen, wie das in der Zaubererwelt läuft. Aber bei den Muggeln, die ja immer gerne von oben herab belächelt werden, ist es ein Grundrecht und eine absolute Selbstverständlichkeit, dass einem Angeklagten eine professionelle Verteidigung zur Seite gestellt wird, weil ein juristisch nicht ausgebildeter Mensch natürlich nicht alle seine Möglichkeiten kennen kann und sich deshalb leider nur all zu oft in juristische Fallen und Spitzfindigkeiten verfängt."
Fletcher verdrehte genervt die Augen und wandte sich dann an Severus. "Angeklagter, wünschen Sie einen Verteidiger?"
"Selbstverständlich wünscht er ihn", antwortete Severin schnell.
"Sie habe ich nicht gefragt", fauchte Fletcher, "Also halten Sie jetzt den Mund." Dann wandte er sich erneut an Severus. "Also was ist? Verteidiger oder nicht Verteidiger?"
Severus war völlig verunsichert und suchte den Blick von Severin, welche heftig nickte. "Öhm..... jaaa....", antwortete er dann zaghaft.
"Gut, dann soll es so sein. Auch wenn ich nicht glaube, dass das etwas ändert, sondern nur dazu dient, das Unvermeidliche hinauszuzögern." Fletcher nickte zwei Wächtern zu, die daraufhin auf Severus zuschritten. Dessen Fesseln leuchteten erneut auf und gaben ihn wieder frei. Severus stand auf, warf Severin und Albus noch einen letzten Blick zu und wurde dann hinausgeführt.
"Nun gut", ergriff Fletcher nun wieder das Wort. "Der neue Termin wird auf Heute in einer Woche festgelegt." Mit einem giftigen Blick in Severins Richtung fügte er hinzu: "Und vergessen Sie Ihren Verteidiger nicht."
"Nein, keine Sorge", antwortete Severin lächelnd. "Gibt es bezüglich des Verteidigers irgendwelche Einschränkungen?"
Fletcher schaute seine Kollegen kurz verunsichert an, aber die zuckten nur mit den Schultern. "Nein, Hauptsache es ist ein Verteidiger."
"Ausgezeichnet", sagte Severin, über das ganze Gesicht strahlend. Dann verließen er, Dumbledore und Lupin den Gerichtssaal.
"Was sollte das?", fragte Remus als sie draußen waren.
"Wie... was sollte das?", fragte Severin zurück. "Sollte ich grad tatenlos zusehen, wie Severus verurteilt wird? Auf gar keinen Fall!"
"Aber wir hatten uns schon Pläne zurechtgelegt, wie wir Severus da rausholen. Aber durch deine Aktion von eben hast du bestimmt dafür gesorgt, dass der Fall jetzt eine größere Aufmerksamkeit erhält. Also ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war." Remus zuckte zweifelnd die Schultern.
Professor Dumbledore hatte bislang gar nichts gesagt. Nun wandte er sich mit einem verschmitzten Glitzern in de Augen an Lupin: "Ich weiß leider auch nicht, was Severin bezweckt, aber ich glaube ihn gut genug zu kennen, um davon auszugehen, dass er sehr genau weiß, was er da tut." Er schaute zu Severin. "Hab ich Recht?"
"Ja, Albus, hast du", antwortete dieser. "Ich kann nicht garantieren, dass ich Erfolg haben werde, aber wenn ich Erfolg habe, dann ist Severus nicht einfach nur entkommen, so wie es eure Pläne offensichtlich vorsehen, sondern sein Ruf ist auch wieder hergestellt. Und das halte ich schon irgendwie für wichtig."
Albus nickte und strich sich bedächtig über seinen langen Bart, während Remus zweifelnd den Kopf schüttelte.
"So", meinte Severin, "dann werde ich mich mal auf die Socken machen und mich um die Verteidigung kümmern." Er winkte den beiden kurz zum Abschied zu und verschwand um die nächste Gangecke.
***
Eine Woche später
Das Gericht hatte sich erneut versammelt. Professor Snape saß wieder auf dem Stuhl in der Mitte des Saales.
Professor Dumbledore und Severin saßen ganz in der Nähe der Plätze, die für die Anwälte von Severus reserviert worden waren. Dieses Mal war, außer Moody und Lupin, auch noch Professor McGonagall mitgekommen, die darauf bestanden hatte, nachdem sie vom Ausgang der letzten Verhandlung gehört hatte. In Hogwarts lauerten schon sämtliche andere Lehrer, um sich anschließend alles brühwarm erzählen zu lassen. Soeben kamen besagte Anwälte mit selbstsicheren Mienen hereinmarschiert.
"Ich habe gehört", vernahm Severin ein Getuschel hinter sich, "dass das Muggel-Anwälte sein sollen."
Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Richter Fletcher sah die beiden Anwälte streng und hochmütig an. Man konnte ihm ansehen, dass er Anwälte – besonders in einem Verfahren gegen einen Todesser – für ein absolut überflüssiges Ärgernis hielt. "Sie sind also die Anwälte des Angeklagten? Hätte nicht einer genügt?", stellte er fest.
"Die Vorwürfe gegen unseren Mandanten sind so unerhört, dass es zweier Anwälte bedarf um die entsprechende Empörung zu vermitteln", antwortete der Ältere der beiden Anwälte mit einem verdrießlichen Gesichtsausdruck.
Fletcher blinzelte irritiert. "Dürfen wir auch Ihre Namen erfahren?"
"Sicher", antwortete der Jüngere der beiden Anwälte fröhlich. "Mein Name ist Richard Fish und mein Kollege hier ist John Cage. Wir kommen von der Kanzlei Cage & Fish aus Boston – Massachussetts. Das liegt in den Vereinigten Sta...."
"Das wissen wir", unterbrach ihn der Richter.
"Wir sind Muggel", verkündete Richard Fish stolz und schaute unbeeindruckt fröhlich in die Runde. Dann drehte er sich zu seinem Kollegen und sagte etwas leiser, aber immer noch laut genug, dass es jeder im Saal hören konnte: "Was für ein selten dämliches Wort."
Der Richter schaute außerordentlich verblüfft aus der Wäsche. "Wie? Sie sind Muggel?" Dann schaute er erst zu Severus, der nur mit den Schultern zuckte, dann zu Severin, der ebenfalls fröhlich in die Runde strahlte. "Professor Severin Snape, was haben Sie sich dabei gedacht, Muggel hier her zu holen?"
"Nun, Euer Ehren, ich habe Sie gefragt, ob es bezüglich der Anwälte irgendwelche Einschränkungen gibt. Sie verneinten das, also habe ich mich für die Kanzlei Cage & Fish entschieden."
"Warum?"
"Weil sie gut sind."
Nun wandte sich der Richter an Fish. "Sie wissen, dass Snape angeklagt ist, Muggel zu töten, nur weil sie Muggel sind. Wieso wollen Sie so jemanden verteidigen?"
"Weil ein Haufen Kohle drin ist", antwortete Richard freimütig. "Außerdem liebe ich Herausforderungen."
"A-ja", meinte der Richter, nun vollends verwirrt.
"Außerdem würde ich statt Muggel die Bezeichnung Magisch-Benachteiligte bevorzugen", plapperte Fish fröhlich weiter. "Wegen der Political Correctness. Sie wissen schon.... Klingt weniger diskriminierend."
"Wir, Mr. Fish," und dabei sah Richter Fletcher Fish wirklich von oben herab an, "bevorzugen dann den Ausdruck Magisch-Benachteiligte-Menschen." Und als Fish gerade Luft holte zu einer Bemerkung, ergänzte er: "Wir haben es in der Zaubererwelt mit noch mehr Geschöpfen zu tun und das sind nicht alles Menschen..."
Fish sah kurz irritiert zu Cage, der rieb mit den Fingern seine Nasenwurzel und bedeutete ihm mit einer leichten Handbewegung weiterzumachen. Er war auf das Tiefste aufgewühlt.
Fish räusperte sich kurz und fuhr dann fort: "Also, wenn das Hohe Gericht...."
"...der Hohe Rat", unterbrach ihn Fletcher.
"Von mir aus, also wenn der Hohe Rat darauf besteht, sind wir mit dieser Formulierung einverstanden. Mr. Snape?"
Severus sah seinen Anwalt an, sagte: "Äh..." und zuckte die Schultern.
Dann sah Fish den Richter herausfordernd an.
"Äh..." Richter Fletcher schaute in die Runde. Die Mitglieder der Jury zuckten nur mit den Schultern. Es war bisher noch nie vorgekommen, dass man dem Rat, der über einen Todesser zu richten hatte, Diskriminierung von Muggeln vorwarf. Es war allerdings auch noch nie vorgekommen, dass sich ausgerechnet ein Todesser von Muggeln verteidigen ließ (Entschuldigung, von Magisch-Benachteiligten-Menschen.) Dann schaute Fletcher zu John Cage, der bis dato still dagesessen hatte. "Und Sie, Mister.... Cage, haben Sie auch etwas zu sagen?"
"Im Moment nicht. Ich bin aufgewühlt", antwortete John ruhig und fixierte die Karaffe Wasser, die vor ihm stand.
"Aber ich habe", mischte sich Richard Fish wieder ein. "Ich verwahre mich gegen die Bezeichnung Todesser gegenüber unserem Mandanten. Bisher ist noch gar nichts bewiesen. Das ist eine Vorverurteilung."
"Aber es ist klar, dass Snape ein Todesser ist", empörte sich Fletcher.
"Wieso ist das klar?", schoß Fish zurück.
"Er hat das Todesser-Mal..."
"Sie meinen dieses lustige Tattoo auf seinem Arm? Nach dem Gespräch mit meinem Mandanten weiß ich, dass es nicht besonders schwer ist, so etwas zu machen – besonders nicht für euch Magier. Und selbst wenn... Was besagt das schon? Ich habe selbst ein Tattoo..." Er schaute grinsend in die Runde. "Auf einer Körperstelle, die ich hier lieber nicht vorzeigen möchte, um nicht eine Verwarnung wegen Missachtung des Gerichts zu riskieren."
"Ja und? Was hat denn das mit dem Fall zu tun?", fragte einer der anderen Richter namens Taylor dazwischen.
"Nun, worauf ich hinaus will ist... Ich habe mir das Tattoo stechen lassen, als ich noch jung und dumm war. Das ist etliche Jahre her und inzwischen wäre ich froh, wenn ich das nicht gemacht hätte. Aber leider läßt sich das nicht rückgängig machen."
"Wieso?", fragte Fletcher verwundert. "Ich meine, wieso wollen Sie das rückgängig machen?"
"Weil die Frauen im Bett immer drüber lachen", grinste Fish.
"Davon hast du mir gar nichts erzählt", meinte John Cage verwundert.
"Weil es mir peinlich ist", antwortete Fisch knapp und wandte sich wieder an den Richter. "Nun, was ich sagen wollte ist, selbst wenn unser Mandant sich vor – inzwischen wie viel Jahren? – 20? 30? egal wie viel Jahren dieses Tattoo hat machen lassen, weil er damals von einer bestimmten Sache überzeugt war, dann heißt das noch lange nicht, dass er meinetwegen 5 oder 10 oder wie viel Jahre auch immer später noch immer dahinter steht und dieselben Ansichten vertritt. Deshalb beantrage ich, dass das Beweisstück Tattoo, auch Dunkles Mal genannt, aus der Liste der Beweismittel gestrichen wird."
Die Richter starrten die beiden Anwälte sprachlos an. Eigentlich starrte der ganze Saal, einschließlich Professor Severus Snape, die Beiden sprachlos an. Fish genoß diese Aufmerksamkeit sichtlich und sonnte sich regelrecht darin.
Nur Severin grinste von einem Ohr zum anderen.
Das fiel allerdings auch Fletcher auf. "Sie finden das ganze wohl sehr komisch, was?"
Severin nickte, noch immer grinsend, heftig. "Ja, total", feixte er.
Fletcher gab ein schnaubendes Geräusch von sich und schaute auf seine Unterlagen. "Nun denn.... Machen wir weiter. Dem Angeklagten wird vorgewor...."
"Äh, Euer Ehren", wurde er von Fish unterbrochen.
"Ja? Was?", fauchte Fletcher.
"Was ist mit unserem Antrag, das Beweismittel Dunkles Mal zu streichen?"
Ein kurzes Getuschel setzte daraufhin am Richtertisch ein. Dann schaute Fletcher mit säuerlicher Miene wieder zu Fish. "Gut. Okay. Wir streichen das Dunkle Mal aus der Liste der Beweismittel. Das wird Ihnen aber auch nicht helfen."
"Abwarten", murmelte Fish laut genug, dass es jeder hören konnte.
Fletcher bedachte ihn mit einem tödlichen Blick und wandte sich dann wieder seinen Aufzeichnungen zu. "Professor Severus Snape wird vorgeworfen, am 2. Oktober dieses Jahres bei einem Überfall auf die Familie McGregor beteiligt gewesen zu sein – in seiner Funktion als Todesser." - Ein wütender Blick in Richtung der Anwälte. -
"Den McGregors ist zum Glück nichts passiert, weil unsere Auroren rechtzeitig zur Stelle waren und den Überfall vereiteln konnten. Dabei wurden vier Todesser getötet und drei verhaftet. Unter anderem eben der hier angeklagte Snape. Was haben Sie dazu zu sagen, Professor Snape?"
Severus öffnete gerade den Mund, um zu antworten, sagte gerade noch "Äh", als er auch schon von Cage unterbrochen wurde: "Darf ich? Danke." John Cage, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, verließ – für alle völlig überraschend - seinen Platz und schlenderte in Richtung seines Mandanten.
Severus Snape schaute irritiert von seinem Anwalt zum Richter und wieder zurück.
Fletcher verdrehte genervt die Augen. "Was denn jetzt schon wieder?"
"Ich würde meinem Mandanten gerne ein paar konkrete Fragen stellen, wenn Sie gestatten", antwortete John auf seine ruhige, freundliche Art.
"Äh..... ja, warum nicht", stotterte Fletcher, der immer mehr das Gefühl bekam, dass ihm in seinem Gerichtssaal schon längst das Zepter aus der Hand genommen worden war.
John, auch ‚das Gummibärchen' genannt, wandte sich nun Snape zu. "Als Sie verhaftet wurden, wo befanden Sie sich zu diesem Zeitpunkt genau?"
"Ich stand etwa 20 oder 30 Meter von dem Haus entfernt."
"Sie standen also ganze 20 oder 30 Meter von dem Haus der McGregors entfernt?"
"Ja, sagte ich doch gerade."
"Und? Was machten sie da?"
"Naja, ich stand da und schaute."
John wandte sich dem Gericht zu. "Mein Mandant stand da und schaute.... Seit wann wird man verhaftet, wenn man irgendwo – und sei es in der Nähe eines Tatorts – steht und schaut?"
"Aber er war an dem Überfall beteiligt", schnappte einer der damals beteiligten Auroren, ein Mann namens Conolly, ungefragt dazwischen. Diese hatten bisher still abseits gesessen. Bislang waren für sie solche Sitzungen auch nur eine reine Formsache gewesen, aber nun bekamen die 16 Auroren langsam das Gefühl, dass an diesem Tag einiges anders lief.
"Aus 20 oder sogar 30 Metern Entfernung? Wie darf ich mir das bitte genau vorstellen?", wandte sich Cage an den Auroren.
"Äh... äh, er hat bestimmt den Überfall koordiniert", stotterte der Auror.
"'Er hat bestimmt den Überfall koordiniert'", wiederholte das Gummibärchen gedehnt. "'Bestimmt' ist ein etwas vager Begriff, denken Sie nicht auch?", fragte Cage mit einem zynischen, herablassenden Lächeln.
"Aber es war so", kreischte der Auror nun wütend.
John hob die eine Hand, griff sich mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand an die Nasenwurzel und schloß die Augen.
"Was ist denn jetzt los?", fragte Richter Fletcher verwundert.
"Nichts, ich muß mich nur einen Augenblick sammeln. Ich bin aufgewühlt", sagte John und setzte noch einen herzzerreißenden Seufzer drauf.
Die Anwesenden warfen sich wieder irritierte Blicke zu. Nur Dumbledore, Fish und Severin grinsten breit.
Nach einigen Sekunden schaute John Cage wieder auf und ließ die Hände sinken. "Ich stelle also fest, dass die Tatsache, dass der Angeklagte den Überfall koordinierte, lediglich auf den Vermutungen der Agenten basiert. Fakt ist lediglich, dass er sich in der Nähe aufhielt und zuschaute. Das mag vielleicht verwerflich sein, aber es ist ganz gewiß nicht strafbar."
"Aber er ist ein Todesser", wandte Richter Taylor nun wieder ein.
"Eine Frage", meinte Cage, "als wir uns auf den Fall vorbereiteten fiel uns auf, dass Todesser, wenn sie einen Überfall durchführen, immer eine Maske tragen. Wurde bei dem Angeklagten eine solche Maske gefunden?"
Der angesprochene Auror schüttelte langsam den Kopf. "Nein, die hat er sicher weggeworfen, als wir kamen."
"Sie nehmen das an, aber können Sie das auch beweisen? Wurde die Maske gefunden?"
"Nun..., wir haben nicht danach gesucht", stotterte der Auror rot werdend und schaute hilfesuchend zu den Richtern.
"Sie haben nicht danach gesucht? Warum denn nicht?", schnappte Cage sofort zu.
"Weil es doch klar war, dass er zu den Todessern gehört."
"Also ich weiß ja nicht wie die restlichen Anwesenden es sehen, aber für mich ist das im Moment noch gar nicht klar", lächelte Cage freundlich.
Daraufhin hob wieder ein allgemeines Getuschel an.
"Hat denn der Angeklagte irgend etwas getan, als Sie kamen? Hat er Sie angegriffen?"
"Nein, er kramte in seiner Tasche herum und versuchte dann zu fliehen", antwortete der Auror.
"Nun, das kommt mir noch immer nicht sehr verdächtig vor. Wenn ich mir Ihre Gesamtbilanz mit den vier Toten anschaue, dann scheint der Gedanke an Flucht, sobald Ihre Truppe irgendwo auftaucht, nicht gerade abwegig, oder?"
"Aber er wollte fliehen, weil er zu den Todessern gehörte und..."
"Einspruch!", mischte sich nun Fish wieder ein. "Dieser Auror, nennen wir ihn der Einfachheit halber ‚Zeuge', äußert lediglich seine persönlichen Ansichten. Er kann nicht wissen, was unser Mandant wollte. Ich kann keinerlei Beweiskraft in seiner Aussage finden."
"Aus meinen vorliegenden Pergamenten entnehme ich aber, dass der Angeklagte unter dem Einfluß des Veritaserums alles zugegeben hat", mischte sich nun Fletcher mit einem überlegenen Grinsen ein.
"Veritaserum?" Fish schaute fragend in die Runde. "Darf ich bitte wissen, was das ist?"
"Das ist ein Zaubertrank, unter dessen Einfluß man gezwungen ist die Wahrheit zu sagen", erklärte Fletcher überheblich.
"Ein Zaubertrank, also eine Droge?", hakte Fish nach. "Wollen Sie damit andeuten, dass mein Mandant unter Drogen gesetzt wurde?"
"Äh....äh... Drogen...?" Fletcher schien gerade etwas überfordert zu sein.
"Ja Drogen", antwortete Fish kurz. "Ich muß mich auf das Schärfste gegen solche Methoden verwahren und beantrage die Nichtzulassung dieses unter Drogen erpressten Geständnisses."
"Aber wieso denn?", fragte Taylor kopfschüttelnd. "Das machen wir doch immer so."
"Schlimm genug", meinte Fish. "Also ich weiß ja nicht wie die Sache mit den Menschenrechten in ihrer ach so tollen Zaubererwelt gehandhabt wird, aber bei uns geht man bei einem Verdächtigen zuerst einmal von der Unschuldsvermutung aus. Das bedeutet, dass ein Verdächtiger so lange als unschuldig gilt, bis ihm seine Schuld zweifelsfrei bewiesen worden ist. Das wiederum bringt mit sich, dass Geständnisse, die unter Gewalteinwirkung oder unter dem Einfluss von Drogen erpresst wurden, unzulässig sind. Wenn man also dieses sogenannte Geständnis weglässt, was haben wir dann unter dem Strich als Anklagepunkt noch übrig? Er stand halt in der Nähe und guckte. Toll. Also ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, aber ich finde diese ganze Verhandlung unter diesem Gesichtspunkt etwas lächerlich."
Fletcher und die anderen Richter schnappten nach Luft bei dieser Unverfrorenheit.
"Na gut", plapperte Fish fröhlich weiter, "wollen wir mal annehmen, einfach nur annehmen, dass der Einsatz dieser Droge rechtens sei, dann würde mich interessieren, ob mein Mandant noch etwas gesagt hat. Zum Beispiel über den Grund seiner Tätigkeit für diesen Voldemort." Erwartungsvoll schaute er den Auroren an.
Alle waren zusammengezuckt, als Fish den Dunklen Lord so unbekümmert beim Namen nannte – außer Severin und Dumbledore und natürlich die Anwälte.
"Wir bevorzugen die Bezeichnung Sie-wissen-schon-wer", belehrte einer der anderen Richter Fish.
"Nun, wir nicht", antwortete Fish trocken. "Sie-wissen-schon-wer könnte sonst wer sein. Das ist uns zu ungenau. Wir bevorzugen den Namen des Chefs der Todesser-Bande und der lautet Voldemort."
Wieder zuckten alle zusammen, außer oben genannte Personen.
"Um auf meine Frage zurück zu kommen?", meinte Fish unbekümmert, "was hat Ihnen unser Mandant zum Grund seiner Tätigkeit für Voldemort gesagt?"
Allgemeines Gezucke.
"Nun, er behauptete, als Spion für Professor Dumbledore zu arbeiten und Informationen über die Pläne der Todesser weiterzugeben", berichtete Conolly außerordentlich widerwillig.
"Ah-ja", machte Fish. "Also wenn wir nach wie vor annehmen, dass der Einsatz dieser Wahrheitsdroge rechtens ist, dann erklären Sie mir doch bitte, wieso den Aussagen über irgendwelche Schandtaten geglaubt wird, die Aussagen über die Agententätigkeit unseres Mandanten von Ihnen aber unter den Tisch gekehrt werden?"
"Öhm....." Jetzt fiel dem Auror nichts mehr ein.
"Das würde mich allerdings auch interessieren, Conolly?", wandte sich nun Fletcher an den Auroren.
Dieser wechselte hektisch die Gesichtsfarben. "Weil..., weil... Es ist doch völlig abwegig, dass sich jemand freiwillig ihr-wißt-schon-wem anschließt, um bei ihm zu spionieren. So verrückt ist doch niemand."
"Einspruch!!", riefen beide Anwälte wie aus einem Munde.
"Was denn nun schon wieder?" Fletcher verdrehte die Augen.
"Ich verwahre mich gegen die Bezeichnung unseres Mandanten als verrückt", übernahm Fish, nach einem kurzen Blickwechsel mit Cage, das Wort.
"Das hat doch niemand."
"Doch dieser Conolly hat das. Denn wir haben ja gerade festgestellt, dass unser Mandant als Spion für Voldemort (allgemeines Gezucke) arbeitete. Und wenn Sie eine Aussage, die unter dem Einfluß einer Wahrheitsdroge zustande kam, als Beweisstück zulassen wollen, dann muß das auch für die ganze Aussage zutreffen. Denn Sie sagten ja selbst, dass man unter dem Einfluß dieser Droge nicht lügen kann."
Richard Fish und John Cage wechselten kurz einen Blick und dann sagten beide wie aus einem Munde: "Wir beantragen die Einstellung des Verfahrens und die sofortige Freilassung des Angeklagten."
Schweigen
Langes Schweigen
Gefolgt von aufgeregtem Getuschel an der Richterbank.
Nach einigen endlos erscheinenden Minuten erhob sich Richter Fletcher. "Der Hohe Rat hat entschieden, dass das Verfahren gegen Professor Severus Snape eingestellt wird. Der Angeklagte ist sofort auf freien Fuß zu setzen und sämtliche Anklagepunkte gegen ihn werden fallen gelassen." Dann wandte er sich an Fish und Cage, die breitgrinsend dastanden. "Und Sie Beide machen, dass Sie schleunigst in Ihre Muggelwelt zurückkommen. So was wie Sie hält man ja nicht aus."
"Einspruch! Ich bestehe auf die Bezeichnung Welt-Der-Magisch-Benachteiligten-Menschen", antwortete Fish wie aus der Pistole geschossen.
"Ich bin aufgewühlt", setzte Cage noch hinten dran.
"RAUS!"
"Euer Ehren, eines noch", Dumbledore war jetzt aufgestanden und hob die Hand.
"Ja, was gibt es denn noch, Direktor Dumbledore?" Richter Fletcher runzelte die Stirn.
"Es geht um das, was hier heute bekannt geworden ist. Ich bin sicher, dass alle hier Anwesenden absolut vertrauenswürdig und über jeden Zweifel erhaben sind, aber es ist absolut wichtig, dass die Tatsache, dass Professor Snape als Spion für uns arbeitet, diesen Raum nicht verläßt, sonst ist sein Leben nicht mehr sicher und wir würden einen empfindlichen Rückschlag im Kampf gegen das Böse hinnehmen müssen."
Richter Fletcher dachte einen Moment über Dumbledores Worte nach, dann nickte er. "Sie haben Recht." Er wandte sich an die anderen Richter, die ihm zustimmend zunickten. Dann schaute er wieder zu Dumbledore. "Gut ich ordne also an, dass die betreffenden Passagen aus dem Protokoll und aus dem Geständnis gestrichen werden und jedem Anwesenden unter Androhung schwerster Strafen verboten ist, darüber ein Wort zu verlieren. Sonst noch etwas?"
Dumbledore schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, das wäre alles."
***
Einige Minuten später standen Richard Fish, John Cage, Severin, Dumbledore, Severus Snape und McGonagall draußen auf dem Gang.
Fish freute sich gerade wie ein kleines Kind. "John, das war die coolste Gerichtsverhandlung, bei der ich jemals war. Unser Mandant mußte keine Aussage machen und wir haben sogar ohne Schlußplädoyer gewonnen. Stell dir das vor, ohne Schlußplädoyer! Die waren so fertig, die haben sogar vergessen Professor Dumbledore als Zeugen aufzurufen, damit er die Aussage unseres Mandanten bestätigt."
John Cage nickte die ganze Zeit nur mit diesem seltsamen Lächeln, welches ihm zu eigen war und welches denen, die ihn kannten, verriet, dass er sich gerade in einer Situation befand, die ihn aufs Höchste verunsicherte.
Fish schaute Snape an. "Haben Sie nicht noch ein paar andere von diesen Todesser-Kollegen, die wir vertreten könnten? Ich wittere einen riesigen Haufen Geld." Als Snape ihn nur entgeistert anstarrte, winkte er ab und meinte: "Schwamm drüber." Dann wandte er sich Dumbledore und Severin zu. "Wir schicken Ihnen die Rechnung." Anschließend schaute er Professor McGonagall mit einem seltsam faszinierten Blick an.
"Was ist?", fragte Minerva, die diesen Blick nicht zu deuten vermochte.
"Sie haben da was am Kinn", meinte Fish und strich ihr kurzerhand mit dem Zeigefinger unter dem Kinn herum.
Minerva hielt, völlig überrumpelt, erst einmal still. Als Fish aber nicht aufhörte unter ihrem Kinn herumzustreichen fragte sie: "Ist es weg?"
"Nein, noch nicht", meinte Fisch mit einem versonnenen Lächeln, wurde aber plötzlich von Cage weggezerrt. "Hör auf fremden Frauen ans Kehlläppchen zu grapschen", zischte dieser Fish leise zu und zerrte ihn den Gang hinunter.
"Aber hast du dieses Kehlläppchen gesehen? War das nicht absolut gigantisch", schwärmte Fish im Weggehen.
"Ich bin entsetzt über dein Benehmen", beharrte Cage.
"Ach geh dich doch irgendwo sammeln", schnappte Fish grinsend zurück.
"Das war unangemessen", empörte sich Cage.
"Von mir aus", grinste Fisch. "Und jetzt stürzen wir uns ins Londoner Nachtleben und lassen die Sau raus."
Die Zurückgebliebenen, welche den Disput sehr wohl hören konnten, zeigten die unterschiedlichsten Reaktionen: Severin und Lupin grinsten von einem Ohr zum anderen, Dumbledore schüttelte amüsiert den Kopf, Severus schaute noch immer fassungslos, weil er nicht begriff, was um ihn herum geschah und Minerva McGonagall strich sich versonnen unter dem Kinn herum und versuchte zu ergründen, ob sie gerade sexuell belästigt worden war.
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