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Kapitel 11: Animagus
Eines Tages, Severin schlenderte gerade durchs Schloß, hörte er Stimmen, die sich zu streiten schienen. Es war Samstag und das Schloß war fast leer, da sich die meisten Schüler nach Hogsmeade begeben hatten.
Neugierig ging Severin näher und konnte die Streitenden schnell als Sirius und Severus identifizieren. ‚Worum geht es denn diesmal?', fragte sich der Muggelkundelehrer leicht genervt. ‚Dass die Beiden aber auch nie Ruhe geben können.' Er hatte schon einige Streitereien zwischen Severus und Sirius mitbekommen, wobei ihm noch immer nicht ganz klar war, worum es eigentlich ging.
"Ich habe es satt, Black, dass du vor Potter und den anderen dauernd versuchst, meine Autorität zu untergraben", konnte Severin jetzt seinen Doppelgänger fauchen hören.
"Autorität? Du? Dass ich nicht lache", schnaubte Sirius daraufhin. "Du bist doch nur eine Witzfigur."
Severin lugte nun um die Ecke und konnte die Streithähne in einigen Metern Entfernung stehen sehen. Jeder von ihnen sah aus, als ob er sich jeden Moment auf sein Gegenüber stürzen würde.
"Selbstverständlich habe ich Autorität", schnappte Severus.
"Du verwechselst Autorität mit Angst", grinste Sirius überheblich. "Willst du mal Angst haben?" Mit diesen Worten verwandelte er sich blitzschnell in den großen schwarzen Hund und schnappte nach Severus' Bein.
Dieser sprang zurück und ein reißendes Geräusch verriet Severin, dass 'Schnuffel' zumindest Severus' Hosenbein erwischt hatte.
"Bist du jetzt vollkommen irre, Black?!", schrie der Tränkemeister mit wütender Stimme, in der allerdings auch ein Hauch von Unsicherheit mitschwang.
Doch der Hund sprang wieder vor und verfehlte Severus nur, weil dieser zurücktaumelte.
Selbst Severin hinter seiner Ecke konnte das Zuknallen der kräftigen Kiefern hören. Er erwog gerade, ob er hervorspringen und sich einmischen sollte, als er sah, wie Severus sich umdrehte und direkt auf ihn zulief.
‚Na umso besser', dachte Severin und machte sich bereit, seinen Bruder abzufangen.
"Ich geb' dir ein bisschen Vorsprung!", höhnte Black gerade, der sich offensichtlich kurz wieder zurückverwandelt hatte.
Im nächsten Moment kam Severus mit wehender Robe und panischem Gesichtsausdruck um die Ecke gesaust. Als er seinen Bruder sah, stoppte er. "Weg hier, verschwinde, Black ist völlig durchgedreht und ich hab meinen Zauberstab im Labor liegen lassen", zischte er mit unterdrückter Stimme. Aber Severin legte verschwörerisch den Finger auf die Lippen und zwinkerte seinem Bruder zu. "Lass mich nur machen", flüsterte er. "Stell dich dort hinter den Mauervorsprung und genieße das Schauspiel."
Severus hatte keine Ahnung, wovon sein Bruder sprach, er hatte in seiner Panik auch nicht die Nerven darüber nachzudenken, aber er hatte inzwischen gelernt, dass er ihm vertrauen konnte, also tat er wie ihm geheißen.
"Jetzt komme ich!", ertönte gerade Sirius' triumphierende Stimme, der sofort ein lautes, tiefes Bellen folgte.
Severin zwinkerte seinem Bruder, der hinter dem Mauervorsprung hervorlugte, noch einmal verschwörerisch zu, dann drehte er sich um und verwandelte sich....
Sirius-Hund bellte noch einmal drohend auf, dann rannte er los und sauste um die Ecke, um die vor einigen Sekunden sein Erzfeind verschwunden war.
Im nächsten Moment prallte er gegen etwas großes, schwarzes, weiches, von dem ein Geruch in seine empfindliche Hundenase stieg, der Gefahr signalisierte.
Verwundert schaute Sirius-Hund hoch und starrte direkt auf vier gewaltige Fangzähne, die aus diesem schwarzen Etwas hervorragten und geradezu unverschämt weiß schimmerten.
Ein tiefes kehliges Grollen erklang - das Grollen einer mächtigen Raubkatze.
Sirius' Blick wanderte weiter nach oben - direkt proportional dazu sank sein Herz immer tiefer - und er starrte in gelbe Augen, die ihn drohend fixierten.
‚Ein Panther?', schoss es Sirius durch den Kopf. ‚Severus ist ein Panther? Oh, Mist....!' Mit einem quietschenden Aufjaulen warf sich der schwarze Hund herum und raste mit eingeklemmten Schwanz davon, so schnell ihn seine Pfoten trugen.
Der Panther wartete höflicherweise einen Moment, dann stieß er ein ohrenbetäubendes Brüllen aus und nahm mit geschmeidigen Sprüngen die Verfolgung auf.
Jetzt verließ Severus seinen Posten und linste um die Ecke, um die gerade die beiden Animagi verschwunden waren. Etwa in der Mitte des langen Ganges sah er den Panther, der nun in einen gemütlichen aber raumgreifenden Trab gefallen war.
Weiter vorne, schon fast am Ende des Ganges, rannte Sirius-Hund - und beschleunigte noch immer.
Severus schaute den Beiden nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Er war mindestens genauso fassungslos wie Sirius. Sein Doppelgänger hatte ihm nie gesagt, dass er ein Panther-Animagus war.
Ein Gefühl der Schadenfreude bemächtigte sich Severus, als er an den vor Schreck und Entsetzen fiependen Sirius-Hund dachte. Ja, das war es! Genau das hatte er sich in all den Jahren immer gewünscht. Ob sich das noch steigern ließ? Er musste unbedingt Severin fragen, wenn dieser wieder zurückkam, denn wie er seinen Doppelgänger kannte, würde der es sicherlich dabei bewenden lassen, Black einen gehörigen Schrecken eingejagt zu haben.
Severus begab sich in sein Büro, um noch einige Arbeiten zu korrigieren. Mehr konnte er im Moment sowieso nicht tun. Der Panther und der Hund konnten überall im Schloss sein und es war sinnlos, sie suchen zu wollen.
Etwa eine halbe Stunde später ging die Tür auf und ein breit grinsender Severin betrat das Büro. Lediglich die etwas zerzausten Haare deuteten an, dass er eine wilde Verfolgungsjagd hinter sich hatte und es dabei wohl ganz offensichtlich nicht geblieben war
Severus schaute von seiner Arbeit auf, faltete die Finger ineinander und schaute seinem Bruder entgegen. "Nun? Hast du viel Spaß gehabt?", fragte er mit möglichst teilnahmsloser Miene und musterte die zerzausten, offenen Haare seines Bruders.
"Klar, hatte ich", grinste Severin, "und du brauchst gar nicht so zu tun, als ob du nicht gleich vor Neugierde platzt."
Severus' Mundwinkel zuckten verräterisch nach oben, dann warf er die Schreibfeder, die er gerade wieder zur Hand genommen hatte, auf den Tisch und stand auf. "Du bist ein Panther-Animagus ... Warum hast du mir das nicht erzählt?"
"Man sollte nie alle Trümpfe auf einmal ausspielen", grinste Severin mit einem schelmischen Zwinkern in den Augen. "Ich hatte nicht umsonst den Spitznamen Tatze..."
"Tatze?" Severus blinzelte irritiert. "So nannte bzw. nennt sich hier Black."
Jetzt schaute Severin etwas seltsam. "Wieso das denn? Er ist doch ein Hund, seit wann haben Hunde Tatzen? Bei uns nennt er sich Pfote."
"Pfote?" Severus verkniff sich ein Prusten. "Wie niedlich..."
Severin schmunzelte. "Das mit dem Panther war doch eine nette Überraschung, oder?"
"... Ja, besonders für Black", grinste Severus hämisch zurück. "Hast du ihm wenigstens das Fell über die Ohren gezogen oder was Wesentliches abgebissen?" In seiner Stimme schwang unüberhörbar Hoffnung mit.
"Nein, hab ich nicht. Ich wollte ihn erschrecken, so wie er es mit dir gemacht hatte - und ich möchte mal behaupten, dass mir das ganz gut gelungen ist. Ein Streich sollte eine gewisse Grenze nicht überschreiten." Severin sah sein Gegenüber mit sanftem Tadel an, doch dieser winkte nur ab. "Pah! Erzähl das mal Black", schnaubte er. "Weißt du eigentlich, dass er mir, als wir 16 waren, einen Streich gespielt hat, der mich fast das Leben kostete, oder Schlimmeres?"
"Schlimmeres als tot?", fragte Severin irritiert.
"Ja, Schlimmeres", knurrte Severus. "Wenn Blacks Plan aufgegangen wäre, dann wäre ich jetzt - wie gesagt - tot, oder ein verdammter Werwolf."
Da Severin ihn noch immer verständnislos anstarrte, erzählte er ihm, was damals vorgefallen war: Dass Black ihn dazu animiert hatte, Lupin zu folgen, ohne zu ahnen, dass er sich direkt in die Fänge eines Werwolfs begeben würde, dass James Potter ihn gerade noch zurückhielt, wobei Severus die ganzen Jahre gedacht hatte, dass alle vier Rumtreiber diesen Plan ausgeheckt hatten und Potter nur kalte Füße gekriegt hatte - und dass er erst vor einiger Zeit erfahren hatte, dass der Plan ganz allein auf Blacks Mist gewachsen war, ohne die anderen einzuweihen - was allerdings auch nicht gerade dazu beigetragen hatte, das Verhältnis zwischen Snape und Black zu entspannen.
Severin hatte aufmerksam zugehört und nur hin und wieder den Kopf geschüttelt. "Das ist ziemlich krass", sagte er dann. "So langsam verstehe ich, wieso du sofort rot siehst, sobald Sirius irgendwo aufkreuzt oder sein Name fällt. Hast du dich eigentlich mal für diese Nummer revanchiert?"
Severus schreckte aus seinen finsteren Gedanken auf. "Was? Naja... nicht direkt.... Nein, eigentlich nicht...."
"Dann sollten wir das nachholen, oder?"
"Wie.... jetzt?"
"Besser spät als nie", zuckte Severin mit den Schultern.
"Du willst mir helfen, mich an Black zu rächen?", fragte Severus ungläubig. Noch nie hatte ihm jemand solch einen Vorschlag gemacht. Soweit er sich zurückerinnern konnte, hatte er immer alleine und ohne Hilfe dagestanden. Und nun bot ihm plötzlich jemand seine Hilfe an - und dann auch noch ausgerechnet dabei, es Sirius Black heimzuzahlen. Immer hatte es nur geheißen, er solle sich nicht so anstellen, es wäre ja schließlich nichts passiert. Wie es in ihm damals ausgesehen hatte, hatte niemanden interessiert und so kam es, dass er dieses furchtbare Erlebnis bis zum heutigen Tage nicht hatte verarbeiten können. Na gut, genaugenommen bot er sich durch seinen Doppelgänger selbst Hilfe an - aber kleinlich wollte er gerade jetzt nun wirklich nicht sein.
"Naja, rächen.... ich würde es ‚einen Streich spielen' nennen", sagte Severin. "Aber einen, an den Sirius noch eine ganze Weile zurückdenken wird."
"Ich denke, du magst Black", wunderte sich Severus.
"Tu ich auch, aber mir geht das ewige Gezanke zwischen euch auf die Nerven und außerdem hast du nicht ganz unrecht, wenn du wegen damals noch sauer bist und im übrigen sollten wir zusammenhalten und abgesehen davon liebe ich es, Streiche zu spielen."
Nach diesem ellenlangen und grammatikalisch völlig unmöglichen Satz schüttelte Severus nur den Kopf. "A-ja...", meinte er. "Und hast du schon eine Idee?", fragte er dann neugierig.
"Klar", grinste Severin. "Dazu brauchen wir nur einen Sirius, einen Remus, einen Vollmond, den wir ja diese Nacht wieder kriegen, ein paar streunende Straßenköter, Rüden, und einen geilen Zauberspruch, den ich schon immer mal ausprobieren wollte."
Diese Zutatenliste rief wieder ein verständnisloses Kopfschütteln bei Severus hervor.
"Vertrau mir, ich weiß was ich tue", verkündete Severin vergnügt. Dann drehte er sich um und mit einem: "Ich muss noch eben schnell was erledigen", war er verschwunden.
Severus starrte ihm nachdenklich hinterher. Dann schüttelte er den Kopf und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, um die restlichen Arbeiten zu korrigieren. Aber so richtig konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Immer wieder hob er den Kopf und lauschte, ob Severin zurück kam. Er konnte nicht verhehlen, dass er vor Neugierde fast platzte. So sehr er auch nachdachte, fiel ihm nichts ein, was man mit dieser seltsamen ‚Zutatenliste' anstellen konnte.
Etwas später ging er zum Abendessen. Von Black war nichts zu sehen. Lupin wirkte lediglich etwas erschöpft, weil er gerade wieder eine Vollmondnacht hinter sich hatte, aber ansonsten machte er einen ahnungslosen Eindruck. Anscheinend hatte ihm Black noch nichts von seiner Begegnung mit dem Panther erzählt.
Severin saß - wie üblich - neben Severus, erwähnte aber seinen Plan mit keinem Wort, sondern strahlte - ebenfalls wie üblich - fröhlich und vollkommen harmlos in die Runde.
‚Als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Dabei hat er es faustdick hinter den Ohren', dachte Severus - missmutig darüber, dass sein anderes Ich ihn ganz offensichtlich zappeln ließ.
Plötzlich ging die Tür auf und Sirius betrat die Große Halle. Mit schnellen Schritten und misstrauischen Blicken in Severus' Richtung eilte er zu seinem Platz neben Remus, setzte sich und begann schweigend und hastig zu essen, wobei er sich ab und zu vorbeugte und schwer deutbare Blicke in Severus' Richtung warf.
"Warum starrt mich Black die ganze Zeit so komisch an?", flüsterte Severus seinem Bruder zu. "Du hast ihn doch verwüstet und nicht ich."
"Ja, aber das weiß er doch nicht", grinste Severin, ohne sich dabei seinem Bruder zuzuwenden. Stattdessen zwinkerte er lieber einigen tuschelnden Ravenclaw-Mädchen zu, die daraufhin knallrot anliefen und hysterisch zu kichern anfingen. "Ich würde mal davon ausgehen, dass er glaubt, dass du vorhin der Panther warst."
"ICH?!?"
Einige Lehrer und Schüler drehten sich verwundert nach dem Zaubertränkemeister um, da es niemand gewohnt war, dass dieser sich - außer in seinem Unterricht - lautstark äußerte.
"Ich?", wiederholte Severus wesentlich leiser. "Wieso?"
"Na überleg doch mal", säuselte Severin leise mit der für einen Snape typischen samtenen Stimme. "Sirius hat nur dich gesehen. Wieso sollte er also annehmen, dass ihn jemand anderer als du verfolgt hast?"
"Naja...", brummte Severus und dachte über die Konsequenzen dieses Black'schen Irrtums nach. Sie gefielen ihm.
Langsam stahl sich ein selbstzufriedenes Lächeln auf seine Lippen und er konnte es sich nicht verkneifen sich vorzubeugen und Black einen hämischen Blick zuzuwerfen.
Dass Black daraufhin unsicher blinzelte und schnell wegschaute, war für Severus wie ein innerer Vorbeimarsch.
Oh ja, das gefiel ihm - und zwar von Minute zu Minute besser. Er hoffte insgeheim, dass das noch so lange wie möglich anhielt.
Über diese erfreulichen Gedanken hatte er fast den von Severin angekündigten Streich vergessen, aber nun fiel er ihm wieder ein. "Was ist mit dem Streich?", fragte er seinen Bruder leise und angelte sich ein Hühnerbein von einer der Platten.
"Geduld", lächelte Severin. "Dazu kommen wir noch früh genug. Ich will erst, dass die Kinder schlafen und niemand mehr draußen herumgeistert. Ist sicherer, weißt du..."
"Sicherer? Was hast du vor?"
"Bis nachher", sagte Severin jedoch mit einem hinterhältigen Grinsen, erhob sich und verließ beschwingten Schrittes die Halle, Severus einfach wie bestellt und nicht abgeholt sitzen lassend.
"Ich hasse es, wenn er das tut", murmelte Severus genervt und enttäuscht und kaute frustriert auf seinem Hühnerbein herum.
Dann fiel ihm ein, was ihm den Abend versüßen könnte und er begann wieder damit, Sirius hämische und wissende Blicke zuzuwerfen.
Nach einer Weile jedoch wurde das langweilig, vor allem, als Sirius aufstand und zusammen mit Remus die Halle verließ. Aber Severus konnte deutlich hören, wie Remus seinen Freund fragte, was denn nun eigentlich mit ihm los sei.
"Nichts, nichts", wich Sirius aus und schob Remus vor sich her aus der Halle.
Severus lehnte sich zufrieden zurück.
"Was ist heute los mit dir?", fragte ihn plötzlich Professor Dumbledore, der sich zu ihm herübergebeugt hatte und ihn amüsiert anblinzelte.
"Was? Wieso?" Severus erschrak.
"Weil du heute strahlst, als hätte man dir verkündet, dass es ab nächstes Jahr kein Haus Gryffindor mehr geben würde."
‚Ist das so offensichtlich?', fragte sich Snape, beschloss dann aber auf den Direktor einzugehen: "Keine Gryffindor mehr ab nächstes Jahr? Das ist ja eine tolle Neuigkeit!"
"Severus!", tadelte Dumbledore mit gespielter Entrüstung. "Also wirklich..."
"Schon gut, man darf ja noch hoffen", murrte Snape. "Ich geh dann mal in meine Räume und beweine ein bisschen die Ungerechtigkeit der Welt..." Damit erhob er sich, nickte dem Direktor grüßend zu und verließ die Halle durch die Hintertür.
Dumbledore schaute ihm nachdenklich nach. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Zaubertränkemeister langsam etwas auftaute und lockerer wurde. Severins Anwesenheit schien den gewünschten Nebeneffekt zu haben.
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A/N: Okay, ich weiß, die Idee mit dem Spitznamen ist nicht besonders innovativ, aber mir fiel echt nix besseres für einen Hund ein, und Severins Gedanke zu Tatze (seit wann hat ein Hund Tatzen?) kam mir schon, als ich Tatze das erste Mal im Buch las.