Der August neigte sich bereits dem Ende zu. Während die Schüler noch weiterhin die Ferien genießen konnten, stellten sich nach und nach auch die letzten Lehrer an der Zauberschule in Hogwarts ein: erholt, wenn das möglich war, mit frischem Mut und voller Tatkraft. Eine Woche vor dem Eintreffen der Schüler fand die erste große Lehrerkonferenz statt.
Im Lehrerzimmer summte es wie in einem Bienenstock. Minerva McGonagall lauschte interessiert Madam Hoochs Erzählung von den Besenflugkunstmeisterschaften in Namibia, an der sie als Kampfrichterin teilgenommen hatte. "Es gab da einige kleinere Unfälle, aber nichts ernstes..."
Madam Pince unterhielt sich mit Professor Flitwick über die neu eingegangenen Bücher, die sie natürlich erst einmal selber prüfen würde, bevor sie auch nur ein Exemplar an einen Schüler herausgab. Dabei rührte sie eifrig in ihrer Tasse Kaffee herum, als könnte sie damit schon einen Bannzauber gegen unerlaubte Benutzung ihrer geliebten Bücher aussprechen. Flitwick nickte eifrig.
An den Tischen verteilt, unterhielten sich weitere Lehrer. Viele von ihnen genossen die Ruhe vor dem großen Sturm und der Menge von Arbeit, die auf sie alle zukommen würde.
Am Fenster stand Professor Snape. Er schien Professor Binns gar nicht zu bemerken. Dieser schwebte dicht neben ihm und berichtete gerade über seine Pläne, eine neue 'Geschichte der Zauberei' in 224 Bänden zu verfassen. Er war gerade bei Band 58 angekommen und zählte dessen geplanten Inhalt auf.
Der Monolog von Professor Binns wurde erst unterbrochen als Professor Sprout gleichfalls ans Fenster trat und dem Zaubertrankmeister seine Tasse mit Tee reichte. "Werden Sie dieses Schuljahr wieder dieselbe Anzahl Alraunen benötigen, Professor?"
"Nein, die doppelte Menge, wenn es recht wäre." Snape nahm der älteren Dame die Tasse ab. "Danke", erwiderte er knapp, bevor er den ersten Schluck nahm.
Zwei Stück Zucker verschwanden in der Tasse der Lehrerin für Kräuterkunde. "Wie ich in den Lieferlisten sehen konnte, haben Sie zusätzliche Kräuter bestellt, darunter einige echte Exoten. Soll ich mich darum kümmern oder wollen Sie lieber selber...?"
Snape hatte seinen Blick wieder auf den Innenhof des Schlosses gerichtet. Argus Filch und Rubeus Hagrid diskutierten miteinander, während sie auf eine Kutsche warteten, die soeben das Haupttor passierte.
Vor den Stufen des Eingangs hielt der Wagen an. Ihm entstieg ein Mann mit blonden Haaren und einem protzig bestickten Reiseumhang. In der einen Hand hielt er ein weißes Spitzentaschentuch, mit der anderen beschattete er seine Augen und sah sich suchend um. Offensichtlich erwartete er alle möglichen Leute zu seinem Empfang und sah sich nun enttäuscht. Für einen kurzen Moment erlosch sein strahlendes Lächeln.
Der Zaubertrankmeister sah mit ausdrucksloser Miene auf den neuen und alten Lehrer für das Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste hinab. "Dieser Idiot!" knurrte er.
"Professor?" Madam Sprout folgte dessen Blick. Lockhart strahlte inzwischen wieder über das ganze Gesicht und begrüßte gerade den Schulleiter überschwänglich, wobei er mit seinen Armen weit ausholend auf ihn einredete.
"Oh? Der schon wieder! Hätte nicht gedacht, dass Albus es wirklich tun würde", bemerkte die ältere Dame.
"Nein, Professor", Snape kam wieder auf das Gespräch zurück, "ich vertraue Ihnen ganz und gar. Lassen Sie mich nur wissen, wenn die Lieferung eingetroffen ist. Doch jetzt entschuldigen Sie mich bitte."
Snape stellte seinen Tee ab und verließ mit wehendem Umhang das Lehrerzimmer. Professor Binns war inzwischen bei Buch 72 angekommen.
Auf dem Gang zur Haupthalle begegnete Professor Snape Hagrid und dem Hausmeister, die nun eine beachtliche Anzahl von Koffern schleppten, die alle irgendwie verdächtig nach einer ganz bestimmten Person aussahen. Die beiden Männer gingen wenig sanft mit dem Gepäck um, was Severus Snape mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis nahm. Er musste sich an die Wand drücken, um den kleinen Tross passieren zu lassen. Dann eilte er weiter durch die Flure bis er den Zugang zu den Räumen des Schuldirektors erreichte.
"Schokofrosch!"
Der Wasserspeier rückte zur Seite und der Zaubertrankmeister begann zu Dumbledores Büro hinaufzusteigen.
***
Der Fuchsbau war das Heim der Weasleys und für Harry das schönste Zuhause, was er sich vorstellen konnte. Natürlich wäre es perfekt, wenn sein Patenonkel Sirius Black mit dabei wäre, aber davon abgesehen war Harry einfach nur glücklich.
Die Dursleys hatten diesmal keinerlei Bedenken geäußert, als er fragte, ob er die Sommerferien bei seinem Freund bleiben dürfte. Im Gegenteil, sein Onkel konnte gar nicht schnell genug den Koffer samt Eulenkäfig vor den Kamin stellen. "Und wann holen sie dich ab?" war seine einzige Sorge. Wahrscheinlich hatten sie sich endlich mit der Tatsache abgefunden, dass Harry und Zauberei irgendwie zusammengehörten. Dann war es schon besser, dass er sich so wenig wie nur möglich in ihrer Nähe aufhielt. Und ganz offen gestanden, darin waren sich Harrys Onkel und Tante einig, könne er auch ganz wegbleiben.
Das Haus der Weasleys war in der letzten Ferienwoche übermäßig stark belegt. Nicht nur, dass Harry hier als Dauergast logierte, wie Molly Weasley, die Mutter der rotköpfigen Bande, es gern ausdrückte, sondern auch Hermine war vor zwei Tagen eingetroffen. Ginny teilte nun ihr kleines Reich mit der großen Freundin. Ron und Harry mussten Percy bei sich erdulden, da sein Zimmer von dem Ältesten der Weasley-Brüder belegt wurde. Bill war bereits vor Beginn der Sommerferien aus Ägypten angereist, um seinen Urlaub zu nehmen, wie es offiziell hieß. Die Wirklichkeit sah jedoch weniger friedvoll aus. Seit Voldemort Harry während des 'Trimagischen Turniers' beinahe getötet hätte, galt es, den Widerstand gegen den Dunklen Lord zu organisieren, und die Familie Weasley gehörte mit zu den erklärtesten Gegnern von Voldemort.
Es herrschte während des Sommers ein ständiges Kommen und Gehen am Kamin. Erst in den letzten Tagen war wieder Ruhe eingekehrt.
Ruhe? Nun, das war wohl nicht ganz das richtige Wort.
"Plaaaatz daaaa!" schrie Ginny und segelte mit einem lauten Wusch an Ron und Harry vorbei, die noch rechtzeitig die Köpfe einziehen konnten, bevor sie mit ihrem kleinen fliegenden Teppich die Treppe heruntersauste und plötzlich Probleme bei der Steuerung bekam. Mit Mühe gelang es der jungen Pilotin die Kurve zur großen Küche zu nehmen, aber das Tempo des Teppichs verringerte sich nicht, und so drohte sie gegen eine der Wände zu krachen.
"Hiiiilfe! Geooorge! Freeeed! Hiiilfe!"
George sprang geistesgegenwärtig vom Tisch auf. "Wenn du noch immer nicht bremsen kannst, empfehle ich einen Freiflug an der frischen Luft." Er riss die Haustür auf und seine Schwester schoss in den Garten hinaus, wo sie mit ihrem Teppich in den Ästen des Birnbaumes hängen blieb und unsanft auf den Boden krachte.
"Au!" Über ihr zuckte der Teppich noch einmal bevor er erschlaffte. Langsam glitt das kleine Gefährt aus der Baumkrone herunter und segelte auf den Rasen, wo er friedvoll liegen blieb.
"Heimtückisches, hinterhältiges Ding!" fluchte Ginny.
"Du hast die falschen Fransen gezogen!" hörte sie Bill, der aus dem Fenster des oberen Stockwerkes schaute und jetzt eine imaginäre Steuerung in der Luft bearbeitete. "So musst du es machen, Prinzessin!"
Die Antwort war ein trotziges "Bäh!" und eine lange Zunge.
"Ich wünschte, Bill hätte Ginny nicht so einen fliegenden Teppich geschenkt" maulte Ron und setzte sich zu den anderen an den Frühstückstisch. "Das Leben im Fuchsbau war auch so schon quirlig genug - ohne dieses Ding."
"Ginny gefällt es!" Harry nahm Mrs. Weasley zwei Tassen mit Tee ab und schob eine davon zu seinem Freund hinüber.
"Und Teppich kann man dazu wohl kaum sagen." George gab der offenen Haustür einen Schups mit dem Fuß, so dass sie krachend ins Schloss fiel, und Ginnys lautstarken Protest im Garten einfach ausschloss. "Es ist nicht mehr als ein Bettvorleger."
"Aber ein fliegender Bettvorleger!" korrigierte ihn Fred. "Möchte zu gerne wissen, wie Bill es geschafft hat, den ins Land zu bringen. Um fliegende Teppiche zu importieren, bedarf es eines gesonderten Genehmigungsverfahrens."
"Woher weißt du das denn?" kam nun die misstrauische Frage von Mrs. Weasley.
"Habe mich erkundigt. Echt komplizierte Sache mit wenig Erfolgsaussichten."
Zwischen zwei Happen Rührei meldete sich nun Ron wieder zu Wort. "Warum will das Zaubereiministerium nicht, dass es hier fliegende Teppiche gibt?"
"Zu auffällig!" erklärte Fred bereitwillig. "Genauso wie ein fliegender Besen im Orient."
"Andere Länder, andere Sitten!" bestätigte auch sein Zwillingsbruder.
"Das erklärt vielleicht auch, warum im Orient kaum Quidditch gespielt wird."
Ein allgemeines Gelächter brach los, als sich jeder vorstellte, wie zwei Mannschaften auf fliegenden Teppichen versuchten, den Schnatz zu fangen.
Zu der frühstückenden Meute gesellten sich nun auch das Familienoberhaupt und Hermine, die etwas schlaftrunken und mit kaum gebändigter Haarpracht geistesabwesend in ihrer Tasse Tee rührte.
"Hast du noch so lange gelesen Hermine?" wollte Harry wissen.
"Nein, nicht allzu lange, aber es beunruhigt mich ein wenig, dass wir noch nicht wissen, welche Bücher wir im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste brauchen. Glaubst du, dass sie wieder einen Lehrer gefunden haben?"
"Ist nicht gerade die beliebteste Stelle in Hogwarts!" gab Bill zu bedenken, der den Rest des Gespräches gehört hatte. Er schlenderte durch die Küche und öffnete seiner Schwester die Haustür. Lächelnd sah er auf ihren verwuschelten Rotschopf herab. "Guten Morgen, Prinzessin!" neckte er sie. Ginny murmelte etwas wie "Mistding!" und warf den zusammengerollten Teppich in eine Ecke bevor sie sich gleichfalls an den Tisch setzte. Soweit also zu ihrer Vorstellung von einem grandiosen Auftritt.
"Ich wünschte, du würdest dieses Fach übernehmen können!" Es war das erste Mal, dass sich Arthur Weasley zu Wort meldete. "Mir wäre wohler, wenn einer ein Auge auf die Kleinen haben könnte."
Mit der Bezeichnung Kleinen löste der Vater eine wahre Flut von Protesten aus, in die auch Ginny lautstark einstimmte.
"Was heißt hier klein? Fred und ich sind bald größer als Bill, in jedem Fall aber größer als Charlie."
"Jawohl, und schlauer allemal."
"Und schöner!"
"Sowieso!" waren sich die Zwillinge einig.
"Ich bin schon 14!"
"Harry und ich haben bereits ganz andere Situationen gemeistert!"
Diese heiße Diskussion am Küchentisch konnte nur eine Person beenden und sie tat es mit der ihr eigenen Energie.
"RUHE!!" donnerte es durch den Raum und augenblicklich verstummte alles. Mrs. Weasley war wohl die Einzige, die diese Meute zu bändigen verstand.
"Na also."
"Tja", nahm Bill das Gespräch wieder auf, "wir hatten schon darüber gesprochen. Mir fehlt die - hm - Qualifikation. Und außerdem habe ich noch meine Stelle als Fluchbrecher in Ägypten. Mein Urlaub ist schließlich nicht unbegrenzt."
Eigentlich konnte sich Harry Bill Weasley als Lehrer im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste recht gut vorstellen. Zumindest besser als Professor Lockhart, der ihm nun so ganz und gar nicht in guter Erinnerung geblieben war. Ob der inzwischen sein Gedächtnis wieder hatte? In St. Mungo, dem Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen, sollen die Medi-Zauberer ja wahre Wunder vollbringen können.
Harry wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als Ron ihn von der Seite anstieß und mit knappem Kopfnicken und frechem Grinsen zur Treppe deutete. Jetzt war auch der letzte der Familie erschienen. Percy sah wieder aus wie aus dem Ei gepellt. Allerdings wirkte er um die Nase ein wenig blass.
"Percy, Schatz, du bist spät dran. Was willst du zum Frühstück?"
"Nichts Ma, ich mache mich gleich auf."
"Ja aber Percy, du kannst doch nicht ohne Frühstück aus dem Haus."
"Ich muß los."
Fred beugte sich zu seinem jüngeren Bruder hinüber: "Hey, Ron, hast du das mit der Zahnpasta ausprobiert?" wollte er in einem verschwörerischen Ton wissen.
"Konnte man das nicht sehen?" raunte Ron zurück. "Dem wird die nächsten zwei Stunden richtig übel sein, wenn er versuchen sollte, was zu essen."
Die Jungs grinsten einander an.
Wenig später verabschiedete sich auch Arthur Weasley von seiner Familie und den Gästen. Allmählich kehrte im Haus wieder Ruhe ein.
Am Nachmittag saßen die jungen Weasleys und ihre Gäste unter dem Birnbaum, der durch Ginnys letzten Flug einige Blätter eingebüßt hatte, und Bill berichtete von seiner Tätigkeit in Ägypten.
"Der schlimmste aller ägyptischen Flüche ist der Hom-dai. Aber keiner weiß, wie er wirklich funktioniert oder ob er schon einmal verhängt wurde. Die meisten Probleme haben wir allerdings mit Mumien. Sie sind als Beschützer von Gräbern sehr beliebt gewesen...." Bills Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, denn über den Köpfen der kleinen Gruppe schwirrten drei Eulen. Zunächst kreisten sie ein wenig um den Fuchsbau herum, bis sie auf den Garten zuhielten. Dort ließen sie jeder einen Brief fallen und waren gleich darauf wieder verschwunden. Ein Brief gehörte Harry, einer Hermine und der dritte enthielt Post für die Weasleys. Die Briefe kamen aus Hogwarts und hatten alle ähnlichen Inhalt; die ergänzende Liste der nötigen Schulbücher für das Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste.
"Gilderoy Lockhart?"
Der empörende Aufschrei der Kinder ließ Mrs. Weasley am Fenster erscheinen.
***
"Das war wirklich ein Missgeschick", Lockhart betrachtete selbstgefällig sein Gesicht, das sich in den Glastüren des Bücherschrankes hinter Dumbledore spiegelte, bevor er sich wieder dem Schuldirektor widmen konnte, "ich meine, das vor drei Jahren."
Jetzt schlug Lockhart seine Beine elegant übereinander und wedelte sich mit seinem Spitzentaschentuch ein wenig frische Luft zu. "Ein Basilisk ist schließlich keine lächerliche Runespoor."
Dumbledore saß hinter seinem Arbeitstisch und hörte mit freundlicher Miene zu, bis er den Redeschwall von Professor Lockhart schließlich unterbrach. "Wir alle sind uns der Umstände, die zu jenem Vorfall führten, durchaus bewusst. Auch was das Ausmaß der Gefahr anging." Der Zauberer mit dem weißen Haar und dem langen Bart stand auf. "Ich muß Ihnen auch gestehen, Professor, dass Sie deswegen nicht unsere erste Wahl waren."
Lockharts Lächeln schien zu erstarren. Langsam rutschte er in dem plötzlich viel zu großen Sessel ein wenig tiefer.
"Der Mann, den ich hier gern gesehen hätte, war leider nicht die ganze Zeit abkömmlich, weswegen wir Sie gebeten haben, den Unterricht zu übernehmen. Ich dachte, ich sage es Ihnen gleich."
"Wer war denn Ihre erste Wahl, Professor?" ließ sich Lockhart kleinlaut vernehmen.
Bevor der Direktor etwas darauf erwidern konnte, klopfte es an der Tür. Der Professor im Sessel schreckte ein wenig zusammen, rappelte sich aber sogleich aus dessen Tiefen hervor und nahm seine gewohnte Haltung an: eine Mischung aus arroganter Blasiertheit und einnehmendem Charme.
"Ah, Severus, kommen Sie herein."
Snape glitt mit gewohnter Geschmeidigkeit in das Büro des Schuldirektors. Fast sofort traf sein Blick auf Professor Lockhart.
Im Plauderton dirigierte Dumbledore den Zaubertrankmeister auf einen freien Sessel. "Die Herren kennen sich ja bereits." Auch er setzte sich wieder auf seinen Platz.
In der nun folgenden Stille hörten die Männer nur das Knistern von Bonbonpapier. Der Schuldirektor zelebrierte geradezu die Befreiung des Zitronenbonbons von seiner lästigen Hülle. "Severus?" Er hielt der dunklen Gestalt die Schale mit den Süßigkeiten hin. Der Zaubertrankmeister schüttelte knapp den Kopf, ohne auch nur für einen Moment den Blickkontakt zu Lockhart zu verlieren. Dieser saß in seinem Sessel, starr wie ein Kaninchen vor der Schlange, und schien selbst das Atmen vergessen zu haben. Als Professor Dumbledore ihm gleichfalls von den Bonbons anbot, griff Lockhart hastig in die Schale und fischte eine ganze Handvoll heraus. Es war die beste Gelegenheit, um Snapes kaltem Blick zu entgehen. Oh, wie hasste er diese sauren Zitronendinger. Und wie verabscheute er diese düstere Gestalt ihm gegenüber. Er konnte sich zwar nicht erinnern warum, aber irgendwas in seinem Kopf sagte ihm, er sollte sich vor dem Zaubertranklehrer in acht nehmen.
Endlich unterbrach Dumbledore die Stille. "Die Anforderungen an einen Lehrer im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste sind erheblich größer geworden, seit der Dunkle Lord...", Gilderoy Lockhart schreckte merklich zusammen, was Snape mit grimmiger Zufriedenheit quittierte, "...wieder aufgetaucht ist. Sie, lieber Professor, werden jede erdenkliche Hilfe brauchen können. Professor Snape hat sich daher bereit erklärt, Ihnen diesbezüglich bei Bedarf unter die Arme zu greifen."
Für Lockhart war es unmöglich gewesen, das kurze fiese Lächeln um Snapes Lippen zu übersehen.
"Ähm, ja, also, wenn Sie meinen, Direktor!" Lockhart versuchte es mit seinem berühmten Charme. "Wobei ich kaum glaube, dass es nötig sein wird", begann er seine Selbstsicherheit wiederzugewinnen. "Wie schon gesagt, ein kleines Missgeschick, die Sache mit dem Basilisk. Wer erinnert sich schon daran, was vor drei Jahren war?"
"Harry Potter vielleicht?" Es war das erste Mal, dass Snape sich zu einem Kommentar herabließ.
"Das bringt uns gleich wieder zu unseren Aufgaben zurück. Von Ihnen beiden erwarte ich volle Zusammenarbeit."
Ein Grummeln von Snape, ein nervöses Kichern von Lockhart.
Dumbledore stand auf. "Wir sollten die anderen Professoren im Lehrerzimmer nicht mehr länger warten lassen. Es gibt doch noch einiges zu tun, bevor das neue Schuljahr beginnt. Meine Herren, darf ich also bitten?"
***
"Habe ich es nicht vorhergesagt?" Sybill Trelawney spülte ihre Tasse mit den Teeblättern aus. "Er wird wiederkommen. Ich habe es gesagt."
"Ja Sybill", bestätigte McGonagall zum wiederholten Male und verdrehte einen Moment die Augen. Nicht, dass die Lehrerin für das Fach Wahrsagen damit irgendeine weltbewegende Sache prophezeit hätte, aber sie würde eher Ruhe geben, wenn man ihr zustimmte.
Endlich konnte auch Professor McGonagall ihre Tasse reinigen.
"Also, ich hätte nie gedacht, dass Albus diesen Lockhart wieder einstellen würde." Madam Hooch ließ ihren Becher magisch trocknen und stellte ihn in den Schrank zurück. "Nachdem, was dieser aufgeblasene Kerl alles vermasselte."
"Aber ich habe es vorhergesehen. In meiner Kristallkugel."
"Ja, Sybill!" leierten Madam Hooch und Professor McGonagall gleichzeitig gehorsam ihre Antwort herunter.
Die Frauen gingen zu ihren Plätzen am Versammlungstisch zurück. "Durch Lockharts dämliches Verhalten hätten wir beinahe einen unserer begnadetsten Quidditchspieler verloren." Die Lehrerin für Flugkunst seufzte.
"Geschweige denn, dass Du-weißt-schon-wer Harry Potter fast umgebracht hätte."
Sie setzten sich.
"Wo steckt er eigentlich?"
"Harry Potter?"
"Unsinn!" Madam Hooch deutete auf den Stuhl ihr gegenüber auf der anderen Seite des Tisches. Sie hatte das zweifelhafte Vergnügen, während sämtlicher Versammlungen immer in das säuerliche Gesicht des Zaubertrankmeisters zu blicken.
"Beim Schulleiter!" Professor Flitwick brütete über einer ganzen Anzahl von Listen und sah nur flüchtig auf den leeren Platz neben sich. "Nicht nur, dass er wieder einmal auf die Stelle für Verteidigung gegen die dunklen Künste verzichten muß, nein, er soll dazu noch ein Auge auf Lockhart haben. Nur für den Fall."
McGonagall kicherte. "Schätze, dass dem Hauslehrer von Slytherin wieder einmal die Trophäe für den 'Pechvogel des Monats' zuerkannt werden muß."
"Nicht doch, Minerva!" Madam Hooch versuchte eine weniger schadenfrohe Miene aufzusetzen. "Sich mit Lockhart abgeben zu müssen, verlangt nach dem Merlin-Orden 2. Klasse."
"Wenn nicht sogar die höchste Ehrung!"
Wieder unterdrücktes Kichern.
Für die Hauslehrerin der Hufflepuffs war diese Witzelei unerträglich. Sie saß auf der anderen Seite neben Snapes leerem Platz. "Mal davon abgesehen, dass Sie beide sich ziemlich hässlich über zwei ihrer Kollegen unterhalten, wäre es interessant zu wissen, wo wir heute wohl ohne Professor Snape wären. Oder will eine von Ihnen Hauslehrer von Slytherin werden? Und was Lockhart angeht, so kann ich mich noch an eine blonde Dame mit gelben Augen erinnern, die ganz verzückt von dessen Erscheinung in Hogwarts war."
Madam Hooch und Professor McGonagall sahen verblüfft zu ihrer Kollegin hinüber. Schließlich winkte Minerva gutmütig ab. "Sie haben ja recht, Professor Sprout. Das war nicht nett."
"Ja, ja stimmt schon. Lockhart war ein Blender und ich bin auch zum Anfang darauf hereingefallen - wie eine ganze Anzahl weiterer Lehrer auch."
Die Damen vertieften sich wieder in ihren mitgebrachten Unterlagen. Einige der anderen Lehrer standen noch herum und Professor Binns war inzwischen bei seiner Aufzählung der Bücher über die 'Geschichte der Zauberei' bei Band 201 angekommen. Freilich interessierte es keinen, vielleicht nicht einmal Professor Binns selber.
Dann wurde das allgemeine geschäftige Treiben im Lehrerzimmer unterbrochen. Albus Dumbledore trat mit Gilderoy Lockhart und Severus Snape ein.
Der Zaubertranklehrer ließ sich auf seinem Stuhl nieder und betrachtete Madam Hooch und Professor McGonagall mit einem abschätzenden Seitenblick. Die beiden steckten sofort die Köpfe zusammen.
Snape hob die Augenbrauen. "Fertig geworden mit Tratschen?" fragte er plötzlich.
Das war unheimlich, und wieder einmal fragte sich die Lehrerin für Verwandlungskunst, ob der Zaubertrankmeister nicht doch Gedanken lesen könnte.
"Das gute an einem schlechten Ruf ist", hörte sie ihn sagen, "dass er nicht mehr ruiniert werden kann."
Die beiden Damen runzelten leicht verstimmt die Stirn. Das konnte vieles bedeuten. Hatte Snape sich einen Scherz erlaubt oder sie gerade beleidigt?
An der Stirnseite der Tafel standen der Schulleiter und Lockhart. "Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen ...."
Die Versammlung wurde eröffnet und Professor Binns hatte es doch nicht ganz geschafft, sein Werk über die Geschichte der Zauberei komplett vorzustellen. Wie schade. Und natürlich hatte Sybill Trelawney auch das vorhergesagt.
***
"Die Erstklässler bitte alle zu mir."
Als Harry und Ron mit Hermine aus dem Hogwartsexpress ausstiegen, war es wie an ihrem ersten Schultag. Rubeus Hagrid stand in der Dunkelheit auf dem Bahnsteig und winkte mit der Laterne die Erstklässler zu sich. Die meisten der Jungen und Mädchen blieben staunend stehen und starrten mit weit aufgerissenen und ein wenig ängstlichen Augen die mächtige Gestalt des Halbriesen an. Seine freundliche dunkle Stimme und seine gutmütige Art ließen sie jedoch die Angst vergessen und aufgeregt plappernd folgten sie ihm zum See hinunter zu den Booten.
"Na komm schon, Harry!" Hermine zog ihren Freund in die andere Richtung zu den Kutschen.
In der Großen Halle fand die jährliche Auswahl der neuen Schüler durch den Sprechende Hut statt. Ron und Harry beachteten die Zeremonie nicht weiter und studierten stattdessen den Lehrertisch. Ihre Hoffnung, dass Gilderoy Lockhart vielleicht doch nicht nach Hogwarts zurückgekehrt war, erfüllte sich nicht. Der aufgeblasene Snob saß neben Trelawney und Hagrid und, auffallender Weise, so weit wie möglich von Professor Snape entfernt.
"Ich wünschte, die beiden würden wieder ein Zaubererduell veranstalten und sich dann doch noch gegenseitig erledigen", raunte Ron seinem Freund zu, "dann wären wir sie beide los."
"Und danach?" fragte Harry. Er sah zu Snape hinüber, der ihn bereits mit seinem kalten Blick taxiert hatte und nun wieder die Aufmerksamkeit auf die Zeremonie richtete.
Ron war ganz Feuer und Flamme von seiner Idee. "Wir müssen Lockhart einfach dazu bringen, diesen Duellierclub wieder ins Leben zu rufen. Jede Wette, dass Snape es sich nicht nehmen lassen wird, ihn wieder auf die Bretter zu legen."
"Du glaubst doch nicht wirklich, dass Lockhart es noch einmal mit Snape aufnehmen will?" erkundigte sich nun Hermine. "So blöde kann doch nicht mal Lockhart sein!"
"Warum nicht?" zuckte Ron die Schulter. "Vielleicht erinnert er sich gar nicht mehr daran?"
Die Zeremonie war beendet und nach einigen mahnenden Worten durch Albus Dumbledore begann das Fest. Auf den langen Tafeln erschienen wieder die köstlichsten Gerichte und Naschereien.
Noch einmal sah Harry zum Tisch der Lehrer hinüber. Snape wirkte plötzlich recht zufrieden. Für ihn war das ein Signal zur höchsten Wachsamkeit.
"Ist euch aufgefallen, dass in diesem Jahr der größte Teil der Erstklässler zu den Slytherins gekommen ist?" fragte er schließlich seine fröhlich mampfenden Freunde.
Hermine sah zum Tisch der Slytherins hinüber, an dem die Sitzordnung ein wenig durcheinander geraten zu sein schien. Zumindest saßen einige Erstklässler zwischen den höheren Klassenstufen und nicht nur ausschließlich, wie üblich, ganz vorn in der Nähe des Lehrertisches.
Ron, mit zwei Hühnchenkeulen in den Händen, drehte den Kopf. "Und Malfoy, unser Frettchen, scheint einige von ihnen gleich rekrutiert zu haben."
Noch während der Feierlichkeiten stand Professor Snape auf und schritt nun an der Tafel seines Schulhauses entlang. Er sprach einige Worte mit den älteren Schülern, nickte aufmunternd den Erstklässlern zu und ließ sich sogar neben Draco Malfoy an der Tafel nieder, wo er sofort von seinen Hausschülern umringt wurde.
Ron bekam den Mund nicht mehr zu. "Das hat er doch noch nie gemacht!"
"Das ist so nicht ganz richtig!" korrigierte Hermine ihren Freund. "Vor drei Jahren wart ihr nur nicht dabei."
Harry war der Appetit vergangen. "Seht nur, die Erstklässler scheinen ihn geradezu anzubeten." In diesem Moment begegneten sich seine und Snapes Blicke erneut. Hastig sah Harry wieder weg, aber das boshafte Grinsen des Zaubertranklehrers wirkte in ihm noch nach.
***
Der Hauslehrer der Slytherins war zufrieden. Sein Haus hatte zahlreiche Schülerinnen und Schüler zugewiesen bekommen. Er musste jetzt nur noch dafür sorgen, dass die Erstklässler auch gleich richtig in die Gepflogenheiten der Slytherins eingeführt wurden.
So tat er das, was jedes Jahr am 1. Abend nach der Zeremonie seine Pflicht war. Er verließ seine geliebten Räumlichkeiten, um sie gegen den Aufenthaltsraum der Slytherins einzutauschen.
Vor der Wand, die den Weg zu seinem Schulhaus versperrte, tippte er mit dem Zauberstab gegen das Mauerwerk und nannte das Losungswort "Wahre Stärke!". Sofort veränderte sie sich in ihrer Struktur und gab schließlich einen Durchgang frei.
Professor Snape trat ein.
Obwohl Draco Malfoy nicht der Haussprecher war, so führte er, ganz wie sein Vater, das Regime. Er hatte dafür gesorgt, dass die Slytherins alle versammelt waren als ihr Hauslehrer erschien.
"Um es kurz zu machen", begann Snape mit dem üblichen kalten Ton zu sprechen, "ich gebe Ihnen jetzt die wichtigsten Regeln des Hauses bekannt. Sie alle sind alt genug, um nach Hogwarts zu kommen, Sie werden also auch alt genug sein, sich an meine Worte zu erinnern."
Sein Kopf ruckte zur Seite und maß Goyle und Crabbe mit abschätzendem Blick. Die dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht und gaben ihm das bedrohliche Aussehen eines unberechenbaren Mannes. "Nun ja, Ausnahmen soll es ja immer geben." Snape genoss die Wirkung, die er auf die Kinder hatte. Der Hauslehrer strich sich die Haare wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Zuallererst sind Sie dieser Schule und ihrem Direktor, Professor Dumbledore, verpflichtet, danach dem Hause Slytherin. Sollte jemand das auch nur einmal vergessen, werde ich ihn daran zu erinnern wissen.
Zweitens: Ich erwarte von Ihnen allen Leistungen, die dieser Schule und diesem Hause angemessen sind. Wenn es Probleme gibt, gehen Sie zum Vertrauensschüler des Hauses oder kommen Sie zu mir. Keiner von Ihnen wird den Schuldirektor mit irgendwelchen Dingen belästigen, bevor er nicht zuerst bei mir war.
Drittens: Gibt es Streit in diesem Haus, legen Sie ihn sachlich bei. Wenn das nicht möglich ist, entscheidet ein Zaubererduell nach den üblichen Regeln. Nach außen hat das Haus geschlossen aufzutreten. Ich dulde keine Querelen in der Öffentlichkeit. Sie repräsentieren eines der besten und stärksten Häuser Englands, seien Sie sich dessen immer bewusst.
Viertens: Die älteren Schüler werden sich um die Jüngeren kümmern. Gibt es Streit mit den anderen Schulhäusern sorgen Sie dafür, dass Slytherin darin als Sieger hervorgeht. Wenn das nicht möglich ist", er senkte die Stimme zu einem drohenden Flüstern, "dann wenigstens ehrenhaft. Aber denken Sie immer daran, wir bleiben niemandem etwas schuldig, wir vergessen nie. Darin liegt unsere wahre Stärke!"
Für einen Moment blieb es ganz ruhig im Aufenthaltsraum des Hauses. Snape stand vor dem Kamin und beobachtete mit unergründlichem Blick seine Schüler. Die Älteren sahen entschlossen zu ihm hinüber. Die Gesichter der Jüngeren und der Erstklässler glühten vor Aufregung. Zufrieden gestattete sich der Zaubertrankmeister ein Lächeln. Er deutete mit seinem Zauberstab auf den Tisch vor dem Kamin und augenblicklich standen dort kleine Trinkpokale aus grünem Kristall mit einer gleichfalls grünen Flüssigkeit.
Der Hauslehrer griff nach dem einzigen großen Pokal, während die älteren Schüler die kleinen Gläser verteilten bis jeder eines in der Hand hielt.
"Auf Salazar Slytherin!" Snape hob den Pokal und seine Schüler folgten feierlich seinem Beispiel.
"Auf Salazar Slytherin!"
Snape blieb noch eine Weile bei den Schülern, um sich mit den Neuzugängen vertraut zu machen und sich von den Älteren über ihre Zukunftspläne oder ihre Ferien berichten zu lassen. Dann jedoch befahl er sie in die Schlafsäle, bevor er sich in seine Räume zurückzog. Er mochte dieses alte Ritual nicht, das es bereits zu seiner Schulzeit im Hause Slytherin gegeben hatte, aber es war gut für die Einheit des Hauses und half den Erstklässlern, sich schnell einzugewöhnen. Ihm lag sehr am Herzen, dass sich keines der Kinder ausgeschlossen fühlte. Was die Schüler später daraus machten, würde sich in den nächsten Wochen bereits zeigen.
***
Für die älteren Schüler begann die Schulroutine schon nach den ersten Tagen, die Jüngeren brauchten natürlich länger. Vertrauensschüler und Lehrer hatten reichlich damit zu tun, einige Erstklässler aus Trickstufen zu befreien und ihre verirrten Schäfchen auf fremden Korridoren und Fluren zu suchen. Sie waren dahin geraten, nachdem die Treppen ihre Richtung änderten oder das Schloss sich wieder einmal selbst umbaute. Derartige unfreiwillige Ausflüge endeten meistens glimpflich, es sei denn, dass der Zaubertrankmeister einen der Erstklässler aufgabelte. Dann schlug sich sein Frust über diese, in seinen Augen völlig unnötige Suchaktion, im Punktestand des jeweiligen Hauses nieder. Aber allmählich gab sich auch das. Zumindest die von Professor Snape aufgefundenen Schüler verirrten sich nie wieder.
Wenn es hieß, die Schulroutine kehrte in Hogwarts ein, dann natürlich auch die damit verbundenen Probleme. Im Moment machten sich zwei rotköpfige Siebendklässler daran, ein noch größeres zu schaffen.
George Weasley stand vor dem Porträt der Fetten Dame am Eingang des Gryffindor-Turms und sah seinem Bruder zu, wie dieser mit einem Pinsel in einem Schälchen rührte und die darin enthaltene Flüssigkeit weiter aufschäumte. Der rosafarbene Schaum knisterte leicht. Es war kurz vor dem allgemeinen Wecken im Turm und im Schloss selbst noch ziemlich still. Weiter unten jedoch, in der Großen Halle und auf den Fluren, die zu den Unterrichtsräumen führten, tauchten erste Lehrer auf. Noch ahnten sie nichts von dem, was bald passieren würde.
Voller Vorfreude warteten die Zwillinge, bis der Schaum sich ein wenig verfestigt hatte. Dann klopften sie gegen das Gemälde und weckten die Fette Dame.
"Was denn?" gähnte sie und richtete sich das Haar, strich das Kleid glatt und sah misstrauisch auf die Jungen. "Ihr beide wollt mir doch nicht etwa erzählen, dass ihr das Passwort vergessen hättet?"
"Nein, haben wir nicht." George grinste über das ganze Gesicht. "Aber wie wir gerade von einem anderen Bild erfahren haben, wollte die Dame mit den Pudeln aus dem dritten Stock sich gerade auf den Weg machen, um den edlen Magister Seufzviel zu besuchen. Er hatte wieder einen seiner melancholischen Anfälle und da wollte sie ihn trösten."
"Oh, der arme Mann." Die Fette Dame klimperte voller Mitgefühl mit den Augen und senkte ihren Blick nach unten in Richtung Krankenflügel. "Ich würde ihm so gerne helfen. Er hängt da schon fast dreihundert Jahre rum und staubt so vor sich hin. Oh, er hat es wirklich nicht leicht", schmachtete sie weiter und presste ihre Hand auf die Brust.
"Na ja", meinte Fred leicht hin, "wir haben das nur so gehört, muß ja nicht stimmen. Aber warum besuchen Sie ihn nicht einfach? Sie können dann sehen, wie es dem Magister Seufzviel geht."
Wieder ein schmachtender Blick in Richtung Krankenflügel, dann aber ließ die Fette Dame die Schulter hängen. "Ach, es geht nicht. Die Kinder müssen bald aufstehen und zum Frühstück. Da herrscht ein Kommen und Gehen. Nein, da kann ich meinen Platz nicht verlassen." Wieder ein ausgedehnter Seufzer.
"Ja, Sie haben vollkommen recht. Also, wir finden das richtig gut, dass Sie Ihre Aufgabe so ernst nehmen. Da kann man ganz beruhigt sein. Wenn Sie vor unserem Tor Wache haben, fühlen wir uns ganz sicher."
Mit dieser lobenden Anerkennung schien sich die Fette Dame zu trösten und schenkte den beiden Weasleys ein mütterliches Lächeln.
"Dann sollten wir wieder in den Turm gehen und mal nach unseren Geschwistern sehen."
Fred nannte das Passwort und eine sehr gut gelaunte Fette Lady ließ die beiden eintreten.
"Ja, wir haben noch Zeit. Bevor die ersten Schüler auftauchen, wird es wohl noch dauern", fügte George leichthin dazu.
Die beiden Jungen verschwanden im Turm, blieben aber hinter dem Eingang sofort stehen und lauschten.
"Perfekt!" kicherte George. Er hörte die Fette Dame ein kleines Zwiegespräch mit sich selbst führen. Sie bedauerte den armen Magister im Krankenflügel und entschied sich schließlich, weil es ja noch Zeit bis zum Frühstück war, doch einen kleinen Abstecher zu machen.
Die Zwillinge warteten vorsichtshalber noch einen Augenblick, dann kletterten sie durch das Porträtloch wieder hinaus. Und wirklich, der Bilderrahmen war leer und die Fette Dame verschwunden.
"Jetzt aber schnell, bevor das Zeug zu hart wird", mahnte George. Zusammen mit seinem Bruder begann er das Gemälde mit dem rosafarbenen Schaum einzupinseln, bis es ganz und gar bedeckt war. Anschließend traten sie einige Schritte zurück und begutachteten kritisch ihr Werk. Der Schaum wurde langsam durchsichtig und schien zu verschwinden. Ein leichter Schimmer legte sich über das Bild. Bei flüchtiger Betrachtung schien es keine Veränderung gegeben zu haben.
"Also, was nun?" wollte Fred wissen. Er deutete auf das Gemälde. "Da passiert gar nichts!"
"Geduld mein Freund, Geduld!" George hatte den Zeigefinger erhoben. "Wir wissen doch, dass es bei diesem großen Bild länger dauert."
"Ich hoffe nur, dass jetzt die Dame nicht zurückkehrt. Das nämlich würde in jedem Fall Ärger geben."
"Den Ärger wird es sowieso geben. Doch davor amüsieren wir uns noch köstlich. Sieh, es beginnt!"
Für Professor Snape war dieser Morgen einer seiner schlechtesten seit Schuljahresbeginn. Und das war erst der 9. Tag. Er hatte zum ersten Mal die Aufsicht in der Großen Halle während des Frühstücks. Das hieß, er musste als erster in der Halle sein und durfte erst als letzter gehen. Als er zum Lehrertisch schlich, mit grantigem Gesicht und alles andere als leichten Schritts, entdeckte er zu seinem Bedauern bereits die ersten Hufflepuffs zu ihren Plätzen streben. Er ließ sie jedoch in Ruhe, denn die beiden älteren Mädchen senkten sofort ihre Lautstärke, als sie ihn sahen.
Nach zwei Tassen Tee, sein Hauselfe hatte dafür gesorgt, dass er wirklich stark war, trug der Zaubertrankmeister noch immer dieses verkniffene Morgenmuffelgesicht zur Schau. Innerlich fühlte er sich jedoch immerhin schon ansprechbar. Seelisch bereitete er sich auf den eigentlichen lärmenden Ansturm der Schüler vor, der auch nicht lange auf sich warten ließ. In Windeseile herrschte ein wildes Kommen und Gehen sowie lautes Geschwatze. Einzig allein seine Slytherins nahmen Rücksicht auf ihn und versuchten das Frühstück leise über die Bühne zu bringen.
Nach der vierten Tasse Tee verschwand sogar das Morgenmuffelgesicht und Snape wechselte zu einer abweisenden Mimik. Gewohnheitsmäßig versuchte der Meister der Zaubertränke sein Dienstgesicht bei einem seiner Lieblingsopfer zu testen. Er sah zum Tisch der Gryffindors hinüber - und stutzte. Bisher war noch keiner der nervenden Bande aufgetaucht. Nicht ein einziger Schüler saß an der Tafel.
Er sagte sich, dass er dafür dankbar sein sollte. Sehr dankbar! Aber trotz allem konnte er die Tatsache nicht einfach beiseite schieben, so verlockend das auch war.
Er schaute zum Stundenglas. Wenn die Gryffindors nicht bald auftauchten, mussten sie ohne Frühstück in den Unterricht.
"Guten Morgen, Severus." Madam Sprout lächelte ihren Kollegen an und setzte sich an ihren Platz. Die dunkle mürrische Gestalt antwortete nicht. Aber das hatte die Kräuterhexe auch nicht wirklich erwartet. Bald tauchten weitere Lehrer auf und begannen zu frühstücken. Nach und nach bemerkten auch sie das Fehlen der Schüler.
Irgendwann sah sich Snape doch dazu genötigt diese Frage zu klären. "Ähm, Madam Hooch."
Der blonden Lehrerin für Flugkunst fiel fast das Messer aus der Hand, als sie sich von Professor Snape am Frühstückstisch angesprochen fühlte. Der bekam doch morgens nie die Zähne auseinander und nun klang es so, als wollte er Konversation mit ihr betreiben.
"Kann ich Ihnen helfen, Severus?" fragte sie unverbindlich und legte vorsichtshalber das Messer hin, bevor sie es doch noch scheppernd fallen ließ.
"Hat Minerva heute Morgen eine Versammlung mit den Gryffindors einberufen? Oder gab es Hausarrest und Frühstücksverbot im Turm?"
"Nicht, dass ich wüsste. Aber da kommt Minerva, Sie können sie ja selber fragen." Madam Hooch deutete auf Professor McGonagall, die gerade mit ungläubigem Blick am Tisch ihres Hauses entlang schritt. Je näher sie zu den Lehrern aufrückte, um so mehr umwölkte sich ihre Stirn. Schließlich blieb sie vor Snapes Platz stehen.
"Severus, sagen Sie, was ist mit den Gryffindors?"
Der Angesprochene hob die Augenbrauen. Was hatte er mit dem Haus von McGonagall zu schaffen? "Woher soll ich das wissen?"
"Es sitzt nicht einer von ihnen am Tisch."
"Ach, das ist Ihnen auch aufgefallen? Tolle Leistung!" kommentierte er abweisend.
McGonagall war nicht für kleine Wortplänkeleien zu haben. Sie beugte sich ein wenig vor und stützte die Hände an der Tischkante ab. "Haben Sie meine Kinder womöglich rausgeworfen?" fraget sie leise mit einem strengen Unterton.
"Und weswegen denn? Nicht, dass eine solche Idee mir durchaus schon öfter gekommen wäre."
"Vielleicht waren sie Ihnen zu laut oder Sie konnten ihren Anblick nicht ertragen?" provozierte McGonagall. Sie war sich sicher, dass der Zaubertrankmeister ihre Schüler wieder schikaniert hatte. "Doch diesmal sind Sie zu weit gegangen. Ich werde mit Albus darüber reden. So geht das nicht weiter, Severus. Das Schuljahr hat erst angefangen."
Als ob er das nicht selber wüsste. Snape schob seinen Frühstücksteller ein wenig zurück und stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab. Mit der ihm eigenen kalten Gelassenheit faltete er die Hände und legte sein Kinn auf die Daumen. "Wieso, Professor, glauben Sie, dass ein Slytherin für das Fehlen Ihrer missratenen Gryffindors verantwortlich ist? Haben Sie schon einmal in Betracht gezogen, dass es auch ganz andere Gründe geben könnte?"
McGonagall schnaufte, oh wie hasste sie diesen arroganten Ton. "Wir werden sehen." Sie wirbelte herum und verließ die Große Halle in Richtung Turm. Severus sah ihr nach und wandte sich dann zu den Slytherins. Er unterzog jeden einzelnen einem strengen Blick, um einzuschätzen, ob sie vielleicht doch etwas mit der Abwesenheit der Gryffindors zu tun hatten. Nein, diesmal nicht, entschied er.
Die Weasley-Zwillinge hatten in einer Nische unweit des Eingangs des Gryffindor-Tums Stellung bezogen. Sehr darauf bedacht, verborgen zu bleiben, harrten sie erwartungsvoll auf die Dinge, die bald kommen würden. Dann Auftritt Minerva McGonagalls.
Sie murmelte immer noch wütende Beschimpfungen gegen Slytherin vor sich hin, als sie vor dem Porträt der Fetten Dame stoppte und den Kopf hob. Sie starrte auf das Bild als könnte sie nicht erfassen, was sie sah. "Bei Merlin!" schnappte sie nach Luft und schlug die Hand vor den Mund, um nicht laut zu schreien. Das Gemälde war auf ein kaum handflächengroßes Format geschrumpft und leer. Und da, wo eigentlich der Durchgang zum Turm hätte sein müssen, prangte eine dicke Mauer. Es dauerte eine Weile, bis sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte.
Vorsichtig und mit spitzen Fingern hob Professor McGonagall das Minigemälde ab und entdeckte dahinter ein Loch, kaum groß genug um hindurchzuschauen. Sie beugte sich ein wenig hinunter und versuchte, auf der anderen Seite des ehemaligen Durchgangs etwas zu erkennen. Erleichtert seufzte sie auf. Sie hatte die aufgeregten Stimmen der Kinder gehört. Das zumindest war eine gute Nachricht.
Die Gryffindors liefen aufgeregt durcheinander und jeder stand mindestens zwei-drei Mal vor der Wand, in der sich bis gestern noch der Ausgang befand. Natürlich hatten sie das kleine Loch gesehen, aber es sich nicht erklären können. Einige der älteren Schüler versuchten mit ihren Zauberstäben den Durchgang wieder zu öffnen, aber vergebens. Entweder waren sie aufgrund ihrer bisher erlangten Fähigkeiten nicht dazu in der Lage, oder aber es lag ein ganz anderer Fluch darauf.
Allmählich zeichneten sich verschiedene Gruppen von Schülern ab. Während die einen sich wieder gelassen in die Schlafräume zurückzogen, und ihre neue Situation als ein Geschenk ansahen, gerieten einige andere in Panik, dass sie womöglich auf ewig im Turm eingesperrt sein würden. Eine weitere Gruppe, und zu ihnen gehörten Harry und seine Freunde, versuchten dem Problem mit Analyse und Logik beizukommen. Hermine, seit diesem Jahr Vertrauensschülerin ihres Hauses, begann beruhigend einzugreifen. "Also Leute hört doch mal zu. Am Frühstückstisch werden die Lehrer unser Fehlen bemerken und sicher nachschauen, was los ist. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber ich bin mir sicher, dass wir bald hier raus kommen. Für jedes Problem gibt es eine Lösung."
Ron stupste Harry an. "Und ich wette, dass unsere Hermine auch schon eine parat gehabt hätte, wenn sie nur zur Bibliothek gekommen wäre."
Harry nickte mit einem verschmitzten Grinsen. Dann jedoch nahm sein Gesicht einen ernsten Ausdruck an. "Was meinst du, Ron? Ob es irgendein dunkler Zauber ist?"
"Seit dem letzten Jahr halte ich alles für möglich. Aber in diesem Fall denke ich, brauchen wir nur von der zweitschlimmsten Annahme ausgehen."
"Nummer 2?" hakte Harry irritiert nach.
"Sieh dich mal um." Ron zog seinen Freund in eine etwas ruhigere Ecke. "Fällt dir nicht zufällig etwas auf? Vermisst du nicht einige Gesichter?"
Gehorsam ließ Harry seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Allmähliches Verstehen leuchtete in seinen Augen auf. "Ich vermisse Fred und George. Glaubst du, die beiden haben den Ausgang schrumpfen lassen?"
"Erinnerst du dich an die Experimente im Fuchsbau? Mum war furchtbar wütend, weil die beiden alles mögliche mit einem rosa Schaum verkleinerten."
Ja, daran konnte sich Harry noch gut erinnern. Die beiden wollten sich sogar an Hedwigs Käfig vergreifen.
Das Gespräch der beiden wurde unterbrochen, als sie Hermine rufen hörten, dass jedem die Ohren klingelten. Sie stand an der Mauer mit dem beinahe unsichtbar gewordenen Durchgang und brüllte etwas hindurch.
"Geht es Ihnen allen gut, Hermine?" schrie die Hauslehrerin von der anderen Seite zurück.
"Ja, Professor! Wir kommen nur nicht raus aus dem Turm."
"Können Sie sagen, was passiert ist?"
"Nein, als die ersten gehen wollten, war plötzlich der Durchgang weg."
"Also gut, bewahren Sie Ruhe. Ich werde den Direktor verständigen."
Minerva McGonagall nahm das kleine Gemälde mit und verschwand eilig.
George und Fred in ihrem Versteck konnten sich kaum noch vor Lachen halten und schüttelten sich begeistert die Hände. "Glückwunsch Partner!" grinste George.
"Glückwunsch Partner!" erwiderte Fred.
Auftritt Lehrerkollegium.
Die Zwillinge hörten die aufgeregt sprechende Schar schon von weitem. Sie zogen sich noch ein Stück tiefer in ihrem Versteck zurück.
Professor McGonagall stand als erste wieder vor der Wand und deutete aufgeregt mit der einen Hand darauf, während sie in der anderen noch immer das geschrumpfte Bild hielt.
Sie war völlig aufgelöst und rang ganz offensichtlich nach Worten.
Der Schuldirektor nahm ihr das Bild ab. "Beruhigen Sie sich erst einmal, Minerva. Wir werden das schon wieder hinbekommen. Sie sagten doch, den Kindern geht es gut. Das mit dem Durchgang sollte doch kein Problem für uns darstellen." Er schob seine Brille etwas weiter auf die Nase und betrachtete eingehend das Bild. Langsam stahl sich ein Lächeln über sein Gesicht. "Es ist gar nicht so schlimm wie Sie vielleicht denken - Severus, schauen Sie sich das hier mal an."
Dumbledore gab das Bild an seinen Lehrer für Zaubertränke weiter.
Madam Sprout stand hinter Flitwick und sah nicht weniger aufgelöst aus als die Hauslehrerin der Gryffindors. "Und den Kindern geht es wirklich gut?"
Minerva nickte.
"Kommen Sie, meine Liebe, Sie sind ja so blass. Setzen Sie sich." Die kleine Kräuterhexe führte Minerva McGonagall ans Fenster und drängte sie, sich auf dem niedrigen Bord zu setzen.
Fred und George hielten die Luft an und zogen sich noch mehr in ihrem Versteck zurück. Die beiden Lehrerinnen waren ihnen ziemlich nahe gekommen.
Während Flitwick, Dumbledore und Snape über das Bild gebeugt miteinander sprachen und Madam Sprout sich rührend um ihre Kollegin kümmerte, tauchte Professor Lockhart unverhofft auf. "Ich hörte, es gibt Probleme!" Er strich sich mit einer gekonnten Geste durch sein goldschimmerndes schönes Haar und lächelte lobheischend.
"Haben Sie eine Lösung dafür?" Snape sah zu seinem Kollegen. Zum Glück war der ihm heute beim Frühstück erspart geblieben. Er deutete auf das Gemälde in seiner Hand.
"Ah!" rief der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste aus. "Hier werden meine hervorragenden Qualitäten gebraucht!" Er riss dem Zaubertrankmeister förmlich das Bild aus der Hand und betrachtete es gewichtig. "Ich kann helfen."
Wie aus einem Munde schrien McGonagall und Sprout gemeinsam auf: "Nein! Bloß nicht!"
"Albus, das dürfen Sie nicht zulassen!" flehte die Hauslehrerin der Gryffindors. Die Angst, Lockhart könnte irgendetwas mit ihren Schülern anstellen mobilisierte ihre Kräfte. Sie stemmte sich in die Höhe. Madam Sprout drückte sie wieder nieder. "Keine Angst, Minerva", flüsterte sie leise. "Solange Severus dabei ist, wird Lockhart keine Chancen haben etwas anzustellen."
"Sind Sie sicher?"
"Aber natürlich bin ich mir sicher!" Zumindest hoffte sie das.
Lockhart drehte noch immer das Bild unschlüssig hin und her. Er roch sogar daran. "Das Gemälde wurde geschrumpft", stellte er anschließend fest.
"Ach, sind Sie ganz allein darauf gekommen?" erwiderte Snape mit ätzender Stimme und nahm ihm das Bild wieder ab. "Oder haben Sie geraten?"
"Spüre ich da so was wie negative Schwingungen?" Lockhart lächelte verschmitzt und drohte der dunklen Gestalt sogar mit dem Finger. "Ach Professor, Sie sollten dem neuen Tag positiver begehen. Sehen Sie mich an: das blühende Leben."
Snape beugte sich zu Dumbledore. Sein Haar fiel ihm vors Gesicht. "Albus, darf ich ihn nicht doch ein ganz klein wenig verfluchen?"
In den Augen des Direktors blitzte es belustigt auf. "Und da sagen alle, Sie hätten keinen Humor, Severus."
Der Meister der Zaubertränke richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und verzog das Gesicht. "Ich meinte das ernst."
Professor Flitwick schwebte neben den beiden großen Männern und tippte mit seinem Zauberstab auf das Bild. "Haben wir für das hier nun eine Lösung? Nach dem Glanz auf dem Bild zu urteilen ist es kein Zauberspruch gewesen, sondern eine Essenz, die darauf gestrichen wurde." Er sah nun zu Snape. Dieser nickte. "Schrumpfkleber oder Schrumpfschaum."
"Das hätte ich Ihnen aber auch sagen können", entgegnete Lockhart fröhlich, "aber Sie haben mich nicht gelassen", verteidigte er sich als er die Blicke der Männer auf sich spürte.
"Ja, bedauerlich", stimmte Albus Dumbledore zu. "Aber ich bin sicher, Sie werden Ihre Chance auch noch bekommen, Gilderoy. Seien Sie dessen versichert."
"Na ja", Lockhart lächelte breit und unbescheiden, "ich wollte mich nicht in den Vordergrund drängen. Wenn man so berühmt ist wie ich, da kann das leicht mal passieren." Er gluckerte sein bekanntes Lachen. Snape verdrehte die Augen. Um sich nicht doch noch hinreißen zu lassen, seine Hände um Lockharts Hals zu legen, beschloss er, sich wieder um das eigentliche Problem zu kümmern. "Ich gehe in den Kerker und hole das Gegenmittel. Es dauert nicht lange."
***
Professor Dumbledore hängte das kleine Bild an seinen Platz, während Snape ein Tuch in einem Schälchen eintauchte und mit einer glitzernden Flüssigkeit den Schrumpfschaum entfernte. Kaum war das Bild getrocknet, begann es auch wieder zu wachsen.
Die Fette Dame, die in einem benachbarten Bild gewartet hatte und sich große Vorwürfe machte, war untröstlich und schämte sich sehr. Albus sprach ihr gut zu und beruhigte sie damit, dass sie gegen den kleinen Streich, den man ihr gespielt hatte, sowieso nichts hätte tun können. Das war nur ein schwacher Trost, aber die Fette Dame war dafür dankbar.
Sie nahm ihren Platz wieder ein und schon klappte das Porträt auf, und die aufgeregten Gryffindors drängten aus dem Turm.
In dem ganzen Durcheinander bemerkte keiner, wie sich Fred und George unter ihre Schulkameraden mischten und nicht weniger aufgeregt den kleinen Zwischenfall kommentierten. Ihr Plan war perfekt gelungen.
Zumindest dachten sie das bis zu dem Moment, wo eine energische Stimme sie beide zu sich beorderte: "Fred und George Weasley!"
Den Zwillingen erstarb das Lächeln im Gesicht. Verunsichert schauten sie sich an bevor sie sich zu Professor McGonagall umdrehten. Ihre Hauslehrerin saß noch immer in der Fensternische und starrte die beiden Jungen mit zornig funkelnden Augen an.
"Von wo kommen Sie jetzt eigentlich her?"
"Aus dem Turm", entgegnete einer der beiden so nebenbei wie möglich. Mit einem gewinnenden Lächeln strahlten sie die Professorin an.
"Und seit wann ist der Ausgang des Turms so weit links?"
"Ähm, soweit links?"
Minerva stand energisch auf und stemmte die Fäuste in die Seite. Sie maß die Zwillinge von oben bis unten. "Meine Herren, halten Sie mich nicht für blind."
Langsam hatte McGonagalls Stimme an Intensität zugenommen. Die Gryffindors blieben auf dem Flur erstaunt stehen. Einer nach dem anderen drehte sich zu der Lehrerin um. Ihnen bot sich ein seltsames Bild. Die beiden Weasleys mit ihrem feuerroten Haar standen mit leicht gesenkten Köpfen vor ihrer Hauslehrerin, die zu den beiden Siebendklässlern aufschauen musste.
McGonagall war jetzt richtig in Schwung gekommen und schimpfte sich den ganzen Schrecken, den sie erlitten hatte, von der Seele. "Das war ein völlig überflüssiger Streich und ein geschmackloser dazu."
Die beiden versuchten sich herauszureden. Doch da vernahmen sie hinter sich die Stimme der Fetten Dame. "Es kam mir gleich so merkwürdig vor, wieso Sie zu so früher Stunde auf dem Flur herumschlichen. Ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen beiden."
Fred und George sahen schuldbewusst zu Boden, konnten aber aus den Augenwinkeln sehen, dass der jeweils andere noch immer viel Spaß diesbezüglich hatte. Die reumütige Maske verrutschte ein wenig und ein Grinsen stahl sich in ihre Gesichter.
Minerva nickte zu dem Porträt und wandte sich dann wieder den Zwillingen zu. "Es macht Ihnen offensichtlich noch immer Spaß!" Die Hauslehrerin reckte das Kinn und musterte die Zwillinge mit enttäuschter Miene. "Vielleicht lachen Sie nicht mehr, wenn ich Ihnen mitteile, dass Sie beide jeweils 10 Punkte Abzug für groben Unsinn bekommen und natürlich eine Strafarbeit. Ich bin mal neugierig, ob Ihre Eltern das auch so amüsant finden."
Da hörte für Fred und George der unterhaltsame Teil ihres Unternehmens auf. "Professor McGonagall, bitte nicht. Unsere Mutter bringt uns um", versuchte George ein wenig Mitleid zu erhaschen. Fred nickte eifrig und brachte es dabei fertig, aufrichtig zerknirscht auszusehen.
"Ach", die Hauslehrerin faltete die Hände ineinander und bedachte die Jungs mit einem empörten Blick. "Über so was machen Sie sich Gedanken, aber dass Ihr Haus bereits nach einer Woche Punkte abgezogen bekommt bevor es überhaupt genügend erhalten hat um es wieder auszugleichen, das stört die Herren nicht im geringsten. Ich gratuliere, Sie beide haben das Unmögliche geschafft; Gryffindor ist bereits im ersten Monat des Schuljahr im Minus. - Oh, ich sehe schon das Gesicht von Professor Snape vor mir und höre das Gekicher der Slytherins am Tisch. Was für eine Schande!"
Die Lehrerin für Verwandlungen schüttelte betrübt den Kopf. "Was für eine Schande!" wiederholte sie und stampfte davon. Nach einigen Schritten blieb sie stehen und drehte sich zu den Zwillingen um. "Sie melden sich nach dem Unterricht beim Hausmeister. Der wird Ihnen Ihre Strafarbeit zuteilen." Fred und George hörten noch eine ganze Weile McGonagalls "Was für eine Schande für das Haus!" bis diese endgültig verschwunden war.
Dann machten sie sich auf in den Unterricht.