Kapitel 5: Der Abend am See
Erzählt von Muriel Stern
Ich stand an eine Mauer gelehnt auf der Plattform des Astronomieturms und bewunderte den Sternenhimmel. Eine so klare Nacht, hatte es schon länger nicht mehr gegeben. Ich liebte es, den Himmel zu betrachten. Die Stille hier oben war herrlich. Es war etwas nach Zwei Uhr, als ich jemanden die Treppe hoch stürzen hörte. "Wer mag das wohl sein, um diese Zeit?" fragte ich mich. Presste mich dicht an die Wand und zog meinen Zauberstab. Eine dunkle Gestalt kam mit wehendem Umhang über die Plattform geschritten und blieb, nicht weit von mir entfernt, am Geländer stehen.
Sofort hatte ich ihn erkannt. Es war Severus Snape. Er stand da, mit dem Rücken zu mir, den Kopf gesenkt. Er schien mich nicht bemerkt zu haben. Nun warf er den Kopf in den Nacken und atmete ein paar mal tief durch.
Was war nur mit ihm los? Ich liess einige Minuten verstreichen, bevor ich langsam auf ihn zu ging. Auf halbem Weg stiess ich mit dem Fuss an einen losen Stein. Das Geräusch liess Severus herumwirbeln. Auch er zog gerade seinen Zauberstab, bemerkte aber sofort, dass ich meinen bereits auf ihn gerichtet hatte. Diesmal war ich diejenige die schneller gewesen war.
"Was tun Sie so spät noch hier oben?" fragte ich berechnend. "Sollten anständige Leute um diese Zeit nicht längst schon im Bett liegen?"
Severus schloss kurz die Augen und blickte mich dann wieder an. "Erschrecken Sie immer harmlose Lehrer?"
"Sie? Ein harmloser Lehrer?" fragte ich sanft, straffte aber dann meine Haltung und sagte in gebieterischem Ton: "Lassen Sie den Zauberstab fallen, sofort!"
Ein seltsamer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. "Wie sie wünschen," antwortete er müde und liess den Zauberstab zu Boden fallen. "Nun bin ich unbewaffnet. Was werden Sie tun?"
Er blickte kurz zu Boden, anschliessend trafen sich unsere Blicke wieder.
"Hmmmm, da würde mir einiges einfallen, was ich mit Ihnen anstellen könnte, Severus. Für was soll ich mich entscheiden? Ich könnte Sie vom Dach stossen, es würde wie ein Unfall aussehen. Ich könnte Sie aber auch mit dem Imperius-Fluch belegen, so dass Sie alles tun würden, was ich möchte, oder....." Ich ging langsam auf ihn zu.
"Oder was?" flüsterte er, als uns nur noch ein paar Zentimeter trennten.
Ich legte meine Hände links und rechts von ihm auf das Geländer und blickte tief in seine schwarzen Augen. "Ich könnte..."
Weiter kam ich nicht. Er küsste mich. Ich schloss meine Arme um ihn und liess mich in seine Umarmung sinken. Der Kuss war heiss und fordernd. Noch nie zuvor war ich so geküsst worden. Mir wurde leicht schwindlig.
Als sich unsere Lippen trennten, starrten wir uns wortlos an. Einige Minuten standen wir so da. Ich fand als Erste meine Sprache wieder. Mit meiner Hand fuhr ich sanft über seine Wange und sagte: "Du siehst müde aus. War ein langer Tag, nicht?"
Severus nickte, schloss fest die Augen. Ich schlang meine Arme enger um ihn und legte meinen Kopf an seine Brust. Es tat gut zu fühlen, dass noch jemand anderes einsam war und sich nach Nähe sehnte.
Nach einer Weile lösten wir uns von einander. "Setzen wir uns?" fragte er mich leise.
Ich nickte. Er hielt meine Hand fest in der seinen, als wir hinüber zur Steinbank gingen und uns darauf nieder liessen. Severus legte seinen Arm um mich und ich kuschelte mich eng an ihn. Es war kühl geworden, aber die Wärme seines Körpers liess mich nicht frieren. Still genoss ich eine zeitlang seine Nähe, dann sah ich zu ihm hoch und blickte in sein Gesicht.
Seinen Kopf hatte er an die Wand gelehnt, die Augen geschlossen. Tiefe Linien der Sorge und Bitterkeit durchzogen sein Gesicht. An was mochte er wohl denken?
Der Nachtwind blies eine Strähne seines rabenschwarzen Haares in sein Gesicht. Sanft strich ich sie beiseite. Da öffnete er seine Augen und sah mich kurz an, liess seinen Blick dann über den Sternenhimmel gleiten.
"Es ist so friedlich, hier oben," sagte er. "Die Sterne sind so nah. Es ist, als ob der Rest der Welt nicht mehr exsistieren würde."
Was er wohl damit meinte? Ich sah ebenfalls hinauf in den Nachthimmel, als ich eine Sternschnuppe fallen sah. "Wenn so was geschieht, sollte man sich etwas wünschen." flüsterte ich. Auch wenn es ein Aberglaube war, ich tat es doch jedes Mal, wenn ich eine Sternschnuppe beobachten konnte. Hatte sich Severus auch etwas gewünscht?
Plötzlich erhob er sich. "Es ist schon spät, wir sollten hinuntergehen und versuchen zu schlafen, in ein paar Stunden beginnt bereits der Unterricht."
Ich erhob mich ebenfalls und gemeinsam stiegen wir die Stufen des Astronomieturms hinunter. In der Eingangshalle hielten wir an. "Gute Nacht" flüsterte Severus und hauchte mir einen Kuss auf die Hand und ging davon. Ich starrte ihm verwirrt nach und murmelte ebenfalls "Gute Nacht".
Erzählt von Severus Snape
Ich sass beim Frühstück und stocherte lustlos in meinem Teller herum. Die ganze Nacht hatte ich wachgelegen. Heute Früh war ich dann bei Dumbledore gewesen, um ihm von den Geschehnissen der letzten Nacht zu berichten....
Als Dumbledore sein Büro betrat, hatte ich bereits eine Stunde dort gesessen und gewartet. Tief in meine Gedanken versunken, hatte ich ihn nicht bemerkt.
"Severus? So früh schon in meinem Büro?" fragte er erstaunt.
Ich hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. Langsam bildeten sich Falten auf Dumbledores Stirn und er setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
"Was ist passiert Severus?" besorgt sah er mich an. Er wusste, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte, wenn ich um diese Zeit bereits auf ihn wartete.
"Reiss Dich zusammen!" dachte ich ärgerlich. "Du musst es ihm sagen!"
Ich räusperte mich. "Gestern Nacht war ich wieder an einem unserer Treffen. Es war eine Weihe." presste ich hervor. "Sean Rossier wurde in den Kreis der Todesser aufgenommen."
Dumbledore zog scharf den Atem ein.
"Ich war derjenige, der ihm das dunkle Mal einbrennen durfte." sagte ich sarkastisch und blickte zu Boden.
"Schade um ihn," antwortete Dumbledore. "Aber es war absehbar, nur eine Frage der Zeit. Sein Vater setzte Alles daran, ihn auf die dunkle Seite zu ziehen."
Einige Minuten herrschte Stille im Raum....
Als ich meinen Blick wieder dem Direktor zuwandte, bemerkte ich, dass er mich die ganze Zeit beobachtet hatte.
"Severus, wir wissen Beide, dass Sie nicht wegen Sean Rossier her gekommen sind."
Ernst blickte er mir in die Augen. Albus kannte mich einfach zu gut, um zu wissen, dass ich ihn nicht mit belanglosen Sachen belästigen würde. Mein Mund war plötzlich ganz trocken geworden und meine Kehle schnürte sich zu.
"Wer war das Opfer?" fragte er direkt.
Nun gab es keinen Ausweg mehr. Ich musste es ihm sagen. Ich musste.... "Antonius Beckham" kam es leise über meine Lippen.
Albus wurde bleich und fasste sich an den Hals. "Antonius?" flüsterte er.
Ich nickte. "Es tut mir leid, Albus. Ich konnte nichts unternehmen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte....." mir versagte die Stimme. Ich biss mir auf die Lippe und senkte den Blick.
Kaum hatte ich die Augen geschlossen, sah ich wieder den ungläubigen Ausdruck auf Antonius Beckhams Gesicht, als er mich erkannte....
Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner rechten Schulter. Ich blickte hoch. Albus war aufgestanden und hinter seinem Schreibtisch hervorgetreten. Mit seinen freundlichen blauen Augen sah er mich ernst an.
"Sie trifft keine Schuld Severus," sagte er sanft. "Ich weis, dass Sie ihn gerettet hätten, wenn sich die Möglichkeit dazu geboten hätte."
Ich nickte, stand auf und verliess sein Büro.
Da sass ich nun und wartete darauf, dass das Frühstück als beendet galt. Die ersten Schüler standen auf und eilten in ihre Klassenzimmer.
Zaubertränke begann erst in einer halben Stunde, also blieb ich noch sitzen. Langsam leerte sich die Grosse Halle. Als Alle gegangen waren, legte ich den Kopf auf meine Arme und schloss die Augen. Meine Kopfschmerzen schienen sich mit jeder Minute die verstrich zu verschlimmern.
Nach einer Weile hob ich den Kopf und rieb meine Schläfen.
"Kopfschmerzen?" fragte eine sanfte Stimme.
Ich blickte mich um. Muriel Stern stand schräg hinter mir und hielt mir ihre ausgestreckte Hand hin. Darauf lag ein kleines weisses Ding.
"Hier, sagte sie. "Das wird Dir helfen."
"Was soll das sein?" fragte ich misstrauisch.
Sie blickte mich kopfschüttelnd an. "Die Muggel nennen das eine Kopfschmerztablette." bemerkte sie lächelnd. "Soll das heissen, dass der grosse Zaubertränke-Meister von Hogwarts ein einfaches Muggelrezept nicht kennt?"
Ich öffnete den Mund um eine scharfe Bemerkung los zu werden, da legte sie mir einen Finger auf den Mund. "Ssschhhh, nimm es einfach! Es wird Dir danach besser gehen!"
Sie liess das kleine, runde Ding in meine Hand fallen, drehte sich um und verliess ohne ein weiteres Wort die grosse Halle. Ich starrte auf die Tablette in meiner Hand. "Muggelrezept?" fragte ich mich. "Muriel...." rief ich, doch sie war bereits weg. Sollte ich ihr trauen und dieses Ding schlucken?
Schlussendlich wischte der starke pochende Schmerz in meinem Kopf alle Bedenken fort. Ich besorgte mir ein Glas Wasser und schluckte die Tablette....
Erzählt von Muriel Stern
Ich trat aus dem Schlossportal heraus in die untergehende Sonne. Es war früher Abend und ich hatte gerade den Unterricht beendet. Die kühle Luft war herrlich. Professor Sprout stand mit einer Gruppe Erstklässler bei der peitschenden Weide und hielt ihnen einen Vortrag über den Nutzen und die Gefahren dieses Baumes. Weit hinten konnte ich Hagrid sehen, der gerade einen Zaun reparierte.
Ich lenkte meine Schritte in Richtung See. Der Gedanke, noch ein wenig an dessen Ufer zu sitzen und zu entspannen, gefiel mir.
Als ich den See erreichte, bemerkte ich, dass bereits sonst noch jemandem der selbe Gedanke gekommen sein musste. Lächelnd ging ich auf die dunkle Gestalt, die dort sass, zu und setzte mich neben sie.
"Darf ich mich zu Dir setzen?" fragte ich.
"Wenn es Dir noch nicht aufgefallen sein sollte: Du sitzt bereits! Vermutlich würde es Dich auch nicht davon abhalten, wenn ich NEIN sagen würde, oder?" gab Severus bissig zurück.
"Ganz richtig." bemerkte ich grinsend.
Er blickte mich kurz an und erst jetzt bemerkte ich die dunklen Ringe unter seinen Augen. Er schien müde und erschöpft zu sein. "Du siehst ja furchtbar aus!" rief ich.
"Danke." erwiderte er flach.
Ich blickte ihm geradewegs in die Augen. "Seit wann hast Du nicht mehr geschlafen?"
"Schlafen? Was ist das." Er fuhr sich mit der Hand durch die langen schwarzen Haare.
Da fiel mir ein, dass er beim Frühstück nur im Teller herumgestochert hatte und zum Mittagessen gar nicht erst erschienen ist. "Gegessen hast Du heute auch noch nichts, oder?" fragte ich ernst.
Severus antwortete nicht und blickte zur Seite. "Hey," sagte ich sanft und nahm sein Gesicht in meine Hände. Ich blickte tief in seine schwarzen Augen. Zärtlich begann ich ihn zu küssen. Zuerst auf die Stirn, dann die Augenlider, die Nase, die Wangen und zu letzt sanft auf den Mund. Er erwiederte den Kuss, legte seine Arme um mich und zog mich fester an sich. Severus roch nach Zedernholz, Kräutern und Rauch. Dieser Duft war einfach unbeschreiblich. Unsere Küsse wurden immer leidenschaftlicher. Mit seiner linken Hand fasste er in mein Haar und bog meinen Kopf nach hinten. Seine Lippen folgten der Linie meines Halses. Diese Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken. Seine rechte Hand wanderte langsam an meinem Bein entlang, immer höher....
Plötzlich spürte ich, dass er zögerte. "Wir sollten nicht..." flüsterte er.
"Hör jetzt nicht auf." sagte ich leise und zog ihn zu mir herunter. Als er noch etwas einwenden wollte, verschloss ich seinen Mund mit einem Kuss. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn ganz. Meine Haut schien unter seinen erfahrenen Händen zu brennen.....
***********
Als ich später in seinen Armen lag und er sanft über mein Haar streichelte, bemerkte ich, dass es bereits finster geworden war.
"Ich denke, dass wir das Abendessen verpasst haben." grinste ich.
"Ist schon möglich. Hast Du Hunger? Wir könnten uns in die Küche schleichen und die Vorräte plündern." schlug er vor.
"Gute Idee." fand ich.
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