Die Schwarze Rose

 

 

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Kapitel 33 - Die Wege des Schicksals




Erzählt von Remus Lupin


Von Entsetzen gepackt stieg ich über Menschen, die schwer verletzt zumeist jedoch bereits tot waren. Todesser, das war an ihrer Kleidung unschwer zu erkennen, aber trotzdem waren es doch Menschen. Menschen, die vielleicht jemanden zuhause hatten, der nichts von ihrem dunklen Treiben ahnte, dem sie nachgingen. Menschen, die sich sorgten und noch nicht wussten, dass sie nun allein waren.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Nie zuvor hatte ich so viele tote Menschen auf einem Haufen gesehen. Getötet durch einen einfachen Brief, den ich heute früh erhalten hatte. War ich mitschuldig an diesem Drama?

"Nein!" meldete sich mein Verstand. Diejenigen, die heute Nacht hier ihr Leben gelassen hatten, waren selbst schuld. Sie hatten ihr Leben der dunklen Seite geweiht. Sie wussten genau, was für ein Risiko sie damit eingingen.

Doch suchte ich jetzt nicht auch verzweifelt nach so einer Kreatur? Severus... Derjenige, der dies hier zu verantworten hatte, der alles zu einem Ende gebrachte hatte... Oder zumindest zu einem vorläufigen Ende.

Er, der nirgends dazu gehörte und von beiden Seiten gejagt und verachtet wurde. Ein Held, den niemand jemals als solchen anerkennen würde. Ein Wanderer zwischen den Welten, allein und einsam.

Mein Herz setzte plötzlich aus. Vor meinen Füssen lag ein weiterer Todesser in seltsam verkrümmter Haltung, die keinen Hehl daraus machte, dass er tot war. Er lag auf der Seite, der schwarze Umhang bedeckte ihn fast vollständig. Nur ein paar lange schwarze Haarsträhnen waren zu sehen.

In meinem Hals bildete sich ein Kloss und ich bekam kaum Luft. "Alles, aber das nicht! Bitte!" schoss es mir durch den Kopf. Ich blickte auf die leblose Gestalt nieder und flüsterte voller Trauer: "Oh Severus..."

Langsam kniete mich neben ihm nieder und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. Fassungslos starrte ich in das leblose Gesicht meines Freundes. Ich hatte es ihm nie gesagt, aber für mich war er ein Freund gewesen. Ich spürte das Bedauern in mir. Warum hatte ich es ihm nie gesagt? Warum hatte ich so lange gewartet, bis es zu spät war?

Sachte strich ich ihm die wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht und mit zitternden Händen schloss ich seine gebrochenen Augen. Seine Haut war noch warm, es war erst einige Minuten her, seit dem Moment, in dem Severus gewaltsam aus dem Leben gerissen worden war. Auch wenn ich wusste, dass er sein Leben gehasst hatte, so war ich mir dennoch sicher, dass er noch nicht hatte sterben wollen. Und diesen Tod hier hatte er nicht verdient. Ich wusste nicht, ob ihn der dunkle Lord, ein Todesser oder ein Auror auf dem Gewissen hatte. Aber das spielte auch keine Rolle mehr. Severus Snape war tot.

Zögernd griff ich nach seiner Hand und drückte sie. Rasch schluckte ich den Kloss hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. "Ich hoffe, dass du im Tod gefunden hast, was dir im Leben trotz deiner verzweifelten Suche immer versagt geblieben ist: Ruhe, Frieden und vielleicht ein wenig Glück."

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und liess mich aufschrecken.

"Haben Sie ihn gekannt?" Helena Thornton sah mich fragend an.

Ich nickte leicht und wandte mich wieder Severus zu.

"Kommen Sie!" Bestimmt drängte mich die Aurorin aufzustehen. Nur widerwillig liess ich Severus Hand los. Ich war noch nicht dazu bereit, Severus gehen zu lassen. Rasch wischte ich mir über die Augen und fragte: "Was..... was machen Sie nun mit ihm?"

"Das, was mit jedem Todesser hier geschieht. Wir werden ihn zur Feststellung seiner Identität ins Ministerium überführen und ins Totenregister eintragen. In ein paar Tagen werden wir ihn in ungeweihter Erde anonym begraben. Mehr haben Leute wie er nicht verdient. Entschuldigen Sie mich." Helena wandte sich ab und eilte zu dem eben eingetroffenen Säuberungsteam des Ministeriums hinüber.

Mit wachsender Verachtung sah ich zu, wie sich die in Orange gekleideten Ministeriumszauberer von Abteilung 7 an die Arbeit machten und die Toten auf einen Haufen warfen.

Angewidert wandte ich mich ab und verliess mit schnellen Schritten diese verfluchte Festung. Ich wollte nicht sehen, wie sie Severus' Körper wie ein Stück verfaultes Fleisch behandelten.

Jetzt endlich verstand ich Severus Abneigung gegen das Ministerium. Noch vor kurzem hatte ich Severus' abfällige Äusserungen als alte Gewohnheit eines Todessers abgetan. Doch nun war ich vollkommen seiner Meinung. Welche Ironie des Schicksals, dass erst ein so schreckliches Ereignis eintreten musste, um mich die Wahrheit hinter Sevs Worten sehen zu lassen.

Es war einfach nicht fair. Das ganze Leben war nicht fair.

Endlich erreichte ich die Grenze des Apparationsschutzes und disapparierte zurück nach Hogwarts. So schwer es mir auch fiel, Albus Dumbledore musste über den Verlauf des Einsatzes heute Nacht unterrichtet werden.


Ein paar Tage später...

Erzählt von Albus Dumbledore

Monoton klatschte der Regen gegen die Fensterscheiben meines Büros. Ausser dem flackernden Schein des Feuers war es dunkel im Zimmer. Gedankenverloren drehte ich ein Glas Don Mendo in meinen Händen. Ich hob es ein wenig an und betrachtete den Wein. "Eine unvergleichliche Farbe..." Wehmütig erinnerte ich mich an Severus' Vorliebe für diesen würzigen Spanier.

Heute Nachmittag hatten wir Severus Snape begraben, nachdem das Ministerium nach endlosen Diskussionen endlich Severus' Leichnam freigegeben hatte.

Ungeachtet der Proteste der Schulräte, allen voran Lucius Malfoy, hatte ich Severus auf dem kleinen Friedhof auf dem Schulgelände beigesetzt.

Es war nur eine kleine Beerdigung gewesen. Neben Minerva McGonagall, Hagrid, Remus Lupin und mir hatten sich noch Argus Filch und Thomas Andersson eingefunden. Muriel Stern hatte sich gesundheitlich noch nicht soweit erholt, dass sie St. Mungos verlassen konnte. Vielleicht war es auch die Scham, die sie ferngehalten hatte.

Es war mehr als nur eine traurige Angelegenheit gewesen. Der eisige Regen, der bereits in den frühen Morgenstunden eingesetzt hatte, hatte dem ganzen noch mehr Trostlosigkeit verliehen.

Jeder der Trauergäste hatte am Grab ein paar Worte zu Ehren von Severus Snape gesprochen, doch die tröstende Wirkung war ausgeblieben. Was waren schon die richtigen Worte am Grab eines 38-jährigen?

Anschliessend hatten sich die Trauergäste in der Grossen Halle eingefunden, wo die Hauselfen einige Häppchen und warme Getränke bereit gestellt hatten. Doch irgendwie kamen auch da keine Gespräche zu standen. Es fehlten allen mehr oder weniger die Worte und so hatten sie sich ziemlich rasch unter irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden zurückgezogen, froh der bedrückten Stimmung zu entkommen.

Da sass ich nun. Ein alter Narr, der allein um seinen Jungen trauerte. Ja, Severus war für mich immer wie ein Junge gewesen. Warum hatte ich ihn bloss damals soweit abrutschen lassen, bevor ich etwas unternahm?

Ich vergrub das Gesicht in den Händen und spürte, wie mir die Tränen abermals über die Wangen strömten. Wie sollte ich mit seinem Verlust umgehen? Hätte ich die Katastrophe abwenden können, wenn ich Muriel Stern früher eingeweiht hätte? Oder wenn ich Severus in Askaban zu Hilfe gekommen wäre?

Trotz dem Wissen, dass es nun zu spät für ein Wenn und Aber war, nagte die Schuld an mir.

Ich dachte zurück an die Zeit, als er jeden zweiten Abend in meinem Büro stand, um mir Bericht zu erstatten. Berichte über die schrecklichen Treffen der dunkelsten Zauberer, die es je gegeben hatte. Wie oft hatte er um seine Fassung gerungen, wenn er mir schilderte, was er getan hatte - was er gezwungen war, zu tun. Wie oft hatte ich mir gewünscht, sein Leiden beenden zu können, um ihm ein schönes glückliches Leben zu schenken. Hatte ich ihn überhaupt einmal lächeln sehen?

Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen trüben Gedanken. Ich fuhr mir über das tränennasse Gesicht und rief: "Herein..."

Die Tür öffnete sich und Remus Lupin trat ein. "Darf ich?" fragte er und wies auf den leeren Sessel mir gegenüber. Noch bevor ich antwortete liess er sich nieder, griff nach meiner Hand und drückte sie fest. "Es ist nicht Ihre Schuld, Albus. Es war sein Schicksal."

Dankbar blickte ich in Remus braune Augen. Auch er war von Kummer und Schmerz gezeichnet. "Ich weiss...", flüsterte ich. "Ich weiss."



Zur gleichen Zeit auf einer Fähre irgendwo zwischen England und Frankreich...

"Mister Evans, das Essen ist angerichtet!" Die Stimme des Stewards drang gedämpft durch die Kabinentür.

Prüfend blickte ich in den Badezimmerspiegel. Das Make-up überdeckte beinahe ganz die noch frische Fluchnarbe, die sich quer über meine linke Wange zog. Auch wenn mich die Narbe nicht grad hübscher erscheinen liess, störte sie mich nicht. Im Gegenteil. Sie würde meiner Tarnung das gewisse Etwas verleihen und mich trotzdem im versteckten an das Leben erinnern, das ich hinter mir gelassen hatte.

Rasch band ich die langen blond-braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Fettig waren meine Haare immer noch. Daran hatte auch der Haarveränderungs-Zauber nichts ändern können. Ich schüttelte leicht den Kopf. Noch hatte ich mich nicht an mein neues Spiegelbild gewöhnt. Die grün-braunen Augen waren für mich noch seltsam, doch das merkwürdige Gefühl würde bald vergehen.

Ich knöpfte mein Hemd zu und ging hinüber zum Sekretär. Noch einmal überflog ich den Brief, an welchem ich nun volle zwei Tage gesessen hatte.

Mein lieber alter Freund,

ich hoffe, Sie verzeihen mir meine kleine Täuschung. Aber einen anderen Ausweg habe ich nicht mehr gesehen. Es war keine leichtfertige Entscheidung, glauben Sie mir. Ich habe lange und ausgiebig darüber nachgedacht. Eingesperrt sein ist nichts für mich.

Ich fange ein neues Leben an.

In einem fremden Land und mit einer anderen Identität werde ich versuchen mein Glück zu finden.

Ich danke Ihnen für alles und wünsche Ihnen alles Gute

Ihr ergebener Freund
Perseus Evans

PS: Der Körper, der meiner Vermutung nach jetzt auf dem kleinen Friedhof in Hogwarts begraben liegt, gehört Elias Brown. Ein junger Todesser, der mir geradewegs vor die Füsse gefallen ist. Ein kleiner Zauber und - voilà... Minerva wäre stolz auf mich gewesen.



Sorgsam rollte ich das Pergament zusammen, legte einen Zauber darüber und öffnete das Bullauge. Fast augenblicklich flatterte Black Moon herein und landete auf dem Sekretär.

"Gutes Tier." Sanft strich ich dem Raben über das feuchte Gefieder und streute ihm ein paar Brotkrumen hin. Während er sie genüsslich zusammenpickte band ich ihm den Brief ans Bein. "Hogwarts, Albus Dumbledore!"

Mit seinen schwarzen Knopfaugen musterte er mich kurz, legte seinen Kopf schief und spreizte seine Flügel. "Viel Glück", flüsterte ich leise und blickte ihm nach, bis er in den grauen Wolken verschwunden war..

Der raue Wind, der durchs Bullauge wehte liess mich frösteln und das kleine Fenster schliessen. Mein Blick fiel auf das eingerahmte Bild an der Wand. Eine Kohlezeichnung einer dunklen Rose - einer schwarzen Rose. Langsam hob ich die Hand und liess vorsichtig die Finger über die Zeichnung gleiten. "Du hast mich nicht kleingekriegt, diesmal nicht."

"Mister Evans, Ihr Essen wird kalt!"


ENDE


A/N: Hier endet vorläufig die Geschichte. Das Ende bleibt offen, so dass es vielleicht irgendwann einmal eine Fortsetzung geben könnte.

Ein Riesen Dank geht an meine Betaleserin Arsinoe: DU BIST KLASSE!!! DANKE VIELMALS!!!

Angel / 19.08.03

 

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