Kapitel 20 - Der Angriff
Mit einer guten Flasche Whisky unter dem Arm klopfte ich an Muriels Tür.
"Wer ist da?", rief Muriel.
"Ich bin's, Remus," gab ich zur Antwort. Kurz darauf hörte ich ein leises "Herein!". Ich öffnete die schwere Tür und trat ein.
"Ich bin hier drüben!", rief sie aus dem Schlafzimmer. "Komm ruhig. Ich beiss schon nicht."
Zögernd ging ich hinüber und trat lächelnd durch die Tür. "Hallo Sternch-" Als ich Muriel erblickte, blieb mir kurz die Luft weg. Sie stand vor dem großen Wandspiegel und schloss gerade die letzten Knöpfe ihrer Aurorenuniform.
"Wow", sagte ich atemlos. "Du siehst einfach umwerfend aus." Die Uniform stand ihr einfach perfekt.
Sie drehte sich zu mir um und lächelte strahlend. "Danke", antwortete sie und machte sich daran ihre blonden Locken hochzustecken.
"Da fällt mir ein," sagte ich leicht stirnrunzelnd, "was hat eigentlich Sev dazu gesagt, dass du wieder als Aurorin tätig bist?"
Muriels Lächeln erstarb augenblicklich.
"Du hast es ihm also verschwiegen", stellte ich fest.
Muriel nickte und senkte den Kopf. "Ich konnte es nicht, Remus. In letzter Zeit hatte er Probleme genug, auch ohne daß ich ihm dies noch eröffnet habe." In ihrer Stimme schwang eine Spur Traurigkeit und Besorgnis mit.
Mitleidig sah ich sie an. Sie hatte recht. In letzter Zeit stand Severus wirklich sehr unter Stress. Das Leben, das er seit letztem Sommer wieder zu führen gezwungen war, war alles andere als schön. Für nichts in der Welt, hätte ich mit ihm tauschen wollen. Muriel hatte Recht wenn sie sagte, dass er auch so Probleme genug hätte, aber was wenn... Nein, darüber nachzudenken würde nur Kopfschmerzen mit sich bringen und die Situation auch nicht verändern. "Du musst es ihm sagen, Sternchen. Trotz allem. Lass es nicht so weit kommen, dass er es von jemand Anderem erfährt, oder schlimmeres."
Sie atmete tief ein und sah mich dann mit ihren strahlend blauen Augen an. "Du hast Recht, Remus. Gleich morgen früh werde ich es ihm sagen."
"Wie wär's mit jetzt?", hakte ich nach.
Muriel schüttelte leicht ihren Kopf. "Ich habe in zwanzig Minuten eine Einsatzbesprechung im Ministerium. Tut mir leid. Ich kann jetzt nicht."
"Schon gut, Sternchen", erwiderte ich und schloss sie kurz in die Arme. Wieder spürte ich die Angst in mir, dass ihr etwas zustoßen könnte. Die Arbeit als Aurorin war alles andere als ungefährlich. "Pass auf dich auf. Wir sehen uns morgen", murmelte ich, küsste sie auf die Stirn und verließ das Büro.
Als ich wieder draußen auf dem Korridor stand, bemerkte ich erst, dass ich eine Flasche Whisky dabei hatte. Heute Abend hatte ich eigentlich mit Muriel einen gemütlichen Abend verbringen wollte. Schulterzuckend schritt ich die Treppen hinunter und ohne es bewusst bemerkt zu haben, fand ich mich auf einmal vor Severus' Tür wieder. ‚Warum auch nicht? Ein gutes Glas alten schottischen Whisky hat Sev immer zu schätzen gewusst', schoss es mir durch den Kopf. Also klopfte ich an die dicke Eichentür.
Erzählt von Severus Snape
Der Nachtwind umfing mich mit seinem kalten Atem, als ich auf der Waldlichtung apparierte.
Fünfzehn weitere Todesser waren bereits anwesend. Einige hatten Fackeln entzündet und hielten sie hoch, so dass die Lichtung in ein gespenstisches Licht getaucht wurde.
Nicht weit von mir konnte ich Malfoys spöttische Stimme hören. "Ah, unser wunderbarer Zaubertränkemeister hat auch hergefunden. Interessant. Was hat dich aufgehalten?"
"Ich wüsste nicht, was dich das angehen würde, Lucius", giftete ich zurück.
Fast zeitgleich apparierte der Dunkle Lord auf der Lichtung und die Todesser verneigten sich tief.
"Erhebt euch meine Brüder", zischelte Voldemort. Seine Augen glühten im Schein der Fackeln und ein zufriedenes Lächeln lag auf seinem schlangenartigen Gesicht.
Selten hatte ich ihn so lächeln sehen. ‚Was hat er bloss wieder getan?', schoss es mir urplötzlich durch den Kopf.
"Diese Nacht wird in die Geschichte eingehen! Der große Schulleiter von Hogwarts, Mister Unbesiegbar, Albus Dumbledore ist heute Nacht in die Knie gegangen. Ja, Severus," sagte Voldemort an mich gewandt. Seine Stimme schien direkt aus einer Gruft zu kommen. "Es sieht so aus, als ob du bald einen neuen Chef bekommen wirst. Dieser alte Narr war mir schon lange ein Dorn im Auge." Voldemorts teuflisches Lachen klang über die Lichtung.
Mir blieb beinahe das Herz stehen. ‚Er blufft', dachte ich verzweifelt. ‚Das kann nicht sein, denn Albus war noch in Hogwarts gewesen, als ich nach Hogsmeade gegangen war. Er hatte in der Grossen Halle gesessen und ...' Forschend sah ich in Voldemorts Gesicht und ich wusste, dass er diesmal die Wahrheit sprach.
Ein Gemurmel ging durch die Todesser. Es kostete mich unsägliche Kraft, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten und dem Lord anerkennend zuzunicken.
"Nun, das ist nicht die einzige wundervolle Tat, die es morgen früh zu feiern gibt", fuhr der Lord fort. "Lasst uns nun aufbrechen um das Ministerium empfindlich zu treffen. Wir werden folgendermaßen vorgehen..."
Den Rest der Planungsbesprechung bekam ich nur halbwegs mit. Immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Hatte Voldemort sich Zugang zu Hogwarts verschafft? Nein, das konnte kaum möglich sein. Hogwarts war zu sehr geschützt. Doch wie hatte er Albus in seine Hand bekommen können und vor allem, was hatte er ihm angetan? Hatte er ihn getötet?
Erzählt von Muriel Stern
Während ich mich mit meiner Aurorengruppe zum Einsatz fertig machte, überkam mich doch das schlechte Gewissen. Ich hätte es Severus sagen müssen. Doch er hatte in der letzten Zeit so viel Stress, so viele furchtbare Erlebnisse gehabt, mit denen er irgendwie fertig werden musste, dass ich ihn nicht auch damit hatte belästigen wollen. Die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, hatte ich dazu nützen wollen, ihm ein Gefühl der Wärme und der Geborgenheit zu geben....
"Agentin Stern? Können wir?", riss mich die Stimme eines jungen Auroren aus meinen Gedanken.
"Äh", antwortet ich zögerlich. "Ja, klar. Brechen wir auf, damit wir rechtzeitig da sind."
Eine Stunde später...
Ruhig und friedlich lag das Haus der Bennings vor uns. Die Nacht war sternenklar und ein kalter Wind strich über das Anwesen. Ab und zu hörte man den einsamen Ruf eines Käuzchens. Die Bennings waren unauffällig weggebracht worden. Doch nun, als wir so warteten, wurde es mit jeder Minute die verstrich unwahrscheinlicher, dass irgendwas passieren würde. Unser Informant musste sich geirrt haben. Doch wir warteten weiter.
Kurz vor Mitternacht, zog eine Bewegung nicht weit von mir, meine Aufmerksamkeit auf sich. Im letzten Moment konnte ich einen Schrei zurückhalten. Ich hatte mich zu Tode erschrocken. Keine zehn Meter von mir entfernt, trat ein Todesser aus dem Gebüsch. Sein schwarzer Umhang wehte im Wind.
Das Blut schien mir in den Adern zu gefrieren. Diese schlanke Gestalt, diese majestätische Haltung und die Art wie er sich bewegte, so anmutig und raubtierhaft... Ja, ihn hätte ich aus Tausenden von Menschen wieder erkannt. Er war es gewesen. Er war der Todesser, der mir letzten Sommer die schrecklichsten Augenblicke meines Lebens bereitet hatte.
Bewegungsunfähig verweilte ich in meiner Deckung und sah zu, wie er sich weiter an das Anwesen heran schlich. Schlussendlich kniete er nieder und zog seinen Zauberstab.
Mein Herz schlug so laut, dass ich das Gefühl hatte, dieser Todesser müsse es hören können. Die Angst vor diesem Mann, diesem Monstrum schnürte mir die Luft ab. Ohne viel dagegen tun zu können, sah ich vor meinem geistigen Auge wieder die grausamen Bilder des letzten Sommers aufblitzen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
Der Todesser murmelte ein paar unverständliche Worte und augenblicklich leuchteten die Schutzzauber, die das Haus umgaben, grün auf. Systematisch hob er einen nach dem anderen auf. Seine kalte Berechnung, mit er seinen Plan verfolgte, schürte den Hass in mir. Ich wollte den Kerl erledigen. Ihn ein für allemal aus dem Verkehr ziehen. Nie wieder würde er Leid und Kummer über unschuldige Menschen bringen.
Gerade als ich aus meiner Deckung treten wollte, hob der Todesser die linke Hand. Dies musste ein Zeichen gewesen sein, denn auf einmal waren noch fünf weiter Todesser aus der Dunkelheit aufgetaucht. Mit ein paar knappen Handzeichen bedeutete er seinen Leuten, was sie zu tun hatten. Er selbst blieb noch stehen und beobachtete, wie die fünf Schatten sich dem Haus näherten.
‚Diesmal nicht, du Dreckskerl!', dachte ich hasserfüllt und richtete meinen Zauberstab auf seinen Rücken. Langsam erhob ich mich. Scheinbar hatte er mich bemerkt, doch in dem Moment, in dem er mit erhobenem Zauberstab herumwirbelte, traf ihn der Powerfluch, den ich auf ihn abgeschossen hatte. Die Macht des Fluchs schleuderte ihn gegen den Stamm der grossen Eiche, neben der er gestanden hatte.
Erzählt von Severus Snape
Ich stand auf einer leichten Anhöhe und beobachtete wie meine Männer sich an das Haus anschlichen.
Da ich Albus Dumbledore von dieser Mission berichtet hatte, hielt ich mich nun absichtlich etwas im Hintergrund. Wenn das Ministerium ein Aurorenteam geschickt hatte, dann wollte ich ihm auf keinen Fall in die Hände laufen. Erst recht nicht jetzt, wo ich nicht wusste, was mit Albus geschehen war. Der Gedanke an ihn versetzte meinem Herz einen Stich. Was hatte der Lord nur mit ihm gemacht? Die Ungewissheit machte mich fertig.
In diesem Moment beging ich den grössten Fehler, den jemand in meiner Position nur begehen konnte. Ich hatte mich durch meine Gedanken von der augenblicklichen Aufgabe ablenken lassen und somit die Bewegung hinter mir zu spät wahrgenommen.
Ich riss meinen Zauberstab hoch und wirbelte herum, doch mitten in der Bewegung traf mich der erste Fluch und ich prallte mit voller Wucht gegen den rauen Stamm der Eiche neben mir.
Der Aufprall verschlug mir den Atem und der Zauberstab entglitt meinen Händen. Die Haut meiner rechten Wange wurde von der Rinde aufgerissen und hinterließ einen brennenden Riss.
Noch bevor ich mich aufrichten konnte, traf mich bereits ein weiterer Fluch, der mich mit dem Rücken wieder gegen den Baum schleuderte. Nach Luft japsend ging ich in die Knie. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich musste irgendwie versuchen an meinen Zauberstab zu kommen. Das war meine einzige Chance, anders würde ich aus dieser Situation nicht heraus kommen. Der Stab lag keine zwei Meter neben mir, zwischen den Wurzeln. Also stieß ich mich mit aller Kraft ab und hechtete danach. Doch noch im Flug hörte ich eine Stimme "Stupor!" schreien. Ohne den Sturz noch abfangen zu können, schlug ich auf dem wurzeldurchzogenen Boden auf. Auf das leise Krachen in meiner linken Schulter folgte ein stechender Schmerz, der mir beinahe die Besinnung raubte.
Das Nächste, was ich wahrnahm waren Stiefel, die sich meinem Gesicht näherten. Stimmen wurden laut und bald war ich von vier Auroren umgeben.
"Hey Mädel, da hast du ja einen tollen Fang gemacht", hörte ich einen der Auroren sagen. "Den Anführer persönlich. Endlich mal ist es uns gelungen einen Todesser höheren Rangs zu fassen."
"Wo sind die anderen Dreckskerle?", fragte eine mir bestens bekannte Stimme. Muriel. Es musste Muriel sein, aber was tat sie hier bei dem Aurorenteam? Ich wollte mich umdrehen, so dass ich sie sehen konnte, doch der Lähmungsfluch, der noch immer auf mir lag, liess das nicht zu.
"Einen haben wir getötet, doch die anderen vier konnten unglücklicherweise entkommen", antwortete der Auror. Einige harte Stiefeltritte in die Seite nahmen mir den restlichen Atem und ließen mich aufstöhnen. "Na? Gefällt dir das, du Bastard?", keuchte die selbe männliche Stimme. "Dies ist für meinen Bruder, den ihr Mistkerle auf dem Gewissen habt." Wieder trat er zu.
"Halt!", rief die Aurorin. Keuchend versuchte ich etwas Luft in die brennenden Lungen zu bekommen. ‚Danke Muriel', dachte ich und schöpfte ein klein wenig Hoffnung.
"Wieso denn das, Stern? Seit wann hast du etwas dagegen, wenn wir uns einen Spass auf Kosten der Todesser erlauben?", wollte der Mann wissen.
"Ich habe nichts dagegen Myers. Dies ist dieser Scheißkerl, der mich letzten Sommer fast zu Tode gefoltert und mich dann sterbend liegen gelassen hat. Endlich, habe ich die Möglichkeit, das Gesicht, dieser erbärmlichen Ratte zu sehen." Ihre Stimme klang voller Hass. Resigniert schloss ich die Augen. Von ihr würde ich keine Gnade zu erwarten haben, von Hilfe ganz zu schweigen. Ich hatte mich die vergangenen Monate immer vor dem Moment gefürchtet, an dem sie erfahren würde, wer ihr das alles damals angetan hatte. Doch niemals hätte ich mir auch nur im entferntesten ausgemalt, dass ich mich in der Gewalt eines ganzen Aurorenteams befinden würde, wenn sie es herausfindet. Das konnte nicht gut gehen.
"Los! Richtet ihn auf!", befahl sie. Einer der Auroren trat über mich und flüsterte "Finite incatatem."
Augenblicklich fiel die Lähmung von mir ab, doch noch bevor ich mich bewegen konnte, wurde ich bereits hochgerissen und meine Arme wurden auf den Rücken gedreht. Der Schmerz, der augenblicklich durch meine Schulter fuhr, und sich in heißen Wellen in den ganzen Körper ausbreitete, ließ mich aufschreien.
"Schrei nur du verdammter Todesser. Es wird dir auch nichts nützen. Dies ist noch der harmlosere Teil, von dem, was dich heute noch erwartet", zischte die kalte Stimme von dem, den Muriel Myers genannt hatte.
Wieder rissen die beiden Auroren, die mich festhielten, an meinen Armen und der Dritte hinter mir drückte mich auf die Knie nieder. Der Schmerz ließ Schweissperlen auf meine Stirn treten und Übelkeit stieg in mir auf.
Als sich mein Blick wieder etwas geklärt hatte, sah ich Muriel, die langsam und spöttisch grinsend auf mich zutrat. Sie sah wunderschön aus, obschon sie die Aurorenuniform trug. ‚Genau wie damals', dachte ich bitter.
Ich versuchte mich trotz allem loszureißen, jedoch vergebens. Die Auroren hielten mich eisern fest.
"Na, jetzt bist du nicht mehr so mutig, was?", fragte Muriel hinterlistig. "Endlich spürst du, wie es ist, wenn man unterlegen ist, nicht wahr? Und jetzt", fuhr sie fort, "wollen wir doch alle gerne wissen, wer du bist."
Mit einem kurzen Ruck riss sie mir die Maske vom Gesicht. Doch anstelle eines triumphierenden Lachens, starrte sie mich sprachlos an. Der Schreck und die Erkenntnis, wer ich war, schienen sie zu lähmen. Ich konnte nichts anderes tun, als in ihre stahlblauen Augen zu blicken. Erst sah ich den Schock, dann Unglaube gefolgt von langsam erwachendem Hass.
"Du?", fragte sie ungläubig und schüttelte leicht den Kopf. "Wie konntest du nur? Wie konntest du mir so etwas antun?!", schrie sie nun. "Ich habe dir vertraut und was tust du? Du hast es die ganze Zeit über gewusst!" Sie wandte sich ab und ging ein paar Schritte, die Hand auf die Stirn gepresst.
Ich senkte meinen Kopf. Das durfte alles nicht wahr sein. Das konnte nicht wahr sein, keines Falls. "Es tut mir leid, Muriel", sagte ich nun leise und schuldbewusst.
Daraufhin wirbelte sie wie von der Tarantel gestochen herum und baute sich direkt vor mir auf. "Es tut dir leid? Hab ich das gerade richtig verstanden? ES TUT DIR LEID? WEISST DU WAS DU MIR ANGETAN HAST?" Ihre Stimme überschlug sich.
Die absurde, ausweglose Situation, ließ mich in dem Moment selbstmörderisch werden, als ich angestachelt erwiderte: "Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Hätte ich vielleicht sagen sollen: Hey Mädel weißt du noch letzten Sommer? Das war ich. Hat mörderisch Spaß gemacht?" Damit ging ich zu weit. Ich spürte es in dem Moment, als es mir über die Lippen gekommen war, aber da war es bereits zu spät.
"Mistkerl!", zischte sie, holte aus und im nächsten Moment traf mich ihr Stiefel mitten im Gesicht. Der Schmerz explodierte in vielen tausend Sternen hinter meinen Augen. In meinem Mund schmeckte ich den metallenen Geschmack von Blut und ich spürte, wie auch aus meiner Nase Blut lief. Spuckend und hustend versuchte ich das Blut aus dem Mund zu bekommen. Meine linke Gesichtshälfte fühlte sich taub an. Myers griff plötzlich in meine Haare und riss meinen Kopf zurück.
"Du dachtest wohl, du seist ganz schlau, nicht wahr? Todesser?" Verachtend und unberührt sah mich Muriel an.
"Glaube mir, das wollte ich nicht", erwiderte ich undeutlich.
Die Auroren lachten. "Er wollte das nicht", wieherte Myers. "Was sagst du dazu, Flint?"
Der, der links neben mir stand, antwortete ebenfalls höhnisch lachend: "Die tun doch nie etwas absichtlich." Er riss wieder an meinem Arm und ich schrie auf vor Schmerz. Vermutlich hatte ich mir beim Sturz die linke Schulter gebrochen.
"Wisst ihr was, Jungs?", bemerkte Muriel, "ich schenke ihn euch. Ihr dürft euch mal so richtig austoben. Ist das was?" Ein teuflisches Grinsen huschte über Muriels Gesicht, als die Männer johlend zustimmten.
Ich schloss meine Augen und hoffte, dass dies bloß ein Alptraum war, aus dem ich gleich erwachen würde, aber dies war nur ein verzweifelter Wunsch.
Etwas später...
Ich lag auf dem Boden. Mein ganzer Körper schmerzte wie die Hölle. Bewegen konnte ich mich nicht mehr. Meine Umgebung nahm ich kaum mehr wahr. Ich fühlte mich, wie in eine dicke Schicht Watte gepackt. Ich hörte Stimmen um mich herum, konnte jedoch nicht verstehen was sie sagten. Hinzu kam das Gefühl, daß ein schweres Gewicht auf meiner Brust lag. So sehr ich mich auch anstrengte, ich bekam kaum Luft. Das eine Auge war zugeschwollen, das andere öffnete ich mühsam einen spaltbreit.
Einer der Auroren beugte sich über mich und fragte mich etwas, doch die Worte konnte ich nicht verstehen. "Bitte...nicht mehr...", flüsterte ich. Das Blut rauschte in meinen Ohren, so laut wie die Brandung des Meeres. Immer verzweifelter versuchte ich Luft zu bekommen, doch es wollte mir nicht gelingen. Meine Sinne begannen immer mehr zu schwinden. Da erkannte ich plötzlich Muriels Gesicht über mir. Ich fühlte, wie ich hochgezogen und mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt wurde.
Wenn ich hier schon sterben sollte, musste Muriel wenigstens das mit Dumbledore erfahren. Vielleicht hatte der Lord ihn ja am Leben gelassen. Auch wenn es unwahrscheinlich war, bestand trotzdem eine kleine Hoffung.
Ein Hustenkrampf erfasste meinen Körper und wieder spuckte ich Blut.
Erzählt von Muriel Stern
Lässig an einen Baum gelehnt, sah ich mit Genugtuung zu, wie meine Männer Severus fertig machten. Eine zeitlang hatte er sich noch verzweifelt zu wehren versucht. Ich musste zugeben, ich war beeindruckt von seinem Willen und seinem Durchhaltevermögen. Doch auf die Dauer hatte er gegen die drei Auroren keine Chance.
"Stern", wandte sich plötzlich Summers, der dritte Auror, an mich. "Ich denke der hat genug. Wir sollten aufhören, sonst stirbt er uns noch hier auf der Stelle weg."
"Der verträgt schon noch was, keine Angst", hörte ich mich mit mir fremder Stimme sagen. "Macht weiter!"
"Nein!", mischte sich jetzt Myers ein. "Um jemandem eine Abreibung zu verpassen, Stern, da bin ich immer zu haben. Aber jemanden, auch wenn es sich nur um einen dreckigen Todesser handelt, tot zu schlagen, das ist eine andere Sache."
"Myers hat recht", mischte sich nun auch Flint ein.
"Ihr meutert also?", fragte ich spöttisch.
"Komm schon, Stern. Sieh ihn dir an. Er erstickt uns, wenn wir weitermachen." meldete sich nun wieder Myers.
Widerwillig trat ich auf Severus zu, der zwischen den Auroren auf dem Rücken lag. Er sah furchtbar aus. Seine Kleidung war zerrissen, dreckig und an einigen Stellen waren blutige Schrammen sichtbar. Sein Gesicht war zerschlagen und blutig. Röchelnd versuchte er etwas Luft zu bekommen, doch da wurde er von einem Hustenkrampf geschüttelt. Er drehte seinen Kopf zur Seite und spuckte Blut.
Ein feiner Stich durchfuhr mein Herz. War dies nicht noch immer der selbe Mann, dem ich gestern versichert hatte, dass ich ihn für immer lieben werde? ‚Gestern', dachte ich ärgerlich. ‚Gestern war gestern und nicht heute und schließlich ist er nichts weiter als ein jämmerliches Stück Dreck.' Aber die anderen drei hatten recht. Severus würde es nicht überleben, wenn sie nicht endlich von ihm abließen.
Ich beugte mich über ihn und lächelte kalt. "Es wäre viel zu einfach für dich, wenn wir dich jetzt töten würden. Du sollst leiden, Todesser. Leiden für das, was du mit André und Louis gemacht hast. Leiden für das, was du mir angetan hast und nicht zu vergessen, für all die Leben, die du ausgelöscht hast. Der Tod wäre viel zu gut für dich." Ich fasste ihn an den Überresten seines zerrissenen Hemdes und zerrte ihn soweit hoch, dass ich ihn mit dem Rücken gegen einen Baum lehnen konnte. Wieder ergriff ein Hustenanfall seine Brust, aber langsam fiel ihm das Luftholen wieder etwas leichter. Sein Atem ging jedoch noch immer stoßweise.
"Ruft das Säuberungsteam," befahl ich, "damit die den Toten verschwinden lassen können und diesen dreckigen Todesser nach Askaban bringen, wo er hingehört."
Als ich mich daraufhin erheben wollte, krallte sich Severus' rechte Hand an meinen Arm. "Muriel", krächzte er.
"Fass mich nicht an!", keifte ich und wollte mich gerade von ihm losmachen, als er sich noch verzweifelter an mich klammerte.
"Bitte... hör mir zu...", Seine Stimme klang schwach und brüchig.
"Was willst du noch von mir, Verräter", zischte ich.
"Der Lord... er... er-"
"Komm schon," unterbrach ich seine kläglichen Versuche etwas sagen zu wollen, "mach's kurz. Askaban wartet schon."
In dem Moment traf das Säuberungskommando ein. "Ist das der Kerl für Askaban?", hörte ich Jack Vermont Myers fragen. Vermont war seit elf Jahren der Einsatzleiter des Säuberungsteams. Er und seine Männer arbeiteten zuverlässig und zeigten keine Scheu, die Todesser auch mal ein bisschen härter anzupacken. Von Vermont wurde gesagt, dass seine Frau und seine Kinder bei einem Todesserüberfall ums Leben gekommen waren.
"Der Lord...", fuhr Severus nach einem panischen Blick auf die seltsam gewandeten Gestalten fort. "Er... er hat Albus Dumble-" Weiter kam er nicht.
"Können wir, Agentin Stern?", fragte eine strenge Stimme hinter mir. Ich löste meinen Blick von Severus und drehte den Kopf. Vermont trug die mir bestens bekannte Einsatzkleidung des Säuberungsteams. Eine orange, bodenlange Kutte mit schwarzen Streifen an den Ärmelaufschlägen und schwarzem Kragen. Auf der rechten Seite in Brusthöhe stand mit schwarzen Lettern ‚Abteilung 7'. Das selbe stand ebenfalls hinten auf der Rückseite der Kutten.
"Klar, je eher desto besser", erwiderte ich, riss mich los und trat zurück.
Kalt sah ich zu, wie zwei Leute des Säuberungsteams Severus nicht gerade sanft die Arme auf den Rücken drehten und ihm die magischen Hand- und Fußfesseln umlegten. Es waren schwere Metallbänder, die sich wie von selbst um die Hand- und Fußgelenke schlangen und sich fest zusammen zogen. Severus schrie vor Schmerz, was die beiden Männer, die an ihm herum hantierten, nicht weiter beachteten.
Vermont, der die ganze Aktion mit gezogenem Zauberstab überwacht hatte, murmelte darauf einen Spruch. Die Metallbänder wurden magnetisch und klebten sofort fest zusammen. Den Gefangenen war es somit kaum möglich, sich zu bewegen, geschweige denn zu fliehen.
Kurz warf ich nochmals einen Blick auf die zusammengekrümmte Gestalt, die nun gefesselt und bewegungsunfähig zwischen den Männern der Abteilung 7 lag.
Mit einem merkwürdigen Gefühl im Magen, wandte ich mich ab und disapparierte.
Eine Stunde später hatte ich den Rapport beim Ministerium abgegeben und betrat Hogwarts.
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