Kapitel 19 - Die Ruhe vor dem Sturm
Erzählt von Severus Snape
Kurz nachdem ich bei Dumbledore gewesen war, betrat ich den Kerker. Meine Stimmung war nahezu auf dem Nullpunkt, als ich durch die leeren Pultreihen meines Klassenzimmers ging.
Mit der Hand fuhr ich geistesabwesend über das dunkle Holz der Brautische. Bei einem vorne links blieb ich stehen und betrachtete die tiefen Linien und Kerben, die der Unterricht in Zaubertränke über all die Jahre hinterlassen hatte.
Auch wenn der Raum düster und kalt wirkte, ging doch eine Art Unschuld von ihm aus. Kaum an einem anderen Ort fühlte ich mich sicherer als hier. Im Geheimen beneidete ich die Schüler, die tagaus tagein hier sassen und lernten. Die meisten von ihnen wussten noch nichts von den Grausamkeiten, die das Leben einem antun konnte. Die Bitterkeit hatte noch keinen Einzug in ihr Leben gehalten. Was würde ich dafür geben, noch einmal eine solch unschuldige Seele zu besitzen?' Das quietschende Geräusch der Tür riss mich aus meinen Gedanken und liess mich erschreckt zusammenzucken.
"Severus?", hörte ich die sanfte Stimme Muriels. Ich drehte mich nicht um. Ich konnte ihr jetzt nicht in die Augen sehen.
"Alles in Ordnung?" fragte sie leise, als sie von hinten die Arme um mich schlang.
Ich schloss meine Augen und genoss ihre Wärme und Nähe. Langsam trat sie um mich herum, nahm mein Gesicht sanft in ihre Hände und zog mich zu sich hinunter. Unsere Lippen trafen sich, erst zu einem zögernden, fast schüchternen Kuss, der jedoch rasch leidenschaftlich und wild wurde. Ich schloss Muriel fest in meine Arme und klammerte mich an sie wie ein Ertrinkender, der nach Rettung sucht. Sie griff in meine Haare und zog mich noch tiefer in den Kuss.
Erzählt von Muriel Stern
Die ganze Nacht über, von dem Zeitpunkt an, zu dem Severus Hogwarts verlassen und dem Ruf des dunklen Lords gefolgt war, hatte ich mir Sorgen gemacht. Sorgen darum, ob seine Tarnung auffliegen würde aber auch Sorgen darum, was Voldemort diesmal von ihm verlangen würde und natürlich nicht zu letzt beschäftigte mich die Tatsache, dass er auf Lucius treffen würde.
Nun als ich endlich in seinen Armen lag und seine Lippen auf den meinen spürte, waren die Sorgen wie weggewischt.
"Komm", flüsterte ich und zog ihn mit mir in seine Privaträume hinüber. Ich wollte die schreckliche Leere, die in seinen nachtschwarzen Augen lag, ausfüllen und ihn die Wärme spüren lassen, die er jetzt am Nötigsten brauchte.
Im Schlafzimmer wandte ich mich zu ihm um und öffnete den Verschluss seines Winterumhangs. Mit einem Rascheln, fiel der dicke Stoff zu Boden. Sanft drückte ich Severus hinunter auf sein Bett. Er liess es geschehen und schloss die Augen. Ich beugte mich über ihn. Meine Lippen wanderten sanft liebkosend von den seinen über die Wange und den Hals langsam Zentimeter für Zentimeter tiefer. Mit geschickten Fingern begann ich die Knöpfe seines Hemds zu öffnen, während ich mit der Zungenspitze, die zarte Haut hinter seinem Ohr liebkoste. Seufzend liess er den Kopf auf die Seite rollen, so dass ich besser hinkam. Dann endlich konnte ich ihm das Hemd von den Schultern streifen.
Wieder fanden sich unsere Lippen zu einem innigen Kuss. Sein Atem streifte heiss meine Haut und liess mich erschauern. Sanft drückte ich Severus wieder zurück in die Kissen und liess meine Zungenspitze über seine Brust, seinen Bauch immer tiefer gleiten....
Drei Stunden später
Erzählt von Severus Snape
Schlafend lag Muriel in meinem Arm und ich blickte in ihr entspanntes Gesicht. Sie war so schön, so wunderschön. Eine blonde Locke war ihr ins Gesicht gefallen. Es wäre eine Sünde ihren Schlaf zu stören und doch... ich konnte nicht widerstehen. Sanft fuhr ich mit dem Finger die geschwungene Form ihrer Lippen nach. Ein leichtes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Weißt du überhaupt wie schön du bist?", flüsterte ich und strich die seidige Locke aus ihrem Gesicht. Ihre Augen öffneten sich leicht und das Blau ihrer Augen leuchtete wie der Himmel an einem schönen Sommertag.
"Hi", hauchte sie. Ich beugte mich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Stirn.
Doch nun, als sie mich so unschuldig anlächelte, fühlte ich wieder das nagende Schuldgefühl in mir. Sofort unterbrach ich unseren Blickkontakt.
Leicht berührte sie mit der Hand meine Wange. Ich spürte ihre Wärme, die augenblicklich durch meinen Körper floss. "Was ist mit dir, Severus. Was bedrückt dich?" fragte sie leise, als sie sich auf den Ellbogen aufstützte, um mir ins Gesicht sehen zu können.
"Es ist nichts", versicherte ich ihr und setzte ein Lächeln auf.
Sie sah mich an und ein schelmisches Glitzern trat in ihre Augen. "Lügner", sagte sie und küsste mich auf die Nasenspitze. "Ich sehe es in deinen Augen." Dann wurde sie plötzlich ernst. "Es ist wegen gestern Nacht... Du denkst über das Treffen nach."
Rasch drehte ich den Kopf weg. ‚Verdammt, sie kannte mich doch besser, als ich immer dachte...'
"Hey", hörte ich ihre Stimme an meinem Ohr. "Sieh mich an." Als ich nicht reagierte wurde sie eindringlicher. "Sieh mich an Severus." Sie legte ihre Hand auf meine Wange und zwang mich, sie anzusehen. "Egal, was gestern geschehen ist. Egal, was du gestern Nacht getan hast. Ich liebe dich und nichts wird daran jemals etwas ändern können. Nichts, hörst du?" In ihren Augen sah ich das Feuer der Entschlossenheit glühen. "Was auch kommen mag. Ganz gleich, was das Leben für uns noch bereithalten wird. Wir gehören zusammen. Keine Macht auf Erden wird uns jemals trennen können."
Ich sah sie an und bewunderte sie. Wie konnte sie so etwas zu einem Todesser wie mir sagen. Ob sie wirklich wusste, was sie da sagte? ‚Ich sollte ihr endlich die Wahrheit sagen', schoss es mir durch den Kopf. Sie musste endlich wissen wer ich war. Ich hatte schon zu lange damit gewartet.
"Muriel, es gibt da etwas, was du wissen solltest", begann ich. "Es betrifft die Zeit, bevor wir uns kannten. Ich war derjenige.." Sie legte mir einen Finger auf die Lippen.
"Schhhhh Severus. Lass die Vergangenheit ruhen... Das Einzige was zählt, ist die Zukunft."
Muriel strahlte mich an und strich mit einem Finger über meine Stirn. "Wenn du nicht aufpasst, bleiben die Falten für immer da sitzen... Sieht nicht schön aus." Kichernd bewarf sie mich mit einem Kissen.
Augenblicklich entflammte eine ausgelassene Kissenschlacht.
"Nicht getroffen!", rief sie, als mein Kissen knapp an ihrem Kopf vorbeisegelte.
"Warte, ich kriege dich...", rief ich und lief ihr nach. Draussen in meinem Büro hatte ich sie eingeholt und fasste sie um ihre schlanke Taille. Lachend blickten wir uns in die Augen. Dann trafen sich unsere Lippen erneut zu einem Kuss, der die Sinne betörte und uns Zeit und Raum vergessen liess...
Zwei Tage später...
Erzählt von Severus Snape
Es war bereits dunkel, als ich die hellerleuchtete Strasse in Hogsmeade verliess und in die dreckige, stinkende Hintergasse trat. Vorsichtig bewegte ich mich über den Bürgersteig, stets darauf bedacht, nicht aufzufallen und nicht in einen Hunde- oder Katzenkot zu treten. Ich mied die Lichtkegel, die teilweise aus den heruntergekommenen Häusern fielen. Von irgendwo her hörte man Klaviermusik und das Gelächter von billigen Mädchen. Miauend lief eine Katze über die Strasse. Kurz blickte ich ihr nach... War das eine schwarze Katze gewesen? Ich schüttelte den Kopf. ‚Severus reiß dich endlich zusammen. Du bist nicht abergläubisch."
Endlich erreichte ich Duncans Haus. Drinnen brannte noch Licht. ‚Gut dass du da bist, Mistkerl", dachte ich und lächelte spöttisch. Stufe um Stufe ging ich leise die Treppe hinunter und betrat den Laden. Hier waren die Lampen bereits gelöscht worden, aber das Läuten der Türglocke würde ihm verraten, dass jemand im Laden war. Ich suchte mir einen günstigen Standort und verbarg mich hinter einem grossen Bücherregal.
Kurz darauf hörte ich die schlurfenden Schritte von Duncan O'Connor näher kommen. Besser konnte es nicht laufen. Er kam persönlich und schickte für einmal nicht seine Nichte. Geduldig wartete ich...
"Wer ist da?", rief Duncan, als er das Licht im Laden anmachte. Ich gab keine Antwort. Oh nein, so einfach wollte ich es dem Kerl nicht machen. "Komm schon raus, ich weiss dass du da bist...", rief er nun etwas ungeduldiger. Nachdem er noch immer keine Antwort erhielt, schien er nervös zu werden. "Wer ist da, verdammt!" Die Holzbretter unter seinen Füssen knarrten leise, als er näher kam.
Ich machte einen raschen Schritt nach vorne und packte den überrumpelten Ladenbesitzer an den Robenaufschlägen. Mit voller Wucht knallte ich ihn gegen das Bücherregal, so dass einige Bücher herunterfielen. Ich war sauer. Diese verdammte Ratte hatte mit Lucius gemeinsame Sache gemacht. "Warum?", zischte ich gefährlich, als ich ihn wieder gegen das Gestell knallte. Ein gut gezielter Schlag in die Magengrube ließ ihn keuchend in die Knie gehen. Ich riss Duncan wieder hoch und schickte ihn mit einem Kinnhaken zu Boden. Mit Genugtuung beobachtete ich, wie sich der Dreckskerl röchelnd auf die Knie kämpfte. "Warum hast du das getan?", schrie ich nun.
"Severus", keuchte Duncan. "Ich weiß nicht was du meinst."
Ich fühlte wie der Zorn glühend heiß in mir aufstieg. Ohne weiter zu zögern trat ich zu. Mein Tritt warf den Ladenbesitzer auf den Rücken und ließ ihn husten.
"Wie ist es jetzt?" fragte ich etwas beherrschter. "Erinnerst du dich wieder?"
Der Mann schüttelte vorsichtig den Kopf. Die Angst blitzte in seinen Augen auf, als ich mich über ihn beugte. Das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen verzogen, sah ich ihn an. "Du hast zwei Möglichkeiten O'Connor. Erstens: Du erzählst mir freiwillig alles was ich wissen will, oder Zweitens: wir machen hiervon Gebrauch." Betont langsam zog ich die kleine Phiole mit der durchsichtigen Flüssigkeit aus dem Umhang.
"Veritaserum?", kreischte Duncan, während die ersten Schweißperlen auf seine Stirn traten. "Hör zu, Severus. Sag was du möchtest und ich lasse es dir. Brauchst nichts dafür zu bezahlen. Möchtest du Bücher? Oder irgendwelche Zaubertrankzutaten? Du kannst die die du bestellt hast gratis haben... Nur ich kann dir die Gründe und alles was noch dran hängt nicht nennen, er würde mich umbringen."
"Hmmm", sinnierte ich. "Falsche Antwort."
Blitzschnell zog ich meinen Zauberstab und richtete ihn auf Duncan. "Stupor!"
Duncan war augenblicklich wie versteinert. Ich entkorkte die Phiole und liess drei Tropfen des Serums auf seine Zunge fallen. Rasch liess ich die Phiole wieder in meiner Tasche verschwinden, richtete den Zauberstab wieder auf ihn und murmelte: "Ennervate!"
Hustend richtete sich Duncan mit krebsrotem Gesicht wieder auf.
"Mistkerl....", krächzte er.
"Danke, ist wenigstens ehrlich gemeint und nun", fuhr ich weiter. "Erzähl mir was ich wissen will."
"Es... Severus... ich..." Duncan kämpfte noch ein wenig gegen das Serum an, aber es würde nur noch eine Frage von Sekunden sein, bis er den Kampf verlor.
"Ich warte...", sagte ich eindringlich.
Der eiskalte Schmerz der plötzlich durch meinen rechten Arm schoss und sich unbarmherzig in die ganze rechte Seite ausbreitete, ließ mich taumeln. Ich grub die Fingernägel in die Handfläche und atmete ein paar Mal tief durch.
"Verdammt!", quetschte ich mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ausgerechnet jetzt musste der Lord mich rufen. Warum gerade jetzt?
Wütend wandte ich mich wieder an Duncan. "Dein Glück, dass ich nun gehen muss. Aber ich versichere dir. Ich komme wieder." Ich drehte mich um und verließ mit wehendem Umhang den Laden.
Erzählt von Albus Dumbledore
Endlich erreichte ich Hogsmeade. Es war schon eine Weile her, seitdem ich das Städtchen, in dem nur Zauberer und Hexen lebten, besucht hatte. Bereits zum tausendsten Mal an diesem Abend fragte ich mich, warum Cornelius Fudge mich ausgerechnet hier, in Hogsmeade, treffen wollte.
"Seltsam", murmelte ich vor mich hin, als ich mich dem Flyers-Inn näherte. Fudge und ich hatten uns immer entweder im Ministerium oder in Hogwarts getroffen. Warum also nun in Hogsmeade? Ich schüttelte den Kopf. Fudge war seit jeher ein recht seltsamer Kerl gewesen. Warum ausgerechnet er Zaubereiminister geworden war, war mir noch immer schleierhaft.
Mit diesen Gedanken erreichte ich das kleine Hotel. Ich stutzte. Die Lichter waren allesamt aus. Zu spät erkannte ich die Falle...
Aus dem Augenwinkel sah ich zwei Schatten, die auf mich zu huschten, doch noch bevor ich reagieren konnte, liess mich ein harter Schlag auf den Kopf in die Knie brechen.
Stöhnend versuchte ich mit fahrigen Bewegungen an meinen Zauberstab zu gelangen, doch die beiden Schatten kamen mir zuvor. Sie traten brutal und mit aller Kraft in meine Seiten. Unter stechendem Schmerz brachen einige Rippen. Die Schatten rissen mich hoch, zerrten mich in eine dunkle Seitengasse und warfen mich zu Boden.
Hustend versuchte ich wieder etwas Luft in meine Lungen zu bekommen, als mich eine kalte Stimme aufblicken liess.
"Albus, Albus, Albus. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass du auf diesen alten Trick reinfällst. Tztztztztztz. Du enttäuscht mich aber sehr, mein alter Freund."
Ich hob den Kopf und sah in die roten Augen die mich ab und zu in meinen Träumen verfolgten. "Voldemort!", zischte ich.
Dieser verzog sein schlangenartiges Gesicht zu einem grausamen Grinsen. "Endlich!", sagte er mit glühenden Augen. "Auf diesen Augenblick habe ich lange gewartet und heute Nacht werden meine Träume wahr. Dies ist nur ein kleiner Triumph in meiner gross angelegten Aktion gegen das Ministerium. Die heutige Nacht wird in die Geschichte eingehen und in meiner grossen und unendlichen Güte, habe ich beschlossen dich teilhaben zu lassen, Albus." Der dunkle Lord lachte hohl, während er langsam seinen Zauberstab auf mich richtete.
‚Das ist es nun, das Ende', dachte ich, als ich die Augen schloss und auf den Todesfluch wartete. Doch an dessen Stelle zischte Voldemort: "Crucio!"
Eine feurige Welle des Schmerzes überflutete mich und schmetterte mich gegen die Backsteinmauer des Hotels. Das Gefühl von heißer Lava, die unabwendbar das Fleisch von meinen Knochen brannte, bemächtigte sich meiner Sinne. Mein ganzes Sein konzentrierte sich vollkommen darauf, ein wenig Luft in die schmerzende Lunge zu bekommen. Dann auf einmal wurde der Fluch von mir genommen. Keuchend kämpfte ich mich auf die Knie und hob den Kopf. Das Blut rauschte in meinen Ohren und verursachte hämmernde Schmerzen in meinen Schläfen.
"Nun?," fragte der Lord hinterlistig. "Wie hat dir dies gefallen? Noch mehr gefällig?" Ohne eine Antwort abzuwarten kreischte er wieder "Crucio!"
Hinter meinen Augen schien die Welt in gleißenden Blitzen zu explodieren. Mein Blut schien zu kochen und die Sehnen und Muskeln drohten demnächst zu zerreißen. Gerade als ich mir nur noch wünschte zu sterben, hob er den Fluch wieder auf. Ich schmeckte Blut in meinem Mund. Es war mir kaum möglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
"Der grosse Albus Dumbledore! Wenn dich deine Schäfchen jetzt so sehen könnten. Der mächtige, unbesiegbare Schulleiter von Hogwarts." Voldemort trat spöttisch grinsend näher. Als er direkt über mir stand hob ich mühsam den schmerzenden Kopf und blickte ihm in die vor Wahnsinn flackernden Augen.
"Lass dir dies eine Lehre sein, Albus." Wieder hob er den Zauberstab und richtete ihn diesmal auf meine Stirn.
Ich schloss die Augen und wartete...
"Crucio!", flüsterte der dunkle Lord.
Das letzte was ich hörte, war sein höhnisches Gelächter vermischt mit meinen Schreien...
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