Kapitel 6
Nun folgte er dem unansehnlichen kleinen Mann schon seit Stunden. Wieder in seinem Haus angekommen hatte Severus Snape sofort den Portschlüsselzauber aufgehoben und sich auf die Suche nach Peter Pettigrew gemacht. Dieser arbeitete so ungeordnet und ziellos wie er es schon zu Schulzeiten getan hatte. Führerlos wie er war, trieb ihn die Panik von einem undurchdachten Einfall zum nächsten. Während dieser Zeit hatte Severus Snape sicher alle Leute kennen gelernt, von denen Pettigrew wusste, dass sie jemals mit James Potter gesprochen hatten. Er kannte nun auch die Pettigrew bekannten Verstecke und bevorzugten Aufenthaltsorte der Viererbande. Alles in allem war es ein verlorener Nachmittag.
Es war ein Nachmittag, der zudem noch jede Menge unschöner Erinnerungen in dem dunklen Zauberer wach rief. Er spürte tiefen Hass bei dem Gedanken an die Quälereien von James Potter und Sirius Black. Er war ein Spielzeug für die beiden Zauberer gewesen. Meistens stand er alleine gegen beide und ihre beiden Anhänger Peter Pettigrew und Remus Lupin. Er hatte keine Gelegenheit ausgelassen, sie anzugreifen. In vielen Träumen hatte er sie vernichtend geschlagen. Nach der Schulzeit waren sie zu echten Gegnern geworden. Er hatte sich dem Dunklen Lord angeschlossen, James Potter Dumbledore. Von Black und Lupin wusste er nichts Genaues. Und jetzt war er fest entschlossen, James Potters Kind zu schützen. Er musste verrückt geworden sein. In seinen Gedanken traten Lily und Dumbledore mit ins Bild. Mit ihnen kam das überwältigende Gefühl von Glück. Nein, es lohnte sich, die Macht des Dunklen Lords musste gebrochen werden.
"Merlin sei Dank, er ist zu Hause."
Peter Pettigrew war inzwischen in einem Vorort von London angekommen. In einem kleinen Haus am Rand des bewohnten Gebietes brannte Licht. Im Inneren des Zimmers erkannte Severus Snape die Silhouette von Sirius Black. Das war der bisherige Höhepunkt des Abends. Der dunkle Zauberer holte tief Luft. Black musste aus seinem Familienwohnsitz ausgezogen sein. Er sah, wie sich die Tür öffnete und der kleine Zauberer eintrat. Die beiden begrüßten sich wie alte Freunde. Die Haustür wurde geschlossen und kurze Zeit später die Vorhänge zugezogen. Jetzt konnte er nur noch warten. Er betrachtete die rotgoldenen Strahlen der untergehenden Abendsonne. Nach und nach erschienen einzelne Sterne am Himmel, es würde eine klare Sommernacht werden.
Bald darauf kam der unansehnliche Mann aus dem Haus. Sobald die Tür geschlossen war, disapparierte er. Der dunkle Zauberer folgte ihm im nächsten Moment. Peter Pettigrew kehrte in seine eigene Behausung zurück. Das Ende eines langen Tages war gekommen. Der schwarzhaarige Zauberer beschloss, trotzdem noch einige Zeit vor dem Haus zu bleiben. Er wartete. Da hörte er hinter seinem Rücken ein Rascheln. Blitzartig drehte er sich um, den Zauberstab in der Hand. Dann fiel Severus Snape auf die Knie.
"Severus, mein treuer Freund, steh auf. Dieser Nachmittag muss dich grenzenlos gelangweilt haben. Deshalb werde ich dir jetzt etwas Besseres vorführen. Du sollst meinen Triumph sehen."
Der Dunkle Lord war erschreckend gut gelaunt. Der junge Zauberer wagte kaum zu atmen.
"Komm mit!"
Er packte den jungen Mann am Arm und disapparierte mit ihm. Sie fanden sich in einem kleinen Ort wieder. Diese Gegend kam Severus Snape bekannt vor. Er war heute schon hier gewesen. Sie gingen ein Stück die Straße entlang. Das fahle Mondlicht erhellte die Hausfassaden. Vor einem großen Baum hielten sie an.
"Du sollst in aller Ruhe das Werk deines Meisters bewundern können. Petrificus totalus."
Severus Snape spürte, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Er kippte nach hinten und lehnte nun gegen den Baumstamm. Lord Voldemort ging einige Schritte auf die Häuserreihe zu. Er nahm ein Stück Pergament aus seinem Umhang und hielt es ins Mondlicht. Dann richtete er seinen Zauberstab auf die gegenüberliegende Straßenseite.
"Finite incantatem."
Die Häuser schienen im fahlen Lichtschein zu verschwimmen. Als das Bild wieder klar wurde, stand ein zusätzliches Gebäude vor dem Dunklen Lord. Der schwarze Zauberer öffnete schweigend mit seinem Zauberstab die Tür und verschwand im Inneren des Hauses. Dort musste die Familie Potter wohnen. Einen Moment lang geschah nichts. Dann konnte man durch die Fenster einen grünen Lichtstrahl erkennen, bald darauf einen zweiten. Der junge Zauberer kannte dieses Leuchten. Es wurde nur von einem Fluch erzeugt, dem Avada Kedavra. Galt das Licht Lily, ihrem Mann, ihrem Sohn? Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Severus Snape zu sterben. Die Minuten schienen sich zu einer Ewigkeit zu dehnen. Dann erstrahlte das grüne Licht zum dritten Mal. Der junge Zauberer brach zusammen.
Es mussten Stunden vergangen sein, als Severus Snape wieder zu sich kam. Mühsam richtete er sich auf, seine Arme und Beine schwer wie Blei. In seine leeren Gedanken trat das Bild eines Phönixes. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Gleich darauf fand er sich auf dem Fußboden von Dumbledores Büro wieder.
Review
Zurück