Kapitel 7
"Würdest du dir das bitte mal ansehen?" Lavender Brown stieß ihrer Zimmergenossin, die sich gerade in gewöhnlicher Sonntagmorgen-Manier mit ihrer Ravenclaw-Schwester unterhielt, mit dem Ellbogen an. Parvati drehte sich in die Richtung, in die Lavender deutete, und hörte mitten im Satz auf, ihre Kinnlade fiel auf höchst unelegante Art herunter.
Padmas Augen folgten denen ihrer Schwester. Sie öffnete ihren Mund als wolle sie etwas sagen, schloß ihn dann aber wieder. Beim zweiten Versuch brachte sie endlich ein - ach so intelligentes - "Seht ihr was ich sehe?" heraus. Nichts. "Natürlich tut ihr das, ihr starrt und, Herr im Himmel, sabbert. Parvati?"
"Das ist... Professor Snape...", schwärmte Parvati. "Aber er sieht gar nicht aus wie Professor Snape..."
Professor Snape hatte den Korridor betreten und war in eine Unterhaltung mit Professor Flittwick verwickelt worden. Snapes gründlich gewaschene Haare fielen sanft auf den silbernen Kragen, der unter seinem modernen, smaragdgrünen Pulli hervor lugte. Seine hellgraue Hose betonte die Länge seiner Beine, was nicht gerade zu verkennen war, doch der überraschendste Anblick war Snapes Gesicht, es war in der Tat viel gebräunter als gewöhnlich, doch noch viel beachtlicher war das Lächeln darauf, während er mit dem Zauberkunst-Professor sprach. Flittwick mußte etwas komisches gesagt haben, denn Snape warf seinen Kopf zurück und lachte, ein seidiges Lachen, das den drei Mädchen eine Schauer über den Rücken jagte. Nach dem Lachen fiel Snapes Haar wieder perfekt so wie es sollte.
"Denkt ihr, jemand hat ihn verhext oder so was?" fragte Lavender. "Ich meine, Snape lacht doch nicht."
"Er trägt gewöhnlich auch nichts Farbiges", merkte Padma an. "Obwohl, offenbar trägt er die Farben Slytherins, was wohl einen Streich der Gryffindors ausschließt."
Colin Creevey marschierte gerade mit seiner Kamera vorbei, um ein Bild von dem "neuen" Snape zu schießen, als er mit anhörte, wie die Mädchen ihre Hypothesen aufstellten. "Ihr wißt es also noch nicht? Ich dachte jeder wüßte mittlerweile Bescheid. Snape hatte ein MAKEOVER." Dann fuhr er fort den Reinblüterinnen zu erklären, wer die Fab 5 waren und was sie hier in Hogwarts machten.
"Also, Merlin segne die Fab 5, Snape ist SO HEIß!" hauchte Lavender.
Parvati nickte eifrig: "Er kann mir von mir aus eine Strafarbeit geben, wann immer es ihm in den Kram paßt, so lange er dabei SO aufkreuzt."
Colin schnaufte. "Also bitte, ich bin mir sicher, innen drin ist er noch genau das gleiche schleimige Ekel. Grundgütiger, er kommt in unsere Richtung!"
Snape hatte Flittwick höflich einen "Guten Tag" gewünscht und kam nun auf ihre kleine Versammlung zu. "Guten Tag, Miß Brown, Miß Patil, Miß Patil, Mr. Creevey. Ich hoffe Sie genießen Ihren Morgen? Es ist ein herrlicher Morgen, finden Sie nicht auch?"
Die Siebtklässlerinnen sahen an ihrem Professor vorbei aus dem Fenster. Es war grau und wolkenverhangen, wie im Januar nicht anders zu erwarten. Padma stieß ihre Schwester mit dem Ellbogen an, weil diese um ein Haar fast wieder angefangen hätte zu sabbern.
"Ja, Sir. Wirklich ein ganz netter Tag. Das Wetter ist geradezu perfekt um... äh... so einen hübschen Pullover zu tragen." Parvatis Worte zeigten wieder einmal mehr, warum sie nicht in Ravenclaw bei ihrer Schwester war, doch Professor Snape schenkte ihr auch so ein Lächeln.
"Ich danke Ihnen, Miß Patil. Fünf Punkte für Gryffindor, weil Sie mir ein Kompliment gemacht haben. Ich fürchte, daß ich mich jetzt leider wieder auf den Weg machen muß, ich muß mich noch bei jemandem für diese nette Überraschung bedanken!" Er nickte seinen Schülern zu und ging federnden Schrittes den Gang hinunter.
"Das müssen wir weitersagen", kicherte Lavender und die drei Mädchen hasteten davon, einen verwundert den Kopf schüttelnden Colin zurücklassen, der sich gewünscht hätte, ein Bild gemacht zu haben.
***
'Endlich etwas Zeit für mich selbst', dachte Hermine, als sie die Bibliothek betrat. Dies war ihre erste Gelegenheit an diesem Wochenende, wo sie sich ihren Studien widmen konnte und sie freute sich ehrlich darauf, schon mal alles für Arithmantik nachzulesen, um der Klasse voraus zu sein. Sie entledigte sich ihres Mantels, legte ihn wie ein Polster über den Stuhl und ließ sich darauf nieder. Fast augenblicklich war sie von dem Gelesenen gefangen genommen und deshalb entging es ihrer Aufmerksamkeit, daß das Kamerateam sich auf der anderen Seite des Raumes postierte. Sie bemerkte nicht ein einziges Mal, daß die Kamera direkt auf sie gerichtet war und begann, sich Notizen auf einem Blatt Pergament zu machen, ab und zu inne haltend um in die Luft zu starren, wenn sie gerade über eine besonders schwierige Passage nachdachte.
Sie fuhr mit ihren Studien fort, bis sie von einer Stimme unterbrochen wurde, die niemand anderem gehört, als ihrem verhaßten Zaubertranklehrer. "Miß Granger, warum verschwenden Sie einen so herrlichen Morgen, in dem Sie sich hier in der Bibliothek verschanzen?"
Hermine sah mit der Gewißheit auf, in Professor Snapes zynische Visage zu blicken, aber statt dessen begegnete ihr das neckische Lächeln ihres nun sehr veränderten Lehrers.
"Ich denke, Professor Vector wird es keineswegs als schlecht ansehen, wenn Sie das Wochenende dazu benutzen würden, mal etwas Spaß zu haben", sprach Professor Snape mit einem Lächeln, als er ihr sanft das Buch aus den Händen nahm und es schloß, "besonders weil sie schon mehrfach erwähnt hat, daß Sie der Klasse bereits um Monate voraus sind."
Hermines Erwiderung erstarb unausgesprochen. Snape hatte ihr gerade ein Kompliment gemacht! Sie hatte Jahre darauf gewartet, daß er ihre Kompetenz in seinem Unterricht anerkannte, doch offenbar war alles, was er dazu gebraucht hatte, ein Haarschnitt und ein paar hübschere Kleidungsstücke. Sie sah ihn mißtrauisch an, darauf wartend, daß sich der neue Snape zurück in den alten verwandelte, aber er lächelte einfach weiterhin und erkundigte sich: "Worauf warten Sie denn noch, Miß Granger? Ich habe Sie darum gebeten, diesen einen Tag von Ihren Studien frei zu nehmen und Sie möchtest doch sicherlich nicht ungehorsam gegenüber Ihrem Professor sein, oder?"
Immer noch ein wenig von seinem Verhalten erschüttert stand Hermine auf und packte ihre Tasche. "Wenn Sie darauf bestehen, Professor."
"Das tue ich", erwiderte er. "Sonntage sind für Quidditch und Schach da, nicht für Bibliotheken und Zaubertrankkerker. Genaugenommen will ich gerade hinunter zum Ententeich gehen, um mit den kleinen Gänseküken zu spielen. Sie sind herzlich willkommen, wenn Sie mitkommen möchten."
Sie schüttelte ihren Kopf, ein wenig vor den Kopf gestoßen von dieser Idee. "Nein, vielen Dank, Sir. Ich denke, ich muß meine Freunde finden."
"Wie Sie möchen. Einen schönen Tag, Miß Granger." Und dann war er verschwunden.
Hermine versuchte das ungute Gefühl unter Kontrolle zu bekommen, als sie ihre Sachen zusammen sammelte und zurück in den Gryffindorturm raste, um Ron und Harry zu finden. Die würden sicherlich sehr an dieser Geschichte interessiert sein!
***
"Ich weiß gar nicht, was die alle haben", grummelte Ron. "Ich meine, auch wenn Snape ein paar nette Klamotten gefunden und nun etwas Farbe hat. Haben die denn völlig vergessen, daß er uns in den letzten sieben Jahren durch die Hölle hat gehen lassen?"
Harry schnaufte: "Ich bin mir sicher, daß sie das nicht haben, aber man sagt ja im Allgemeinen, daß die Mädchen auf die `Bad Boys´ stehen. Und DAS ist Snape mit Sicherheit."
Die Jungen und Hermine hatten gerade ein unangenehmes Mittagessen hinter sich gebracht, wobei sie nichts anderes gehört hatten, als die allgegenwärtigen Unterhaltungen über den "neuen, sexy Snape". Harry wurde ziemlich wütend auf Ginny, die das ganze Essen über ihre Augen nicht von Snape hatte wenden können und Ron schwor Stein und Bein, daß Parvati, als sie am Lehrertisch vorbei zum Bad ging, sich mit Absicht ihren Rock ein wenig höher gezogen hatte.
"Das ist nicht fair", maulte Ron. "Mir hat kein Mädchen hinterher geglotzt als mir Fred und George die neuen, schicken Galaroben geschenkt hatten. Und ich bin kein schleimiges Ekel."
Harry stimmte dem zu. "Hätte ich gewußt, was für einen Effekt dieses Make-Over auf die weibliche Hogwartspopulation hat, dann hätte ich das nie angeleiert. Was denkst du, Hermine?"
Hermine sah von ihrer Suppe auf: "Wie? Was? Ich habe dich nicht verstanden."
Nicht du auch noch!" stöhnte Ron.
"Nicht auch noch, was?" forderte ihn Hermine heraus. "Du glaubst doch wohl nicht, daß ich Snape anhimmele, oder etwa doch? Das solltest du wirklich besser lassen!"
Ron sah sie verteidigend an, was Hermine nur noch mehr auf die Palme brachte. "Ich glaube, ich habe keinen Appetit mehr." Hermine ließ ihren Löffel in die Suppe fallen und verließ die Große Halle, sich wieder der Augen der Muggel nicht gewahr, die jede ihrer Bewegungen beobachtet hatten.
***
"Ich spiele dieses Theater ja gerne in der Öffentlichkeit, aber ihr könnt von mir nicht erwarten, daß ich auch hinter geschlossenen Türen locker und frohen Mutes bin." Severus schnitt eine Grimasse, nachdem man die Kamera ausgeschaltet hatte. Er, Carson und Kyan hatten gerade den größten Teil der vergangenen drei Stunden zusammen in Snapes Wohnräumen verbracht, um mit Hilfe eines Schneiders an Snapes Garderobe zu arbeiten. Zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten lang hatte Carson ununterbrochen vor sich hin geplappert.
"Das ist in Ordnung, Sevvie, jetzt wo die Kamera aus ist, kannst du ganz du selbst sein!" meinte Carson. "Du kannst `leuchten wie der hellste Stern´! Nein, halt, das paßt nicht zu dir. Wie wäre es mit `heule wie ein Werwolf´, oder vielleicht `schlage zu wie ein Lichtblitz´? Ich bin mir nicht sicher, aber eventue..."
"Silencio!" Severus hatte immer und immer wieder dieses eine Wort während der letzten drei Stunden wieder und wieder in seinen Gedanken wiederholt. Er hatte nicht gedacht, daß er so wenig Verstand hatte dieses Wort vor Muggeln auszusprechen, egal wie groß die Versuchung auch war. Moment mal, er HATTE es NICHT gesagt. Er drehte ich von dem immer noch vor sich hin brabbelnden (allerdings lautlos brabbelnden) Carson zu Kyan herum, der seinen Zauberstab zurück in eine verborgenen Tasche seiner Jeans schob.
Kyan lächelte. "Ich habe bereits seit einem Jahr darauf gewartet, das zu tun, hatte aber nie die Gelegenheit dazu. Carson ist echt ein klasse Kerl, aber manchmal ist er auch für einen anderen Schwulen ein bißchen schwer zu ertragen."
"Sie sind ein Zauberer", bemerkte Snape.
"Offensichtlich", grinste Kyan. "Und wenn Carson realisiert, daß er durch die schalldichte Blase, die ihn umgibt, nichts hören kann, müssen wir vermutlich sein Gedächtnis verändern, Aber das war es wert."
"Warum gibt ein Zauberer vor, ein Make-Over-Vertreibender Muggel zu sein?" Severus hatte bereits genug Probleme zu verstehen, warum manche Zauberer in der Muggelwelt lebten, doch noch mehr so, wenn es darum ging zu verstehen, warum einer eine solche Karriere einschlug wie Kyan es getan hatte.
"Nun, ich weiß nicht wie es hier in Großbritannien ist, aber drüben in Amerika werden schwule Zauberer nicht gerade mit offenen Armen in Empfang genommen. Und davon abgesehen hätte ich nie einen Job in der Zaubererwelt gefunden, der zu mir gepaßt hätte und natürlich müssen Zauberer sich nicht um ihre Frisuren kümmern und auch nicht darum, sich die Nägel zu schneiden, sie wedeln einfach mit dem Zauberstab und fertig! Gegenwärtig Anwesende natürlich ausgenommen. Also habe ich festgestellt, daß ich der Muggelgemeinschaft mehr zu bieten habe, als der der Zauberer."
Die Erklärung klang vernünftig, aber Snape war noch immer neugierig: "Offenbar hast du das Zaubern aber nicht völlig an den Nagel gehängt."
Kyan lachte: "Natürlich nicht! So weit man auch mit Muggeltechnologie kommen mag, so haben Zauberer, wenn es um die Behandlung von Akne oder Haarkuren geht, die Nase vorn. Du wirst sicherlich glücklich darüber sein, wenn ich dir sage, daß ich meine Zaubertrankkenntnisse für meine Hautlotionen und Haarstyling-Serien sinnvoll einsetze, oder wie denkst du, daß ich es hinbekomme, daß ich jedes noch so häßliche Gesicht, das in unserer Sendung so auftaucht, glatt und strahlend kriege?"
Snape grinste in sich hinein, daran denkend, daß, sollte Lockhart je aus St. Mungos entlassen werden, er sicherlich geschockt darüber sein würde, Konkurrenz auf dem Gebiet der persönlichen Körperpflege bekommen zu haben. Er mochte Kyan mit jeder Minute mehr.
"Natürlich", fuhr Kyan fort, "würde ich es sehr schätzen, wenn du meine Zaubererabstammung für dich behältst. Ich denke, sollte das ans Licht kommen, könnte das ganz schön unsere Gruppendynamik beeinflussen, abgesehen davon, daß keiner von ihnen an so etwas wie Magie glaubt."
"Meine Lippen sind versiegelt, aber könnte ich vielleicht einen Vorschlag machen?" Severus schlenderte hinüber zu seinem Schrank und holte eine kleine Schachtel vom obersten Regal. Er reichte es Kyan, der das Etikett laut las.
"Weasleys Zauberhafte Zauberscherze - Ruhig stellendes Salzwasser-Toffee." Kyans Augenbrauen hoben sich erwartungsvoll.
"Das habe ich einem Schüler abgenommen. Sollte Carson ein wenig `zu viel´ werden, dann biete ihm doch einfach einen von diesen Dingern an. Die sind viel weniger offensichtlich als `Silencio´ und man bräuchte hinterher das Gedächtnis nicht zu verändern."
Kyan lachte. "Severus Snape, also für einen miesepetrigen Zaubertrankmeister, denke ich, bist du echt schwer in Ordnung. Komm, kümmern wir uns erst einmal um unseren Carson hier und dann schauen wir mal, was wir bei den Bändern mit den Schülerinterviews mit Magie so alles bewirken können."
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