Kapitel 3
Nach etwa einer halben Stunde, die Snape mindestens dreimal so lang vorkam, erreichten sie das Dorf Farsgrove. Obwohl Farsgrove keineswegs ein großer Ort war, so war er doch eindeutig nur von Muggeln bewohnt. Autos parkten an den Straßenrändern, viele der Läden hatten merkwürdig rosa leuchtende Schilder, die so seltsame Sachen wie "Computer" oder ein "drahtloses Internet" anboten. Die wenigen Leute, die die Straße bevölkerten, waren eindeutig Muggel, nicht eine einzige Robe oder ein Zauberstab in Sicht.
Der Bus schlängelte sich durch das Dorf und hielt endlich vor einem Häuschen; auf dem Schild davor war "Wanderers Nachtruh´" zu lesen. "Da wären wir dann, die Herren Professoren", verkündete der Fahrer, dessen Name, wie er Hagrid anvertraut hatte, Horace war. "Ihr holt am besten die Leute ab und ich kümmere mich dann um ihr Gepäck und verlade es im Kofferraum."
Zögernd zwang Snape sich selber aus dem Bus zu steigen und folgte dem offenbar sehr aufgeregten Hagrid in die Herberge. Die beiden gingen auf die Rezeption zu, wo ein hübsches Mädchen von knapp siebzehn Jahren stand und in ein komisch geformtes Plastikding redete, das Snape mit seinem beschränkten Wissen über Muggel aber doch als Telefon erkannte. Mit einer Hand bedeckte das Mädchen das eine Ende des Telefonhörers und flüsterte: "Ich bin sofort bei Ihnen", ehe sie für einige weitere Minuten mit ihrer Konversation am Telefon fortfuhr. Hagrid versuchte ein Pläuschchen anzufangen, aber Snape war nicht in der Stimmung ihm zuzuhören und schenkte dem Mädchen einen seiner berüchtigten "Ich finde das alles gar nicht gut"-Blicke. Der Ausdruck wirkte auf Muggel offenbar genauso gut wie auf junge Hexen und Zauberer, denn rasch beendete das Mädchen ihr Gespräch und richtete nun ihre Aufmerksamkeit dem ungewöhnlichen Paar vor sich zu.
"Wir sind hier um, äh", Hagrid zog eine Pergamentrolle aus seiner enormen Tasche und las: "die Filmleute von der Sendung Queer eye for the straight guy abzuholen."
"Ach. Die." Das Mädchen kräuselte pikiert die Nase. "Mächtig bizarre Käuze sind das, mit ihren schicken Klamotten und ihrer amerikanischen Art. Meine Schwester hat sich in einen von ihnen verknallt, aber das hat den gar nicht interessiert, dabei ist meine Schwester ein echter Hingucker!" Das Mädchen holte Luft und wollte gerade fortfahren, als Snape sie unterbrach:
"Vielen Dank für diese erhellende Beschreibung Ihrer Charaktere. Nun, wären Sie vielleicht so gut sie augenblicklich hier herunter zu beordern?"
Mit einem verärgerten Blick, hob das Mädchen wieder den Hörer vom Telefon, drückte auf ein paar Tasten und teilte nach einem Augenblick mit: "Sir, hier unten sind zwei Gentlemen, die Sie abholen möchten." Sie lauschte für einen Moment, dann legte sie auf.
"Sie werden in Kürze hier sein. Bitte machen Sie es sich doch bequem." Sie deutete auf ein mickriges zwei-Personen Sofa am anderen Ende des Raumes. Hagrid ging herüber und ließ sich nieder, wobei er, massig wie er nun einmal war, beide Sitzplätze ausfüllte. Mit verlegenem Blick sah er zu Snape auf und versuchte zur Seite zu rücken um Platz zu machen, aber Snape schüttelte nur seinen Kopf und trat ans Fenster.
Von der Eingangshalle her konnten sie jemanden mit sehr starkem amerikanischen Akzent sprechen hören. "Du hättest wirklich mit uns kommen sollen, Thom", hörte Snape ihnen sagen, "du wärst beim Anblick dieser Tapete glatt gestorben."
"Irgendwie sah die so aus, als hätten sie einfach alle paar Zentimeter eine Katze darauf gesetzt", warf ein anderer ein. "Und das Essen übertraf alles, was man so über die englischen Frühstücksgewohnheiten gehört hat." Snape vernahm etwas, was sich anhörte als wäre jemandem sehr schlecht.
Und dann tauchten sie auf. Fünfe an der Zahl, ein paar von ihnen ziemlich hochgewachsen einer eher klein aber alle sehr exotisch angezogen. Die meisten trugen grell bunte Hemden in verschiedenen Farben, einer, um ganz genau zu sein, schien aus Versehen sogar ein zweites Hemd über das erste gezogen zu haben. Vielleicht konnte er sich auch lediglich nicht für eines der beiden entscheiden, grübelte Snape. Zwei trugen Hosen (die für Snapes Geschmack sehr viel zu eng waren), die aus Leder gemacht zu sein schienen, während die anderen das trugen, was Snape als Muggel-Blue Jeans kannte. Der große Blonde trug einen äußerst albernen roten Schal (warum mußte es bloß immer rot sein?) über einem leuchtend weißen Hemd zusammen mit einer Jeans, die aussah, als hätte Fluffy eine Runde auf ihr herum gekaut. Der kleine, der schrecklich mädchenhaft aussah, wie Snape fand, hatte ein glitzerndes, goldenes Hemd an, das er sorgfältig in seine Lederhose gesteckt hatte und wurde durch eine glänzende, ebenfalls goldene Armbanduhr vervollständigt. Der Brillenträger war der unauffälligste der ganzen Truppe, mit seinem schlichten (obwohl immer noch zu grell gefärbten), himmelblauen Hemd und seinen Jeans. Der andere Lederfritze hatte lächerliche Stiefel an den Füßen und sein quietschoranges Hemd hätte eigentlich dringend zugeknöpft werden müssen. Der letzte von ihnen trug ein komisch gestreiftes Hemd unter seiner Jacke und noch schlimmer, eine Jeans, die offenbar Schulkindern zum Färben in die Hände gefallen war.
Snape fühlte, wie eine Welle der Angst über ihn hinweg rollte, als er sich die Greueltaten vorstellte, die diese fünf sich für ihn ausgedacht hatten.
Wie es schien waren die Besucher von ihm und Hagrid nicht weniger entsetzt, als umgekehrt. Sobald sie den Raum betreten hatten, standen sie stocksteif still. Jedes Augenpaar huschte zwischen ihm selbst und Hagrid hin und her, ohne Zweifel sich nicht mehr ganz sicher, ob es gut war, daß sie sich auf diese Reise eingelassen hatten.
Der kleine, mädchenhafte Mann, war der erste, der wieder zur Besinnung kam. Er ging schnurstracks auf Snape zu und streckte ihm die Hand entgegen. "Sie müssen Mr. Snape sein, Sie sehen ganz so aus, wie auf Ihrem Foto. Ich bin Jai. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen."
Snape ignorierte die ihm entgegengestreckte Hand und sah mit einem widerwilligen Blick auf Jai herunter. "Professor Snape. Und die Freude ist ganz auf Ihrer Seite."
Jai´s Augenbrauen schossen perplex in die Höhe. "Nun, ich sehe, da haben wir wahrhaftig eine ganze Menge Arbeit vor uns." Dann ging er herüber zu Hagrid und stellte sich selber vor. Hagrid, wie es nun einmal seine Art war, war um Längen freundlicher und schloß Jai´s winziges Händchen in seine eigene Pranke ein, sie dabei wild schüttelnd.
"Der weiß, wie man vernünftig Hände schüttelt, stimmt's Jai?" rief Mr. Malbuch-Jeans aus, als er sah, wie Jai unfreiwillig zusammenzuckte.
Mr. Roter-Schal-um-den-Hals himmelte Hagrid an, wie ein Kind einen Süßigkeitenladen. Er versetzte Mr. Leder einen Knuff und wisperte: "Sag mal Kyan, denkst du unser Zeitplan erlaubt es uns, daß wir uns zwei vornehmen? Ich denke, ich würde mich auch gerne mal an diesem Hagrid versuchen."
Kyan nickte. "Ich weiß haargenau was du meinst, Carson. Stell dir nur mal vor, wie er aussieht, wenn er anständig rasiert ist." Glücklicherweise war Hagrids Aufmerksamkeit noch immer auf Jai gerichtet, oder die Idee mit der Rasur hätte ihn doch sehr aufgeregt. "Ich frage mal bei unseren Zeitplanern nach und schaue was sich so machen läßt. Das heißt natürlich, wenn er denn mitmachen möchte.
Weil Snape hartnäckig darauf bestand, dass sie sich so langsam auf den Weg machen sollten, ging der Bebrillte nun auf ihn zu, machte aber Gott-sei-dank keine Anstalten, ihm die Hand zu reichen. "Hi, Professor Snape. Ich bin Ted, der Speisen- und Wein-Berater. Ich stelle fest, Sie sind ein bißchen nervös, aber wir sind wirklich ganz harmlos. Bei der Gelegenheit, mögen Sie es zu kochen?"
Snape sah in fragend an. "Kochen? Dafür haben wir Hauselfen."
Ted fing an so herzlich zu lachen, als hätte Snape ihm gerade einen urkomischen Witz erzählt. "Nennt man sie hier so? Wie putzig. Aber keine Sorge, ich werde Ihnen schon beibringen, wie Sie in Null komme Nix ein ganzes Menü zaubern. Das ist überhaupt nicht schwer."
Snape lächelte, die Ironie des ganzen bedenkend, daß ein Mann ihm quasi Zusicherungen machte, die er so auch von seinen Zaubertränken her kannte. "In der Tat."
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