Kapitel 18
Ich müsste leugnen, würde ich behaupten, dass ich nicht glücklich war, als sich die schwere Haustür hinter mir schloss, und ich von der Kälte draußen in die Wärme meines Hauses fliehen konnte. Ich hatte das Haus gründlich durchgeheizt, so dass in dessen Inneren fast sommerliche Temperaturen herrschten. Ich hatte Kälte so satt.
Als ich im Wohnzimmer ankam, und dort meine schwere Winterrobe auszog und achtlos auf ein Sofa warf, bemerkte ich an einem der großen Fenster eine kleine, zerrupfte Eule. Es war dieselbe, die mir die Ministeriumsakten von Weasley überbracht hatte. Ein neuer Brief von Arthur?
Die Eule trug eine einzige Pergamentrolle an ihrem Fuß gebunden. Ich schloss, dass die Rolle wohl nicht weiter dringend oder wichtig war, und legte sie einfach auf einen kleinen Tisch. Dann ging ich in die Bibliothek meines Vaters.
Die Bibliothek meines Vaters war eine der größten Privatsammlungen der Zaubererwelt. Ihr besonderes Augenmerk lag auf den Schwarzen Künsten, ebenso wie auf Zaubertränken. Als ich noch ein kleiner Junge war, hatte diese Bibliothek für mich einen unbegreiflichen Zauber gehabt. Sie war mir verboten gewesen, auf Strafe, und ich hatte mich immer nur sehr schwer an dieses Gebot gehalten. Dafür hatte sie mich immer viel zu sehr fasziniert. Irgendwann einmal, ich musste ungefähr sieben, acht Jahre alt gewesen sein, hatte ich mich in diesen Raum geschlichen. Mein Vater war auf einem Ausritt gewesen oder spazieren, und ich war mir sicher, dass er mich nicht erwischen würde. Als er einige Stunden später wieder zurückkam, fand er mich in der Mitte seiner Bibliothek, umgeben von einem Stapel Bücher, schlafend. Ich werde seine Schläge nie vergessen. Seitdem war mir dieses Zimmer immer unheimlich gewesen, obwohl ich sonst Bibliotheken aller Arten liebte. Besonders fasziniert hatte mich immer die Bibliothek von Hogwarts - sowohl als Schüler als auch als Erwachsener. Ich hatte Stunden in diesem gigantische Raum verbracht. Alle die alten, wertvollen Bücher... soviel Wissen. Jetzt lag alles unter den Trümmern des Schlosses begraben.
Es wunderte mich, dass das Ministerium mir nicht nahegelegt hatte, die schwarzen Bücher aus der Bibliothek auszusortieren... wahrscheinlich wussten sie aber schlicht und einfach nicht von deren Existenz.
Den ganzen Tag wühlte ich mich durch die Unmengen von alten Büchern. Ich entstaubte, sortierte aus, erstellte Listen, was noch zu beschaffen war und las. Mein erster Arbeitsschritt bestand darin, mir einen Stapel von Wörterbüchern herauszusuchen, die ich zur Lektüre benötigte. Mein Vater hatte Unmengen von alten, teilweise schon vergessenen Sprachen gesprochen, von denen ich nur einen Bruchteil beherrschte. Zwar waren auch meine Sprachkenntnisse in den Augen der meisten enorm, gegen meinen Vater war ich allerdings nur ein Stümper gewesen. Viele der Bücher waren daher für mich - im wahrsten Sinne des Wortes - mit sieben Siegeln verschlossen... ohne die Wörterbücher hätte ich wahrscheinlich noch nicht einmal die Titel verstanden. Die Bibliothek war unsortiert, chaotisch. Offensichtlich ein Werk meines Vaters während der letzten Wochen seines Lebens. Deswegen kostete es mich viel Zeit, die Bücher erst einmal zu sortieren. Unmengen von Staub flogen durch die Luft, und mit jedem Buch, das ich aufschlug wurde es mehr.
Ich bemerkte kaum, wie die Zeit verflog. Irgendwann zündete ich eine Kerze an und stellte sie neben mich auf den Boden. Schließlich wurde es zu dunkel um zu lesen. Erschöpft ließ ich das Buch, das ich gerade in der Hand gehalten hatte ("Il toxine") zu Boden sinken und schloss meine müden Augen. Während ich meine Nase rieb, dehnte ich meine schmerzenden Schultern. Schließlich ließ ich mich zurücksinken - ich hatte auf dem Boden gesessen - und atmete tief aus. Hustend schoss ich wieder hoch - in der Luft war doch mehr Staub gewesen, als ich gedacht hatte. Mit einer Hand vor meinem Gesicht herumwedelnd rang ich nach Atem. Schließlich raffte ich mich auf und kletterte über die Bücherberge, die ich aus den Regalen geräumt hatte, zum Fenster. Laut quietschend wehrte sich das große Fenster dagegen, geöffnet zu werden, und das jammernde Geräusch klang seltsam laut. Erleichtert lehnte ich mich hinaus, und schnappte nach der frischen, klirrend kalten Luft.
Kurz sah ich aus dem Fenster über den dunklen Wald, dann lehnte ich es an und verließ die Bibliothek. Ich würde morgen weitermachen, und übermorgen und den Tag darauf, und den danach...
Von der Bibliothek aus ging ich direkt in die Küche, kochte mir einen Tee, und setzte mich mit der Tasse ins Wohnzimmer. Dort kuschelte ich mich in einen riesigen Sessel und sah in das Kaminfeuer, das immer noch darin brannte. Als ich die Tasse auf den kleinen Tisch neben dem Sessel stellte, fiel mir die kleine Pergamentrolle auf, die immer noch auf dem Tisch lag. Ich nahm sie in die Hand, und betrachtete sie.
Die Rolle war klein, leicht und von nicht allzu guter Qualität. (Ich hatte schon immer einen Pergament-Tick gehabt, und seit jeher viel zuviel Geld für teueres Pergament ausgegeben). Das Siegel war einfach - schwarzes Siegellack und eine kleine Münze hineingepresst. Das war nicht ungewöhnlich - allerdings fiel damit Arthur Weasley als Verfasser des Pergaments aus dem Schneider. Das Siegel der Weasleys war immer in orangenes Siegelwachs gedrückt - es stellte ein verschnörkelte 'W' dar, um das sich ein Efeu rankte. Wusste der Herr, wie sie zu so einem Siegel gekommen waren. In Familien, die kein eigenes Siegel besaßen, war die Methode, einfach eine Münze in das Siegelwachs zu drücken, üblich, und auch unter ärmeren Leuten, die nicht auf ein Siegel verzichteten, war diese Methode sehr beliebt. Gedankenverloren starrte ich erst auf das Siegel, dann auf meinen eigenen Siegelring, der seit Generationen im Besitz meiner Familie war. Dann zwang ich meine Gedanken wieder zurück, und zu der kleinen Pergamentrolle. Mehrere Male drehte ich sie um sich selbst, dann brach ich das Siegel und entrollte das Pergament.
Die Fläche des Papiers war größer, als ich angenommen hatte. Es war von oben bis unten eng beschrieben. Kleine Buchstaben, geschrieben mit schwarzer Tinte. An einigen Stellen war die Tinte verschmiert, als hätte der Verfasser während des Schreibens geweint. Die Schrift kam mir bekannt vor, unangenehm bekannt. Kurz überlegte ich, warum ich gerade so einen Brief bekommen sollte, warum ich von allen Menschen auf der Welt so einen Brief verdient hatte. Dann begann ich zu lesen.
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