Kapitel 70
Nichts ist je einfach
Es klopfte.
Nicht jetzt. Er würde einfach nicht antworten. Wer auch immer vor der Tür stand würde wieder verschwinden.
"Severus, ich weiss, dass du da bist. Bitte mach auf", kam die gedämpfte Stimme durch die Türe.
Severus fühlte ein kurzer Anflug einer Panikattacke. Dumbledore. Der würde sich nicht abwimmeln lassen, bis er ihn gesehen hatte. Auch würde er sehr schnell begreifen was los war. Doch Severus zwang sich wieder zur Ruhe. Er hätte sich hierfür Einsamkeit gewünscht, aber ändern würde es nichts, es war ohnehin zu spät.
Trotzdem.
"Ich möchte allein sein. Komm später wieder."
Es war einen Moment still und Severus dachte schon, dass Dumbledore seinen Wunsch respektieren würde, doch er wurde enttäuscht. "Severus. Bitte öffne die Tür. Ich muss mit dir reden. Jetzt. Und ich werde nicht weggehen bevor ich es getan habe."
Severus schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Warum jetzt? Erst Black und nun Albus... jedoch mit einem großen Unterschied. Einem entscheidenden Unterschied und genau dieser tröstende Gedanke war es, der ihn sich aus dem Sessel erheben ließ. Sein Körper fühlte sich schwer an. Flüchtig fragte er sich, ob es schon begann oder ob es seine mentale Müdigkeit war, die sich einfach auf seinen Körper ausweitete.
Bevor er die Tür öffnete, lehnte er seine Stirn gegen das dunkle Holz und schloss noch einmal kurz die Augen. Er hätte es so gerne sauber und ohne grosses Aufsehen hinter sich gebracht, doch das war nun nicht mehr wahrscheinlich.
Mit einem mutholenden Seufzer öffnete er die Tür langsam.
Albus betrat den Raum, gefolgt von Sirius und obwohl der Direktor sich sehr gut darin verstand, seine wahren Gefühle hinter einem Lächeln und einem Zwinkern zu verstecken, lag nun offene Besorgnis darin. Das allein hätte ihn schon alarmieren sollen, wenn da nicht das ebenso sorgenvoll wie schuldig aussehende Gesicht Blacks gewesen wäre. Hatte der Gryffindor geredet, obwohl er ihm versprochen hatte, es nicht zu tun? Aber warum sollte ihn das denn auch wundern? Eigentlich war es schon erstaunlich, dass Black überhaupt so lange dichtgehalten hatte. Na ja. Es war wohl kaum noch wirklich wichtig, nicht?
Severus ließ sich, ohne die Beiden weiter zu beachten, in den Sessel am Kamin sinken.
"Was wollt ihr denn noch von mir?" murmelte er müde.
Er sah, wie Albus und Sirius verwirrte Blicke tauschten, doch das kümmerte ihn nicht mehr. Sie würden bald verstehen. Albus verstand immer so viel mehr als man ihm zutraute und so viel weniger als er sollte. Sirius würde ihn aufklären. Aber nein, das hatte er ja schon, wenn sein Gesichtsausdruck ein Hinweis war. Er wäre als Spion am ersten Tag enttarnt worden, trug seine Gefühle wie ein offenes Buch auf seinem Gesicht.
Gryffindors.
Ein mildes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er lehnte sich bequem in seinem Sessel zurück und sah, die beiden Gäste ignorierend, gleichmütig ins Feuer.
"Severus", begann Albus. "Ich mache mir Sorgen um dich."
Severus wandte ihm nicht einmal den Kopf zu.
Sollte der alte Mann nur reden. Es kümmert ihn nicht mehr. Viel zu spät dafür.
"Severus!" das war Blacks Stimme, "wir wollen dir helfen!"
Fast hätte er gelacht. Er konnte sich gerade noch beherrschen. Ach ja, plötzlich wollten sie ihm helfen. Plötzlich war er Severus, anstatt Snape.
Aber er durfte Sirius nicht Unrecht tun. Er glaubte ihm. Seinem einzig richtigen Freund. Wahrscheinlich hatte er auch geplaudert, weil er dachte ihm damit zu helfen. Einfach gestrickt und direkt, das waren Menschen wie Black. Es war Albus, dessen plötzliche Hilfsbereitschaft seinen Magen sich zusammenziehen ließ. Er kannte ihn schon so lange. Er hätte es sein sollen, der von selber gemerkt hätte, was sie ihm angetan hatten, aber er hatte es nicht getan. Hatte den Blick verschlossen, bis Black es ihm hatte erzählen müssen.
Gedankenverloren starrte er weiter ins Feuer. Ob es die Hölle, an die so viele Muggel glaubten, vielleicht doch gab? Oder war er schon lange tot und das, was er als sein Leben angesehen hatte, war in Wirklichkeit die Hölle, in die er für ein vergangenes, vergeudetes Leben geschickt worden war.
Er schrak zusammen und schrie panisch auf, als etwas ihn an den Schultern packte und schüttelte. Wild schlug er um sich um sich zu befreien. Die Hände verschwanden und er sank mit zitternden Knien in den Sessel zurück. Sein Herz raste und pumpte das Blut, und damit auch das Gift schneller durch seine Adern, verteilte es gründlicher in seinem Körper. Er fühlte, wie seine Füße begannen gefühllos zu werden. Wie eine wissenschaftliche Beobachtung registrierte er das. Bald würden auch die Beine sich taub anfühlen, dann die Hände - nun ja, was von denen noch übrig war eben - und das würde kein sonderlich großer Verlust mehr sein. Und dann ...
Albus erschien vor seinem Gesichtsfeld.
"Ruhig, mein Junge", murmelte der alte Mann mit sanfter Stimme. "Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit"
Er hörte die Stimme etwas gedämpft durch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Ach ja, die Berührung hatte ihn erschreckt. Irgendwie schien es ihm schwer seine Gedanken fest zu halten, sie schienen ein eigenes Leben angenommen zu haben.
Albus streckte ihm vorsichtig eine Hand entgegen, berührte ihn jedoch nicht. "Severus. Es tut mir so leid. Ich habe dich allein gelassen. Wieder einmal. Habe nicht realisiert, wie schlimm sie deine Seele verletzt haben. Ich hätte für dich da sein sollen. Bitte vergib einem alten Mann, der zu blind ist um das, was ihm wichtig ist, nicht als selbstverständlich anzusehen."
Konnte es sein, dass Albus doch langsam anfingen, ein bisschen zu verstehen? Begriff Albus überhaupt wie wichtig er ihm immer gewesen war, dass er alles für den Direktor getan hätte für nur einen Funken echter Zuneigung? Eine Zuneigung, die er seinen goldenen Schülern, den strahlenden Potters und Gryffindors so offen gab. Eine Zuneigung, die ihm nie bedingungslos gegeben wurde, so dass er nun nicht sicher war ob sie echt oder nur geboren aus Schuldgefühlen war. Egal, es war zu spät. Er hatte seine Entscheidung getroffen, und daran war nichts mehr zu ändern.
Vage am Rande registrierte er, dass Albus, noch immer vor ihm hockend zu Black hinüber blickte.
Dann war eine Hand an seinem Kinn und hob sein Gesicht ein wenig an. Albus' Gesicht war nun sehr nah und er blickte ihm tief in die Augen, als ob er ihn mit dem Blick durchbohren wollte.
"Severus?"
Übelkeit stieg in ihm auf. Phase zwei, nahm er desinteressiert zur Kenntnis.
"Geht lieber", murmelte er. Es hörte sich irgendwie schwerfällig an, als wäre er betrunken. Er musste schon Aufmerksamkeit darauf verwenden, nicht zu lallen.
Und nun noch die Lähmungserscheinungen. Es würde ab jetzt recht schnell sehr unschön werden und er startete einen letzten Versuch seine ungewollten Besucher los zu werden, bevor sie etwas merkten. Misstrauisch schienen sie schon zu sein. "Na los, haut ab!"
Leider waren seine beiden hartnäckigen Gäste weit davon entfernt, seiner Aufforderung nachzukommen - im Gegenteil.
Albus erhob sich, zauberte sich einen Stuhl heran und setzt sich neben ihn, wobei er ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Black stellte sich auf die andere Seite. Als wollten sie ihn umzingeln. Wieso waren sie nur gerade jetzt zu ihm gekommen? Es machte die ganze Sache unnötig kompliziert. Er wollte sie nicht dabei haben, das war nie sein Wunsch gewesen, wie wenn das dem Schicksal jemals was bedeutet hätte.
Nein, Severus wollte nicht, dass Black und Albus das mit ansahen, doch er konnte nichts mehr dagegen tun.
Er konnte bereits die aufsteigende Kälte spüren... Ihm wurde übel.
"Severus." Albus beugte sich zu ihm herüber und irgendwie sah er plötzlich sehr blass aus. "Was hast du genommen?" Seine Stimme war drängend und zitterte leicht. Wie wenn er alle Kraft dafür brauche würde ruhig zu bleiben, Autorität auszuströmen und seine Stimme nicht brechen zu lassen. Mit Verwunderung bemerkte Severus den feuchten Schimmer von Tränen in den Augen des Direktors. Aber auch das war nicht mehr wichtig, genau wie Dumbledores Frage. Egal ob er ihn anflehte oder es aus ihm herausschütteln wollte, es würde ihm nichts nutzen.
Im Moment hatte er auch andere Sorgen, denn mittlerweile war ihm wirklich speiübel.
"Haut ab", keuchte er. "Mir ist schlecht!"
Er wuchtete sich mühsam aus dem Sessel. Seine Beine fühlte sich an wie aus Pudding und er wankte für einen Moment gefährlich. Seine Beine würden ihn nicht tragen, wurde ihm gleichzeitig bewusst, wie erneute Scham über ihn herbrach. Nicht so. Nicht vor Albus und Sirius. Er musste ins Badezimmer. Irgendwie. Doch seine Beine schienen nicht mehr zu seinem Körper zu gehören und weigerten sich seinen Befehlen zu gehorchen. Und dann gaben sie auch schon nach und er sackte ein.
Aber sein Körper stürzte nicht zu Boden, denn vier Arme hielten ihn auf einmal von beiden Seiten. "Verflucht Severus...", klang Blacks zittrige Stimme durch den Nebel aus Übelkeit.
"Schlecht...", hauchte er nur.
"Schnell Sirius. Er muss soviel Gift wie möglich loswerden!" Und dann wurde er, gestützt von kräftigen Armen, ins Badezimmer geführt. Ihm war es in der Zwischenzeit egal, wer und wie ihm geholfen wurde, und gerade noch rechtzeitig tauchte die Toilettenschüssel vor ihm auf und er wurde auf die Knie gelassen.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich sein Magen wieder so weit beruhigt hatte, dass die Krämpfe aufhörten. Zu dem Zeitpunkt war er schweissnass und sein Herz raste. Lange nachdem er schon nur noch Magensäfte hervorbrachte und sich sein Magen vollkommen entleert hatte. Irgendwann, nachdem er angefangen hatte sich geräuschvoll zu übergeben und ihn Albus, neben ihm kniend mit seinem Körper stützte, hörte er wie der alte Zauberer Black anwies aus seinem Schreibtisch einen Bezoar zu holen.
Doch all diese Details waren nebensächlich. Severus war sich von Anfang an bewusst, was ihn erwarten würde, doch in der Realität sah es nicht so... klinisch sauber aus und er fühlte sich miserabel. Selber hätte er es nie ins Badezimmer geschafft und irgendwie war er nun fast froh über Albus, der seine Arme eng um ihn geschlungen hatte, ihn gegen seinen eigenen Körper lehnte und ihm beruhigend immer wieder übers Haar strich, während er leise unverständliche Worte zu ihm sprach. Hier und jetzt, wo er nichts mehr fürchten musste, wo ihm nichts mehr passieren konnte und er so gut wie in Sicherheit war, fühlte er sich zum ersten Mal in seinem Leben fast geborgen.
Seine Lider senkten sich halbwegs und noch nicht einmal der Schatten einer zweiten Person, die sich auf seiner anderen Seite nieder liess, riss ihn aus seiner wohligen Gleichgültigkeit.
Jemand hielt seinen Kopf auf und ein sanfter Druck auf seinen Kiefer öffnete seinen Mund. Etwas kleines, Hartes wurde ihm auf die Zunge gelegt und sein Kiefer zugedrückt.
Ein Bezoar. Natürlich, das wäre das logischste, wenn man nicht wusste, was für ein Gift er genommen hatte. So wie es aber stand, brachte es nichts, ausser, dass es ihn aus seinem Dämmerzustand geweckt hatte. Er hätte es ihnen vielleicht auch gesagt, doch Black hielt noch immer seinen Unterkiefer fest. So lächelte er nur leicht, als Albus sein Gewicht zu Black verlagerte und seinen Zauberstab auf ihn richtete, wahrscheinlich um ihn zu untersuchen. Severus schloss die Augen.
"Es funktioniert nicht, Albus", hörte er nur einige Sekunden später Blacks hysterisch anmutende Stimme irgendwo über und hinter seinem Kopf. "Warum heilt es ihn nicht?"
"Ein Bezoar heilt viele Gifte, aber nicht alle. Severus wüsste genau welche."
Die Hand verschwand und der Stein fiel ihm aus dem schlaffen Kiefer. Black ging nicht darauf ein. Er packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn leicht, doch nun war es ihm bereits gleichgültig. Das Schütteln hörte auf und dann vernahm er das Geräusch von Fleisch das auf Fleisch schlug, begleitet von einem scharfen Schmerz auf seiner Wange, welcher ihn die Augen wieder aufreissen liess. "Was hast du geschluckt, du Feigling?" fauchte Sirius, sein Gesicht nur Zentimeter von seinem eigenen entfernt. Seine Worte waren scharf, doch Severus erkannte die wachsende Panik in den Augen des Gryffindors.
"Ach Black", hauchte er heiser und müde. Sein Mund begann bereits, sich trocken anzufühlen, obwohl ihm immer noch schlecht war. Black tat ihm irgendwie leid. Seine ganze Mühe mit ihm, die Arbeit ihn zu pflegen, die er unwillentlich übernommen und die er so gehasst hatte, würde vergebens sein.
"Was du geschluckt hast, will ich wissen. Verdammt noch mal, Snape!" herrschte Black ihn nun an und schüttelte ihn wieder.
"Sirius. Er wird es nicht sagen. Hol Poppy. Sie kann es herausfinden." Severus achtete kaum auf Albus' Stimme, oder darauf wie Black sich wieder erhob, denn er spürte, wie sich sein Magen erneut schmerzhaft verkrampfte, und er würgte, doch es war nichts mehr darin, was er hätte erbrechen können. "Und Sirius!" rief Albus drängend über seinen Kopf hinweg, während er ihn in seiner nun gebeugte Haltung stützte, "mach schnell."
Und dann wandte sich Albus wieder ihm zu und seine Stimme war rau und so zittrig wie er sie noch nie zuvor gehört hatte. "Mein Junge, was hast du getan? Merkst du denn nicht, dass wir dir helfen wollen? Warum hast du mich nur nicht nach Hilfe gefragt?"
"Zu spät", keuchte Snape. "Viel zu spät." Er wusste selber nicht, was er ansprach. Das Gift oder sein Leben. Aber es war für beides zu spät und zumindest die Sache mit dem Gift bereute er nicht.
Ihm war schwindelig und immer noch etwas übel, aber wenigstens hatten die Krämpfe aufgehört. Die wurden wohl durch die Lähmungen verhindert. Umso besser.
"Du könntest nicht verstehen?" lallte er mit schwerer Zunge. "Du, der große ... Albus Dumbledore, der noch nie... wirklich besiegt wurde?
Er holt keuchend Luft. Das Sprechen fiel ihm immer schwerer, aber dies musste er noch loswerden. Es war seine letzte Gelegenheit.
"Ich bin... ein Versager, und du bist ein... Sieger. Das ist... der Unterschied... zwischen uns. Wie also... willst du mich... verstehen können?"
Das Gesicht des Schuldirektors verdoppelte sich vor seinen Augen. Er blinzelte ein-, zweimal und die Sicht klärte sich für einen Moment, bevor sie wieder verschwamm.
"Oh Severus. Junge." Der tränengefüllte, zittrige Tonfall des Direktors drang sehr wohl zu ihm durch. Dumbledore meinte es gut. Das tat er immer, nur reichte es diesmal nicht. Dennoch fühlte es sich gut an, als der alte Mann ihn noch näher gegen sich zog.
Seine Unterleibsschmerzen verschwanden immer mehr und für einen Moment entspannte sich Severus einfach nur in der Umarmung des Direktors, gegen den er nun recht schwer lag, und schloss die Augen.
Er wusste, dass er bis zum Schluss bei Bewusstsein bleiben würde. Und sehr angenehm war es sicher nicht zu ersticken. Auch hätte er es Albus nicht gewünscht ihn langsam sterben zu sehen. Hätte er Strychnin oder ein anderes schnellwirkendes Gift, welches ebenfalls gegen den Bezoar resistent wäre, zur Hand gehabt, dann wäre es schon lange vorbei. Er wäre schon tot gewesen, lange bevor Albus und Black bei ihm angekommen wären. Nur hätte er es sich erst besorgen müssen, was nicht einfach gewesen wäre. Ausserdem waren diese Gifte auch in der Zaubererwelt keineswegs unbekannt, gut zu isolieren und die Chance geheilt zu werden, wenn man ihn rechtzeitig fand, war zu gross. So ging es langsamer, aber von dem Moment an, wo er das Gift eingenommen war, würde es für Zauberer so gut wie unmöglich sein es zu erkennen. Selbst Poppy würde ihn diesmal dem Tod nicht entreissen können. Der Venequo -Trank war die einzige logische Alternative für die erste Hilfe bei Vergiftungen. Es war das, was jeder Heiler sofort anwenden würde. Es würde die Symptome mildern, doch dann eine Averse Reaktion hervorrufen, die die Asphyxie noch beschleunigen würde. Und diese Reaktion wäre durch nichts mehr aufzuhalten. Er hatte lange genug mit der Medihexe von Hogwarts zu tun gehabt und ihr ihre Tränke gebraut, dass er genau wusste wie Heiler auf solche Situationen reagieren würden. Nein, er hatte schon das richtige Gift gewählt.
Hektische Bewegungen zu seiner Rechten rissen ihn aus seinen Gedanken.
"Severus! Gütiger Himmel."
Das war nicht Poppys Stimme. Das war Minerva. Severus öffnete verwirrt die Augen.
"Bleibt aus dem Weg ihr beiden." Die Medihexe schob einen besorgten Black und eine entsetzt aussehende McGonagall aus dem Weg und kniete sich zu seiner Seite nieder, wo vorher Black gekniet war.
"Der Bezoar wirkt nicht", sagte Albus leise, wie in Trance und verstärkte dabei noch seinen Halt um ihn.
Pomfrey nickte scharf, bevor sie sich an ihn wandte und ihn ansah. Für einen Moment wich ihr ernster, verschlossener Ausdruck und ihre Augen wurden weich. "Unser Severus hat noch nie eine Sache nur zur Hälfte gemacht. Nicht wahr? Aber auch du kannst den Zufall nicht beeinflussen." Sie wandte sich an Dumbledore. "Hättest du ihn nicht gefunden..."
Severus dachte nicht, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde und so reagierte er nicht auf ihre Worte. Abgesehen davon, dass er wahrscheinlich in der Zwischenzeit sowieso kaum mehr als noch lallen konnte. Die Taubheit breitete sich weiter in seinem Körper aus und auch auf seine Brust schien sich ein Gewicht zu senken, was atmen langsam etwas schwerer machte.
Die Medihexe legte eine Hand gegen seine Wange und der strenge Ausdruck kam zurück in ihre Augen. "Du hättest sichergehen müssen, dass dich niemand findet, denn auch ich mache meine Sache nicht zur Hälfte, Severus Snape und das weißt du."
Sie drehte sich von ihm ab, öffnete ihre bauchige, braune Reisetasche und holte eine Phiole raus. Severus erkannte das Fläschchen. Er hatte den Trank damals selber gebraut.
"Halte ihn gut fest, Albus. Vielleicht müssen wir etwas... nachdrücklicher sein." Sie drehte ihren Kopf. "Mister Black, Minerva. Kommt näher. Ich weiß nicht, ob wir euch brauchen.
Severus hörte die Beiden hinter ihn treten und dann wandte sich Poppy wieder an ihn. "Du wirst jetzt ein guter Junge sein, Severus Snape, und diesen Trank ganz brav und ohne Aufhebens schlucken, verstehen wir uns?"
Irgendwo, in einem anderen Leben, hätte ihr befehlshaberischer Ton ihm Angst eingejagt, doch jetzt konnte ihm niemand mehr etwas anhaben. Sie würde ihm durch diesen Trank nur noch helfen. Wie überaus voraussehbar. Er lächelte sie an.
Sie blinzelte erst verwirrt, fing sich dann aber wieder und entkorkte die Phiole. Als sie sie zu seinem Mund führte, öffnete er die Lippen um es sich einflößen zu lassen.
"Merlin Poppy, stopp!"
Nur einen Zentimeter vor seinem Mund schloss sich plötzlich eine runzlige Hand um Poppys Arm und zog ihn weg.
"Albus? Was", sagte Minerva hinter ihm. Poppy allerdings starrte auf sein Gesicht und plötzlich, wie wenn sie gerade zu einer schrecklichen Erkenntnis gekommen wäre, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. "Nein."
"Was ist los?" fragte Black drängend.
"Severus macht keine halben Sachen", antwortete die Medihexe. "Wenn er versucht sich umzubringen, dann will er es auch. Und wenn Severus etwas will, dann ist er nicht bereitwillig. Vor allem lächelt er dann nicht, wenn man seine Pläne durchkreuzt."
Severus schloss die Augen verzweifelt.
"Albus?"
"Starte eine Flohverbindung zu St. Mungos, Minerva", antwortete die Medihexe stattdessen. "Sag ihnen, dass wir in zwei Minuten da sind."
Die Hexe gehorchte mit raschelnden Roben und hastigen Schritten. Zwei Hände, die ihn am Kragen packten, ließen ihn die Augen wieder öffnen. "So einfach nicht, Severus", fauchte Poppy in sein Gesicht. "Albus, lege ihn hin, ich lasse ihn schweben."
Severus hatte es immer gehasst, wenn er den sicheren Boden unter den Füssen verlor, sei es auf einem Besen oder wenn man magisch die Anziehungskraft um ihn aufhob. Es weckte praktisch nur schlechte Erinnerungen und in seiner jetzigen körperlichen Verfassung verlor er für einen Moment komplett die Orientierung. Sein Magen drohte wieder mit Rebellion und er hatte das surreale Gefühl, seine Beine, in denen er überhaupt kein Gefühl mehr hatte, würden auf dem Boden knien bleiben, während sich der Rest seines Körpers zur Tür heraus bewegte.
Die Reise durch den Kamin war noch schlimmer und Severus wünschte sich spätestens dann, dass er endlich tot wäre.
St. Mungos Korridor, wo er mit Poppy, die ihn am Arm hielt, aus dem Kamin schwebte war hell und fensterlos. Etwa sieben Zauberer und Hexen in limonengrünen Roben standen um eine immer noch sehr bleich aussehende McGonagall herum und kaum war er aus dem Kamin fassten auch schon Hände nach ihm und zogen seinen Körper zu einer bereitstehenden Bahre noch während Poppy hektisch erzählte, was passiert war. Er wurde darauf hinuntergelassen, dass er auf seinem Rücken zu liegen kam. Immer mehr Hände schienen an ihm herum zu ziehen und anzufangen die Knöpfe seiner Weste unterhalb seines Halses zu öffnen. Diese Hände, die Helligkeit, die Geräusche laut diskutierenden Menschen und die Beengtheit mit all den Leuten um ihn herum, ließen Severus' schon schnell schlagendes Herz noch mehr rasen und Panik fiel übermächtig über ihn herein, wie tausend Tentakel eines unsichtbaren Monsters. Severus konnte nicht mehr die verschiedenen Menschen unterscheiden, es gab nur noch eine Flut von hellgrünen Gestalten, die zu Hunderten mit ihren Händen nach ihm griffen um ihn zu fangen und zu verletzen. Gleichzeitig vervielfältigte sich das Gewicht auf seiner Brust in Sekundenbruchteilen und er konnte nicht mehr atmen. Instinktiv begann er sich zu wehren.
"Was zur Hölle.."
"Haltet ihn...."
"Sein Kreislauf kollabiert.."
"Circui Suffulcirus!"
"Somnum!"
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