Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 63: Alte Abrechnungen


Der platinblonde Mann stand mit Snape neben einem dunklen, altertümlich aussehenden Instrument, das aussah wie ein eckiger Flügel, und grinste höhnisch über die rechte Schulter des Zaubertränkemeisters zu Harry herüber, die Spitze seines Zauberstabs so fest gegen den Hals des anderen Mannes gepresst, dass sie eine kleine Delle in dessen Haut verursachte.

"Eine falsche Bewegung und er ist tot, Potter."

Harry hatte nicht vor, Snape in Gefahr zu bringen, doch wusste er auch instinktiv, dass Snape im besten Fall tot war, sollte er Malfoy mit ihm ziehen lassen. Im schlimmsten Fall würde Snape wieder auf unbestimmte Zeit Malfoy und seinem sadistischen Willen ausgeliefert sein. Dass er explizit auf die Stimme Malfoys und des nun toten Voldemorts programmiert war, hatte der dunkle Lord ja selber zugegeben.

Ein letzter Blick auf Snape und er entschied sich. Entschlossen hob er seinen Zauberstab und richtete ihn auf Malfoys Kopf.

Der blonde Zauberer blinzelte überrascht, aber fasste sich schnell wieder und verzog sein Gesicht. "Ich mache keine Scherze, Potter."

"Ich auch nicht, Malfoy", zischte Harry. Er hatte soeben den gefährlichsten dunklen Zauberer der Gegenwart besiegt. Ein Snob wie Malfoy würde ihn nicht überwältigen. "Ich habe meinen Fluch ausgesprochen, noch bevor Sie den Ihren beenden können. Lassen Sie ihn los."

Malfoy lachte leise. "Aber bist du auch so schnell, mich daran zu hindern ihm den Stab durch die Kehle zu stoßen? Wäre ein recht unschöner Tod für ihn, das kann ich dir garantieren." Der Zauberstab bohrte sich noch einige Millimeter weiter in die Haut von Snapes Hals und Harry zögerte. Um ehrlich zu sein, konnte er nicht sicher sein. Er spielte hier schon wieder mit Snapes Leben, doch das tat er auch, wenn er Malfoy ziehen ließ. Verzweifelt blickte er in die Augen seines früheren Lehrers. Da war nun eindeutig wieder Bewusstsein in ihnen zu erkennen, aber neben der noch immer dominanten Angst las er auch Resignation darin. Snape konnte sich nicht gegen Malfoy wehren, egal wie sehr er sich vielleicht später dafür hassen würde.

Mit seinen Augen versuchte er den Blick des Zaubertränkemeisters zu fangen. "Es tut mir leid, Professor. Wirklich aufrichtig leid. Alles", flüsterte er, bevor er sich wieder Malfoy zuwandte. "Dann werden wir es wohl darauf ankommen lassen müssen, Malfoy", sagte er fest.

Malfoy grinste böse. "Du willst also das Leben deines Lehrers riskieren? Ich war mir gar nicht bewusst, wie sehr er es geschafft hat, dass seine Schüler ihn hassen."

Harry wusste, dass Malfoy nur versuchte ihn zu reizen, doch entgegen seines besseren Wissens machten ihn die Worte des anderen Zauberers wütend. "Ich hasse ihn nicht. Nicht mehr."

"Na dann. Lass es uns versuchen. Du wirst mich nicht töten. Du hast es nicht in dir. Der dunkle Lord war nicht wirklich lebendig, darum konntest du ihn vernichten. Bei mir müsstest du den Todesfluch anwenden, sonst geht es nicht, und dass du den nicht fertig bringst, hast du uns bereits bewiesen."

"Aber ich kann Sie hier festhalten, bis die Auroren kommen. Wenn Sie Professor Snape umbringen, haben Sie keinen Schild mehr."

Malfoys Augen begannen zu glitzern. "Das könnte es mir schon wert sein, weißt du? Ich komme relativ schnell wieder aus dem Gefängnis, doch du wirst Severus' Tod auf dem Gewissen haben."

Harry versuchte die Worte Malfoys zu ignorieren. Er musste schnell handeln, oder seine Entschlossenheit würde schwinden. Doch noch bevor er sich einen geeigneten Fluch ausdenken konnte, um Malfoy so schnell als möglich auszuschalten, erklang plötzlich ein dumpfer Knall. Malfoy riss überrascht die Augen auf und versteifte sich.

Hinter Malfoy auf der abgedeckten Tastatur des Flügels stand Dobby, eine rußgeschwärzte Bratpfanne wie eine Waffe in den Händen. Wie in Zeitlupe ließ Malfoy Snape los, fuhr sich mit der Hand an den Hinterkopf und betrachtete verständnislos das Blut, das daran hängen blieb. Sein Blick wanderte von der Hand zu dem Hauselfen und er trat einen wankenden Schritt auf ihn zu, bevor seine Beine einknickten und er vornüber stürzte, mit dem Kopf hart auf der Kante des Instruments aufschlug und schließlich zu Boden sackte.

Für einen endlosen Moment rührte sich niemand. Dann drehte sich Snape wie in Zeitlupe um und blickte erst auf den reglosen Körper Malfoys, dann, noch immer wie in Zeitlupe, zu dem Hauselfen hoch.

Das kleine Wesen erwiderte den Blick nur kurz, ließ aber sofort die Pfanne fallen, welche erst mit einem dumpfen ‚Klonk' auf dem Flügel landete und dann mit einem ohrenbetäubenden Scheppern auf den blankpolierten Boden knallte. Der Hauself richtete seinen fast verzweifelten Blick auf Harry. "Dobby wollte nur den andern Bescheid sagen, wo Harry Potter Sir und Professor Snape Sir waren. Dobby hat gesehen, wie der böse Master Harry und Professor bedrohten. Er wollte nur helfen. Dobby wollte Master Malfoy nicht töten. Hauselfen sollen keine Zauberer töten...."

Der kleine Hauself hatte beide Hände gegen seinen Schädel gepresst und krallte sich dort fest, als wolle er etwas sehr schlimmes aus sich herauskratzen.

Harry war mit zwei Schritten bei ihm, ergriff die Hände Dobbys und zwang sie weg von seinem Kopf, bevor er sich noch verletzen konnte.

"Hör auf damit, Dobby. Du hast nichts Schlimmes getan. Du musst dich nicht bestrafen oder dir Vorwürfe machen. Im Gegenteil, du solltest einen Orden bekommen, oder zumindest eine Lohnerhöhung. Deine Tat hat wahrscheinlich den Tag gerettet. Malfoy ist fast genauso gefährlich wie Voldemort selbst, oder aber er hätte es werden können, wenn er noch länger dazu Gelegenheit gehabt hätte."

Unwillkürlich wanderte Harrys Blick wieder zu Snape, welcher seine Augen auf Malfoy geheftet hatte und kein Wort sagte. Die wahre Boshaftigkeit Malfoys hatte er heute in einem Schauspiel erlebt, welches er wohl nie vergessen würde, solange er lebte.

Seine Worte schienen den Hauselfen etwas zu beruhigen und die Verzweiflung in seinem Blick wandelte sich in Zweifel. Schlussendlich lächelte er sogar und eine Spur von Dankbarkeit und Stolz lag in seinem Gesichtsausdruck.

"Ausserdem wissen wir noch nicht, ob er wirklich tot ist", lächelte Harry zurück.

Er kniete sich neben Malfoy nieder. Da der Mann ziemlich verrenkt auf seiner Seite am Boden lag, fiel es Harry nicht besonders schwer, ihn auf den Rücken zu drehen.

Blicklose, weit aufgerissene blaue Augen starrten zur Decke.

"Das beantwortet wohl diese Frage", murmelte Harry und sah noch einmal zu Dobby hoch, der nicht mehr stolz aussah, aber auch nicht mehr voll von Selbstvorwürfen.

Wieder wanderte sein Blick auf die reglose Gestalt seines früheren Lehrers. Ohne seine Augen abzuwenden, sprach er weiter zu dem Hauselfen. "Geh und schau wo die anderen bleiben, bitte."

Mit einem ‚Plopp' war die kleine Kreatur verschwunden und Harry richtete sich wieder auf.

"Sir?"

"Er ist tot", flüsterte Snape nach einer Minute unangenehmen Schweigens, sein Blick noch immer starr und genauso ausdruckslos wie seine Stimme.

"Sir?" fragte Harry noch einmal.

Langsam sah der Zaubertränkemeister zu ihm hin, und Harry musste ein Frösteln unterdrücken. Snapes tiefschwarze Augen gaben keinerlei Gefühl preis.

"Ich wusste nicht, was sie mit Ihnen.... Ich meine, ich will...."

Er strich sich mit der Hand das Haar aus der Stirne und senkte den Blick. "Ach, ich weiß nicht, was ich will. Nichts was ich je sage, wird genug sein. Was ich durch meinen Brief angerichtet habe, ist durch keine Entschuldigung wieder gut zu machen."

"Du hättest dies hier nie sehen dürfen", flüsterte Snape tonlos, als wenn er ihn nicht gehört hätte.

Harry sah erneut hoch und bemerkte, wie Snapes Blick wieder auf dem toten Malfoy hing. "Ich weiss, Sir", sagte er genau so leise. "Vielleicht sollten Sie.... Ich meine, wenn Sie möchten, können Sie mich gerne oblivaten."

Langsam blickte Snape auf und seine Augenbraue hob sich einen knappen Millimeter. "Dann würdest du alles über den Endkampf vergessen."

Harry schluckte. Das war ihm wohl bewusst. Auch würde Snape wohl erwarten, dass er mit der Geschichte, wie er Voldemort besiegt hatte, rumprotzen wollte, doch das war ihm im Moment herzlich egal. "Es wäre ein sehr kleiner Preis, um meinen Fehler zu korrigieren und bei weitem nicht genug, aber es wäre ein Anfang. Oblivaten Sie mich, Professor."

Und dann tat Snape etwas absolut Unsnapisches, etwas, das Harry bis in sein Innerstes erschütterte. Er seufzte tief auf und klopfte Harry mit seiner linken Hand kurz auf die Schulter.

"Es ist nicht nötig. Die beiden waren scheinbar die einzigen, auf deren Stimmen ich durch die dunkle Magie und die... Folter... programmiert war. Sie sind nun tot. Es ist vorbei, Potter."

"Sind Sie sicher?" fragte Harry vorsichtig. Er hätte nie gedacht, dass er jemals ein solch menschliches Gespräch mit dem früher so verhassten Slytherin haben würde. Doch nun war es der Fall und er wäre froh, er hätte Snape nie auf diese schreckliche Weise die Menschlichkeit abgerungen.

Snape sah ihn wieder direkt an. "Es ist vorbei. Die anderen kommen gleich. Ich höre sie vor der Tür. Geh und sag ihnen, dass der dunkle Lord ein für allemal tot ist."

Mit einem Knall wurde die massive Holztür hinter ihnen aus den Angeln gehoben und einige Menschen drängten sich hinein. Mit einem letzten, eindringlichen Blick auf Snape und dem stillen Schwur, dass er in Zukunft alles tun würde, um Snape zu beweisen, dass er aufrichtig bereute, drehte Harry sich zu den Neuankömmlingen um.

Vor allem einer dieser Neuankömmlinge verursachte ein Glücksgefühl in Harrys Magengegend. "Sirius!" rief er glücklich, als er seinen Paten wohlbehalten an Dumbledores Seite durch die Tür drängen sah, gefolgt von Shacklebolt, Tonks und zwei unbekannten Auroren.

Snape für einen Moment vergessend, eilte er auf den älteren Zauberer zu und fiel ihm um den Hals wie ein kleines Kind, was ihm allerdings im Augenblick so ziemlich egal war. Sirius schien es ähnlich zu gehen, denn er erwiderte die Umarmung genauso fest.

"Bist du in Ordnung, Harry? Dobby sagte uns, dass Malfoy und Voldemort dich in eine Falle gelockt haben?"

Er hielt Harry eine Armlänge von sich weg und beäugte ihn von oben bis unten, als würde er nach versteckten Wunden suchen.

"Mir geht's gut, Sirius", antwortete Harry mit einem Lachen in der Stimme. "Voldemort ist tot. Diesmal für immer."

"Wo ist er?" fragte Dumbledore mit besorgter Stimme. Harry zeigte nur zu dem, was noch von Voldemort übrig war. Asche.

Dumbledore schaute Harry lächelnd an und Snape sagte: "Er hat ihn verbrannt."

Dumbledore blickte nun zu dem Zaubertränkemeister und seine Züge wurden noch weicher. "Bist du in Ordnung, Severus?"

Snape nickte nur. Harry war froh, dass sich Snape scheinbar so schnell wieder erholt hatte. Allerdings hätte er zumindest einen warnenden Blick in seine Richtung erwartet, doch Snape beachtete ihn gar nicht mehr. Es spielte auch keine Rolle. Er hatte nicht vor, jemandem etwas von Snapes Zusammenbruch zu erzählen. Zumindest für den Augenblick und so lange, wie Snape damit ohne Hilfe klar kommen würde.

Sirius pfiff leise durch die Zähne. "Hast du wirklich..." Er beendete den Satz nicht.

Harry nickte nur und sagte: "Pettigrew ist tot. Er hat mir das Leben gerettet."

Dumbledore brauchte eine Zeit lang, um dem plötzlichen Themenwechsel folgen zu können. Aber Sirius reagierte sofort und wandte sich an die beiden Auroren. "Ha, was haben wir gesagt? Von wegen mich verhaften. Ihr könnt euch stattdessen gerne bei mir entschuldigen."

Als die beiden begriffen, was Sirius und zuvor Harry da gesagt hatten, ließen sie ihre Blicke in dem Büro umherwandern. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Aschehaufen, den Voldemort hinterlassen hatte, erblickten und als sie die Leiche Pettigrews und auch den toten Malfoy sahen, wurden sie eine anständige Spur bleicher. "Aber das...", begann die weibliche Aurorin.

"Ist das Malfoy? Aber ich dachte, er war damals unter Imperius..", flüsterte der andere.

"Von wegen. Ich habe ihn schon immer verdächtigt, Brion. Der schmierige Mistkerl", sagte die grosse, schlaksige Frau mit dem dichten, kurzen Kraushaar. Sie schien sich wieder gefasst zu haben und wandte sich an Sirius. "Natürlich wird das Ministerium die genaue Identität Pettigrews bestätigen müssen, aber das, zusammen mit Dumbledores Wort, sollte zumindest bei den meisten von uns Auroren die Zweifel an eurer Geschichte beseitigen."

"Ich fürchte, wir werden Draco und seiner Mutter eine schlechte Nachricht überbringen müssen", sagte Dumbledore seufzend und mit einem bedauernden Kopfschütteln, als er auf Malfoys Körper blickte. Sein Blick blieb kurz auf der am Boden, halb unter dem Flügel liegenden Bratpfanne haften und seine Augenbrauen hoben sich erstaunt. "Wie ist Malfoy gestorben? Was hat ihm die Wunde zugefügt?"

Dumbledore machte grosse Augen, als Dobby reumütig hinter Harry apparierte und ihn mit einem zögernden Lächeln ansah.

An Harry gewandt fragte er: "Dobby?"

Harry nickte und sagte: "Er hat Malfoy mit der Bratpfanne eins übergezogen, als er mich töten wollte. Er hat mir genauso das Leben gerettet wie Wurmschwanz." Er verschwieg ganz absichtlich, dass der Hauself eigentlich auch Snapes Leben gerettet hatte. Er wusste nicht, ob ein Hauself, welcher einem Zauberer das Leben rettete, genauso behandelt wurde wie ein Zauberer, und ob es in dem Falle auch so etwas wie eine Lebensschuld gab. Er bezweifelte es, da Hauselfen, vor allem unter den Reinblütlern, wohl kaum als viel mehr als Tiere galten und von ihnen ohnehin erwartete wurde, alles, wenn nötig auch ihr Leben, zu geben um den Zauberern zu helfen. Dennoch wollte Harry Snape nicht noch darauf aufmerksam machen, nachdem Malfoy und Voldemort seinen Stolz und seine Selbstachtung schon dermassen zertreten hatten.

Dumbledores Miene erhellte sich. Zu Dobby gewandt sagte er: "Das war sehr gute Arbeit, Dobby. Meinen aufrichtigen Dank."

Weiter kam er nicht, denn während die Aurorin zu dem Häufchen Asche ging, um es zu untersuchen, gab ihr Partner ein Zeichen in den Korridor, und sofort kamen zwei weitere Auroren, die Weasleymänner und zum Schluss eine sehr grimmig dreinschauende Molly mit Remus in den Raum, welcher einen Arm in einer Schlinge trug.

Harry bemerkte, dass auch einige der anderen Leute kleinere Verletzungen davongetragen hatten und dass auch ein paar fehlten, unter ihnen Professor McGonagall.

"Da waren plötzlich immer mehr Todesser, aber wir konnten sie alle aufhalten, oder sie sind geflohen", sagte Sirius, der seine Gedanken erraten zu haben schien. "Einige von uns sind verletzt, aber wir haben keine Toten zu beklagen, Merlin sei Dank."

Weiter kam er nicht und Harry erhielt auch keine Gelegenheit Fragen zu stellen, da zwei weitere Gestalten in das Zimmer stürmten und Harry sich plötzlich von Hermine und Ron überrumpelt und umarmt wiederfand. Aus den Augenwinkeln konnte er die enorme Gestalt Hagrids ausmachen, und obwohl Hermines buschiges Haar das meiste seiner Sicht verdeckte, bekam er unter dem Fragenansturm seiner Freunde noch knapp mit, wie der Halbgigant mit defensiver Stimme versuchte sich zu verteidigen: "Tut mir echt leid, Molly, aber sie haben mich gezwungen. Ich hab ja keinen Zauberstab, wie du weißt..."

Der Rest, genauso wie die sich schnell ausbreitende Euphorie der anderen Anwesenden über die Nachricht von Voldemorts endgültigem Ende, die begann die Runde zu machen, entging ihm, als er seine Aufmerksamkeit ganz auf seine Freunde konzentrierte.


 

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