Kapitel 6: Avada Kedavra
(A/N: Hier isses. Das Kapitel, von dem der Prolog handelt. Schnallt euch gut an, denn die Geschichte fängt erst jetzt richtig an. Alles was davor kam war nur beiläufiges Geplänkel. Das Rating wird wohl auch bald einmal wegen ausführlicher Gewalt steigen.)
Eine Woche später hatte sich an Snapes Verhalten nicht viel geändert. Ron genoss die ungewohnte Ruhe vor dem verhassten Lehrer und Hermine versteckte sich entrüstet in der Bibliothek, um selber nachzulesen, was ihnen Snape verpasste beizubringen.
Harry dagegen war etwas beunruhigt. Er dachte oft an Sirius’ Warnung zurück. Wobei er sich keine allzu großen Sorgen um sich selber machte. Er hatte Snape schon so oft dunkler Machenschaften beschuldigt, was sich jedes Mal als falsch herausstellte, dass er sich jetzt nicht mehr wirklich von dem Lehrer bedroht fühlte, außer um Punkte abgezogen oder Nachsitzen aufgebrummt zu kriegen. Aber was ihn beschäftigte, war die Möglichkeit Snape wieder an die dunkle Seite zu verlieren. Egal wie sehr der Mann auch im zwischenmenschlichen Bereich versagte, war er doch ein talentierter Zauberer und Getränkebrauer, was man sich so erzählte. Aber vor allem hatte er wichtige Informationen über den Orden und Dumbledores Pläne, die in Voldemorts Händen verheerend wären.
All seine Befürchtungen wurden jedoch beim Frühstück, eine Woche nach der schlimmen Zaubertränkestunde, übertroffen.
Harry konnte später nicht mehr genau sagen was ihn dazu veranlasst hatte zu dem Lehrertisch hinaufzusehen. Aber irgendwie war er auf einmal am beobachten, wie Snape und Dumbledore über etwas zu diskutieren schienen. Dumbledores Ausdruck war einer von gequälter Ruhe, während Snape offensichtlich sehr wütend war und dem Direktor, mit zu einer Grimasse verzogenen Gesicht, etwas zu sagen schien, das Harry aber durch den allgemeinen Lärm in der Großen Halle und seiner Distanz zum Lehrertisch nicht hören konnte.
Sein Blick wanderte zu den anderen Lehrern, die ebenfalls mit besorgten Gesichtern die Diskussion verfolgten, die sie, da sie am selben Tisch saßen, ohne Zweifel voll mitbekamen. Nur Sirius lag als Schnuffel unbeeindruckt am Boden und schlabberte gelangweilt ein wenig Wasser aus einem Geschirr.
Erst als Snape, noch immer Dumbledore wütend anstarrend, von seinem Platz so plötzlich aufschoss, dass sein Stuhl scheppernd nach hinten fiel, sah der große Hund auf. Gleichzeitig verstummten alle Schüler und das Klappern des Geschirrs hörte abrupt auf. Der Lärm des umfallenden Stuhls hatte die Aufmerksamkeit von allen zu dem Lehrertisch gelenkt, und durch die plötzliche Stille war es nun auch gut zu hören, als Snape Dumbledore anherrschte.
„Ich lasse mich von Ihnen nicht mehr so behandeln Dumbledore. Sie haben mir nichts zu sagen.“
“Können wir das nicht später besprechen, Severus?“ sagte Dumbledore in einem versöhnlichen, leicht unbehaglichen Tonfall. „Das hier ist kaum der richtige Ort für diese Diskussion.“
Doch Snape wollte davon nichts hören. Sein Gesicht verzog sich bloß noch mehr zu einer wütenden Fratze. „Sie wollen wohl nicht, dass Ihre ‚unschuldigen’ Kinder etwas davon mitbekommen? Aber mir ist es gleichgültig, ob sie dies hier sehen. Ich lasse mich nicht mehr von Ihnen herumkommandieren, benutzen und erniedrigen, haben Sie gehört?“
Ein lautes Knurren lenkte die Aufmerksamkeit des Zaubertränkemeisters von dem Direktor ab und Harry konnte unter dem Tisch hindurch sehen, wie sich Schnuffel Snape genähert hatte und ihn mit gebleckten Zähnen anknurrte.
„Verzieh dich, du flohverseuchtes Biest“, zischte Snape den Hund an, der allerdings nicht zurückwich, sondern einen weiteren Schritt auf den Zaubertränkemeister zumachte und ihn drohend anbellte.
Snape zog seinen Zauberstab und deutete mit seiner Spitze auf den Animagus. „Verschwinde, habe ich gesagt.“
Dumbledore stand nun ebenfalls vom Tisch auf. „Schnuffel, zurück. Und du, Severus, lass den Hund in Ruhe.“
“Hund?“ fragte Snape erhitzt. Dann lachte er kurz freudlos auf. „Schöner Hund ist das.“ Er wandte sich wieder dem Animagus zu. „Repercuti condicio humana!“ Ein weißblauer, sternespritzender Strahl löste sich von seinem Stab und traf den Hund, der sofort von dem Licht eingehüllt wurde. Die Gestalt des Tieres begann sich zu verändern und zu einem Menschen zu werden.
Ein kollektives, überraschtes Keuchen ging durch die Reihen der Schüler und neben ihm hörte Harry Ron flüstern: „Dieser Idiot hat Sirius enttarnt.“
Harry hatte keine Gelegenheit darüber nachzudenken, denn nun sprang Sirius Snape an und packte ihn am Kragen.
„Du dreckiger, mieser...“
„Das reicht“, fuhr Dumbledore dazwischen und schob die beiden mit einer Kraft, die man dem alten Mann nicht zutraute, auseinender.
„Sirius, zurück. Und du Severus, steck den Zauberstab wieder weg.“
Mit noch immer wütendem Gesicht trat Sirius zwei Schritte zurück, aber Snape weigerte sich eisern, seinen Zauberstab aus der Hand zu geben.
„Severus. Entweder steckst du ihn weg, oder ich nehme ihn dir weg.“ Dumbledores Stimme war leise aber enthielt einen warnenden Unterton.
Mit einem weiteren wütenden Blick auf Sirius reagierte der Zaubertränkemeister schließlich und steckte seinen Zauberstab zögernd zurück in seinen Ärmel.
Die Situation erst einmal unter Kontrolle, wandte sich der Schulleiter an die noch immer starrenden Schüler, von denen einige anscheinend, obwohl er jetzt anders aussah als auf den Anzeigen und Plakaten, Sirius Black sofort erkannt hatten und angstvoll miteinander tuschelten.
„Kinder, bitte beruhigt euch. Habt keine Angst, die Situation ist vollkommen unter Kontrolle.“
Doch das aufgeregte Tuscheln ging weiter und wurde noch lauter, als die Neuigkeit, dass dieser Animagus Sirius Black war, von Schüler zu Schüler durch den ganzen Saal eilte. Aber Harry beachtete seine Mitschüler nicht, sondern fixierte lediglich seinen Paten mit seinem Blick. Black sah sehr wütend aus. Ein Gefühl, das Harry mit ihm teilte. Snape hatte alles zerstört. Nun war Sirius noch mehr auf der Flucht als zuvor, da er nicht einmal mehr in seiner Hundeform sicher war.
„Schau was du getan hast, Black. Du hast die Kinder erschreckt“, verspottete Snape Sirius mit einem fiesen Lächeln. „Und diesmal kann dir keiner helfen.“
Die Geräusche im Saal verstummten wieder, als die Neugier über die Angst siegte und alle angestrengt lauschten, was oben gesprochen wurde.
„Ich bring dich um, und wenn es das Letzte ist, was ich tue Snape“, knurrte Sirius.
„Vorausgesetzt du schaffst es dem Ministerium zu entkommen, meinst du wohl.“
Die beiden fixierten sich für eine Weile mit hasserfüllten Blicken, und Dumbledore wandte sich wieder ihnen zu. „Beruhigt euch...“, sagte er in einem beschwichtigenden Tonfall.
Doch die beiden gifteteten sich bloss weiterhin an.
„Ich wusste es von Anfang an, Snape. Du bist nichts weiter als ein öliger verräterischer Opportunist“, fauchte Black.
Snape starrte ihn für einige Sekunden weiterhin mit hasserfüllten Augen an, aber als er antwortete war es in dieser Tonlage, die Harry nur zu gut kannte. Die Stimmlage, die er noch nie bei jemandem ausser Snape gehört hatte. Diese Stimme war leise, fast schon geflüstert und hatte doch die Macht auch den hintersten Winkel eines Raumes zu erreichen. „Und du Black, bist ein entflohener Mörder, der vom Ministerium gesucht wird, tot oder lebendig.“
Harry begriff nicht wirklich, was Snape vorhatte, aber auf einmal schlugen all seine Instinkte Alarm, und in Panik, von der er nicht wusste woher sie kam, schoss er von seinem Stuhl hoch, nur um zu sehen, wie Snape blitzartig seinen Zauberstab zückte und auf Sirius richtete.
„Avada Kedavra!“
Die Zeit um Harry schien auf einmal stehen zu bleiben und alles bewegte sich wie in Zeitlupe als er den grünen Strahl sah, der Snapes Zauberstab verliess und wie eine tödliche Schlange, unaufhaltsam auf seinen Paten zuschoss, bis er ihn inmitten der Brust traf.
Sirius blieb noch einen Sekundenbruchteil stehen, die nichtsehenden Augen weit geöffnet, bevor seine Beine nachgaben und er wie ein Klotz zu Boden sackte.
„NEEEEEEEEEEEEIIIIIIINNNNNN!!!!!!!!!!!!!!“
Harry hörte den Schrei in der Großen Halle widerhallen, ohne sich bewusst zu sein, dass dieser schreckliche, unmenschliche Ton voll von Verzweiflung und Schock aus seiner eigenen Kehle gekommen war.
Er bekam kaum mit, wie einige der Schüler ebenfalls aufsprangen und wie Dumbledore und Remus sofort zu dem gefallenen Zauberer eilten. Seine Gedanken schwirrten wirr in seinem Kopf herum, ohne dass er einen davon fassen und so lange zurückhalten konnte, dass er Sinn ergab. Satzfetzen drangen in sein Bewusstsein ein. Sie verschwanden aber zu schnell wieder im tauben Tumult in seinem Gehirn, als dass er sie hätte zu Ende denken könne. „Nein, nicht Sirius, wie Cedric, Avada Kedavra.... Sirius Black ist soeben von Snape umgebracht worden.“
Dieser letzte Gedanke durchbrach plötzlich das Chaos in seinem Kopf und gleichzeitig wie sein Hirn zu diesem einzig logischen Ergebnis kam, sträubte sich Harrys Herz dies zu akzeptieren. „Nein...“, flüsterte er. „Nein, nein, nein...“ Er war sich vage bewusst, wie Ron und Hermine an seine Seite gekommen waren und bestürzt auf ihn einredeten, aber er hörte ihre Stimmen nicht. ‚Er ist nicht tot. Er kann nicht tot sein. Das ist bloss ein weiterer Alptraum und ich werde bestimmt gleich aufwachen’, behauptete eine energische Stimme irgendwo in Harrys Hinterkopf, immer und immer wieder, während seine Augen auf die Menschen geheftet blieben, die dort oben hinter dem Pult über Sirius, dessen Körper von dem Tisch und den Menschen um ihn herum vor seiner Sicht versteckt blieb, gebeugt waren.
„Hagrid, Minerva, schafft die Kinder hinaus“, hörte er beiläufig Dumbledores Stimme über den allgemeinen Tumult rufen und einige Sekunden später begannen Schüler um ihn herum widerwillig zum Ausgang zu gehen, als sie von den Lehrern dazu aufgefordert wurden. Harry bemerkte kaum, wie sich die Schüler an ihm vorbeischoben und ihn von Zeit zur Zeit wegen mangelnden Platzes anrempelten. Er war sich kaum bewusst, dass Hermine und Ron bei ihm blieben und ihn so gut wie möglich von den Massen abschirmten und ihn immer wieder mit bestürzten und mitleidigen Blicken bedachten.
Erst das Gewicht einer prankenhaften Hand, die sich auf seine Schulter legte, holte ihn ein Stück in die Realität zurück. Er sah auf, um in Hagrids erschüttertes Gesicht zu sehen. „Komm Harry. Der Direktor hat gesagt ihr drei sollt in seinem Büro auf ihn warten.“
Harry starrte den Wildhüter distanziert an. Dann erst sah er, dass die Augen des Halbriesen verdächtig glitzerten, obwohl er sich sichtliche Mühe gab, die Tränen zurückzuhalten. Tränen? Nein, sagte sich Harry. Wahrscheinlich hatte der Wildhüter etwas im Auge, denn wenn dies Tränen waren, dann würde das bedeuten, dass etwas schreckliches geschehen war. Dass jemand gestorben war.
Dass Sirius tot war.
‚Er ist nicht tot’, mahnte die kleine Stimme in seinem Hinterkopf erneut. ‚Hagrid würde nicht um Sirius trauern. Er hatte ihn ja nicht gekannt.’ ‚Aber Hagrid hat ein solch weiches Herz, dass er um jeden weinen würde, der vor seinen Augen umgebracht worden ist’, beharrte eine andere Stimme .
Harry wollte diese Stimme nicht hören. Er schüttelte schwach den Kopf. „Nein“, hauchte er, die ganze Kraft aus seiner Stimme gestohlen vom Schock, der ihn noch immer gefangen hielt.
„Komm Junge“, ermahnte ihn Hagrid wieder und steuerte ihn wortlos in Richtung Ausgang. Harry hatte nicht die Kraft sich zu widersetzen.
***
Harry wusste nicht mehr, wie er in Dumbledores Büro kam. Irgendwie saß er einfach auf dem blauen Sofa zwischen Hermine und Ron.
Hagrid hatte sich ein paar Meter entfernt und sah mitfühlend und hilflos zu ihm hinunter.
„Vielleicht hat er nicht getroffen“, ermunterte Hermine. Auch wenn sie überhaupt nicht zuversichtlich klang.
„Oder Snape hat den Fluch falsch betont. Du weißt ja wie sehr es auf die Aussprache ankommt“, ergänzte Ron.
Harry sah nicht zu ihnen auf. Er blieb bloß still auf dem Sofa sitzen, leicht nach vorn gebeugt und die Ellbogen auf den Knien abgestützt.
Doch irgend ein Teil seiner Seele hatte ihre Worte gehört und er hielt daran fest, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt.
***
T.B.C.
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