Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 40: Rettung?

Irgend etwas war nicht wie es sein sollte. Etwas, was an seinem müden Verstand kratzte und in seinem Magen eine rollende Übelkeit hervorrief, deren Ursache sein Gehirn nicht zu lokalisieren vermochte, auch wenn er irgendwie wusste was es war. Nur konnte sein Gehirn den Gedanken nicht einfangen und die vermummte Information verarbeiten.

Das Gefühl der Übelkeit und das innere Drängen, dem Grund zu entfliehen, wurde stärker und trieb die Bewusstlosigkeit immer weiter zurück. Noch bevor Severus es fertig gebracht hatte, seine tonnenschweren Augenlider zu öffnen, erkannte er auch mit einem übelkeitserregenden Gefühl, was nicht stimmte. Es stank. Es stank so erbärmlich, dass sich seine inneren Organe zusammenzuziehen schienen, doch um dem Würgereflex, der in seiner Kehle hockte zu folgen, hatte sein Körper nicht mehr genug Kraft.

Er lag auf seinem Rücken, auf einer holprigen, stellenweise harten, teils feucht-weichen Unterlage, sein Körper leicht nach hinten durchgebeugt als würde er auf einem Haufen liegen. Ein Haufen, der mit harten, spitzen Kanten versehen war, die in seine Haut drückten.

Er zwang seine Lider auf und blinzelte ein paar Mal mühsam, schon wieder den Sog im hinteren Teil seines Bewusstseins fühlend, der ihn von der Wirklichkeit weggleiten lassen wollte. Er bekämpfte es für den Moment, auch wenn er nicht wusste warum überhaupt. Über sich sah er die kahle Steindecke, wie die in seiner Zelle, an die eine einzelne Fackel ausserhalb seines Blickfeldes unruhig tanzende Lichtflecken zauberte, hypnotisierend und sehr beruhigend.

Severus drehte den Kopf von dem Spiel des Lichtes und der Schatten weg zur Seite. Er brauchte eine Sekunde, um das, was er dort sah, einordnen zu können. Nicht, dass es etwas war, was er nicht erkannte, aber sein Gehirn schien immer mehr Mühe zu haben alle Eindrücke klar verarbeiten zu können, doch sein Instinkt liess sein Herz einen Schlag aussetzen und ein unbewusstes Entsetzen und Verzweiflung übermannte ihn, als er auf den halbverwesten Schädel einer Leiche blickte.

***



Gegen seinen Willen wanderte Harrys Blick immer wieder zum Lehrertisch hinauf. Snape schien wie vom Erdboden verschluckt und je länger sie ihn vergeblich suchten, desto kleiner wurde die Hoffnung, ihn noch lebend finden zu können. Dumbledore sah müde aus, da diese Sorge, den dunklen Ringen unter seinen Augen nach zu urteilen, ihm den Schlaf raubte. Obwohl er ein Meister war, trotz allem noch eine fröhliche, zitronenbonbonessende Fassade aufrecht zu halten, wurden nun scheinbar auch die anderen Lehrer auf seine Sorgen aufmerksam. Auf jeden Fall beugte sich McGonagall des öfteren zu ihm hinüber um ihn anzusprechen, und blickte auch dazwischen immer wieder besorgt in seine Richtung.

Wenn Harry zuerst erleichtert gewesen war, dass mit Snapes eventueller Rettung sein Gewissen beruhigt werden würde, war inzwischen die Sorge um den Direktor zu einem noch grösseren Antrieb geworden, den Zaubertränkemeister noch lebend finden zu können.

Er begann sich zu fragen, ob es überhaupt eine so gute Idee gewesen war, dem Direktor von der Vision zu erzählen. Zuvor, als Dumbledore gedacht hätte Snape wäre tot, hatte er zwar getrauert, aber es anscheinend akzeptiert, dass der Zaubertränkemeister ein weiteres Kriegsopfer war, doch nun wo er wusste, dass er noch etwas tun konnte, aber untätig bleiben musste, zerrte es an der Geduld des alten Zauberers. Harry hatte ähnliche Gefühle, wenn auch sicherlich nicht so stark ausgeprägt wie der Direktor, da ihm Snape persönlich nicht mehr bedeutete, als die Schuld, die er ihm gegenüber auf sich geladen hatte und er einfach seinen Fehler wieder gutmachen wollte. Doch der letzte Funken von Hoffnung, dieses ganze Desaster noch bereinigen zu können, erlosch in Harry, als die Post kam und ein grosser Uhu sich vor Dumbledore niederliess, eine Rolle Pergament an seinem Fuss.

Es war purer Zufall gewesen, dass Harry in diesem Moment zu dem Lehrertisch sah, doch als der Direktor den Brief dem gleich darauf wieder wegfliegendem Vogel abnahm und zu lesen begann und als sich beim Lesen seine Augen zuerst entsetzt weiteten und dann wie in starker Trauer schlossen, wusste Harry instinktiv, dass man Snape gefunden hatte.

"Glaubst du in dem Brief...", begann Hermine, die von seinem angespannten Starren zum Lehrertisch aufmerksam geworden, seinem Blick gefolgt war.

"Schau dir an, wie erschüttert Dumbledore aussieht", flüsterte Harry, der traurig und mit einem Stechen im Herzen beobachtete, wie die Hände des Direktors kaum merklich zitterten, als er den Brief hielt. "Das kann nur heissen, dass sie Snape tot gefunden haben."

Die Augen des Direktors öffneten sich wieder und sein Blick traf Harrys für eine Sekunde. Harry dachte, dass er Tränen in den Augen Dumbledores gesehen hatte, aber er konnte nicht sicher sein, weil der alte Zauberer sich wieder abwandte und McGonagalls Aufmerksamkeit mit einer Hand, die er auf ihre legte, auf sich zog.

Die strenge Lehrerin drehte sich zu ihm um und der Direktor schob das Pergament zu ihr hinüber. McGonagall rückte ihre Brille kurz zurecht und begann den Brief zu lesen. Und auch ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Sie erbleichte und ihr Kinn klappte nach unten, als sie geschockt auf das Pergament vor sich starrte.

Unter normalen Umständen hätte sich Harry wohl über den Anblick seiner noblen und strengen Hauslehrerin, mit dem Gesichtsausdruck eines toten Fisches amüsiert, doch nun hatte er das Gefühl als sei sein Herz irgendwo hinunter zu seinem Magen geplumpst und er sah nur mit einer schrecklichen Erwartung, wie Dumbledore McGonagall etwas zuflüsterte, die sich darauf wieder zu fangen schien und ihr Kinn unter Kontrolle brachte, bevor sie brüsk nickte.

Dumbledore tätschelte etwas hilflos ihre Hand, rollte das Pergament wieder zusammen und erhob sich von seinem Stuhl. Er ging zu Remus hinüber und flüsterte dem Werwolf etwas zu, was dieser mit einem verhaltenen Nicken aufnahm, sich ebenfalls von seinem Stuhl erhebend.

Beide gingen um den Lehrertisch herum und begannen zum Hauptausgang zu gehen, die fragenden Blicke einiger Schüler und Lehrer ignorierend.

Harry hätte zu gern gewusst, was in dem Brief stand, und als ob er seine Gedanken gehört hätte, zögerte Dumbledore plötzlich und suchte seinen Blick. Er sagte nichts, aber nickte ihm kam merklich zu.

Harry nahm die stumme Einladung sofort an und stand ebenfalls auf.

"Kommt mit", forderte er seine beiden Freunde auf, die auch keine weitere Sekunde länger zögerten.

Zusammen folgten sie dem Direktor, der sie und Lupin wortlos in Richtung seines Büros führte.

Dort angekommen, rief er erst einmal laut Sirius' Namen und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, wartend, bis eine Minute später der Animagus aus der versteckten Tür trat.

"Was ist den los? Solltet ihr nicht beim Essen sein?" fragte er etwas überrascht, während er an die Seite seines Patensohnes trat.

Auch Harry und die drei anderen sahen den Direktor erwartungsvoll und fragend an. Anstatt etwas zu sagen, rollte dieser jedoch nur das Pergament auf und legte es so auf den Schreibtisch vor ihm, dass die Personen davor es lesen konnten. Neugierig trat Harry zusammen mit den anderen näher und begann zu lesen, was dort in einer geschwungenen Handschrift mit roter Tinte geschrieben stand.

So, mein lieber Dumbledore,

Du hast wohl gedacht, dass ich mich so leicht austricksen lasse. Snape bei mir spionieren zu lassen war wirklich keine weitsichtige Idee von dir. Auf jeden Fall nicht, wenn dir sein Wohl auch nur im Entferntesten am Herzen lag. Unser guter Severus musste nun leider den Preis für seinen Verrat bezahlen. Da ich deine lächerliche Sentimentalität kenne, gehe ich nun aber davon aus, dass du ihn zurückhaben willst.

Ich werde mich gnädig erweisen und dir deinen Zaubertränkemeister zurückgeben, wenn ich auch bezweifle, dass du noch viel mit ihm anfangen kannst. Ich würde mich auf jeden Fall beeilen, wenn ich du wäre. Er ist in den alten Diamantenmienen der Biar-Kobolde. Die Tür ist markiert, damit ihr sie auch gut findet.

Ach ja. Das hätte ich beinahe vergessen. Bevor ihr irgendeine Magie, an ihm anwendet, würde ich euch raten, meine Nachricht, die ich bei ihm zurückgelassen habe, zu lesen.

Diese Runde geht wohl eindeutig an mich. Bis auf ein nächstes Mal denn.

Lord Voldemort


Es war einen Moment totenstill im Zimmer, als sie alle zu verdauen versuchten, was sie soeben gesehen hatten. Selbst Sirius schien zu erstarrt um noch etwas sagen zu können.

"Glaubst du, er lebt noch?" brach Lupin schliesslich die Stille.

Dumbledore schüttelte langsam den Kopf. "Ich weiss es nicht. Es wäre Voldemort zuzutrauen, dass er uns Hoffnung macht, nur um dann einen toten Körper zu finden. Jemand muss auf jeden Fall sofort aufbrechen, um sicher zu gehen. Selbst wenn es nur eine kleine Chance ist, dann dürfen wir sie nicht ungenutzt lassen. Das sind wir Severus schuldig."

Remus nickte langsam. "Weißt du wo diese Mine ist, Albus?"

"Ja. Zu der Zeit als ich noch nicht Direktor war, war jeder Jahrgang einmal dort um sich die alte verlassene Mine und die Baukunst dieser Kobolde anzusehen. Vor dreissig Jahren aber, als ein Teil der Mine einstürzte, wurden diese Exkursionen eingestellt. Voldemort muss die Höhlen für sich ausgenutzt haben. Es ist ein magisches Bauwerk und keine Muggel werden je dort aufkreuzen."

"Dann werden Sie gleich aufbrechen?" fragte Hermine.

Dumbledores Blick verhärtete sich etwas, und er straffte die Schulter, fast so, als würde er sich auf einen schwierigen Kampf vorbereiten. "Die Auroren haben eine Versammlung anberaumt, die in einer halben Stunde stattfinden sollte. Sie wollen, wie üblich, das ganze Lehrerkollegium dabei haben."

"Warum schleichen diese Schmarotzer überhaupt noch hier herum. Haben die zuwenig Arbeit oder sind sie so dämlich, dass sie noch nicht begriffen haben, dass die Schule nicht mehr gefährdet ist als sonst auch. Das sind nun schon Wochen, in denen sie hier herumlungern", murrte Sirius.

Remus lächelte ihn wohlwollend an. "Das ist Politik, mein Lieber. Fudge wird gewählt und muss sich die Leute bei Laune halten. Die Eltern der Kinder wollen die Bewachung, und die Fürsprache dieser Eltern, vor allem der reichen, ist wichtig für seine Wiederwahl."

"Und was tun wir denn nun? Eine halbe Stunde reicht wahrscheinlich nicht, um Snape zu holen und niemand auf der Schule darf das Gelände ohne Abmeldung verlassen", sagte Sirius.

"Ich kann ihn holen", fuhr es aus Harry heraus, bevor er sich stoppen konnte. Der Blick, den er allerdings daraufhin von den Erwachsenen erhielt, war deutliches Zeugnis was diese von der Idee hielten.

"Kommt gar nicht in Frage", protestierte Sirius.

"Das ist viel zu gefährlich, Harry", sagte auch Dumbledore. "Es könnten noch immer Todesser dort sein. Lass uns Erwachsene sich darum kümmern."

Frust und eine gute Portion Wut machte sich in Harry breit. "Ich habe Snape da reingeritten, es ist nur recht, wenn ich ihn raushole", beharrte er stur.

"Nein!" bestimmte Sirius energisch.

"Und wer soll dann gehen? Die Lehrer können nicht und wenn ihr bis nach der Sitzung wartet, ist es eventuell schon zu spät. Ich bin die einzige Möglichkeit."

"Das stimmt nicht ganz, Harry", sagte Dumbledore gedehnt, während er langsam zu Sirius hinüber sah.

Dieser erbleichte leicht, als er die Andeutung verstand. "Das kann doch nicht dein Ernst sein, Albus?"

"Du bist offiziell tot, Sirius. Dich wird niemand vermissen. Du kannst Severus ungehindert aus der Mine holen und ihn fürs erste ins Hauptquartier des Ordens bringen."

"Gibt es denn keine andere Möglichkeit, Albus?" ächzte dieser. "Ich werde ihn wahrscheinlich eigenhändig erdrosseln. Ich sehe es schon vor mir. Ein Danke kann ich mir gleich abschminken. Eher wird es so sein, dass er mich anherrscht, warum ich solange gebraucht habe, sobald ich die Tür aufgeschlossen habe. Erwarte dann nur nicht von mir, dass ich mich dann noch beherrschen kann."

Dumbledore erhob sich und lächelte Sirius andeutungsweise an. "Ich vertraue, dass du dich so lange zurückhalten kannst Sirius."

In seiner Stimme lag trotz der freundlichen Worte und dem Lächeln eine Endgültigkeit, die Sirius aufstöhnen und sich widerwillig seinem Schicksal ergeben liess. "Vielleicht habe ich ja Glück und er ist vorher gestorben", murmelte er so leise, dass nur Harry ihn hören konnte.

Dumbledore drehte sich zurück zu seinem Schreibtisch und nahm eine Feder in die Hand. Er richtete seinen Zauberstab darauf und murmelte eine lange Zauberformel. Dann reichte er sie Sirius.

"Der Portschlüssel bringt dich zu der Mine. Kontaktiere mich, wenn du Severus hast."

Sirius nickte mit einem ein wenig saurem Gesichtsausdruck und fasste die Feder vorne am Kiel.

"Drei...zwei..", zählte Dumbledore und aus einem Impuls heraus schoss Harry plötzlich nach vorne und fasste das andere Ende der Feder in dem Moment, wo Dumbledore bei ‚eins' ankam und der Portschlüssel aktiviert wurde.



 

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