Kapitel 12: Der Wert eines Toten
Snapes Verhaftung war an diesem Abend Gesprächsstoff Nummer eins im Gryffindorturm und die meisten der Schüler waren in wahrer Feststimmung. Snape, der verhasste Slytherinlehrer, der sie schon so oft heruntergemacht und verhöhnt hatte, war unter den Augen der ganzen Schule wie ein Schlachtvieh abgeführt worden. Oh, das musste den stolzen Slytherin so was von erniedrigt haben. Die Mehrheit der Schüler im Raum war der Ansicht, dass sein Ausbruch und die Drohungen Dumbledore gegenüber nur ein verzweifelter Versuch gewesen waren, zu überdecken wie sehr er sich dafür schämte, gefesselt und wehrlos von vor den Schülern und dem Kollegium präsentiert zu werden.
Die Stimmung wurde erst recht ausgelassen, als Fred und George mit einigen Fässern Butterbier und einigen Dutzend Tassen im Zimmer auftraten und den Tag offiziell als neuer neuen Feiertag, den ‚Snapefreitag’, erklärten und groszügig Butterbier ausschenkten.
Zum ersten Mal, seit dem Tod von Sirius, fühlte sich Harry einigermaßen gut, auch wenn die wirkliche Freude bei ihm ausblieb und ein leicht melancholisches Stechen in seinem Herzen blieb.
Ron jedoch ließ sich von der Stimmung mitreißen und erzählte bald davon, wie er und Harry Snape in den Kerkern belauscht hatten und wie dieser schon dann damals Sirius bedroht und Dumbledore verleugnet hatte. Und von der Verhaftung selbst, als sein eigener Bruder den fettigen Bastard gefesselt und abgeführt hatte. Und natürlich erzählte er davon, dass Harry Snape zusammengeschlagen hatte, wobei er seiner Fantasie freien Lauf ließ und das ganze ein wenig ausschmückte, so dass er Harry plötzlich sehr ehrenhaft, und Snape als kauernden Feigling darstellte. Harry hatte seinen Freunden genau erzählt, was in den Kerkern passiert war, aber er beschwerte sich nicht, als Ron jetzt übertrieb. Es tat so gut, dass andere seinen Hass auf den Zaubertränkemeister teilten und dies auch lauthals mit Beschimpfungen kund taten. Alle Schüler im Raum hingen gespannt an Rons Lippen und erst als er erzählte, dass Snape für den Gebrauch eines Unverzeihlichen eigentlich sofort hätte den Kuss der Dementoren erfahren sollen und ihn nur Dumbledore davor gerettet hatte und ihm einen fairen Prozess verschafft hatte, explodierten die Schüler in heftige Diskussionen. Einige waren wütend, dass sich Dumbledore in diesem Fall eingemischt hatte, und andere argumentierten, dass niemand den Kuss verdiente, da er unmenschlich und schlimmer als der Tod war. Und die Weasley-Zwillinge gründeten kurzentschlossen ein Wettbüro, wo jeder auf das Strafmass, das Snape kriegen würde, tippen konnte.
Dies wiederum war Harry dann doch zufiel. Ihm wurde übel bei dem Gedanken, dass noch jemand an der Situation Geld verdienen konnte. Nicht wegen Snapes Strafmass, aber deshalb, weil er überhaupt nur darum verurteilt würde, da weil er Sirius ermordet hatte.
Ron war mitten im Gewühl um seine Brüder, willentlich, einige Sickel auf das Urteil „Kuss“ zu setzen. Harry ignorierte ihn. Er verabschiedete sich stattdessen leise bei der etwas abseits stehenden Hermine, die ihn besorgt musterte.
„Geht es Harry?“ Sie deutete auf die laut Wetten zurufende Menge. „Soll ich das da unterbrechen?“
Harry schüttelte den Kopf. „Lass sie nur feiern, Hermine. Ich gehe aber auf jeden Fall zu Bett.“ Er lächelte sie gezwungen an, als er ihr zweifelndes Gesicht bemerkte. „Es geht schon, wirklich.“
Danach drehte er sich um und ging zu seinem Schlafsaal. Irgendwie bereute er es, dass er nicht noch mehr des Trankes von Dumbledore hatte, der ihn hatte schlafen und vergessen lassen.
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Zum wohl hundertsten Male sah Harry auf seine Armbanduhr. Die Leuchtziffern zeigten zehn nach zwei an. War wirklich erst eine Viertelstunde vergangen, seit er das letzte Mal darauf geschaut hatte? Es kam ihm eher wie ein paar Stunden vor. Unruhig drehte er sich auf die andere Seite und wickelte die Decke um seinen Körper, aber nach weiteren fünf Minuten kam ihm auch diese Position schon fast schmerzhaft unbequem vor.
Mit einem frustrierten Schnauben warf er die Decke ganz von sich und setzte sich an den Bettrand.
Er machte sich nichts vor. Ohne den Schlaftrank, der ihm vorige Nacht geholfen hatte, würde er die Bilder von einem toten Sirius und einem verrückten Snape nicht von seinem geistigen Auge vertreiben können. Es war nicht das erste Mal, dass ihn Alpträume plagten, aber in letzter Zeit hatte er in solchen Nächten immer einen Brief an seinen Paten geschickt um ihm davon zu berichten. Obwohl er keine immediate unmittelbare Antwort bekommen, hatte, war es immer sehr beruhigend gewesen, seine Sorgen mit Sirius zu teilen. Diese Augenblicke waren nun für immer vorbei.
Schon wieder fühlte er den stechenden Schmerz in seiner Brust. Dumbledore würde sicherlich bald mit ihm die Beerdigung besprechen wollen, und danach wäre Sirius auch körperlich für ihn verloren.
Seine Entscheidung gefasst, schlüpfte Harry leise in seine Schuhe und warf sich seine Robe über das Nachthemd. Er würde diese Nacht bei Sirius Wache halten. Ihm nah sein, solange dies noch möglich war.
Er verließ den Schlafsaal lautlos und schloss die Tür vorsichtig hinter sich. Dann stieg er die Treppe hinunter zu dem nun verlassenen Gemeinschaftsraum und trat durch das Portrait der fetten Dame, die ihn schlaftrunken und unzufrieden anblinzelte.
Harry beachtete sie nicht weiter und lief ohne Umschweife zum Krankenflügel.
Er war noch einige Wegbiegungen von seinem Ziel entfernt, als wütende Stimmen zu ihm drangen und ihn inne halten ließen.
„Ich hoffe Sie sind jetzt zufrieden, meine Herren.“
Die Stimme gehörte zweifellos dem Direktor, doch selten hatte Harry ihn so aggressiv gehört. Eine andere, ebenso wütende Stimme antwortete ihm und was sie sagte, weckte Harrys Interesse noch mehr.
„Wir machen nur unseren Job, Dumbledore. Es ist, wie ich soeben gesagt habe. Black ist ein zu gefährlicher Mörder. Die schlimmste Sorte, die es gibt. Wir mussten sicher gehen.“
So leise, wie er konnte, schlich sich Harry näher. Als er um eine weitere Ecke bog, sah er Dumbledore mit Madame Pomfrey gegenüber zwei unbekannten Männern.
„Ich hätte Ihnen seine Identität auch so versichern können. Es war nicht nötig, eine solche -- Leichenfledderei zu begehen.“
Einer der Männer, ein unscheinbar aussehender Mann mit Brille, antwortete etwas herablassend: „Wohl möglich. Aber bei allem nötigen Respekt, sind Sie weder ein Arzt noch qualifiziert, alle Eventualitäten zu berücksichtigen. Das Ministerium ist Ihnen schon sehr weit entgegengekommen, indem wir die Untersuchungen mitten in der Nacht vollzogen, sodass die Schüler nicht von noch mehr Ministeriumsleuten verunsichert werden. Seien Sie dankbar dafür.“
Harry hatte sofort beschlossen, dass er diese Männer nicht mochte. Und was meinten sie mit Untersuchungen?
„Das Ministerium sagt von sich, dass es die gute Seite ist, dennoch arbeitet es mit Dementoren zusammen, die die abscheulichsten Dinge mit Menschen anstellen, und das mit dem Segen von Leuten wie Ihnen. Das Ministerium heißt gut, dass ein Verstorbener so respektlos behandelt wird. Es gibt andere Möglichkeiten, um eine Identität zu bestimmen, als den Körper als Testobjekt für die verschiedensten Flüche zu missbrauchen, die, wie ich stark vermute, nichts mit Ihrer Aufgabe zu tun hatten. Das Ministerium lässt bloß seinen Frust an einem Toten aus. Warum sonst sollte man eine Autopsie durchführen? Das sind schlichte Muggelpraktiken, die wir durch wirksamere Methoden ersetzen können. Methoden, die den verstorbenen Menschen nicht entwürdigen und verstümmeln.“
Harry konnte einen entsetzten Ausruf nicht unterdrücken, als er dies hörte. Diese Leute konnten doch nicht mit Sirius... Er weigerte sich, den Gedanken zuende zu denken. Das durften sie doch nicht einfach. Doch plötzlich machte der Brief des Ministeriums und Dumbledores Reaktion darauf Sinn. Der Direktor würde so etwas nie gutheißen.
„Harry? Was machst du hier zu dieser Zeit?“
Dumbledore war durch seinen Ruf auf ihn aufmerksam geworden und nun fand er sich im Interesse aller Anwesenden wieder.
„Er sah zu den beiden unbekannten Männern. „Was haben Sie mit Sirius gemacht?“
„Was macht dieser Junge hier, Direktor“, fragte der Mann, der schon vorher mit Dumbledore gesprochen hatte.
„Das geht Sie nichts an. Sie haben getan, wozu Sie hergekommen sind. Verschwinden Sie endlich von meiner Schule. Poppy, zeigen Sie diesen Herren bitte den Weg nach draußen.“
Sofort schob sich die Medi-Hexe mit einem grimmigen Blick an den beiden vorbei und lief den Korridor entlang. Mit einem letzten abfälligen Blick auf den alten Zauberer verschwanden die beiden, hinter Madame Pomfrey herlaufend, um die nächste Ecke.
„Direktor? Stand in dem Brief, dass die beiden Männer kommen würden?“
Dumbledore atmete schwer durch. „Das hättest du nie erfahren sollen, Harry. Ich wollte es dir ersparen. Mindestens Zumindest das hier wollte ich von dir fern halten.“
„Was haben sie mit ihm gemacht?“ verlangte Harry zu wissen.
„Sie haben Tests an ihm durchgeführt, unter anderem, um seine Identität zu bestätigen.“
„Sie haben etwas von Flüchen und einer Autopsie erwähnt.“
Dumbledore schüttelte langsam den Kopf. „Darüber brauchst du wirklich nichts zu wissen.“ Harry öffnete den Mund für einen Protest, doch Dumbledore erstickte die Worte mit einer erhobenen Hand. Er sah tief in Harrys Augen, als wenn er in sein innerstes Ich sehen wollte. „Vertrau mir einfach Harry.“
Darauf konnte Harry nichts erwidern. Er vertraute dem Direktor womöglich mehr als jedem anderen Menschen, seine Freunde mit eingeschlossen. Er nickte zögernd.
„Komm mit in mein Büro, mein Junge. Ich gebe dir wieder von dem Trank, damit du schlafen kannst. Sirius’ Körper ist vom Ministerium freigegeben worden und wir werden ihn morgen beisetzen.“
Bei diesen Worten lief es wieder kalt Harrys Rücken hinunter. Morgen schon? Dann würde Sirius für immer weg sein. In Geist und Körper. Er wollte sich schon umdrehen, um zurück zur Krankenstation zu gehen, doch Dumbledores Hand auf seiner Schulter hinderte ihn daran. „Harry, du brauchst den Schlaf. Du musst morgen stark sein. Du bist das, was Sirius’ einzigem Verwandten nahe kommt. Er hat sonst niemanden.“
Niedergeschlagen ergab sich Harry den Begründungen Dumbledores und folgte ihm zu seinem Quartieren Quartier.
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Anmerkung von Dinu: Ich möchte allen Reviewern wieder einmal Danken. Ich werde obwohl Snape Siri verflucht hat, weiterhin Co-Autor bleiben und hoffe, dass mich die anderen Siri-Fans nicht alleine unter den Sevie-Fans lassen.
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