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Kapitel 9: Unerwartete Geständnisse

 

Snape ging die Treppen zur Eingangshalle hinauf und grinste in sich hinein. Das war ausnahmsweise mal eine recht amüsante Stunde gewesen, gleich zwei Schüler hatten ihren Kessel zum Schmelzen gebracht und so den Trank durch den Klassenraum verteilt, wobei alle Schüler, die etwas abgekommen hatten, beinahe elefantenhafte Füße bekamen. Für ihn war das sehr lustig mit anzusehen gewesen.
Die Große Halle war schon voller Schüler, doch musste er sich trotz der vielen Herumlaufenden keine Sorgen um Platz zu machen, denn alle wichen ihm im großen Bogen aus. Mit einem beinahe hämischen Grinsen setzte er sich auf seinen Stuhl am Lehrertisch und begann mit dem Essen.
Wenn er aufsah schweifte sein Blick nicht, wie sonst, hinüber zum Slytherintisch, sondern, wie auch in den letzten Tagen, immer öfter hinüber zu den Gryffindors. Es war beinahe eine unbemerkte Gewohnheit geworden.
Er fand Kolleen fast ganz am Ende des Tisches sitzend, wieder war sie alleine. Ihre Reaktion am Vorabend regte ihn noch immer etwas auf. Eigentlich hatte er ihr helfen wollen und dann wurde er so schroff zurückgewiesen. 'Was hattest du erwartet? Dass sie dir ihr Herz ausschüttet? Du bist ihr Lehrer!' Mit einem Kopfschütteln vertrieb er die Gedanken und widmete sich wieder seinem Essen.
Der restliche Tag verlief ohne große Vorkommnisse und Snape war froh, sich am Abend entspannt in seinen Sessel setzen zu können und einfach nichts zu tun. Nichts außer ins Feuer starren und seinen Gedanken etwas freien Lauf lassen.

Er ging früh ins Bett und als er am nächsten Morgen aufwachte fühlte er sich frisch und erholt wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Die Schüler würden seine gute Laune nachher in einigen noch "freundlicheren" Bemerkungen abgekommen. Nur wer ihn gut kannte, wie z.B. Professor Dumbledore, fragte, was ihn so fröhlich stimmte und ganz ehrlich antwortete er, dass er es nicht wisse.
Der Abend kam schneller als erwartet und schon bald nach dem Abendessen klopfte es an seine Bürotür. Snape war gerade im Bad und rief nur laut "Herein!", er wusch sich die Hände und eilte in sein Büro, wo er Kolleen, mit vor der Brust verschränkten Armen, am Kamin stehend fand. Als sie seine Schritte hörte drehte sie sich um und sah, wie er fand, etwas vorwurfsvoll aus.
"Guten Abend Professor", sagte sie nur knapp.
"Setzen Sie sich bitte Miss Anderson." Er deutete auf einen der beiden Sessel vor dem Kamin, selbst setzte er sich in den anderen. Man sah Kolleen an, dass ihr die Situation nicht gefiel und sie keine Idee hatte, was das werden sollte.
Trotzdem ergriff sie als erste das Wort:
"Sir, was ich gesagt habe......"Weiter kam sie nicht denn Snape unterbrach sie.
"Ich möchte keine Entschuldigungen von Ihnen solange sie nicht ernst gemeint sind!"
Daraufhin schwieg sie.
"Gut, dann wiederhole ich meine Frage von vorgestern noch mal. Was fehlt Ihnen?" Schon als er den Satz zu Ende gesprochen hatte wusste er, dass die Formulierung ein Fehler war und das passierte gerade ihm, der für seine clevere Zunge bekannt war.
Wider Erwarten blieb Kolleen ganz ruhig und blickte ihm direkt in die Augen. Dann stand sie schweigend auf und ging einige Schritte durch sein Büro. Vor einem Regal mit Zaubertrankzutaten blieb sie stehen, langsam drehte sie sich um und sah ihn wieder unverwandt an.
"Professor, dass einzige was mir fehlt sind Freunde, etwas Glück und vor allem anderen eine Schwester, die ich nie wieder bekommen werde!"
Soviel Trauer und Schmerz hatte er in nicht vielen Augen gesehen und als er sie dort so stehen sah, alleine und hilflos, krampfte sich etwas in seinem Magen zusammen. Er wollte ihr helfen konnte es aber nicht.
"Wenn Sie noch weiter das Bedürfnis haben in offenen Wunden herum zu stochern ist jetzt der Zeitpunkt dafür." Ihre letzten Worte wurden immer leiser, sie schien mit den Tränen zu kämpfen, schließlich drehte sie ihm den Rücken zu und er sah wie ihr Körper anfing zu beben.
Langsam stand Snape auf und ging auf sie zu. Vorsichtig legte er seine rechte Hand auf ihre Schulter.
Sie zuckte leicht zusammen und zu seiner Überraschung drehte sie sich langsam zu ihm.
Mit tränenerfülltem Blick sah sie direkt in seine tiefschwarzen Augen.
Ohne weiter nachzudenken zog er sie in seine Arme, und als er sie so festhielt begann sie heftig zu weinen, beruhigend strich er mit einer Hand über ihren Rücken.

Langsam ebbten ihre Schluchzer ab und vorsichtig löste er seine Umarmung. Mit roten Augen sah sie ihn an und noch immer liefen Tränen über ihre Wangen.
Sanft legte er seinen Arm um ihre Schulter und führte sie zu einem der Sessel. Bereitwillig setzte Kolleen sich.
In dem großen Sessel wirkte sie wie ein kleines ängstliches Kind.
Snape zauberte einen großen Becher heißen Tee, hockte sich neben den Sessel und hielt ihn Kolleen hin. Als sie den Becher nahm huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.
Langsam drehte sie ihn in den Händen und starrte in den Tee. Sehr leise begann sie zu sprechen: "Ich weiß gar nicht was ich Ihnen erzählen sollte, Sir. Sie können mir ja doch nicht helfen."
Als Snape antwortete war seine Stimme sehr ruhig und sanft: "Nein vielleicht nicht, aber ich höre zu und das kann auch schon helfen, es hilft sein Leid zu teilen."
Die ganze Situation kam ihm sehr seltsam vor, damit hatte er nicht gerechnet und doch tat er nun das was er für richtig hielt, und was alle anderen hinterher darüber denken mochten war ihm egal.
Kolleen nahm einen vorsichtigen Schluck von ihrem Tee und sah dann in sein Gesicht. Snape hatte das Gefühl ihre Blicke würden seine Gedanken erforschen, zum ersten Mal seit langem hatte er Probleme damit seine Gefühle hinter den schwarzen Augen zu verstecken. Die Nervosität, die in ihm aufkam, versuchte er zu unterdrücken und in dem Moment wo er dachte, er könnte es nicht mehr ertragen, wendete sie ihren Kopf wieder zum Feuer.
Er war verwirrt. Was war das nur gewesen? Er wusste es nicht und ihre Stimme lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung.
"Alle sagen immer ich soll stark sein, seit ich hier bin hör ich das immer wieder, aber warum sollte ich, wenn es gar keinen Grund mehr dafür gibt?" Ihre Stimme war voller Sarkasmus und sie erinnerte Snape sehr an sich selbst.
"Es gibt immer einen Grund zu leben."
Ein spöttisches Grinsen zuckte um ihre Lippen. "Ja sicher, sonst wäre auch plötzlich niemand mehr da auf dem man rumhacken könnte oder praktischerweise die Schuld schieben kann. Sie würden sich nachher alle noch langweilen, nachdem sie eine Party für mein Verschwinden gefeiert haben. Es gibt zwei Gründe weiter zu leben, erstens hier weg zu kommen und zweitens meinen Eltern nicht noch mehr Kummer zu bereiten."
Wie erschrocken über das, was sie gerade gesagt hatte, sah sie ihn an. "Entschuldigen Sie Professor, das hätte ich nicht sagen sollen, es gehört hier nicht hin." Sie senkte den Kopf und starrte wieder in den Becher.
Prüfend sah Snape Kolleen an.
"Miss Anderson, sehen Sie mich an. Es ist in Ordnung, ich habe Sie schließlich darum gebeten.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. Ihr Blick war müde.
"Sie sollten schlafen gehen."
"Nein, ich bin nicht müde." Kolleen drehte den Kopf und wich seinem misstrauischen Blick aus.
"Ich sehen doch wie müde Sie sind. Warum schlafen Sie so wenig?"
Wieder sah sie ihn an, wich aber seinem Blick aus. "Ich kann nicht. Jedes Mal, wenn ich schlafe, sehe ich alles wieder vor mir. Jedes Mal....." Es war nicht mehr als ein Flüstern. Snape sah sie leicht erschaudern.
"Warten Sie einen Moment bitte." Er erhob sich und betrat mit ruhigen Bewegungen seine Privaträume. Er ging hinüber zu dem kleinen Schränkchen unter dem Regal und öffnete es. Die kleinen Flaschen und Phiolen glänzten ihm in verschiedenen Farben entgegen. Es brauchte etwas länger bis er endlich in der vorletzten Reihe die Flasche mit der dunkelblauen Flüssigkeit fand, die er suchte. Lange Zeit war vergangen, seitdem er selbst das letzte Mal diesen Trank brauchte, und dafür war er dankbar.
Mit dem Fläschchen in der Hand ging er zurück in sein Büro und fand Kolleen noch zusammengesunkener im Sessel sitzen.
Wieder ging er neben ihr in die Knie und hielt ihr die Flasche hin. Ihr verkrampfter Griff um den Teebecher lockerte sich und schließlich stellte sie ihn langsam auf den kleinen Tisch neben sich.
Vorsichtig nahm sie die im Feuerschein funkelte Phiole aus seiner Hand. Für vielleicht nur eine Sekunde berührten sich ihre Finger und Snape durchzuckte ein Schmerz in der Magengegend.
Er sah wie sie die Flasche im Licht drehte.
"Was ist das?" Den Blick hob sie nicht.
"Ein Schlaftrank. Er schenkt ruhigen, vor allem traumlosen Schlaf. Drei Tropfen genügen für eine Nacht."
Überraschung breitet sich auf ihrem Gesicht aus, doch Snape schüttelte nur sanft den Kopf. "Sollten Sie ihn brauchen scheuen Sie sich nicht ihn zu benutzen."
Er sah wie Kolleen erst noch zögerte, sich aber dann ihre Hand um die Flasche schloss und sie sie in ihre Umhangtasche steckte.

Snape erhob sich und hatte sein altes kühles Gesicht wieder. "Sie können gehen Miss Anderson!" Sie schien zu verstehen, denn ohne weiteres Zögern stand sie auf und ging zur Tür, schon hatte sie den Griff in der Hand als sie sich noch einmal umdrehte.
"Vielen Dank Professor. Für alles." Sie sah an ihm vorbei und öffnete dann leise die Tür und ging.


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