Kleine Wunder
Von Werinaya
Vorwort:
Zuerst eins vorneweg: Ich LIEBE Weihnachtsgeschichten. Am besten die mit einem Schuss Hoffnung und dem typischen Weihnachtsflair. Jetzt hat es mich also auch gepackt. Ich hatte die Geschichte schon einmal geschrieben, vor knapp 2 Jahren, doch damals war es irgendwie nichts. Jetzt habe ich die Idee noch mal genommen und neu geschrieben. Ergebnis siehe wie folgt.
Zur Geschichte:
Diese kleine Geschichte könnte man zwischen die Kapitel 34 und 36 meiner Geschichte "Vertrauen" setzen. Aber ich glaube sie ist auch als einzelstehende Geschichte lesbar. Und somit ist das Lesen von "Vertrauen" kein Muss für diese kleinere Geschichte. Wäre aber leichter.
Zum Verständnis für neue Leser, die meine anderen Geschichten nicht kennen: Snape ist in dieser Geschichte taub und versteht somit kein Wort von seiner Umwelt. Dumbledore ist auch mehr als ein Freund, oder Mentor, in meiner Geschichte ist Severus Snape Eigentum von Albus Dumbledore. Nun ja, der Rest kommt in der Geschichte vor.
Noch mal von mir:
Frohe Vorweihnachtszeit und keinen Streß beim Geschenkkauf.
Kleine Wunder
Kapitel 1: Thoa
Seine Welt war lautlos und so still wie ein Grab. Wenn er in die Gesichter Anderer blickte so tat er es, um sie zu verstehen und gegebenenfalls zu antworten. Doch meist handelte es sich um belangloses Zeugs, Geschwätz von Schülern und Beschwerden von Lehrern.
Schon seit einiger Zeit lebte er mit dieser unumgänglichen Tatsache, und wollte man Promfrey Glauben schenken, so würde dieser Zustand für den Rest seines Lebens anhalten.
Severus Snape, Professor für Zaubertränke, ging festen Schrittes durch die Gänge der Schule. Anfangs hatte er nicht geglaubt mit diesem Zustand leben zu können, schleichend hatte sich die Taubheit damals in Rosiers Kerker eingestellt. Die Heilerin hatte ihm erklärt, nein verbesserte er sich in Gedanken, sie hatte ihn angeschrieen, um sich wenigstens etwas verständlich zu machen, dass es an den Folterflüchen und der nasskalten Umgebung gelegen hatte, dass er sein Gehör verloren hatte. Rosier war nicht gerade sanft mit ihm rumgesprungen und hätte Hagrid sich nicht auf die Suche nach ihm begeben und ihn schließlich gefunden, Severus wäre in dem Kerker gestorben.
Der Boden bebte leicht und für Severus hieß es, dass sich bald Schülermassen durch die Gänge drängten. Es war Mittagszeit und bald würden tausend wunderbare Gerüche aus der Großen Halle strömen. Snape kümmerte das heute wenig, er zog seinen Umhang etwas enger um sich, er mußte zu Madame Sprout der Lehrerin für Kräuterkunde, er benötigte Zutaten für einen Trank. Snape beschleunigte seine Schritte, er hatte keine Lust inmitten von drängelnden Schülern zu stehen, womöglich sprach ihn jemand noch von hinten an und dann wüssten die Schüler von seinem Geheimnis. All die Zeit hatte er es geschafft seine Taubheit versteckt zu halten, er wollte es nicht durch einen dummen Zufall auffliegen lassen. Die Lehrer, seine Kollegen, wußten von seiner Behinderung, es war ein notwendiges Übel und manchmal auch sehr nützlich, gerade wenn McGonagall sich über ihn beschwerte. Dann sah er sie einfach nicht an und konnte so auch nicht von ihren Lippen ablesen was sie sagte. Das brachte die Gryffindor-Lehrerin regelmäßig zur Weißglut.
Wie ein Schatten bog er um eine Ecke und stand kurz darauf im Freien. Seit Wochen lag Hogwarts unter einer dicken Schneedecke begraben und auch jetzt schien der Himmel so kurz vor Weihnachten noch einmal beschlossen zu haben, ein paar Zentimeter mehr Schnee aufzulegen, um ja sicher zu gehen, dass es eine weiße Weihnacht werden würde. Snape blieb kurz stehen und blinzelte in das Schneetreiben, er konnte gerade noch die Gewächshäuser erkennen.
Zerknirscht stellte er fest, dass auch die am Morgen geschippte Schneise zu den Gewächshäusern schon wieder zugeweht war. Leise fluchend bahnte er sich einen Weg durch die Schneehaufen, wobei er die größten mit einem warmen Luftstrahl aus seinem Zauberstab wegschmolz. Auf dem halben Weg zu Madame Sprout spürte er eine Erschütterung und das wollte auf festem Boden etwas heißen! Verwirrt sah sich Snape um, ein Erdbeben? Hier? Vielleicht ein kleinere Schneelawine von den umliegenden Bergen.
Gerade noch rechtzeitig sprang er etwas Großem, Dunklem aus dem Weg. Halb versunken im Schnee sah er nur noch wie dieses große Etwas mit einem Bündel in den Armen im Schloß verschwand.
Hagrid!
So viel erkannte er jetzt, das war Hagrid gewesen! Der Wildhüter von Hogwarts war an ihm vorbei gerannt! Snape schüttelte den Kopf. Natürlich, nur der Halbriese konnte solche Erschütterungen im Boden hervorrufen. Aber warum war er so gerannt? Und hatte ihn dabei fast umgerannt? Während er sich den Schnee aus den Umhang klopfte und sich seinen Weg weiter zu Madame Sprout kämpfte, grübelte er weiter über das seltsame Verhalten von Hagrid nach.
Madame Sprout hatte die gewünschten Pflanzen, und mit einigen Ermahnungen hatte sie ihm einige Blätter von ihnen überlassen. Völlig durchweicht suchte Snape das Lehrerzimmer auf. Bevor die nächste Stunden losging musste er wenigstens etwas versuchen zu trocknen. Eine Erkältung wollte er auf keinen Fall.
Während er so vor dem großen Kamin im Lehrerzimmer stand und mit seinem Zauberstab begann seinen Umhang zu trocken, betrat ein äußerst betrübter Dumbledore mit einer sehr ernst dreinblickenden Pomfrey das Lehrerzimmer. Snapes Blick schnellte hoch und er begann von ihren Lippen abzulesen.
"Können Sie wirklich nichts mehr tun?" fragte Dumbledore die Heilerin.
"Nein, ich bedaure Direktor. Sie war doch schon die letzten Wochen so schwach, es war nur noch eine Frage der Zeit." Pomfrey schüttelte leicht den Kopf und tupfte sich eine Träne mit einem Taschentuch aus dem Augenwinkel.
"Armer Hagrid. Ich habe ja so gehofft, dass Thoa noch etwas länger lebt." Dumbledore sah auf seine Hände und klopfte schließlich leicht der Heilerin auf die Schulter. "Ich glaube Sie tun Ihr Bestes."
"Ich habe ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben, aber ich glaube nicht, dass Thoa die nächsten Stunden überleben wird." Die Heilerin schnäuzte nun kräftig.
"Nun ja, sehen wir es so: 25 Jahre ist selbst für einen Hund, der in der Zauberwelt lebte, ein doch sehr hohes Alter", sagte Dumbledore.
"Aber hart ist es dennoch", meinte die Heilerin und ließ sich auf einen nahen Sessel fallen.
"Ja, hart ist es dennoch und dann auch noch so kurz vor Weihnachten", bestätige Dumbledore mit einem Seufzen.
Snape sah schnell wieder weg und trocknete weiter seinen Umhang. Deswegen hatte Hagrid ihn beinahe umgerannt! Thoa! Hagrids alter Hund lag im Sterben.
***
Die nächste Klasse hatte nichts zu lachen. Snape hatte sehr üble Laune, er war wütend auf sich, weil er Hagrid nicht beistehen konnte, war wütend auf Pomfrey, weil sie nicht weiter helfen konnte und überhaupt war er wütend auf die ganze Situation! Die Schüler zogen schon die Köpfe ein und nur der Glaube, dass dies die letzte Zaubertrankstunde vor den Ferien war, ließ sie diese Stunde durchstehen. Ihr Lehrer war wie ein dunkler Schatten, der zwischen den Reihen schwebte und ihnen über die Schulter sah. Sie konnten seinen Atem im Nacken spüren und als Circe Quria vor lauter Schreck ein Reagenzglas mit roter Feuerschneckenleber fallen ließ, verlor Ravenclaw 20 Punkte und alle bekamen zusätzliche Hausaufgaben über die Ferien auf.
Während die Schüler am Ende der Stunde aus dem Klassenzimmer flohen saß Snape grübelnd an seinem Pult. Hagrid war sein einziger Freund hier in Hogwarts, und war es nicht die Pflicht eines Freundes für das Wohl des anderen zu sorgen oder wenigstens ihm in schweren Zeiten beizustehen?
Die Glocke rief zum Abendessen, doch Snape hörte es nicht. In Gedanken versunken starrte er vor sich hin und spürte nicht wie die Kälte in die Kerker kroch.
Oben in der Krankenstation wickelte Madame Pomfrey Hagrids Hund liebevoll in eine weiche Decke und drückte zum Schluss dem Hund die Augen zu. Hagrid saß schluchzend am Boden und hatte sein Gesicht in beide Hände vergraben.
Snape sah Stunden später, als er die Kerker verlassen hatte, wie ein schluchzender Hagrid, begleitet von Madame Pomfrey, in Richtung Wald davon stampfte. Schwer atmend lehnte Snape sich gegen das nächstliegende Fenster und spürte nicht, wie ihm eine Träne das Gesicht herunter rann. Severus konnte nur erahnen was der Wildhüter durchmachte und beobachtete, wie beide im nahen Wald verschwanden.
***
Die nächsten Tage litt Hagrid und mit ihm Snape. Der Halbriese saß betrübt beim Essen am Tisch ohne auch nur etwas von den köstlichen Speisen anzurühren. Mit hängenden Schultern schlurfte er über das Gelände und wenn er die Weihnachtsdekoration sah, schniefte er laut und verschwand in seiner Hütte.
Snape versuchte sich loszueisen von seinem strengen Stundenplan, um wenigstens eine Stunde bei seinem Freund zu verbringen. Doch es war nichts zu machen, Aufsätze wollten korrigiert werden und immer wenn er glaubte etwas Zeit zu haben, hielt ihn ein Kollege mit einer Beschwerde auf. Severus antwortete gewohnt spitz und benotete fast alle Aufsätze schlechter als sonst.
Dumbledore bemerkte dies und hoffte, dass sich diese kurzzeitige Übellaunigkeit bald legte. Doch er bemerkte auch schnell, dass seine Hoffnungen umsonst waren. Als ein Streit einige Tage vor Weihnachten zwischen McGonagall und Snape in einem Beinahe-Duell endete rief er den jungen Mann zu sich. Er konnte, ja wollte dem nicht länger zusehen.
So kam es, dass am Abend ein sehr verängstigter Snape in der Mitte von Dumbledores Raum stand und stur auf seine Zehenspitzen sah. Dumbledore sah sein Gegenüber genau an. Snape war weit mehr als ein Lehrer an der Schule, zwischen Snape und Dumbledore bestand ein Band, von dem nur sehr sehr wenige wußten. Severus Snape war persönliches Eigentum von Albus Dumbledore, sein Sklave wenn man so wollte. Vor einigen Jahren hatte Severus beschlossen nicht mehr Eigentum von Voldemort zu sein und hatte sich freiwillig in die Hände von Dumbledore begeben. Ein Umstand, der Albus nicht leicht gefallen war, denn noch nie zuvor hatte sich ihm jemand so endgültig unterworfen. Und wenn ein Herr sein Eigentum rief, bedeutete dies meist nichts Gutes. Albus sah, wie die bleichen langen Fingern leicht zitterten, auch bemerkte er, wie eingefallen der junge Mann wirkte, fast so als ob....
"Severus?" fing Dumbledore vorsichtig an.
Der Zaubertrankleher reagierte nicht, sah weiter zitternd auf seine Zehen.
"SEVERUS!!" schrie Dumbledore und stampfte fest auf den Boden.
Der Kopf schnellte hoch und sah nun endlich Albus an. Der alte Mann lächelte vorsichtig.
"Severus was ist los? Bist du krank?" fragte Albus besorgt und wies auf die zitternden Hände von Snape.
Stumm schüttelte sein Gegenüber den Kopf.
"Severus, du weißt, du brauchst keine Angst vor mir zu haben", beruhigte Dumbledore den jungen Mann.
Ohne Worte nickte Snape wieder, doch das Zittern der Hände ließ nicht nach.
Besorgt stand Albus auf und ging auf sein Eigentum zu. Snape blickte wieder auf den Boden und wich kaum merklich zurück.
Dumbledore legte beide Hände auf die Schultern des Mannes, die schwarzen Augen trafen die von Dumbledore. "Severus, hast du verspätete Fluchnachwirkungen?"
"Nein Herr", murmelte Snape.
"Hast du heute früh etwas gegessen?" fragte Albus und verfluchte sich innerlich, nicht darauf geachtet zu haben.
Snape schüttelte den Kopf.
"Es ist kalt, du brauchst Nahrung Severus", schalt Albus leicht.
Ein Schulternzucken war die Antwort.
"Sag, was bedrückt dich?" Dumbledore drehte sich um und ging zu seinem Schreibtisch zurück.
Snape sackte etwas in sich zusammen und wirkte dabei so hilflos und verletzlich. Etwas scheu sah er sich hilfesuchend um und Dumbledore seufzte. Hagrid sollte jetzt da sein, sollte ihm aus den Dilemma ´Wie erkläre ich meine Gefühle` heraushelfen, doch der Halbriese war gerade mit seiner eigenen kleinen Tragödie beschäftigt. Wieder stampfte Albus mit dem Fuß auf verlangte die Aufmerksamkeit des jungen Magiers. Dieser zuckte zusammen und leichte Panik schlich sich in die Augen von Severus.
"Severus bitte, was ist los?" begann Dumbledore nochmals und versuchte dabei sehr ruhig zu wirken.
Severus sah kurz an die Decke, holte tief Luft und antwortete kaum hörbar: "Hagrid."
Dumbledore lächelte und Snape fuhr leise fort: "Ich war nicht da als er einen Freund brauchte, aber er war immer da, wenn ich einen Freund benötigte. Hörte mir zu, half mir, das hier auszugleichen." Dabei tippte er sich an eines seiner Ohren. "Ich war nicht da und konnte nicht helfen."
Der Direktor nickte verständnisvoll, das erklärte vieles.
"Ich verstehe dich Severus. Aber im Moment könnten wir daran nichts ändern. Wenn du nicht genau deinen Unterricht abhältst, verstößt du gegen eine der Auflagen des Ministeriums", meinte Albus freundlich.
Snape sah auf, öffnete den Mund, schloß in dann aber wieder.
"Ja?" hakte Dumbledore nach.
"Vielleicht würde ich etwas finden außerhalb von Hogwarts. Etwas für Hagrid, wenigstens etwas ... was ihn wieder aufmuntern könnte?" raunte Snape vorsichtig.
Dumbledore klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte und runzelte die Stirn. "Du darfst das Gelände nicht verlassen. Du weißt das."
Jegliche Hoffnung war nun endgültig aus Snape verschwunden und Dumbledore zerriss es fast das Herz, ihn so zu sehen.
"Aber vielleicht kann ich eine Ausnahme bewirken. Geh, ich werde sehen was ich machen kann."
Snape verbeugte sich tief und verschwand fast lautlos aus dem Büro. Albus trommelte weiter auf die Tischplatte und überlegte wen er alles brauchen würde für dieses ungewöhnliche unterfangen.
***
Snape saß auf dem Boden vor dem Kamin in seinen Privatzimmern und wartete. Wie früher saß er da und wartete, reglos, lautlos, fast wie ein Gegenstand, den jemand abgestellt hatte. Es half ihm seine Aufregung unter Kontrolle zu halten. Schließlich klopfte es an seine Tür und eine kaum merkliche Erschütterung lief durch den Boden. Elegant stand Snape auf und öffnete die Tür. Albus Dumbledore lächelte ihm entgegen. "24 Stunden, nur in London, keine Besuche in der Nockturngasse und du musst dich so bald wie möglich bei mir zurück melden."
Snape nickte und Albus verließ ihn.
24 Stunden. In dieser Zeit mußte er eine Lösung finden. Zögernd sah er an sich herunter, er brauchte etwas Unauffälligeres als seine Lehrerkleidung. Sofort wandte er sich um und suchte in seinem Kleiderschrank nach unauffälliger Kleidung. 24 Stunden, und die Zeit lief. Er mußte einfach eine Lösung finden.
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