Jenseits von Hogwarts

 

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Kapitel 15

Wolfstränen


Vor Tau und Tag, morgens um fünf Uhr, hämmerte jemand gegen die Haustür des Ligusterweges 4, als ob er sie einreißen wollte. Draco fuhr panisch aus seinem unruhigen Schlaf hoch und Harry war mit einem Satz auf den Beinen.
"Sie sind da!", keuchte Draco. "Die Auroren sind da!"
Harry sah ihn besorgt an. Er hatte geglaubt, sein Schützling habe sich bereits halbwegs von seinem ‚Erlebnis' im Ministerium erholt und auch den Tod seines Vaters recht gut verkraftet, doch da hatte er sich offensichtlich getäuscht: Nackte Angst stand in Dracos Augen.
"Ganz ruhig! Das sind bloß Ron und Hermine!"
Harry versuchte, seiner Stimme einen festen und gelassenen Klang zu verleihen. Aber wenn es doch die Auroren waren? Er griff rasch nach seinem Zauberstab und eilte dann leise die Treppe hinunter. Durch den Türspion erkannte er zwei Gestalten im Licht der Straßenlaternen und seufzte erleichtert auf: Es waren seine Freunde.
Hastig öffnete er die Tür.
"Hermine! Ron! Gut, dass ihr da seid!"
Doch plötzlich waren da noch drei andere Personen, die fast lautlos aus dem Nichts apparierten: Minerva McGonagall, Remus Lupin und Danny Pryde.

***


"Wo ist er, Potter?", fragte Professor McGonagall streng. "Wir wissen, dass Sie ihn hier verstecken!"
Harrys Gedanken überschlugen sich. Was sollte er tun? Ron und Hermine waren sofort an seine Seite getreten und schauten nun verwirrt von ihm zu der Gruppe Ordenskämpfer hinüber. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, was hier vor sich ging.
Harry schien es sinnlos, zu leugnen, wenn der Orden ohnehin schon wusste, dass Draco bei ihm war. Deshalb entgegnete er zornig: "Sie werden dieses Haus nicht betreten, Professor, und auch keiner der beiden anderen!" Er warf Lupin einen wütenden Blick zu.
"Mr. Potter!", fauchte McGonagall erbost, "Sie sind erstens Schüler meiner Schule und zweitens Mitglied meines Ordens! Als Ordensmitglied sind Sie mir zu Gehorsam verpflichtet! Oder haben Sie ein so kurzes Gedächtnis, dass Ihnen diese Tatsache bereits entfallen ist?!"
"Einem Orden, der Menschen foltert, um von ihnen Geständnisse zu erpressen, fühle ich mich nicht mehr verpflichtet, tut mir leid. Ich kann immer noch selber denken, und ich denke, dass der Orden mit seinem gesetzeswidrigen Handeln die Bindung zu seinen Mitgliedern selbst zerschnitten hat! Das heißt", wieder blickte er böse auf Lupin, "sofern diese Mitglieder nicht bereits vergessen haben, dass auch der Gegner Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung hat." Harry baute sich drohend mit erhobenem Zauberstab vor der Tür auf. "Draco Malfoy steht unter meinem Schutz und Sie werden ihn nicht wieder in die Finger bekommen, um ihn weiter zu foltern, wenn ich es irgendwie verhindern kann!"
Ron und Hermine starrten ihn entgeistert an.
" Draco Malfoy?", fragte Ron und seine Stimme bebte vor Abscheu.
" Foltern ?", rief Hermine entsetzt und blickte nun drängend zu Profesor McGonagall hinüber. "Wer foltert wen? Wir foltern die Todesser ?!"
Doch bevor McGonagall antworten konnte, trat Remus Lupin vor.
"Harry, Hermine, Ron...", sagte er leise und verzweifelt. "Wir haben einen schlimmen Fehler gemacht... Aber, Harry, Minerva hat nichts mit der Sache zu tun, und auch nicht Scrimgeour oder wer auch immer. Wir haben ohne Befehl gehandelt, Kingsley, Tonks und ich." Er senkte den Blick und seine Stimme wurde noch leiser. "Wir hatten einfach eine höllische Angst, dass es so werden könnte wie nach Voldemorts erstem Fall. Noch wochenlang gab es immer wieder Anschläge von Todessern, Kingsley hat damals seinen Bruder verloren." Er schwieg einige Sekunden lang. "Das soll keine Rechtfertigung sein. Es gibt keine Entschuldigung für das, was wir... was ich getan habe. Dennoch bin ich deswegen hier, um mich zu entschuldigen. Bei dir, Harry und bei Draco. Das heißt," er senkte wieder den Blick, "falls Draco mich überhaupt anhören will."
"Soll das etwa heißen," Hermines Stimme klang schrill vor Entsetzen, "dass Harry recht hat? Ihr habt Draco Malfoy gefoltert? Du, Remus?!"
Lupin nickte bekümmert.
"Das glaube ich einfach nicht!", brach es aus Ron heraus, der den Werwolf schockiert anstarrte.
Professor McGonagall seufzte leise. "Doch, Mr Weasley, leider ist es wahr. Und deshalb sind wir hier. Sobald ich erfuhr, das Mr Malfoy aus dem Ministerium verschwunden war, habe ich Nymphadora Tonks, Kingsley Shacklebolt und Remus Lupin, die ihn befragen sollten, zu mir rufen lassen. Und ziemlich schnell kam dann heraus, was die drei getan hatten. So habe ich erfahren, dass Mr Malfoy unter Umständen ernsthaft verletzt sein könnte, einmal ganz abgesehen von den unsichtbaren Schäden, die die Folter anrichtet." Sie warf Lupin einen erbosten Blick zu und der ließ traurig und schuldbewusst den Kopf hängen. "Deshalb habe ich Mr Pryde mitgebracht, der sich um die Verletzungen kümmern soll, um die körperlichen wie um die seelischen. Denn es kommt noch dazu, dass ich vor zwei Stunden erfahren habe, dass bedauerlicherweise ein weiteres Ordensmitglied seine Kompetenzen überschritten und Lucius Malfoy... getötet hat. Und zwar nicht in Notwehr."
"Ich weiß", sagte Harry leise. "Und Draco weiß es auch."
McGonagall sah ihn verblüfft an. "Woher...?"
"Ich erzähl's Ihnen später, ja?. Ich glaube, Draco kann wirklich dringend einen Heiler brauchen, sein rechter Knöchel ist gebrochen und sieht ziemlich böse aus. Außerdem... er hat immer noch panische Angst. Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn Remus da mit rein käme."
Lupin sah ihn enttäuscht an, sagte aber nichts.
"Vielleicht gehen wir beide erst mal alleine rein, Harry", meldete sich Danny Pryde zu Wort. "Draco kennt mich noch aus der Schule, ich war während seiner ersten beiden Hogwarts-Jahre Vertrauenschüler von Slytherin. Wir sind eigentlich immer gut miteinander klar gekommen. Und außerdem kenne ich seine Familie."
"Also, dann los. Mr Potter, Mr Pryde, kümmern Sie sich um Mr Malfoy. Miss Granger, Mr Weasley, Remus, Sie kommen mit mir. Wir werden es uns derweil in der Küche gemütlich machen."
Energisch betrat Professor McGonagall das Haus der Dursleys, die anderen folgten ihr rasch.

***


Draco hatte oben im Bett angstvoll auf die erregten Stimmen gelauscht, die aus dem Garten zu ihm drangen. Zwar hatte er nur wenig verstehen können, aber deutlich die Stimme Professor McGonagalls erkannt, und die Angst schnürte ihm die Luft ab. Er glaubte, auch Granger und Weasley gehört zu haben, doch die waren im Moment nicht so wichtig. Es sei denn, sie würden Harry gegen die Ordenskrieger unterstützen. Aber was könnten die Drei schon gegen McGonagall ausrichten? Andererseits, dachte Draco und ein Funke Hoffnung glomm in ihm auf, hatte Harry den Dunklen Lord besiegt. Da müsste er doch auch mit der Schulleiterin von Hogwarts fertig werden, oder?
Vorausgesetzt, dass Harry ihn weiterhin beschützen würde. Und warum sollte er das eigentlich tun? Draco hatte ihm wahrlich keinen Anlass zu irgendwelchen sympathischen Regungen gegen ihn gegeben. Aber Potter war auch nicht ohne! Es war schließlich noch nicht allzu lange her, dass Harry ihn beinah umgebracht hatte. Draco schauderte unwillkürlich. Wäre Snape damals nicht rechtzeitig gekommen, wäre er mit Sicherheit verblutet.
‚Ja', sagte eine Stimme in seinem Kopf, ‚aber du wolltest ihn ja auch mit dem Cruciatus-Fluch belegen.'
Und Granger und Weasley erst... Die hatten nun wirklich keinen Grund, ihm zu helfen. Jetzt wünschte er verzweifelt, er hätte all die Beleidigungen und Gemeinheiten der letzten sechs Jahre zurücknehmen können, von ‚Schlammblut' bis zu ‚Weasley ist unser King'. Draco stöhnte leise. Die beiden müssten schon verrückt sein, wenn sie sich für ihn gegen McGonagall stellen wollten.
Dann hörte er die leise und eindringliche Stimme Lupins und erstarrte vor Angst. Diese Stimme... Genauso sanft und eindringlich hatte sie auch geklungen, als Lupin ihn befragt hatte, immer und immer wieder...
Und als er seine Fragen nicht zufriedenstellend beantworten konnte, da war der Schmerz gekommen. Er hatte vorher nicht gewusst, was Schmerz war. Selbst wenn er sich anfangs schlicht geweigert hatte, ihre Fragen zu beantworten, der Schmerz hatte ihn bald eines Besseren belehrt. Er hatte antworten wollen, oh ja, sehr bald hatte er ihnen alles erzählt, hatte geredet und geredet, in Panik, nur damit der Schmerz nicht wiederkam. Doch seine Informationen hatten ihnen nicht gereicht, auch als er längst alles gesagt hatte, was er wusste und vieles, was er nicht wusste, was er sich nur ausgedacht hatte, um sie zufriedenzustellen, hatten sie weiter gemacht... Immer weiter...
Es war merkwürdig still geworden da draußen. Draco lauschte angespannt. Und dann hörte er die Schritte, auf der Treppe, es waren zwei. Sie kamen, um ihn zu holen. Trotz der Schmerzen in seinem Knöchel versuchte er, aufzustehen. Das Fenster... Er musste zum Fenster... Nur weg von ihnen. Doch als Draco den gebrochenen Knöchel belastete, nahm es ihm fast den Atem. Unwillkürlich schrie er auf. Sein Blick verschwamm, er stürzte zu Boden. Keuchend vor Schmerz versuchte er, von der Tür wegzukriechen, doch er war zu langsam, unaufhaltsam öffnete sie sich, sie kamen, sie waren schon da... Wimmernd rollte er sich am Boden zusammen und hob in hilfloser Abwehr die Hände über den Kopf.
"Draco!"
Er kannte die Stimme. Sie klang nicht drohend. War es möglich... Vorsichtig hob Draco den Kopf und blickte zu dem Sprecher auf. Es war Harry.
Eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn und er fing vor Glück an zu weinen.

***


"Draco!"
Schockiert ließ sich Harry neben seinem Schützling auf die Knie sinken.
"Draco, was ist los mit dir?"
"Lass mich mal." Danny beugte sich behutsam über das zitternde Bündel Mensch am Boden. "Draco, kannst du mich hören? Es ist alles in Ordnung. Wir tun dir nicht weh. Wir wollen dir helfen." Sanft strich er dem Jungen über den Rücken. Zuerst zuckte Draco angstvoll zusammen, dann lehnte er sich gegen die streichelnde Hand und weinte noch heftiger.
Verstört fragte Harry: "Aber... Aber was ist bloß los mit ihm? Die Nacht über schien er ganz normal zu sein..." Er blickte hilflos auf den schluchzenden Draco.
Danny hörte nicht auf, Draco zu streicheln, und seine Stimme behielt den beruhigenden und sanften Tonfall bei, als er zu Harry sagte: "Das kommt oft vor, täuscht aber so gut wie immer. Folter hinterlässt so tiefe seelische Narben, dass die Opfer ihr ganzes Leben lang damit zu kämpfen haben. Er hatte ungeheures Glück, dass du ihn so rasch da rausgeholt hast. Professor... Minerva meinte, es können kaum mehr als zwei Stunden gewesen sein. Aber", setzte er düster hinzu, "zwei Stunden sind mehr als genug, um einen Menschen körperlich, geistig und vor allem seelisch zu zerstören."
Harry schluckte. "Kann ich... Kann ich irgendwie helfen?"
"Da ist ein kleine Glasflasche in meiner Tasche, vorne rechts... die blaue. Genau."
Harry reichte sie Danny. Der junge Heiler zog Draco vorsichtig vom Boden hoch in seine Arme, so dass der Junge in seinem Schoß zu liegen kam.
"Draco, kennst du mich noch?", fragte er leise. "Ich bin Danny Pryde. Ich war Vertrauensschüler in Slytherin, als du nach Hogwarts gekommen bist."
Draco nickte schwach.
"Jetzt bin ich Heiler, Draco. Wirst du mir auch jetzt vertrauen?"
Erneutes Nicken.
"Okay. Ich habe hier was für dich... - Harry, holst du mir bitte ein Glas Wasser?"
Eilig kam Harry der Aufforderung nach. Danny gab ein paar Tropfen von der blauen Flüssigkeit in das Glas und hielt es Draco an die Lippen.
"Trink das, bitte."
Folgsam gehorchte Draco.
"Gut."
"Was ist das?", fragte Harry besorgt. Er hatte sein Misstrauen dem Ex-Slytherin gegenüber immer noch nicht ganz überwunden. Vielleicht war das nur eine andere Methode, mit der das Ministerium, respektive der Orden, versuchen wollte, Draco irgendwelche Geständnisse abzupressen?
Danny lächelte etwas gezwungen.
"Ich setzte ihn nicht unter Drogen, keine Angst, Harry. Das ist nur ein leichtes Beruhigungsmittel, damit er so weit von seiner Panik runterkommt, dass wir wieder zu ihm durchdringen. Ich könnte ihn natürlich auch einfach in Tiefschlaf versetzen und ihn dann ganz in Ruhe behandeln, aber das will ich nicht. Draco darf nicht schon wieder zu irgendwas gezwungen werden. Es ist enorm wichtig, dass er alles mitbekommt, was mit ihm geschieht. Nur so kann er auf den Weg der Heilung gebracht werden. Nicht indem wir irgendwas an ihm machen, er muss es mit uns gemeinsam tun."
Dann begann der Heiler leise zu singen. Es war eine monotone, getragene Melodie ohne Worte, die Harry als sehr angenehm und beruhigend empfand. Nach einigen Minuten verebbte das Schluchzen und Dracos Atem wurde tief und regelmäßig.
"Okay, Draco." Danny lächelte ihn an. "Geht's dir etwas besser?"
"Ja."
Die Stimme klang immer noch zittrig, aber Draco erwiderte den Blick des Heilers.
"Gut. Ich werde mich zunächst um deine äußeren Verletzungen kümmern - dann sehen wir weiter."

***


Draco ließ sich erleichtert von Danny verarzten. Erst als der junge Heiler mit einem einfachen Zauber seinen Knöchel wieder in Ordnung gebracht hatte, merkte er, wie stark die Schmerzen gewesen waren. Auch die Platzwunde auf seiner Stirn und die zahlreichen Prellungen wurden kunstgerecht versorgt. Harry stand derweil etwas verloren im Zimmer herum, aber Draco war froh, dass er dabei war. Auch wenn er sich bei Danny gut aufgehoben fühlte und ihm tatsächlich vertraute, Potter war seine Versicherung gegen Gefahren von außen.
Nach einer halben Stunde klopfte es behutsam - und Professor McGonagall stand in der Tür. Bei ihrem Anblick erstarrte Draco förmlich zu Eis. Er hatte plötzlich das merkwürdige Gefühl, irgendwie neben sich zu stehen, ein stummer und unbeteiligter Zuschauer, den das Ganze hier nichts anging. Es war fast wieder wie in den Kerkern des Dunklen Lords.
"Mr Malfoy", sagte die Direktorin höflich, "ich bin gekommen, um Ihnen mein aufrichtiges Bedauern über den... Vorfall im Zaubereiministerium auszusprechen, dessen Opfer Sie leider geworden sind. Ich habe bereits mit Minister Scrimgeour gesprochen, die Verantwortlichen werden selbstverständlich zur Rechenschaft gezogen werden. Mr Shacklebolt und Miss Tonks werden wahrscheinlich ihre Zulassung als Auroren verlieren. Was Mr Lupin angeht... Da er nicht beim Ministerium angestellt ist, kann er auch nicht entlassen werden, er wird sich aber wohl ebenfalls vor Gericht verantworten müssen."
Draco nickte knapp. Was hätte er jetzt empfinden sollen? Befriedigung? Triumph? Er fühlte gar nichts.
"Was Ihre eigene Zukunft angeht, Mr Malfoy: Wie ich höre, haben Sie bereits von dem bedauerlichen Tod Ihres Vaters erfahren." Sie stockte kurz. "Da Ihre Mutter nach wie vor als Todesserin gesucht wird, kann das Ministerium den Besitz Ihrer Familie im Moment noch nicht freigeben. Bis die Vorwürfe gegen Ihre Eltern geklärt sind, werden Sie aber einen monatlichen Betrag für Ihren Unterhalt ausgezahlt bekommen. Auch Sie selbst werden wahrscheinlich zu einer Anhörung gebeten werden, Mr Scrimgeour hat mir aber versichert, dass Sie wohl ohne ein Verfahren davonkommen werden."
Nachdem sie den offiziellen Teil hinter sich gebracht hatte, wurde Professor McGonagalls Stimme deutlich sanfter. "Mr Malfoy, es tut mir wirklich sehr leid, dass Sie Ihren Vater auf diese Weise verlieren mussten. Und ich bedaure außerordentlich, was Ihnen im Ministerium durch meine Leute widerfahren ist. Es gibt keine Rechtfertigung für die Anwendung von Folter."
Draco schluckte mühsam und mied ihren Blick.
"Was mich persönlich angeht: Sie werden jederzeit wieder in Hogwarts willkommen sein. Ich würde mich sehr freuen, Sie im nächsten Schuljahr wieder bei uns begrüßen zu dürfen." McGonagall schwieg einen Moment, dann setzte sie leiser hinzu: "Ich bin mir sicher, dass dies auch Albus' Wunsch entsprochen hätte."
Mit drei raschen Schritten war sie plötzlich zu Draco getreten und streckte ihm die Hand entgegen, die er zögernd ergriff.
"Mr Malfoy... Mr Potter... Mr Pryde..." Sie nickte ihnen kurz zu. "Leider muss ich wieder an die Arbeit. Aber da draußen ist noch jemand, der gerne mit Ihnen reden möchte, Mr Malfoy."

***


McGonagall verschwand eilig aus dem Raum, und an ihrer Stelle erschien ein sehr unsicher und zerknirscht wirkender Remus Lupin. Er sah die drei nicht an, während er sprach, sondern starrte ausdauernd auf den Fußboden.
"Mr Malfoy... Draco... Ich bin gekommen, weil..."
Er würgte an jedem einzelnen Wort.
"Um mich zu entschuldigen. Es... Es tut mir furchtbar leid."
Plötzlich sah er auf - und Harry erkannte überrascht, dass er weinte.
Der Werwolf blickte Draco direkt in die Augen. "Bitte vergib mir."
Lupin sah so unendlich traurig und schuldbewusst aus, dass er Harry auf einmal leid tat. Nun schämte er sich fast dafür, ihn vorhin so angefahren zu haben. War er selbst denn wirklich besser? War er sich seiner selbst so sicher, dass er schwören könnte, niemals seine Macht über einen anderen Menschen auszunutzen? Noch vor wenigen Tagen hatte er Snape den Tod gewünscht, hatte sich förmlich danach gesehnt, ihm Schmerzen zuzufügen... Nein, er würde für sich nicht die Hand ins Feuer legen.
Gebannt sah er von Lupin zu Draco. Der erwiderte den Blick des Werwolfs einige Sekunden lang und nickte schließlich knapp. "Es ist gut. Ich nehme Ihre Entschuldigung an", sagte er seltsam tonlos. "Gehen Sie jetzt, bitte."
Lupin nickte erleichtert und verließ eilig das Zimmer.

***


"Sirius?"
Die Haustür Am Grimmauldplatz 12 flog krachend gegen die Wand.
"Harry!"
Sirius' durchscheinende Gestalt rauschte mit wehendem Umhang aus der Küche. Im ersten Moment schien es, als wollte er seinen Patensohn umarmen, dann erinnerte er sich wohl gerade noch rechtzeitig daran, wie unangenehm seine Berührung für lebende Menschen war und er hielt Zentimeter vor Harry inne.
"Harry, wo hast du die ganze Zeit gesteckt, verdammt noch mal?" Zorn und Erleichterung mischten sich in Sirius' Stimme.
"Es tut mir wahnsinnig leid. Aber wenn ich dir erzählt hab, was alles los war in den letzten Stunden, dann wirst du verstehen."
"Warum hast du mir keine Nachricht geschickt?"
"Oh, Sirius, es tut mir wirklich leid, aber,"
"Dürfen wir vielleicht erst mal reinkommen?", ertönte Hermines Stimme von der Straße. "Wir können das magische Portal nicht ewig offenhalten, ohne dass die Muggel uns bemerken!"
Rasch traten Harry und Sirius beiseite. Hermine und Ron schlüpften durch die Tür, gefolgt von Danny Pryde und Draco Malfoy. Sirius starrte ihn eine Sekunde lang verblüfft an, ehe er sich hastig an Harry wandte. "Was macht denn der hier?"
Doch ehe Harry antworten konnte, meldete sich Hermine entschieden zu Wort. "Oh, nun komm schon, Sirius, immerhin haben sein Vater und Snape dir ziemlich geholfen, oder? Nun sind wir eben damit dran, über unsern Schatten zu springen. Übrigens: Schön, dich zu sehen, nach so langer Zeit. "
Doch Sirius hatte anderes im Sinn als Begrüßungsrituale. "Woher weißt du...?"
"Na, woher wohl? Von Harry natürlich."
Sirius warf seinem Patensohn einen missbilligenden Blick zu. "Musstest du unbedingt, na, ja, egal." Dann fasste er Danny ins Auge. "Und Sie sind, ?"
Der Heiler trat rasch einen Schritt vor. "Mein Name ist Danny Pryde, Mr Black, ich arbeite als Heiler im St. Mungo's. Im Moment allerdings besteht meine Aufgabe darin, mich um Draco hier zu kümmern." Danny sah Sirius eindringlich an. "Er braucht dringend Ruhe."
Sirius warf einen prüfenden Blick auf Draco, der in der Tat ziemlich blass aussah und sich mit einer Hand an der Wand abstützen musste. Draco schien sich nicht gerade wohl zu fühlen, als so über seinen Kopf hinweg geredet wurde, deshalb wandte sich Harry drängend an seinen Paten: "Hör zu, Draco hat eine Menge durchgemacht. Nach Hause kann er im Moment nicht und auch nicht nach Hogwarts, ehe er nicht vom Ministerium zu Dumbledores Tod befragt wurde. Deshalb habe ich ihn in unser Haus eingeladen. Ron, kannst du Draco und Danny bitte hochführen und auf eins der leerstehenden Zimmer bringen?"
Ron wirkte wenig begeistert, machte sich aber kommentarlos mit Danny und Draco in Richtung Treppe auf.
Sirius sah Harry verwirrt und vorwurfsvoll an. "Harry, ich verstehe ja, dass Malfoy irgendwo hin muss, aber musst du ihn gerade hierher bringen? Ich meine, wir können nichts dafür, dass sein Vater tot ist, oder? Warum kann er nicht zu irgendwelchen Verwandten oder Freunden oder meinetwegen auch ins St. Mungo's, wenn er tatsächlich so krank ist?"
"Draco ist nicht krank, Sirius. Er ist..." Harry versuchte, einen passenden Ausdruck zu finden. "Er ist nur... nur ziemlich durcheinander im Moment. Und er kann nirgendwo anders hin, weil alle seine Freunde und Verwandten... Nun ja, sie sind wohl auf der Flucht, denke ich. Oder schon gefangen. Vielleicht auch tot", setzte er leiser hinzu.
Sirius hob beide Augenbrauen.
"Willst du damit sagen, dass all seine Leute Todesser sind?", fragte er mühsam beherrscht.
Harry zögerte. Aber was hatte es für einen Zweck, die Wahrheit zu verschweigen?
"Nicht nur seine Leute, Sirius. Er selber auch."
"Nein!"
"Was nein?", fragte Hermine erregt.
"Nein, er bleibt nicht hier. Das ist immer noch mein Haus, UND ICH WILL HIER KEINEN VON DENEN HABEN!"
"Mann, Sirius! Ohne die Todesser Snape und Malfoy wärst du überhaupt nicht hier!" Harry wurde langsam ärgerlich.
"Snape ist etwas anderes. Ich bin nicht... Ich bin nicht ganz unschuldig an dem, was er geworden ist... Dennoch, auch ihn wollte ich nicht hier um mich haben! Und warum sollten wir den Sohn von Lucius Malfoy zu uns einladen? Malfoy war einer der übelsten Todesser überhaupt, grausam aus Vergnügen und böse aus Überzeugung. Vergiss nicht, Harry, dass ich eine Zeit lang direkt in seine Seele sehen konnte..." Sirius schien plötzlich noch durchsichtiger geworden zu sein und seine seltsam hohle Stimme zitterte leicht, als er weiter sprach. "Wenn Draco auch nur halb so schlecht ist wie sein Vater... Und nach dem, was du mir immer über Draco erzählt hast, kann er nicht viel besser sein... Harry, ich möchte ihn nicht in deiner Nähe haben... Oder in der Nähe von Ron und Hermine... Soll er doch auf der Straße übernachten!"
"JETZT HÖR MIR MAL ZU!" Harry spürte die gleiche heiße Wut in sich aufwallen, die er im Ministerium empfunden hatte. "Wir werden uns um Draco kümmern, weil Mitglieder des Phönixordens für seinen Zustand verantwortlich sind! Eugenie hat seinen Vater umgebracht! Und..."
Harry stockte, doch Hermine sprang ein: "Draco ist nicht bloß krank, Sirius: Er ist total am Ende. Er ist gefoltert worden, Sirius. Von unseren Freunden. Von Kingsley, von Tonks und... und von Remus."
Sirius starrte sie ungläubig an. Dann fing er plötzlich an zu lachen.
"Von Remus ? Das ist wirklich ein guter Witz! Der könnte doch keiner Fliege was zu Leide tun." Das Lachen erstarb, als er in ihre Gesichter sah. "Nein...", flüsterte er heiser. "Das ist nicht euer Ernst, oder?"
Harry und Hermine nickten traurig.









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