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Kapitel 10: Eine folgenschwere Entdeckung
Es war ein regnerischer Tag Mitte März. Vom beginnenden Frühling draußen war wenig zu spüren, aber das war weniger schlimm, denn Harry und die anderen Fünftklässler hatten eine Menge zu lernen. Ihre ZAGs standen vor der Tür, und Professor Knight-Haversham hatte ihnen einen schriftlichen Test aufgebrummt, durch den sie sich gerade kämpften.
Harry war es in der letzten Zeit schwergefallen, sich zu konzentrieren.
Er stand in regelmäßigem Eulenkontakt mit Sirius Black, der sich zur Zeit mit Professor Lupin in Cornwall aufhielt. Dort waren Muggel auf unerklärliche Weise verschwunden, und Harrys Pate und Lupin hatten die Aufgabe, Nachforschungen anzustellen.
Doch es waren nicht nur Sirius und Lupin, um die er sich Sorgen machte.
Professor Knight-Haversham sah sehr krank aus. In den letzten Wochen hatte sie an Gewicht verloren, und ihre Augen sahen stumpf und gerötet aus.
Es gab keine munteren Quidditch-Anekdoten mehr, keine lustigen Trainingsrunden und Gespräche am Abend, wenn sie einen letzten Blick in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum warf.
Auch Snape hatte sich verändert. Harry war sich immer sicher gewesen, daß Snape nicht unausstehlicher und tyrannischer werden konnte. Doch dies war eine Täuschung gewesen. Nach der letzten Zaubertrankstunde war Parvati in hysterisches Heulen ausgebrochen, und selbst die Slytherins hatten ihr Fett weg bekommen. Sogar Millicent Bulstrode war zitternd aus dem Kerker gewankt.
Ob es wohl an Voldemort lag? Im Großen und Ganzen war das bisherige Schuljahr für ihn selbst friedlich verlaufen, dachte Harry. Aber er machte sich keine Illusionen. Er wußte, daß Professor Knight-Haversham, und bestimmt nicht nur sie, ihn fast kontinuierlich überwachten. Im Moment zweifelte Harry jedoch stark daran, daß sie in der Lage sein würde, ihn gegen jedwede Gefahr zu schützen.
Harry sah von seinem Test auf. Professor Knight-Haversham stand am Fenster und sah gedankenverloren hinaus. Ob sie es wohl mitbekommen würde, wenn er Ron mal kurz nach der Antwort von Frage 24 fragen würde?
Da passierte es. Professor Knight-Haversham kippte um und knallte auf den harten Steinboden, wo sie regungslos liegenblieb.
Seamus war der Erste, der bei ihr war und ihren Puls fühlte. Dean schnappte seine Schultasche und legte sie unter Professor Knight-Havershams Kopf. Harry faßte ihre Beine und legte sie auf den Lehrerstuhl. Im Muggelfernsehen hatte er mal gesehen, daß das eine Erste-Hilfe-Maßnahme bei Bewußtlosigkeit war. Oder war das die stabile Seitenlage?
Hermione raste aus dem Klassenraum und holte Madam Pomfrey.
Diese schaffte es schließlich mit Riechsalz, Patricia ins Bewußtsein zurückzuholen, und brachte sie dann sofort auf die Krankenstation.
„Oh Poppy, das ist wirklich nicht nötig, mir geht es schon wieder viel besser”, beschwerte sich Patricia, als Madam Pomfrey begann, sie von Kopf bis Fuß zu untersuchen.
Doch diese war unnachgiebig, und als sie fertig war, musterte sie Patricia mit einem nachdenklichen Blick.
„Es ist doch nur der Kreislauf, weiter nichts”, versicherte Patricia und versuchte, von der Krankenliege aufzustehen.
Madam Pomfrey drückte sie zurück und setzte sich neben sie auf die Liege. Auf ihrem Gesicht erschien ein ernster Ausdruck.
„Sagen Sie, Professor... ich will ja nicht indiskret sein, aber ich muß Sie das fragen. Wann hatten Sie Ihre letzte Regelblutung?”
Patricia erschrak, denn es fiel ihr nicht auf Anhieb ein. War das wirklich schon so lange her? Normalerweise kannte sie ihren eigenen Zyklus sehr gut.. nur in der letzten Zeit hatte sie die Bedürfnisse und Funktionen ihres Körpers kaum beachtet.
„Ich.. ich weiß es nicht genau, Poppy.. ist das so wichtig? Ich hab in der letzten Zeit nicht so viel gegessen und Gewicht verloren, da gibt es schon mal Unregelmäßigkeiten im Zyklus.”
„Nicht so viel gegessen? Gar nichts erscheint mir da passender!”,schnaubte Madam Pomfrey.
Patricia verdrehte die Augen. „Das ist doch wohl meine Sache, oder?”
„Kann es sein, Professor, daß Sie da vor gewissen Anzeichen ihres Körpers die Augen verschließen? Sie sind schließlich eine erfahrene Hexe und müßten den Lauf des Mondes kennen.. und wenn Ihre Blutungen schon länger ausgeblieben sind, läßt das für mich nur einen Schluß zu: Sie sind schwanger.”
In dem Moment, als Madam Pomfrey diese Worte ausgesprochen hatte, wußte Patricia, daß sie recht hatte. Es war schon erstaunlich, wie gut man sich selbst betrügen konnte...
Patricia betastete sich schließlich selbst, und bemerkte, daß ihre Brüste angeschwollen und empfindlicher waren als sonst.
Wann war es geschehen? Ende Dezember, vermutlich, denn danach hatte sie keine Regelblutung mehr gehabt.. und tausend Ausreden dafür für sich selbst erfunden.
Sie und Severus hatten nie an so etwas wie Verhütung gedacht... wie dumm und naiv....
Oh ja, und wie naiv sie gewesen war...
Plötzlich schlugen alle Gefühle über ihr zusammen, und sie begann, hemmungslos zu schluchzen.
Madam Pomfrey nahm sie in den Arm und wiegte sie sanft hin und her, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte.
„Nun, nun, haben Sie keine Angst. Meine Schwester Petula ist eine ausgezeichnete Hebamme.. oh, es gab schon so viele Jahre mehr keine Geburt mehr auf Hogwarts... wie ich mich für Sie freue!” Madam Pomfrey lächelte, doch Patricia lächelte nicht zurück.
„Es wird keine Geburt geben, Poppy. Ich werde das Kind nicht bekommen. Noch ist es nicht ganz zu spät, ich werde die entsprechenden Kräuter sammeln. Viel Zeit habe ich nicht mehr...”, sagte Patricia mit tonloser Stimme.
„Nein, meine Liebe, bitte, bitte überlegen Sie sich das noch einmal. Es ist doch Ihr erstes Kind, und Professor Snape wird sicher..”
„Was.... wird Professor Snape, Poppy?”, fragte Patricia in bedrohlich leisem Ton.
Madam Pomfrey lief rot an. „Naja.. ich dachte, er... er ist doch der Vater, oder?”
„Wie kommen Sie denn darauf? Haben Sie die 'Hexenwoche' gelesen?”
Madam Pomfreys Gesichtsfarbe wurde dunkelrot, als sie antwortete: „Es ist nicht nur deswegen. Ich.. ich hab halt gemerkt, daß Sie beide sich gut verstehen. Und er hat Sie immer so.. angesehen.”
Patricia seufzte. „Ja, Sie haben recht. Er ist der Vater. Aber das mit meiner Schwangerschaft geht ihn nichts an. Wir haben uns sozusagen getrennt. Und meine Entscheidung steht fest, Poppy. Ich möchte, daß das alles unter uns bleibt.”
„Aber... hätte er nicht ein Recht, es zu wissen? Schließlich ist es auch sein Kind”, versuchte es Madam Pomfrey ein letztes Mal.
Patricia stand auf und ging in Richtung Tür. Sie sah Madam Pomfrey an, und der tieftraurige Ausdruck in Patricias Augen berührte die Medimagierin zutiefst.
„Ich sagte doch bereits: Es geht ihn nichts an. Für uns gibt es keine Zukunft.”
Und sie verließ die Krankenstation und ließ eine aufgewühlte Madam Pomfrey zurück.
***