Des Giftmischers Herz

 

 

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Kapitel 3: Eine Freundschaft zerbricht 

 

James blickte genau in Lilys aufgebrachtes Gesicht und wünschte sich nichts mehr, als ihn diesem Moment ganz woanders zu sein, nur nicht hier. Er wußte nicht, warum er sich so hundertprozentig sicher war, aber er wußte in diesem Moment schon genau, daß Lily von der Geschichte erfahren hatte. Das war der schlimmste Fall, der hatte eintreten können.
Das Portrait schloß den Eingang zum Gemeinschaftsraum hinter ihnen und es war James so, als würde das die Spannung noch einmal erhöhen. Lily hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sehr zornig aus. Ihre Wangen hatten die Farbe ihres Haares angenommen und ihr Mund war ein schmaler Strich. James versuchte zu lächeln. "Was meinst du, Lily?"
Lily tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden, der mit dicken, gemütlichen Teppichen ausgelegt war. Trotzdem hörte James das beständige, immer schneller werdende ‚tapp tapp' von Lilys Schuh und es kam ihm wie eine düstere Bedrohung vor. Wenn er gekonnt hätte, wäre er wohl zurückgewichen.
"Ich weiß, daß ihr unten im Gemeinschaftsraum der Slytherins wart." Die letzten anderen Gryffindors, die sich bis jetzt noch nicht für die Szene zwischen James und Lily interessiert haben, wurden jetzt endgültig aufmerksam.
"Das ist doch Unsinn, Lily, wie kommst du auf so etwas? Wir würden doch nie in den Gemeinschaftsraum der Slytherins reinkommen", versuchte James zu argumentieren, doch Lilys Gesicht wurde nur noch zorniger.
"Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber ich habe dich und Sirius dabei beobachtet, wir ihr in die Jungentoilette seid und weißt du was? Ihr seid nicht mehr rausgekommen. Statt dessen kam etwas Unsichtbares heraus - etwas Unsichtbares, das schwarze Schuhe trug! Und weißt du, wo diese schwarzen Schuhe hingelaufen sind? Immer schön hinter Lucius Malfoy her in Richtung Kerker, wo bekanntlich der Gemeinschaftsraum der Slytherins liegt."
"Wir sollten nicht hier darüber reden", lenkte James schließlich leise ein. Er wußte, daß sie ihn ertappt hatte und von ihrem Verdacht auch nicht mehr ablassen würde, aber er wollte nicht weiter vor aller Augen streiten. Lily nickte und zu dritt verließen sie den Gemeinschaftsraum.

Der Westturm des Schlosses war ein ungenutzter Teil des Gebäudes und gehörte eigentlich zu den Bereichen, in denen sich die Schüler nicht aufhalten sollten, doch für eine solche Situation war er wie geschaffen, man hatte seine Ruhe. Zähneknirschend erzählte James schließlich, was er und Sirius getan hatten, dabei aber stets peinlich darauf bedacht, Severus' Gefährlichkeit, die er Lucius gegenüber an den Tag gelegt hatte, deutlicher hervorzuheben als die Tatsache, daß er Lily gegenüber seinem Kameraden vehement verteidigt hatte. Doch auch das hatte nicht die gewünschte Wirkung auf Lily, die längst zu wütend auf James war, um es ihm so leicht zu machen, wie er es sich gerade vorstellte.
"Ich hoffe, du weißt, wie erbärmlich das war, James", sagte sie, als er seine Erzählung beendet hatte und er konnte hören, daß sie den Tränen nahe war. Das tat ihm mehr leid als alles andere, was heute passiert war.
"Ich bin so enttäuscht von dir!", fuhr sie fort. "Ich dachte, wir hätte ausreichend darüber geredet und du hättest endlich eingesehen, daß Severus kein schlechter Mensch ist! Aber du hast die ganze Zeit nichts anderes getan, als Pläne zu schmieden, wie du mir zeigen kannst, daß ich mich geirrt habe. Was wolltest du damit erreichen? Warum gönnst du es mir und Severus nicht, daß wir uns mögen und unsere Freundschaft für uns etwas besonderes ist?" Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. "Ich mag dich doch deshalb nicht weniger, das habe ich dir doch schon einmal gesagt. Du bist so ein blöder Volltrottel!"
Sirius kniff die Augen zusammen, als hätte sie ihm das gerade an den Kopf geworfen. Er konnte sich gut vorstellen, was in seinem liebeskranken, frühpubertären Freund gerade vorging.
"Anstatt mich so zu akzeptieren, wie ich bin, willst du mich umkrempeln und dazu bringen, daß ich Severus nicht mag, nur weil seine Familie anders denkt als unsere oder weil er einfach nur ein Slytherin ist. Du machst alles kaputt!!" Mit jedem Wort wurde James kleiner und kleiner. Er hatte die ganze Zeit nur darüber nachgedacht, wie er Lily die furchtbare Wahrheit über ihren Freund präsentieren würde, der sie hinter ihrem Rücken als Schmutz und Abschaum betrachtete. Er war darauf vorbereitet, sie zu trösten und für sie da zu sein. Nicht eine Sekunde lang hatte er damit gerechnet, daß Severus vielleicht gar nicht so war, wie er gedacht hatte. Nicht eine Sekunde hatte er darauf verschwendet über die pure Möglichkeit nachzudenken, daß Severus echte Gefühle für Lily haben könnte und auch dazu stehen würde.
Und er hatte nie damit gerechnet, daß sein wunderbarer Plan vielleicht das Ende seiner Freundschaft mit Lily bedeuten könnte.
"Lily, du solltest versuchen...", wandte Sirius zaghaft ein, doch Lily schnitt ihm das Wort ab.
"Gerade von dir hatte ich erwartet, daß du nicht zulassen würdest, daß James das tut! Oder hab ich mich in dir auch so dermaßen getäuscht? Bist du genauso ein verbohrter, sturer, blöder Dickkopf wie dein bester Freund?!"
Sirius richtete den Blick auf den Boden. Er konnte Lily und ihre Wut sehr gut verstehen, jedenfalls jetzt, nachdem er das Gespräch von Severus und Lucius selbst mit angehört hatte. Severus meinte es ernst mit Lily, das konnte man nun einfach beim besten Willen nicht mehr ignorieren. Und doch, James war sein bester Freund und er hatte das Gefühl, daß er etwas tun mußte oder die beiden würden ab hier und heute für immer getrennte Wege gehen.
Lily richtete ihre zornigen Augen wieder auf James.
"Du bist wirklich das allerletzte, das mir jemals unter die Augen gekommen ist, James Potter! Es ist mir ein Rätsel, wie du mit so viel Hinterlistigkeit und Haß im Herzen überhaupt ein Gryffindor werden konntest! - Aber das weißt du wahrscheinlich selbst nicht."
"Lily bitte..."
"Wir sind ab heute geschiedene Leute!" Wie ein eisiger Blitz schlug dieser Satz mitten in James Herz und sprengte es in tausend Stücke. Lily stand vor ihm, immer noch vollkommen aufgebracht, mit hochroten Wangen und vor Zorn blitzenden Augen und sah ihn an, als wäre er der letzte Wurm auf Erden und wahrscheinlich war er das für sie ja auch.
"Ich würde dich am liebsten nie wieder sehen!", setzte sich nach und drehte so das Messer, das sie ihm ins Herz gerammt hatte, noch einmal in der Wunde um. "Und wenn ich euch noch einmal dabei sehe, wie ihr hinter Severus herschleicht oder wieder was gegen ihn im Schilde führt, werde ich es Dumbledore sagen!" Mit einem letzten Blick auf die beiden niedergeschlagenen Freunde ging sie auf die Tür des Raumes zu. Die ersten Tränen flossen über ihre Wangen, doch die beiden sahen es nicht, da sie ihnen den Rücken zugedreht hatte.
"Ich werde Severus nichts sagen, es ist besser, wenn er nicht weiß, daß er schon seit Monaten das Ziel eurer Intrigen ist", sagte sie leise, bevor sie die Tür hinter sich schloß. Den ganzen Weg zurück zum Turm der Gryffindors rannte sie fast blind vor Tränen und rempelte ein gutes Dutzend Schüler an, die ihr verwirrt nachsahen. Noch immer konnte sie es nicht fassen und es tat ihr körperlich weh, daß James ihre Gefühle so verraten und mit Füßen getreten hatte, nur weil er seine irrationale Eifersucht nicht im Griff hatte. Sie passierte das Portraitloch, rannte durch den Gemeinschaftsraum und die Treppen hinauf in den Schlafsaal, wo sie die Tür hinter sich zuschlug und für den Rest des Tages nicht mehr gesehen wurde.
In dieser Nacht weinte Lily so viel wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Doch sie hatte auch noch nie zuvor einen Freund auf solch eine Weise verloren.

Zwar erfuhr Severus nie, was außer seiner Auseinandersetzung mit Lucius an jenem Tag noch passiert war, aber es war nicht schwer zu bemerken, dass gravierende Veränderungen stattgefunden hatten. Lily sprach kein einziges Wort mehr mit James oder einem seiner Freunde und saß sogar während der Mahlzeiten abseits von den meisten Gryffindors.
Severus hätte lügen müssen, wenn er gesagt hätte, daß er traurig darüber war, aber ganz in seinem Inneren gefiel ihm die Situation, wie sie im Moment war, auch nicht. Lily sah von Tag zu Tag schlechter und trauriger aus. Sie wurde immer blasser und auch dünner, weil sie kaum noch richtig aß, sondern meistens nur so lange in ihrem Essen rumrührte bis es alles ein matschiger Brei war.
Wenn er sie darauf ansprach, sagte sie nichts weiter, als daß es ihr nicht gut ginge und so blieb Severus nichts weiter übrig, als sich weiter für sich Sorgen um sie zu machen.
Erst als es langsam auf die Sommerferien und somit auf die Abschlußprüfungen zuging, sah Lily langsam wieder besser aus. Sie hatte endlich etwas anderes, worauf sie sich den ganzen Tag über konzentrieren konnte und so vergaß sie manchmal für einige Stunden den Streit im Westturm.
Sie lernte immer noch täglich mit Severus für Zaubertränke und auch, wenn sie noch immer auf seine Unterstützung und Erklärungen angewiesen war, hatte sie doch endlich keine Angst mehr vor diesem Fach.
"Sag mal, Sev, was wirst du in den Sommerferien machen?", fragte sie eines Abends in der Bibliothek. Severus hob die Schultern.
"Ich hab keine Ahnung. Vermutlich wieder viel lesen, wie immer."
Lily lächelte. "Aber nicht wieder diese düsteren Fluchbücher, okay? Sonst muß ich mir doch noch Sorgen um dich machen."
Severus horchte nervös auf. Wußte sie etwas davon, daß er Lucius verflucht hatte oder warum spielte sie so darauf an? Er wußte, die anderen Slytherins würden so etwas nie ausplaudern und Lucius würde der stillste von allen sein, schließlich war es ein Erstklässler, der ihn so auf den Boden geschickt hatte. Wahrscheinlich bildete er sich nur etwas ein und es war wirklich nur ein harmloser Kommentar gewesen.
"Ich werde es versuchen", antwortete er lächelnd.
"Wir werden uns wohl kaum sehen können oder?"
Severus hatte ein Gefühl, als würde ihm ein riesiger Stein in den Magen fallen, als er Lilys traurige Stimme hörte und genau wußte, daß sie vermutlich sehr einsam sein würde. Ihre Eltern würden sich zweifellos über ihre Rückkehr freuen, aber Petunia... Er sah sie an.
"Ich befürchte nein. - Aber ich werde versuchen, ob meine Eltern mir erlauben, dich zu besuchen, okay?" Lily strahlte.
"Das wäre wunderbar. Meine Eltern hätten garantiert nichts dagegen." Auch Severus lächelte, doch er fürchtete, daß er Lily würde enttäuschen müssen. Was sollte er seinen Eltern erzählen? Lily war von Geburt her ein Muggel, sie würden ihm nie erlauben, auch nur eine Stunde im Haus von Muggeln zu verbringen. Er würde sich eine verdammt gute Geschichte einfallen lassen müssen.
"Oh, das wird Klasse. Ich zeige dir dann alles, was du über Muggel wissen willst. Du wirst sehen, sie sind auch für Zauberer sehr faszinierend! Und meine Eltern wären wahrscheinlich total begeistert, einen Jungen kennen zu lernen, der schon als Zauberer aufgewachsen ist. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das ist, als Zauberer unter Muggeln zu leben, ohne dabei aufzufallen..." Severus hörte ihr dabei zu, wie sie redete und Pläne schmiedete, war aber unterdessen mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Denn je länger er darüber nachdachte, desto mehr wollte er in den Ferien zu ihr kommen und desto unwahrscheinlicher erschien es ihm, daß die Sache durchführbar war.

Bei der großen Abschlußfeier vor den Sommerferien wurde Slytherin der Hauspokal verliehen. Da sie ebenfalls die Meisterschaft im Quidditch gewonnen hatten, war die Stimmung an diesem Abend ein wenig gedrückt, denn die anderen drei Häuser von Hogwarts hätten es lieber gesehen, wenn die Preise an ein anderes Haus gegangen wären.
Die meisten Schüler freuten sich aber so auf die großen Ferien, die nun vor ihnen lagen, daß der Pokal im weiteren Verlauf des Abends schnell vergessen war. Nur bei einigen wenigen Schülern, war die düstere Miene geblieben, allen voran bei Severus, der das Pech hatte, an diesem Abend Lucius genau gegenüber zu sitzen. Dieser hatte sich inzwischen wieder ein wenig von seinem Schock erholt und war fast schon wieder der Alte gegenüber Severus.
"Die nächsten zwei Monate sind deine Gelegenheit, endlich deine Prioritäten zu klären", grinste er ihm zwischen zwei Gabeln voll Hühnchen zu. "Vielleicht hilft es ja, wenn du sie nicht siehst und du kommst dann wieder zur Vernunft."
"Ich dachte, wir hätten geklärt, daß du dich aus dieser Sache raushältst, Lucius. Es geht dich nichts an und wird dich auch sicher nie etwas angehen, wie Lily und ich zueinander stehen. Sieh es endlich ein!"
Lucius lachte, aber seine Augen blieben eiskalt. "Ich glaube, du verstehst mich ein bisschen falsch, Severus. Wenn du nicht selbst damit aufhörst, einem Schlammblut hinterher zu laufen, werden deine Eltern dir dabei helfen und das wird sicherlich unangenehm für dich werden. Ich will doch nur dein bestes."
"Sicher!", gab Severus tonlos zurück. Ganz unrecht hatte er ja nicht, was seine Eltern betraf. Und vielleicht sollte er wirklich während der nächsten zwei Monate seine Prioritäten klären.
Severus spürte, daß es bald schon zu einer wichtigen Entscheidung kommen würde, die sein Leben grundlegend verändern sollte. Vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber sicherlich war sie auch nicht mehr allzu weit entfernt.
Er seufzte. Warum mußte ihm das passieren? Hatte er nicht einfach so werden können, wie seine Eltern es wollten? Er hatte schließlich die besten Voraussetzungen dafür. Eine lieblose von Drill geprägte Erziehung, in der ihm eingeschärft worden war, daß Muggel schlecht und Zauberer aus Muggelfamilien minderwertig waren. Und hier in Hogwarts das Haus Slytherin, das hinter den dicken Kerkermauern im Gemeinschaftsraum die selben Werte vermittelte wie seine Eltern zu Hause.
Und doch, er war nicht so geworden. Er hatte sich im letzten Jahr mehr verändert, als seine Eltern und Slytherin es jemals in seinem ganzen Leben schaffen würden. Durch eine glückliche Fügung hatte das Schicksal ihm eine Chance gegeben, etwas Besseres zu werden, als alle, die sein Leben bisher geprägt hatten.
Severus lächelte still in sich hinein. Prioritäten klären... ja, das würde er wohl tun.

James am Tisch der Gryffindors aß kaum etwas. Er starrte auf seinen goldenen Teller, der mit den köstlichsten Speisen gefüllt war, die man sich vorstellen konnte und doch hatte er keine Lust etwas zu essen. Die letzten fünf Monate, in denen Lily nicht mit ihm gesprochen hatte, waren die schlimmsten seines Lebens gewesen und er konnte nichts dagegen tun. Er konnte Sirius die Ohren voll jammern, was er auch ausgiebig tat, aber das brachte ihn nicht weiter. Er trat auf der Stelle. Aber er war selbst Schuld am momentanen Zustand und nur Lily konnte etwas ändern. Nur sie konnte verzeihen und wieder auf ihn zugehen, aber sie war wohl doch zu gekränkt, als daß sie das tun würde... Er blickte zu ihr hinüber.
Lily schien nicht so niedergeschlagen über die momentane Situation zu sein, wie er, aber warum sollte sie auch? Sie unterhielt sich angeregt mit einer Gryffindor aus der fünften Klasse. Es war schon sehr lange her, daß er sie hatte lächeln sehen und es war immer noch der schönste Anblick, den er sich vorstellen konnte. Wenn sie doch nur endlich wieder für ihn lächeln würde.
Lily sah, das James sie ansah, doch sie erwiderte den Blick nicht. Es gab keinen Grund dafür, schließlich hatte sich der Sturkopf immer noch nicht für seine Blödheit entschuldigt und so lange würde auch sie nicht nachgeben.
Obwohl sie immer gedacht hatte, mit James und seinen Freunden gar nicht so viel zu tun gehabt zu haben, vermißte sie es doch sehr, wieder ganz normal mit allen reden zu können wie am Anfang des Schuljahres. Irgendwie fühlte sie sich von ganz Gryffindor ein wenig ausgegrenzt, auch wenn das natürlich nicht so war. Die meisten behandelten sie immer noch ganz normal, nur die Minderheit wollte mit ihr nichts mehr zu tun haben.
Lily fragte sich, ob sich dieser Haß zwischen den Häusern irgendwann einmal geben würde. Schließlich hatte jedes Haus in Hogwarts Schüler, die man mehr oder weniger mochte und es war auch nie ein Thema, wenn man mit ihnen Zeit verbrachte, es sei denn, es handelte sich um Slytherin. Das war doch ein Fehler im System.
Sie hatte immer gedacht, daß sie in dieser neuen Welt, deren Tore sich vor einem knappen Jahr für sie geöffnet hatten, nie auf solch triviale Probleme stoßen würde. Sie hatte immer geglaubt, daß es ein reines Problem der Muggel war, daß sie sich immer alles neideten und mißgönnten. Sie mußte zugeben, sie war maßlos enttäuscht.

Am nächsten Tag im Hogwarts-Express...

"Ich werde dir auf jeden Fall wieder jeden Tag schreiben. Goliath ist zwar immer noch beleidigt, weil er in den Weihnachtsferien fliegen mußte, wie ein Weltmeister, aber er wird es schon überleben." Lily kraulte Goliath, der bei seinem Namen aufgewacht und Severus einen düsteren Blick zuwarf. Lily lachte.
"Ich glaube, er denkt da etwas anders, Sev." Goliath gurrte zufrieden und schmiegte sich enger an ihre Hand. "Aber vielleicht löst sich das Problem ja auch. Meine Eltern wollen mir eine Eule kaufen. Dann können die beiden sich ja abwechseln. - Außerdem besteht ja immer noch die Möglichkeit, daß wir uns sehen, nicht wahr?"
Severus' Augen verloren für einen kurzen Moment ihren Glanz. Oh ja, da bestand ja immer noch ein gewisses Problem, das sich noch nicht erledigt hatte. Doch entgegen seiner Überzeugung nickte er zustimmend.
"Du darfst aber nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappen sollte", setzte er dann aber doch nach. "Meine Eltern sind da ein wenig eigen, weißt du. Es könnte gut sein, daß sie damit nicht einverstanden sind."
Lily machte eine wegwerfende Handbewegung und grub in der Tasche ihres Umhanges nach ein paar Silbersickeln. "Ach was, da mache ich mir keine Sorgen. Du wirst sie schon überzeugen können, wenn sie sich sträuben." Sie drehte sich zur Abteiltür um. "Ich hab Hunger, hoffentlich kommt bald die Hexe mit dem Süßigkeitenwagen." Jetzt merkte auch Severus, daß ihm der Magen knurrte. So ein kleiner Kürbiskuchen war wahrscheinlich keine schlechte Idee...

Der Zug näherte sich unaufhaltsam dem Bahnhof und so langsam wurde Severus immer elender zumute. Die ganze Zeit über hatte er den Gedanken verdrängt, daß er Lily für volle zwei Monate nicht mehr sehen würde. Doch jetzt, da bald London vor ihnen auftauchen würde, konnte er den Gedanken nicht länger verscheuchen. Zwei Monate waren so verdammt lang und er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie er die Zeit ohne sie aushalten sollte, wieder vollkommen allein in dem riesigen Haus seiner Eltern, während diese ihn nur beachteten, wenn sie ihm mal wieder ein paar neue Pläne für seine Zukunft präsentierten.
Sonst gab es dort nur noch Hauselfen und diese verängstigten Geschöpfe waren nun wirklich nicht das, was er sich unter einer gelungenen Gesellschaft vorstellte.
Schon vor einigen Minuten hatte Severus sich umgezogen und seine Schuluniform gegen völlig schwarze Kleidung eingetauscht. Lily erinnerte sich, daß er vor zehn Monaten, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, auch schon so ausgesehen hatte. Darum hatte er auch so blaß gewirkt.
"Es ist ein komisches Gefühl, nach so langer Zeit wieder hier zu sein", sagte sie als sie aus dem Zugfenster sah und die ersten Vororte von London am Fenster vorbeirauschten. "Ich glaube, ich werde mich ziemlich fremd fühlen. Ich bin schließlich nicht einmal mehr annähernd die selbe."
Severus stand auf und setzte sich direkt neben sie auf die entgegengesetzte Sitzbank. Er legte seinen Arm um sie und sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Da war wieder seine Wärme, und sein Geruch nach Zaubertrankzutaten und Kräutern, der immer an ihm haftete und den sie so mochte. Sie lächelte und sah weiter aus dem Fenster.
"Du wirst dich schnell wieder eingewöhnen. Und wenn Petunia dich wieder drangsalieren will, dann droh ihr doch einfach, daß du sie in eine riesige häßliche Kartoffel verwandelst, wenn sie nicht den Mund hält."
Lily kicherte. "Hoffentlich kriegt sie nicht raus, daß ich das gar nicht tun dürfte, sonst wäre der Spaß schnell vorbei."
"Wie sollte sie das rauskriegen? Sie interessiert sich doch für gar nichts, was mit der Zaubererwelt zu tun hat, also wird sie auch die Regeln nicht kennen." Die Häuser vor dem Fenster wurden immer höher und standen dichter zusammen, so langsam kamen sie dem Zentrum von London immer näher. Mit einem Seufzen stand Severus auf und hob Lilys und sein Handgepäck aus dem Gepäcknetz. Er stand einen Moment unschlüssig im Abteil herum, doch dann faßte er sich ein Herz und nahm Lily in den Arm. Sie erwiderte seine Umarmung und wieder spürte er, wie sein Herz einen riesigen Sprung machte.
"Ich verabschiede mich hier schon von dir, Lily. Ich möchte nicht, daß meine Eltern uns zusammen sehen, bevor ich mit ihnen gesprochen hab." Lily sah in fragend an.
"Das erkläre ich dir später, versprochen. Es ist einfach besser so, glaub mir." Lily nickte und unterdrückte die Tränen. Auch in Severus' Augen glitzerte es feucht als er sie losließ, noch einmal ansah und schließlich mit seinem Gepäck das Abteil verließ.

 

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