Geheimnisse

 

 

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Kapitel 7: Gute Nacht!


Allen Edlen gebiet´ ich Andacht,
Hohen und Niederen von Heimdalls Geschlecht;
Ich will Wallvaters Wirken künden,
Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.


Aus der Edda


Sirius wanderte durch den Wald. Das Mondlicht war hell und dank der Lampe konnte er die Karte lesen. Der Weg war nicht leicht und Sirius war froh um die Karte. Dabei hatte er gedacht, dass er in seiner Schulzeit das komplette Hogwarts-Gelände erforscht hatte. Vielleicht war er auch einmal mit Krone, Wurmschwanz und Moony an diesen Ort gelangt, nur war die Senke wohl damals nicht interessant genug gewesen? Sirius konnte sich nicht mehr erinnern. Er erinnerte sich viel lieber an die Abendteuer mit seinen Freunden. Wobei einer dieser Freunde sich später als Verräter herausgestellt hatte. Wurmschwanz war die Ratte unter ihnen, den Animagus-Magiern gewesen. Warum war Sirius nie aufgefallen, dass der kleine dickliche Peter unter ihnen das schwächste Bindeglied gewesen war? Krone war Harrys Vater gewesen, er konnte sich in einen stattlichen weißen Hirsch verwandeln, und Moony, ja, das war Remus in seiner Werwolfform. Gegenüber Tieren waren Werwölfe harmlos und so hatten Peter, James und Sirius gelernt sich in Tiere zu verwandeln. Animagi zu werden. In ihren Tiergestalten hatten sie das ganze Gelände unsicher gemacht und ließen so Remus für einige Zeit die Einsamkeit und Schmerzen der Verwandlung vergessen.
Sirius seufzte, wie gern wünschte er sich in diese unbeschwerte Zeit zurück. Obwohl, wenn er darüber nachdachte, so unbeschwert war die Zeit gar nicht gewesen! Da war immer noch Snape gewesen. Der erklärter Feind aller vier! Snape, der damals schon von den Dunklen Künsten fasziniert gewesen war.
Black schüttelte sich und gerade wegen diesem damaligen Schulfeind war er mitten im Wald unterwegs!
"Wie dumm bin ich eigentlich?" flüsterte Sirius und warf wieder einen Blick auf die Karte. Es konnte nicht mehr weit sein. Vorsichtig umrundete er eine alte Eiche und sah schon den halbverfaulten Stamm einer Fichte da liegen. Den Baum hatte es wohl vor vielen vielen Jahren umgeworfen. Schon hatten jüngere Bäume den freien Platz erobert, sie waren schon mehrere Meter hoch und ihr dichtes Blätterdach verdeckte fast vollständig den Himmel. Sirius legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Der Mond war von hier unten fast nicht mehr auszumachen. Er holte tief Luft, es roch nach Herbst obwohl noch keine bunten Blätter zu sehen waren. Aber in der Luft kündigten sich immer zuerst die Veränderungen an. Man konnte es förmlich riechen, bevor man es in der Erde spürte. Sirius wusste, dass Animagi-Zauberer ein besonderes Verhältnis zur Natur hatten, sie hatten eher ein Gefühl für Wetterumschwünge und spürten die Jahreszeiten, bevor sie sich sichtbar meldeten.

Sirius umrundete die jungen Bäume geschickt und sah schließlich die Senke. Vorsichtig tastete er sich an den Rand heran und sah mit großer Vorsicht auf den Boden. Niemand war zu sehen. Kein Tier und kein Mensch. Sirius ließ die angehaltene Luft entweichen. Die Wurzeln des umgestürzten Baumes gaben genug Schutz und so setzte sich Sirius in dessen Schatten. Er sah sich die Umgebung genau an. Es war ein verwunschener Ort. Kein Baum wuchs in der Senke, kein Strauch, hinter dem man sich verstecken konnte, und keine Wasserrinne die hindurchfloss. Warum hatte sich Snape ausgerechnet diesen Ort ausgesucht? Nachdenklich sah er wieder in den Himmel und fand dort überraschenderweise die Antwort. In der Senke versperrte kein Ast und kein Baum den Blick in den Himmel. Sirius konnte Sterne ausmachen und am Tag schien die Sonne bestimmt warm an diesen Ort. Mit einem dünnen Lächeln auf dem Gesicht holte er sich seine Lektüre hervor. Er hatte nicht vor völlig untätig hier zu sitzen. Die Lampe von Hagrid hängte er an eine Wurzel, die über seinen Kopf ragte und begann die gewaltige Göttersaga der alten Wikinger und Kelten zu lesen, die Edda. Die ersten Zeilen waren ihm so gewaltig vorgekommen, dass dieses Buch ihn in seinen Bann geschlagen hatte.
'James würde mich sicher auslachen wenn er mich so sähe', dachte Sirius mit einem Schmunzeln.
Bücher waren nie seine Leidenschaft gewesen, aber seit er Hagrids Nachlass las, begeisterte er sich immer mehr für das geschriebene Wort. Früher in der Schule waren Bücher ein notwendiges Übel gewesen, man lernte aus ihnen, brütete stundenlang über Erklärungen und Formeln. Nicht so bei Sirius, ihm schien immer alles Wissen förmlich zuzufliegen. Einmal gelesen oder gehört und er konnte es. James war mehr der Leser unter ihnen gewesen und Lupin. Peter konnte so viel lesen wie er gewollt hätte, doch so recht verstanden hatte er es nie. Ohne seine Freunde hätte er nicht einmal die Schule geschafft!
Selbst Madame Pince, die alte Bibliothekarin von Hogwarts war überrascht über sein plötzliches Interesse an Büchern gewesen. Doch zu gern half sie ihm auf der Suche nach bestimmten Büchern. Es brachte ihn innerlich irgendwie mehr ins Gleichgewicht, außerdem brachte es seine Gedanken in andere Bahnen. Der Schrecken Askabans war nicht mehr so präsent und auch die Hektik der Flucht verblasste zusehends.

Die Nacht schlich langsam dahin und Sirius sah ab und zu auf. Sah in die Senke oder warf einen skeptischen Blick auf den Rand. Ob sich irgendwelche Tiere dort aufhielten. Es wurde kühler und er wickelte sich in die mitgebrachte Decke ein. Seine Finger wurden klamm und jetzt verstand er warum Hagrid immer etwas heißen Tee dabei gehabt hatte. Als langsam der Morgen dämmerte machte sich Sirius auf den Weg zurück. Es war eine langweilige und ereignislose Nacht gewesen. Sah man von dem Eichhörnchen ab, das durch die Senke gehuscht war. Er schulterte die Decke und ging zurück nach Hogwarts. Etwas müde und erleichtert betrat der das Schloß, es war noch zu früh und so begegnete er keinem Schüler. Snape war nicht zurück gekehrt in dieser Nacht und Sirius wußte nicht ob darüber froh oder besorgt seinen sollte. In seinem Zimmer angekommen warf er die zusammengerollte Decke achtlos in eine Ecke und verstaute das Buch sorgfältig in einem alten Regal. Es war Hogsmeade-Wochenende und in zwei Stunden würde ein großer schwarzer zotteliger Hund Harry Potter und seine Freunde begleiten.

***



Der Hund wartete an den Toren von Hogwarts und die Schüler zeigten auf den Hund. Sie lachten und einige streichelten sogar über das struppige Fell. Einige ganz Mutige lockten das Tier mit einigen Leckerbissen. Doch als ein Junge mit wirrem schwarzen Haar und einer feinen Blitznarbe durch die Tore ging, waren alle Leckereien und Streicheleinheiten vergessen. Das Tier bellte und wedelte mit dem Schwanz. Wie ein junger Welpe tollte das große schwarze Tier um die Gruppe von Harry, Ron, Hermine und Ginny Weasley, Ron´s kleiner Schwester herum. Die Schüler lachten über die Späße des Hundes, der nach Ratten im Gebüsch jagte, eine fing er sogar und begann sie genüßlich vor aller Augen zu verspeisen.
Ron beugte sich zu dem Hund herunter und strich ihm über den Kopf, dabei flüstere er: "Sirius, das ist widerlich!"
Der Hund legte nur den Kopf schief und Ron schwor das Hunde lächeln konnten! Es war ein Tag voll Späße und Gelächter. Als es langsam spät wurde und die Kinder zurück ins Schloß wanderten, verließ der Hund sie an den Toren.
Einen sichtlich erschöpften aber zufriedenen Sirius fanden sie kurze Zeit später in einem der Innenhöfe. Da offiziell keiner wusste, dass Sirius ein Animagus war, hatte es den Anschein, dass der ehemalige Flüchtige den ganzen Tag im Schloß verbracht hatte. Der Tag ging hier genau so fröhlich weiter wie im Dorf. Ron tauschte mit Neville Longbottom Karten aus den Schokofröschen, die Sirius und Harry genüßlich aßen. Als es langsam dämmerte verschwanden die Schüler in die Große Halle. Sirius verabschiedete sich von seinem Patenkind und wünschte allen eine gute Nacht.

Kurz darauf verschwand er mit Thermoskanne, Decke, Laterne und Buch im Verbotenen Wald. Diesmal versuchte er den Weg ohne Karte zu finden. Er orientierte sich an Bäumen, kleinen Felsen, die aus dem Boden ragten und anderen Besonderheiten im Wald. Sein Orientierungssinn ließ ihn nicht im Stich, er fand die Senke mit dem umgestürzten Baum. Der Mond schien hell und der Wald lag ruhig und ausgestorben da. Langsam kamen Black Zweifel. Was würde er Snape sagen wenn er zurück kam? Einfach Hallo sagen? Wie sollte er sein Warten hier in der Senke erklären? Black setzte sich auf die Decke und schenkte sich einen warmen Tee ein. Darüber hatte er gestern Nacht gar nicht nachgedacht! Er drehte das Buch in den Händen und starrte vor sich in die Luft.
Der Mond ließ die Tautropfen in der Senke wie verstreute Edelsteine leuchten. Es war eine perfekte Illusion, Edelsteine oder Elfen, die an diesem Ort weilten. Die nur darauf warteten, eingesammelt oder gefangen zu werden. Eine vergängliche Illusion, die bereits nach einigen Minuten Morgensonne verschwinden würde.
Diese Nacht kam er nicht zum Lesen, sondern dachte über seine Situation nach. Der Tee in der Tasse wurde kalt und bald konnte man meinen, eine Statue säße unter dem verworrenen Wurzelwerk des umgestürzten Baumes. Der Tau setzte sich in dem langen, pechschwarzen Haar nieder, durchwob es mit silbernen Perlen.
Puff.
Sirius hob abrupt den Kopf und die Statue war verschwunden. Eine Gestalt war in der Senke aufgetaucht! Sie trug einen schwarzen Umhang und eine Maske. Sirius hielt den Atem an. Verdammt, unter dieser Maske sahen sie alle gleich aus! Beide starrten sich an und einer von ihnen hatte den anderen nicht hier erwartet. Der Mann in Schwarz hob die Hand und nahm die Maske vom Gesicht. Es war wirklich Snape, und ein sehr verblüfft dreinguckender Snape noch dazu. Dieser hatte sich jedoch schnell im Griff und die Verblüffung wich reiner Abscheu. Sirius stand langsam auf und ging auf ihn zu. Suchte nach Schwäche, nach einer Verletzung.
"Sieh da, der Hund hat seine Hundehütte verlassen", schnarrte Snape und es schwang so viel Verachtung in der Stimme, dass Sirius stehen blieb.
Er war zu verblüfft, um auf diesen Hohn zu reagieren.
Snape beließ es nicht dabei und setzte nach: "Was haben Sie erwartet? Dass ich mit einer Horde von Todessern zurückkehre um Hogwarts zu erobern?"
Sirius war sprachlos. Wie konnte dieser Bastard es wagen!?

Snape´s Lippen kräuselten sich zu seinem dünnen Lächeln. Er hatte gesiegt! Sirius Black stand da wie der größte Trottel, sprachlos, bewegungslos und ohne eine schnippische Rückantwort. Snape wollte gerade zum Todesstoß ausholen als Black sich umdrehte und auf die Wurzeln zu ging. Er nahm die Decke hoch, schüttete etwas Kaltes weg, hob die Laterne an und sah wieder zu Snape. Schien etwas erwidern zu wollen, überlegte es sich dann anders und ließ Snape einfach in der Senke stehen. Severus glaubte etwas wie "dann mach doch keinen Kram alleine" zu hören und lauschte wie Sirius zurück zum Schloß stapfte.
Stehen gelassen! Black hatte ihn einfach stehen gelassen! Kein Angriff, keine Androhung von Prügel!
"Severus Snape, es geschehen noch Zeichen und Wunder", murmelte er zu sich selber, ließ Black noch fünf Minuten Vorsprung und machte sich dann selber, langsamer, auf den Weg zum Schloß. Die Stunden waren ruhiger verlaufen und außer einer flammenden Rede und einem Überfall auf einen Muggel war nicht viel geschehen. Immerhin hatte der Muggel überraschenderweise überlebt!
Vor sich konnte er immer noch das Fluchen Sirius Blacks hören und es war reinste Musik in seinen Ohren. Es war eine Gute Nacht!

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